1074 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 11. 4. 2002

Bericht

des Finanzausschusses


über die Regierungsvorlage (1002 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat beschlossen und die BAO, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Finanzstrafgesetz, das Abgabenverwaltungs­organisationsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz – AbgRmRefG)

Das zweitinstanzliche Rechtsmittelverfahren für das vom Bund zu vollziehende Abgabenrecht und Finanzstrafrecht wird derzeit von den sieben Finanzlandesdirektionen wahrgenommen. Die Entscheidungen werden entweder in Senaten (weisungsfrei) oder durch Einzelbeamte (weisungsgebunden) getroffen (Zuordnung nur historisch erklärbar).

Ausgangslage für das Reformvorhaben sind:

      unterschiedliche Rechtsschutzstandards in Verwaltungsangelegenheiten im Inland;

      unabhängige Rechtsmittelbehörden in der Mehrzahl der EU-Staaten;

      das Regierungsübereinkommen, das die Reform des Rechtsmittelverfahrens vorsieht (ua. Verbesserung des Rechtsschutzes, verstärkte monokratische Entscheidungen);

      keine sachgerechte Differenzierung zwischen monokratischen Entscheidungen und Senatsentscheidungen.

Errichtung einer unabhängigen Verwaltungsbehörde für die gesamten zweitinstanzlichen Rechtsmittelverfahren (unabhängiger Finanzsenat mit Zuständigkeit für Berufungen in Abgabensachen, Beschwerden in Zollangelegenheiten und Rechtsmittel in Finanzstrafverfahren) mit folgenden Zielsetzungen:

      verstärkte Angleichung der Rechtschutzstandards an jene des unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) und der unabhängigen Verwaltungssenate der Länder (UVS),

         insbesondere:

      keine Mischverwendungen (Fach- und Rechtsmittelagenden) der Mitglieder des unabhängigen Finanzsenats zB § 3 Abs. 2 UBASG,

      dienst- und besoldungsrechtliche Regelungen, um die erforderliche Unabhängigkeit zu gewährleisten (insbesondere Enthebung durch Beschluss der Vollversammlung wie zB § 4 Abs. 3 UBASG, definitives, öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, wie zB § 13 UBASG, gesetzliche Sicherung der besoldungsrechtlichen Stellung der Mitglieder durch eigene Richtverwendungen wie zB beim unabhängigen Bundesasylsenat),

      verstärkte Angleichung der Rechtschutzstandards an die für civil rights maßgebenden Grundsätze des Art. 6 Abs. 1 MRK, obwohl nach herrschender Rechtsmeinung derzeit Abgabenangelegenheiten nicht als civil rights im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK qualifiziert werden,

      Erfüllung der Kriterien eines Gerichtes im Sinne des Art. 234 EGV (Vorabentscheidungen) bzw. im Sinne des Art. 47 Abs. 2 der (wenn auch rechtlich unverbindlichen) Charta der Grundrechte der Europäischen Union (wonach jede Person das Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird),

      Entlastung des VwGH und des VfGH,

      Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Sinne des Art. 126b Abs. 5 B-VG im abgabenbehördlichen Berufungsverfahren,

      keine (für Gerichtsverfahren typische) Zugangsbeschränkungen, wie insbesondere Gebührenpflicht, Kostenersatzregelungen für den Fall des „Nichtobsiegens“ oder anwaltlicher Vertretungszwang,

      Beibehaltung für das Verwaltungsverfahren typischer Rechtschutzinstrumente (zB Devolutions­antrag, Säumnisbeschwerde, VfGH-Beschwerde zur Anfechtung von Gesetzen und Verordnungen),

      Schaffung einer flexiblen Behördenorganisation und flexibler Abläufe, um unter Berücksichtigung der spezifischen Struktur des unabhängigen Finanzsenats den jeweiligen Erfordernissen einer effizienten und effektiven Verwaltungsführung entsprechen zu können.

      Zur Erledigung der Rechtsmittel 2. Instanz sind für den Geschäftsbereich Zoll (Bescheide der Zollämter) Berufungssenate in den Finanzlandesdirektionen und den Hauptzollämtern eingerichtet. Diese Berufungssenate enthalten bereits Elemente, die der Unabhängigkeit der Entscheidungen dienen. Dennoch gelten ebenfalls eine Reihe von in den anderen Geschäftsbereichen vorgebrachten Argumente zur Verbesserung der Ist-Situation, wie Effizienzsteigerung, Erhöhung der Rechtsschutzstandards, Erfüllung internationaler Rechtsschutzkriterien und die Verkürzung der Verfahrensdauer.

      Aus diesen und auch verwaltungsökonomischen Gründen sollte eine organisatorische Integration des gesamten zweitinstanzlichen Rechtsmittelwesens von Finanz- und Zollverwaltung erfolgen. Die entsprechenden geltenden Regelungen des Zollrechts-Durchführungsgesetzes werden so angepasst, dass einerseits der angestrebten organisatorischen Integration und weitestgehenden Verfahrensabstimmung zwischen den Geschäftsbereichen, andererseits den aus dem EG-Zollrecht und der speziellen Rechtsmaterie vorgegebenen Besonderheiten für die Abwicklung von Rechtsmittel entsprochen werden kann. Die vorgeschlagenen Änderungen des Zollrechts-Durchführungsgesetzes gliedern daher die derzeitigen Verfahrensabläufe im Geschäftsbereich Zoll, die sich in der Vergangenheit bewährt haben (kassatorische Entscheidungsmöglichkeiten, eigene Zollsenate wie bisher ohne Laienbeteiligung, die Entscheidung durch Senat oder Einzelbeamten, das kontradiktorische Verfahren) in die neue einheitliche Organisationsform ein.

Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. April 2002 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Rudolf Edlinger und Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Hermann Böhacker und Dipl.-Kfm. Dr. Günter Stummvoll mit Stimmenmehrheit angenommen.

Dem erwähnten Abänderungsantrag war folgende Begründung beigegeben:

„Zur Änderung des Titels, Wegfall der BFG-2002-Novelle:

Auf Grund der Verschiebung des In-Kraft-Tretens der Abgaben-Rechtsmittel-Reform ist eine Änderung des Bundesfinanzgesetzes 2002 nicht erforderlich.

Zu § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat:

Gegenüber der bisherigen Rechtslage sollen die Minderheitenrechte (Verwendung nichtdeutscher Amtssprachen im Rechtsmittelverfahren) nicht eingeschränkt werden.

Zu § 21 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat:

Für die Personalvertretung erscheint eine Übergangsregelung zweckmäßig.

Zu den §§ 22, 23 und 26 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat, § 323 Abs. 10 und 11 BAO, § 120 Abs. 1h und 1i Zollrechts-Durchführungsgesetz, § 90 Abs. 2 Z 21 Ausschreibungsgesetz 1989, Art. XII Abs. 13 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, § 265 Abs. 1b und 1c Finanzstrafgesetz, § 17a Abs. 6 Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz:

Auf Grund der Verschiebung der parlamentarischen Behandlung der Abgaben-Rechtsmittel-Reform erscheint es zweckmäßig, auch das In-Kraft-Treten der Reform zu verschieben. Im Hinblick auf die erforderlichen organisatorischen und dienstrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen soll das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz daher mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 04 03

                                      Ernst Fink                                                                      Dr. Kurt Heindl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann