1076 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 15. 4. 2002

Bericht

des Bautenausschusses


über den Antrag 628/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung einer Marchfeldschlösser Revitalisierungs- und Betriebsgesellschaft m.b.H. – Marchfeld­schlösser-Gesetz

Die Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 28. Februar 2002 im Nationalrat eingebracht.

Der Bautenausschuss hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 5. April 2002 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war die Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Mag. Reinhard Firlinger, Kurt Eder, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Andrea Wolfmayr, Dr. Robert Rada, Dr. Werner Fassl­abend, Detlev Neudeck sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein.

Die Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger, Kolleginnen und Kollegen brachten einen Abänderungsantrag ein, der wie folgt begründet war:

„Die historische Schlösserstraße:

Die so genannte ,Marchfelder Schlösserstraße‘ besteht aus den Schlössern SchloßHof, Niederweiden, Obersiebenbrunn, Eckartsau, Marchegg und Orth an der Donau. Eckartsau wurde berühmt, weil dort die Monarchie ihr Ende fand. Kunsthistorisch am herausragensten sind die drei Schlösser des Prinzen Eugen: SchloßHof, Niederweiden und Obersiebenbrunn.

Die Schlösser sind nicht nur erlesene Prunkbauten, sie sind auch eng verbunden mit der wechselhaften Geschichte der Region und mit berühmten Persönlichkeiten wie Prinz Eugen und Maria Theresia. Sie zeugen von der früheren Bedeutung des Marchfeldes als Zentrum höfischen Lebens, der Reiterei und von Jagden sowie als Drehscheibe zu den östlichen Nachbarländern. Gerade wegen seiner örtlichen Lage, die während der Zeit des Eisernen Vorhanges eine isolierte Grenzregion bedeutete, haben diese Schlösser in der jüngsten Vergangenheit einen ,Dornröschenschlaf‘ geführt. Teile der Anlagen sind vom Verfall bedroht.

Wegen der gemeinsamen Wurzeln lässt sich die Schlösserstraße grenzüberschreitend verlängern zu den südmährischen Schlössern der Familie Liechtenstein und nach Gödöllö, dem ungarischen Krönungsgeschenk an Kaiserin Elisabeth, das eines ihrer Lieblingsschlösser war.

Das Revitalisierungskonzept zur Erfüllung des kulturpolitischen Auftrages:

Die historische Bedeutung der Marchfeldschlösser und ihr Wert als Baujuwele machen sie zu einem wichtigen Teil des kulturellen Erbes Österreichs. Diese lange im Abseits gelegenen Schlösser wieder ins Zentrum des Geschehens zu rücken und in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, ist somit ein kulturpolitischer Auftrag.

Die Revitalisierungsbestrebungen des Bundes (Bundeshochbau) laufen bereits seit mehreren Jahren. Um die künftigen Investitionen des Bundes zu optimieren, wurde von Dr. Eva Häfele eine detaillierte Studie mit einem Stufenplan für die bundeseigenen Schlösser SchloßHof und Niederweiden erstellt, bei denen Handlungsbedarf, aber auch große Entwicklungschancen bestehen. Das gegenständliche Gesetzesvorhaben dient der Realisierung dieses Projekts. Die erläuternden Bemerkungen zum Gesetz beziehen sich daher vollinhaltlich auf die oa. Studie von Dr. Häfele.

Sowohl der Name der Gesellschaft, als auch ihr Sitz zeugen eindeutig davon, dass es sich bei der Gesellschaft um eine eigenständige Institution im Marchfeld handelt, wenngleich als Starthilfe die Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft und die Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft ihre umfangreichen Erfahrungen einbringen werden. Dies in der Überzeugung, dass ein wirtschaftliches Überleben der Gesellschaft den Aufbau mehrerer sich ergänzender Geschäftsfelder erfordert. Die diesbezügliche Möglichkeit ergibt sich gerade beim Initialprojekt auf ideale Weise durch das traditionelle Miteinander und Nebeneinander von Mensch, Tier und Natur: Bei SchloßHof ist integrierender Bestandteil der großzügigen Schlossanlage der Park, Stallungen, Reithallen und eine Ökonomie; Niederweiden war ausschließlich ein Jagdschloss.

Das Gesetzvorhaben ist offen für die Erweiterung des Projektes und ermöglicht künftige Beteiligungen, insbesondere von lokalen Gebietskörperschaften und durch Einbeziehung weiterer Marchfeldschlösser.

Für die Revitalisierung und die Steigerung der Attraktivität der Anlagen sind Startinvestitionen erforderlich, die auch durch einen erfolgreichen Betrieb nie zurückfließen können. Im Sinne des kulturpolitischen Auftrages trägt der Bund diese Kosten im Rahmen zu vereinbarender Investitionspläne. Private Spendengelder, Subventionen und/oder künftige Beteiligungen lokaler Gebietskörperschaften sind jedoch erwünscht.

Das Initialprojekt SchloßHof und Niederweiden:

SchloßHof war ursprünglich ein wehrhaftes Kastell. 1725 wurde es von Prinz Eugen erworben. Dieser ließ von Lukas von Hildebrandt ein Schloss in barocker Pracht erbauen. Unter Maria Theresia wurde das Schloss aufgestockt. Das Schloss wurde von Hildebrandt, der auch den Garten entwarf, als Gesamtkunstwerk geschaffen, auf fünf Terrassen, die zur March abfallen. Zur Gesamtanlage gehörte eine Ökonomie, seinerzeit ein Mustergut, um bei Anwesenheit den Hof zu versorgen bzw. die höfischen Jagden zu betreiben. Auch die Ökonomie ist ein weitläufiger Komplex, ein Wirtschaftshof mit allen erforderlichen Nebengebäuden, der aber mit seinen Glashäusern, Gärten und Springbrunnen durchaus selbst schlossähnlichen Charakter aufwies. Allerdings ist die einstige Pracht der Gesamtanlage von SchloßHof heute nicht einmal mehr zu erahnen. Der Park, der einst als einer der schönsten Europas galt, muss derzeit weitgehend aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt werden.

Schloss Niederweiden wurde Ende des 17. Jahrhunderts von Johann Bernhard Fischer von Erlach errichtet. Spätestens seit 1726, als es ebenfalls von Prinz Eugen erworben wurde, muss es als eine Einheit mit SchloßHof angesehen werden, nicht nur wegen seiner räumlichen Nähe. Niederweiden war nie bewohnt, es diente nur zu Festlichkeiten und als Stützpunkt während der Jagden. Das Schloss besteht aus verschiedenen getrennten Gebäuden, so zB der Wild- und Jagdküche.

Um Schlösser, Park und Ökonomie wieder in Glanz erstrahlen zu lassen und neu zu beleben, war und ist es erforderlich, einerseits das Areal, das durch Zuordnung an verschiedene Verwaltungszweige sowie durch Ausgliederungen bzw. Veräußerungen bereits zerstückelt wurde, wieder zusammenzuführen und andererseits Mobiliar, das derzeit zu Ausstattungszwecken auch an Botschaften im Ausland verliehen ist bzw. Bilder, die im Depot des Kunsthistorischen Museums lagern, wieder zurückzuholen. Die für die Ausstattung erforderlichen bundeseigenen Einrichtungsgegenstände (einschließlich Bilder) werden der Gesellschaft vom Bund unenteltlich durch Leihverträge zur Verfügung gestellt.

Die Ermessensbestimmungen des § 5 Abs. 2 ermöglicht die Wiedervereinigung des Eigentums am Areal. Tatsächlich sind die Liegenschaften jedoch nur nach Zweckmäßigkeit zu erwerben. Insbesondere mit der Österreichischen Bundesforste AG (ÖBF) ist eine Kooperation beabsichtigt, wonach Schloss Eckartsau in das Marketingkonzept eingebunden wird und dafür die Fruchtgenussliegenschaften der ÖBF, die für das Projekt erforderlich sind, durch Vertrag unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Der Tradition, dem Ambiente und der geografischen Lage entsprechend soll ein Schlössererlebnis entstehen, das sich an mehrere Zielgruppen wendet: an Kulturtouristen, Familien, Schüler, Veranstaltungsorganisatoren und Reiter. Schloss Niederweiden soll hiezu – neben seiner Bedeutung als exklusiver Veranstaltungsort – der Ausgangspunkt durch Einrichtung eines modernen Besucherinformationszentrums sein. Zwischen den beiden Schlössern soll eine Erlebnisachse entstehen, auch mit Kutschen- (Schlitten-) und Reitverbindungen. Edukativ wertvoll und erlebnisreich gestaltet, soll Unterricht an Ort und Stelle möglich werden durch ein plastisches Näherbringen der Vergangenheit samt der dazugehörigen ,Thierwelt‘, insbesondere der Region. Für die kulturell Interessierten wird es Erlebnistourismus geben, spannend, fantasievoll und kindgerecht. Dargestellt werden kann der Alltag des Lebens im Schloss, der Blick hinter die Kulissen auf die Infrastruktur des Schlosses und kuriose Gebäudeteile. Daneben kann es Spezialführungen zu bestimmten historischen und kulturellen Schwerpunktthemen geben und Anekdoten aus der Geschichte der Schlösser. Die Gesamtanlage beinhaltet nutzbar gemachte, als barocke Parkanlage gestaltete und als Wald naturbelassene Flächen. Diese Natur- und Kulturlandschaft soll wieder mit menschlichem und tierischem Leben erfüllt werden. Die Ökonomie kann als Mustergut wieder erstehen. Weiters kann die Haltung traditioneller Haus- und Wildtiere der Fürstenhöfe gezeigt werden (zB Pferde, Hunde und Greifvögel). Im südlichen zirka 10 ha großen Areal sollen standorttypische Wildtiere gehalten werden, die früher in diesen Bereichen gelebt haben und gejagt wurden. Zu erwähnen sind Elche, Rotwild, Luchse, Wisente, Bären und Wölfe. Ins Auge gefasst werden kann auch die erlebnisreich gestaltbare Präsentation von Fledermausverwandtschaft, Reptilien und Amphibien. Der gesamte ,tiergärtnerische Bereich‘ hat, selbstverständlich unter Wahrung der denkmalgeschützten Objekte, auch den EU-Richtlinien zu entsprechen, die mit April 2002 umgesetzt werden müssen.

Allein in das Initialprojekt SchloßHof und Niederweiden hat also solche Ausmaße, dass es nur schrittweise zur vollen Entfaltung gebracht werden kann. Für die derzeit vorgesehene Revitalisierung sind über 22 Millionen Euro erforderlich. Die Startinvestitionen des Bundes (1. Bauabschnitt bis einschließlich 2003) werden aus der Hochbauoffensive für historische Bauten gemäß Ministerratsbeschluss vom 4. September 2001 finanziert. Für die weiteren Bauabschnitte muss in den Budgets der Folgejahre Vorsorge getroffen werden. Seitens des Landes Niederösterreich wurde ebenfalls bereits Bereitschaft zu Investitionszuschüssen signalisiert. Zusätzlich zu den baulichen Investitionen muss auch die Finanzierung der operativen Tätigkeit in den ersten Jahren durch den Bund gesichert sein (derzeit prognostizierter Bedarf 3,5 Millionen Euro). Es bedarf einer Anlaufzeit, das Projekt zu entwickeln und am Markt zu positionieren, zumal in einer Region mit infrastrukturellem Aufholbedarf, wo auch eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel so gut wie nicht vorhanden ist.

Die Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft und die Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft steuern zu diesem anspruchvollen Projekt den wissenschaftlichen Hintergrund und langjährige Erfahrung in den Bereichen Logistik, Betrieb, Ausstattung, Einrichtung von Museumsshops, Angebotsgestaltung und internationale Vermarktung bei.

Die Erfüllung einer Vision:

Bei Gelingen dieses Revitalisierungsprojektes ist in Zukunft an die Zusammenführung aller Marchfeldschlösser zu einem Angebotspaket gedacht. Es könnten dann verschiedene Routen mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten werden. Ziel wäre ein regionales Gesamterlebnis, kulturell, historisch und gastronomisch.

Schließlich soll das Projekt offene Grenzen haben und längerfristig durch Kooperationen eine historische und kulturelle Einheit aufzeigen, die über Jahrhunderte bestanden hatte.“

Bei der Abstimmung wurde der Antrag 628/A unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Bautenausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 04 05

           Dr. Andrea Wolfmayr    Mag. Walter Tancsits

    Berichterstatterin                Obmann