1165 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Nachdruck vom 11. 10. 2002

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 neu gestaltet wird (Strafprozess­reformgesetz)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. XX/XXXX, wird wie folgt geändert:

1. Die Hauptstücke I. bis XVI. (§§ 1 bis 219) werden aufgehoben. An ihre Stelle treten die folgenden Bestimmungen:

„1. Teil

Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens

1. Hauptstück

Das Strafverfahren und seine Grundsätze

Das Strafverfahren

§ 1. (1) Die Strafprozessordnung regelt das Verfahren über die Aufklärung von Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit zusammenhängende Entscheidungen. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist jede nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung.

(2) Das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermitteln oder Zwang gegen eine verdächtige Person ausüben. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.

(3) Im Strafverfahren gelten, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, die folgenden Grundsätze.

Amtswegigkeit

§ 2. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären.

(2) Im Hauptverfahren hat das Gericht die der Anklage zu Grunde liegende Tat und die Schuld des Angeklagten von Amts wegen aufzuklären.

Objektivität

§ 3. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben für die unvoreingenommene Aufklärung aller Tatsachen zu sorgen, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind, und belastende sowie entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt zu ermitteln.

(2) Alle Richter, Staatsanwälte und kriminalpolizeilichen Organe haben ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden.

Anklagegrundsatz

§ 4. (1) Die Anklage wegen einer Straftat, die von Amts wegen aufzuklären und zu verfolgen ist, obliegt der Staatsanwaltschaft. Sie hat die für die Entscheidung über das Einbringen der Anklage erforderlichen Anordnungen zu treffen und Anträge zu stellen. Gegen ihren Willen darf ein Strafverfahren nicht geführt werden. Die Rechte auf Privatanklage und auf Subsidiaranklage (§§ 71 und 72) bleiben unberührt.

(2) Einleitung und Durchführung eines Hauptverfahrens setzen eine rechtswirksame Anklage voraus; in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ist hiefür eine Ermächtigung (§ 92) erforderlich.

(3) Die Entscheidung des Gerichts hat die Anklage zu erledigen, darf sie jedoch nicht überschreiten. An eine rechtliche Beurteilung ist das Gericht nicht gebunden.

Gesetz- und Verhältnismäßigkeit

§ 5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich zulässig ist und zum Gewicht der Straftat, zum Grad des bestehenden Verdachts und zur Bedeutung der Rechtsgutbeeinträchtigung nicht außer Verhältnis steht.

(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, welche unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet sowie deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.

(3) Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung zu verleiten oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken, ist unzulässig.

Faires Verfahren – rechtliches Gehör

§ 6. (1) Der Beschuldigte hat Anspruch auf ein faires Verfahren und das Recht, am gesamten Verfahren mitzuwirken und in ihm Anträge zu stellen. Er hat das Recht, während der Hauptverhandlung anwesend zu sein.

(2) Jede am Verfahren beteiligte oder von der Ausübung von Zwangsmaßnahmen betroffene Person hat das Recht auf angemessenes rechtliches Gehör und auf Information über Anlass und Zweck der sie betreffenden Verfahrenshandlung sowie über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren.

Recht auf Verteidigung

§ 7. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, sich selbst zu verteidigen und in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen.

(2) Der Beschuldigte hat das Recht, die Aussage zu verweigern, und darf nicht durch Zwangsmittel, Drohungen, Versprechungen oder Vorspiegelungen dazu bewogen werden auszusagen.

Unschuldsvermutung

§ 8. Niemand darf der Begehung einer strafbaren Handlung schuldig angesehen werden, ohne dass seine Täterschaft und Schuld in einem Strafverfahren nachgewiesen und in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung festgestellt worden sind.

Beschleunigungsgebot

§ 9. (1) Jeder Beschuldigte hat Anspruch auf Beendigung des Verfahrens innerhalb angemessener Frist. Das Verfahren ist stets zügig und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen.

(2) Verfahren, in denen ein Beschuldigter in Haft gehalten wird, kommt Vorrang vor anderen Verfahren zu. Jeder verhaftete Beschuldigte hat Anspruch auf ehest mögliche Urteilsfällung oder Enthaftung während des Verfahrens. Alle im Strafverfahren tätigen Behörden, Einrichtungen und Personen sind verpflichtet, auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken.

Beteiligung der Geschädigten

§ 10. (1) Geschädigte sind nach Maßgabe der Bestimmungen des 4. Hauptstückes berechtigt, sich am Strafverfahren zu beteiligen.

(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind verpflichtet, auf die Rechte und Interessen Geschädigter angemessen Bedacht zu nehmen und alle Geschädigten über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren sowie über die Möglichkeit zu informieren, Entschädigungs- oder Hilfeleistungen zu erhalten.

(3) Bei der Beurteilung der Voraussetzungen eines Vorgehens nach dem 11. Hauptstück (Rücktritt von der Verfolgung – Diversion) haben Staatsanwaltschaft und Gericht stets die Interessen der Geschädigten zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern.

Geschworene und Schöffen

§ 11. (1) In den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen wirken Geschworene oder Schöffen an Hauptverhandlung und Urteilsfindung mit.

(2) Geschworene und Schöffen sind über ihre Aufgaben und Befugnisse sowie über den Ablauf des Verfahrens zu informieren.

Mündlichkeit und Öffentlichkeit

§ 12. Gerichtliche Verhandlungen im Haupt- und Rechtsmittelverfahren werden mündlich und öffentlich durchgeführt. Das Ermittlungsverfahren ist nicht öffentlich.

Unmittelbarkeit

§ 13. (1) Die Hauptverhandlung bildet den Schwerpunkt des Verfahrens. In ihr sind die Beweise aufzunehmen, auf Grund deren das Urteil zu fällen ist.

(2) Im Ermittlungsverfahren sind die Beweise aufzunehmen, die für die Entscheidung über die Erhebung der Anklage unerlässlich sind oder deren Aufnahme in der Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen voraussichtlich nicht möglich sein wird.

(3) Soweit ein Beweis unmittelbar aufgenommen werden kann, darf er nicht durch einen mittelbaren ersetzt werden. Der Inhalt von Akten und anderen Schriftstücken darf nur soweit als Beweis verwertet werden, als er in einer nach diesem Gesetz zulässigen Weise wiedergegeben wird.

Freie Beweiswürdigung

§ 14. Ob Tatsachen als erwiesen festzustellen sind, hat das Gericht auf Grund der Beweise nach freier Überzeugung zu entscheiden; im Zweifel stets zu Gunsten des Angeklagten oder sonst in seinen Rechten Betroffenen.

Vorfragen

§ 15. Vorfragen sind im Strafverfahren selbstständig zu beurteilen. Entscheidungen zuständiger Behörden können jedoch abgewartet werden, wenn sie in absehbarer Zeit zu erwarten sind. An die rechtsgestaltenden Wirkungen von Entscheidungen der Zivilgerichte und anderer Behörden sind die Strafgerichte jedoch gebunden.

Verbot der Verschlechterung

§ 16. Wenn ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf nur zu Gunsten des Beschuldigten erhoben wurde, darf der Beschuldigte durch den Inhalt einer darüber ergehenden gerichtlichen Entscheidung nicht schlechter gestellt werden, als wenn das Rechtsmittel oder der Rechtsbehelf nicht eingebracht worden wäre.

Verbot wiederholter Strafverfolgung

§ 17. (1) Nach rechtswirksamer Beendigung eines Strafverfahrens ist die neuerliche Verfolgung desselben Verdächtigen wegen derselben Tat unzulässig.

(2) Die Bestimmungen über die Fortsetzung, die Fortführung, die Wiederaufnahme und die Erneuerung des Strafverfahrens sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bleiben hiervon unberührt.

2. Hauptstück

Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht

1. Abschnitt

Kriminalpolizei

Kriminalpolizei

§ 18. (1) Kriminalpolizei besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG), insbesondere in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

(2) Kriminalpolizei obliegt den Sicherheitsbehörden, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten. Aufgaben und Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden in diesem Gesetz übertragen werden, stehen auch den ihnen beigegebenen, zugeteilten oder unterstellten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu.

(3) Soweit in diesem Gesetz der Begriff Kriminalpolizei verwendet wird, werden damit die Sicherheitsbehörden und -dienststellen sowie ihre Organe (Abs. 2) in Ausübung der Kriminalpolizei bezeichnet.

2. Abschnitt

Staatsanwaltschaftliche Behörden

Allgemeines

§ 19. (1) Staatsanwaltschaftliche Behörden sind

           1. die Staatsanwaltschaften am Sitz der Landesgerichte,

           2. die Oberstaatsanwaltschaften am Sitz der Oberlandesgerichte und

           3. die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof.

(2) Staatsanwaltschaftliche Behörden üben ihre Tätigkeit durch Staatsanwälte als Organe der Rechtspflege aus.

(3) Soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, richten sich Organisation und Aufgaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden nach den Vorschriften des Staatsanwaltschaftsgesetzes (StAG), BGBl. Nr. 164/1986.

Sachliche Zuständigkeit

§ 20. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden Straftat (§ 2 Abs. 1); ihr allein steht die Erhebung der öffentlichen Anklage zu. Sie entscheidet, ob gegen eine bestimmte Person Anklage einzubringen, von der Verfolgung zurückzutreten oder das Verfahren einzustellen ist.

(2) Die Vertretung der Anklage vor den Bezirksgerichten kann nach Maßgabe des Staatsanwaltschaftsgesetzes Bezirksanwälten übertragen werden, die unter Aufsicht und Leitung von Staatsanwälten stehen.

(3) Für Rechtshilfeersuchen ist die Staatsanwaltschaft zuständig, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird. Eine örtliche unzuständige Staatsanwaltschaft hat bei ihr einlangende Rechtshilfeersuchen an die zuständige weiterzuleiten.

§ 21. (1) Die Oberstaatsanwaltschaft wirkt an allen Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht mit und beteiligt sich an allen Verhandlungen vor diesem.

(2) Die Oberstaatsanwaltschaft führt die Aufsicht über die ihr unterstellten Staatsanwaltschaften und ist berechtigt, sich an jedem Verfahren in ihrem Zuständigkeitsbereich unmittelbar zu beteiligen. Im Einzelfall kann sie die Aufgaben und Befugnisse einer Staatsanwaltschaft übernehmen.

§ 22. Die Generalprokuratur wirkt an allen Strafverfahren des Obersten Gerichtshofs mit. Dabei schreitet sie nicht als Anklagebehörde ein; sie vertritt die Interessen des Staates in der Rechtspflege.

Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes

§ 23. (1) Die Generalprokuratur kann von Amts wegen oder im Auftrag des Bundesministers für Justiz gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichts Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes erheben, und zwar auch nach Rechtskraft der Entscheidung sowie dann, wenn ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf durch Beteiligte des Verfahrens nicht ergriffen wurde.

(2) Die Staatsanwaltschaften haben Fälle, in denen sie eine Beschwerde für erforderlich halten, den Oberstaatsanwaltschaften auch von Amts wegen vorzulegen; diese entscheiden, ob die Fälle an die Generalprokuratur weiter zu leiten sind. Im Übrigen ist jedermann berechtigt, die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen.

Stellungnahmen staatsanwaltschaftlicher Behörden

§ 24. Nimmt eine staatsanwaltschaftliche Behörde bei einem Rechtsmittelgericht zu einem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf Stellung, so hat das Gericht diese Stellungnahme dem gegnerischen Beteiligten zur Äußerung binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zuzustellen. Diese Zustellung kann unterbleiben, wenn die staatsanwaltschaftliche Behörde lediglich zu Gunsten dieses Beteiligten Stellung nimmt oder wenn dem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf zur Gänze Folge gegeben wird.

Örtliche Zuständigkeit

§ 25. (1) Für das Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft zuständig, in deren Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen.

(2) Wenn und solange eine Zuständigkeit nach Abs. 1 nicht festgestellt werden kann, hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu führen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, fehlt es an einem solchen Ort, die Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Beschuldigte betreten wurde.

(3) Die Staatsanwaltschaft, die zuerst von einer Straftat, die der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegt, Kenntnis erlangt, hat das Ermittlungsverfahren so lange zu führen, bis die Zuständigkeit einer anderen Staatsanwaltschaft nach Abs. 1 oder 2 festgestellt werden kann. Danach hat sie das Ermittlungsverfahren abzutreten und das im Verfahren tätige Gericht, die Kriminalpolizei, den Privatbeteiligten und den Beschuldigten zu verständigen.

(4) Ergibt sich keine Zuständigkeit nach den Abs. 1 bis 3, so hat die Generalprokuratur zu bestimmen, welche Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren zu führen hat.

(5) Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für das Hauptverfahren richtet sich nach der des Gerichts (§ 37).

Zusammenhang

§ 26. (1) Das Ermittlungsverfahren ist von derselben Staatsanwaltschaft gemeinsam zu führen, wenn ein Beschuldigter der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verdächtig ist oder mehrere Personen an derselben strafbaren Handlung beteiligt sind (§ 12 StGB). Gleiches gilt, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen, die sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, verdächtig sind.

(2) Bei der Bestimmung der Zuständigkeit nach Abs. 1 sind besondere Vorschriften anderer Gesetze zu beachten. Des Weiteren zieht die Staatsanwaltschaft, die für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich, im Übrigen entscheidet das Zuvorkommen.

Trennung von Verfahren

§ 27. Die Staatsanwaltschaft kann auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen anordnen, dass das Ermittlungsverfahren wegen einzelner strafbarer Handlungen oder gegen einzelne Beschuldigte getrennt zu führen ist, um Verzögerungen zu vermeiden oder die Haft eines Beschuldigten zu verkürzen.

Bestimmung der Zuständigkeit

§ 28. (1) Im Falle eines Zuständigkeitskonflikts bestimmt die Oberstaatsanwaltschaft die für das Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwaltschaft. Unterstehen die Staatsanwaltschaften verschiedenen Oberstaatsanwaltschaften, so kommt diese Befugnis der Generalprokuratur zu.

(2) Eine Entscheidung nach Abs. 1 kann auch der Beschuldigte beantragen, wenn ein Grund des § 39 Abs. 1 vorliegt.

3. Abschnitt

Gerichte

Allgemeines

§ 29. (1) Als Gerichte sind im Strafverfahren tätig:

           1. Bezirksgerichte im Hauptverfahren,

           2. Landesgerichte im Ermittlungsverfahren, im Hauptverfahren und im Rechtsmittelverfahren,

           3. Oberlandesgerichte und der Oberste Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sowie auf Grund besonderer Bestimmungen.

(2) Soweit sich die Zuständigkeit der Gerichte nach der Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe richtet, können die Beschränkung der Strafbemessung durch § 287 Abs. 1 letzter Satz StGB und die Möglichkeit einer Überschreitung des Höchstmaßes der Strafe nach den §§ 39 oder 313 StGB die sachliche Zuständigkeit ändern.

Das Bezirksgericht

§ 30. (1) Dem Bezirksgericht obliegt das Hauptverfahren wegen strafbarer Handlungen, die nur mit Geldstrafe oder mit Geldstrafe und einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder nur mit einer solchen Freiheitsstrafe bedroht sind, mit Ausnahme

           1. des Vergehens der Nötigung (§ 105 StGB),

           2. des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB),

           3. des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB),

           4. des Vergehens der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt (§ 181 StGB),

           5. des Vergehens des fahrlässigen umweltgefährdenden Behandelns von Abfällen (§ 181c StGB) und

           6. der strafbaren Handlungen, für die auf Grund besonderer Bestimmungen das Landesgericht zuständig ist.

(2) Das Bezirksgericht entscheidet durch Einzelrichter.

Das Landesgericht

§ 31. (1) Dem Landesgericht als Einzelrichter obliegt im Ermittlungsverfahren

           1. die Tatrekonstruktion sowie die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten (§ 104),

           2. die Entscheidung über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie über Anträge wegen anderer Zwangsmittel (§ 105),

           3. die Entscheidung über Einsprüche wegen behaupteter Verletzung eines subjektiven Rechts durch die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei (§§ 106 und 107),

           4. die Entscheidung über Anträge auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens (§ 108).

(2) Dem Landesgericht als Geschworenengericht obliegt das Hauptverfahren wegen

           1. strafbarer Handlungen, die mit lebenslanger oder mit einer Freiheitsstrafe bedroht sind, deren Untergrenze mindestens fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt,

           2. des Verbrechens der Überlieferung an eine ausländische Macht (§ 103 StGB),

           3. der Verbrechen des Hochverrats (§ 242 StGB) und der Vorbereitung des Hochverrats (§ 244 StGB),

           4. des Verbrechens oder Vergehens staatsfeindlicher Verbindungen (§ 246 StGB),

           5. des Vergehens der Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole (§ 248 StGB),

           6. der Verbrechen des Angriffs auf oberste Staatsorgane (§§ 249 bis 251 StGB),

           7. der Verbrechen und Vergehen des Landesverrats (§§ 252 bis 258 StGB),

           8. des Vergehens bewaffneter Verbindungen (§ 279 StGB),

           9. des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln (§ 280 StGB),

         10. der Verbrechen und Vergehen der Störung der Beziehungen zum Ausland (§§ 316 bis 320 StGB),

         11. des Vergehens der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und der Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen (§ 282 StGB) sowie des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB), wenn die Tat mit Beziehung auf eine der unter Z 2 bis 10 angeführten strafbaren Handlungen begangen worden ist, und

         12. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.

(3) Dem Landesgericht als Schöffengericht obliegt, soweit es nicht als Geschworenengericht zuständig ist, das Hauptverfahren wegen

           1. strafbarer Handlungen, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,

           2. der Verbrechen der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB), der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) und der Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB),

           3. der Verbrechen des räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB), der Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140 StGB) und des minderschweren Raubes (§ 142 Abs. 2 StGB),

           4. der Verbrechen und Vergehen der Vergewaltigung (§ 201 StGB), der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB), der Schändung (§ 205 StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB),

           5. des Vergehens des Landfriedensbruchs und des Verbrechens oder Vergehens des Landzwangs (§§ 274 und 275 StGB),

           6. des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 StGB) und

           7. des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 des Suchtmittelgesetzes,

           8. strafbarer Handlungen, für die es auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.

(4) Dem Landesgericht als Einzelrichter obliegt, soweit es nicht als Geschworenen- oder Schöffengericht zuständig ist, das Hauptverfahren wegen

           1. strafbarer Handlungen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind,

           2. der im § 30 Abs. 1 Z 1 bis 5 angeführten Vergehen,

           3. strafbarer Handlungen, für die der Einzelrichter des Landesgerichtes auf Grund besonderer Bestimmungen zuständig ist.

(5) Dem Landesgericht als Senat von drei Richtern obliegen

           1. die Entscheidung über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Urteile und Beschlüsse des Bezirksgerichts und

           2. die Entscheidungen nach § 32 Abs. 3 zweiter Satz.

Zusammensetzung des Landesgerichts als Geschworenen- und Schöffengericht

§ 32. (1) Das Landesgericht als Geschworenengericht setzt sich aus dem Schwurgerichtshof und der Geschworenenbank zusammen. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Richtern, die Geschworenenbank ist mit acht Geschworenen besetzt. Das Landesgericht als Schöffengericht besteht aus zwei Richtern und zwei Schöffen.

(2) Liegt dem Angeklagten eine strafbare Handlung nach den §§ 201 bis 207 StGB zur Last, so müssen dem Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes des Angeklagten sowie dem Geschworenengericht mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht mindestens ein Richter oder Schöffe des Geschlechtes jener Person angehören, die durch die Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte.

(3) Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet der Vorsitzende allein. Beschlüsse nach den §§ 260 Abs. 3, 352, 357, 410 Abs. 1 und § 495 haben hingegen anstelle des Geschworenengerichts der Schwurgerichtshof und anstelle des Schöffengerichts ein Senat von drei Richtern zu fassen.

(4) Die Geschworenen werden in dem vom Gesetz (XIX. Hauptstück) vorgesehenen Umfang tätig; die Schöffen üben in der Hauptverhandlung das Richteramt im vollen Umfang aus. Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind die für Richter geltenden Vorschriften auch auf Geschworene und Schöffen anzuwenden. Die Voraussetzungen und das Verfahren zur Berufung von Geschworenen und Schöffen sind im Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, BGBl. Nr. 256, geregelt.

Das Oberlandesgericht

§ 33. (1) Dem Oberlandesgericht obliegt die Entscheidung

           1. über Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Landesgerichts als Einzelrichter (§ 31 Abs. 1 und 4),

           2. über Berufungen gegen Urteile des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht,

           3. über Anträge auf Fortführung des Verfahren (§ 195),

           4. über den Einspruch gegen die Anklageschrift (§ 212),

           5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen (§§ 38 und 39) und

           6. in Fällen, in denen es auf Grund besonderer Vorschriften zuständig ist.

(2) Das Oberlandesgericht entscheidet durch einen Senat von drei Richtern.

Der Oberste Gerichtshof

§ 34. (1) Dem Obersten Gerichtshof obliegt die Entscheidung

           1. über Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabe der §§ 296, 344, 427 Abs. 3 letzter Satz mit ihnen verbundene Berufungen und über Einsprüche gegen Urteile des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht,

           2. über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes (§§ 23, 292), außerordentliche Wiederaufnahmen (§ 362) und Anträge auf Erneuerung des Verfahrens (§ 363a),

           3. über Beschwerden nach § 285b Abs. 2 und über Beschwerden wegen Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit nach dem Grundrechtsbeschwerde-Gesetz, BGBl. Nr. 864/1992,

           4. über Verweisungen (§ 334 Abs. 2),

           5. über Kompetenzkonflikte und Delegierungen (§§ 38 und 39) und

           6. in Fällen, in denen er auf Grund besonderer Vorschriften zuständig ist.

(2) Der Oberste Gerichtshof entscheidet durch einen Senat von fünf Richtern, in den Fällen das Abs. 1 Z 3 bis 5 jedoch durch einen Senat von drei Richtern. Im Übrigen bleiben die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968, unberührt.

Form gerichtlicher Entscheidungen

§ 35. (1) Mit Urteil entscheiden die Gerichte im Haupt- und Rechtsmittelverfahren über Schuld, Strafe und privatrechtliche Ansprüche, über die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, über selbstständige Anträge nach § 441, über die im § 445 genannten vermögensrechtlichen Anordnungen und über ihre Unzuständigkeit nach den §§ 261 und 488 Z 6. Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, sind Urteile nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu verkünden und auszufertigen.

(2) Im Übrigen entscheiden die Gerichte mit Beschluss (§ 86), soweit sie nicht bloß eine auf den Fortgang des Verfahrens oder die Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung gerichtete Verfügung erlassen.

Örtliche Zuständigkeit

§ 36. (1) Im Ermittlungsverfahren obliegen gerichtliche Entscheidungen und Beweisaufnahmen dem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren führt.

(2) Im Falle der Abtretung eines Verfahrens hat über offene Anträge, Einsprüche und Beschwerden das vor der Abtretung zuständige Gericht, über einen Antrag auf Fortführung (§ 195) das Oberlandesgericht zu entscheiden, in dessen Sprengel sich die Staatsanwaltschaft befindet, die das Verfahren eingestellt hat.

§ 37. (1) Für das Hauptverfahren ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen, fehlt es an einem solchen, der Ort, an dem der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, in Ermangelung eines solchen der Ort, an dem er betreten wurde. Kann auch dadurch eine örtliche Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist das Gericht zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, das die Anklage einbringt. Sonderzuständigkeiten bleiben unberührt.

(2) Im Falle gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Gleiches gilt, wenn mehrere Personen der Begehung strafbarer Handlungen verdächtig sind, die sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.

(3) Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich zieht. Im Übrigen kommt das Verfahren im Falle mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig.

(4) Sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, sind die Verfahren zu verbinden; die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich auch in diesem Fall nach den vorstehenden Absätzen.

(5) Ein Gericht bleibt auch dann für das Hauptverfahren örtlich zuständig, wenn es ein Verfahren gegen einen Angeklagten oder wegen einer Straftat ausscheidet, es sei denn, dass ein Gericht mit Sonderzuständigkeit ein Verfahren wegen einer allgemeinen strafbaren Handlung oder ein Landesgericht eine Strafsache ausscheidet, für deren Verhandlung und Entscheidung das Bezirksgericht zuständig ist.

(6) Wenn sich zum Zeitpunkt der Einbringung der Anklage ein Angeklagter in Untersuchungshaft befindet und die Verhandlung und Entscheidung der Strafsache dem Bezirksgericht zusteht, ist das Bezirksgericht örtlich zuständig, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die nach den §§ 25 bis 28 für das Ermittlungsverfahren zuständig war. Wird der Angeklagte nach diesem Zeitpunkt freigelassen, so ändert dies die Zuständigkeit nicht.

Kompetenzkonflikt

§ 38. Ein Gericht, das sich für unzuständig hält, hat bei ihm eingebrachte Anträge, Einsprüche und Beschwerden dem zuständigen zu überweisen; § 213 Abs. 6 bleibt unberührt. Bei Gefahr im Verzug hat jedes Gericht innerhalb seiner sachlichen Zuständigkeit vor der Überweisung unaufschiebbare Entscheidungen zu treffen und unaufschiebbare Beweisaufnahmen durchzuführen. Sofern auch das Gericht, dem überwiesen wird, seine Zuständigkeit bezweifelt, hat es die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken.

Delegierung

§ 39. (1) Im Haupt- und Rechtsmittelverfahren kann das Oberlandesgericht von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen eine Strafsache dem zuständigen Gericht abnehmen und innerhalb seines Sprengels einem anderen Gericht gleicher Ordnung delegieren. Ein solcher wichtiger Grund liegt auch dann vor, wenn das Verfahren erster Instanz gegen einen Richter desselben oder eines unterstellten Gerichts oder gegen einen Staatsanwalt einer Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel sich das zuständige Gericht befindet, zu führen ist. Über Delegierung an ein anderes Oberlandesgericht oder an ein Gericht im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts entscheidet der Oberste Gerichtshof.

(2) Ein Antrag auf Delegierung steht der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten zu; das Gericht kann sie anregen. Der Antrag ist bei dem Gericht einzubringen, das für das Verfahren zuständig ist, und hat eine Begründung zu enthalten.

Vorsitz und Abstimmung in den Senaten

§ 40. (1) Im Geschworenengericht, im Schöffengericht und in allen anderen Senaten führt ein Richter den Vorsitz. Der Vorsitzende hat Verhandlungen und Sitzungen sowie Beratungen und Abstimmungen zu leiten. Die Zahl der Senatsmitglieder darf weder größer noch kleiner sein als sie in den §§ 31 bis 34 festgesetzt ist.

(2) Jeder Abstimmung hat eine Beratung vorauszugehen. Sieht das Gesetz einen Berichterstatter vor, so stimmt dieser zuerst. Der Vorsitzende stimmt zuletzt. Die anderen Richter stimmen nach der Dienstzeit bei dem Gericht, das die Entscheidung trifft, bei gleicher Dienstzeit nach der für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebenden Dienstzeit, und zwar die älteren vor den jüngeren. Die Geschworenen und Schöffen geben ihre Stimme in alphabetischer Reihenfolge vor den Richtern ab.

(3) Eine Stimmenthaltung ist außer im Fall des § 42 Abs. 3 nicht zulässig.

§ 41. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, entscheidet das Gericht mit der Mehrheit der Stimmen. Bei Stimmengleichheit gilt die für den Beschuldigten günstigere Meinung.

(2) Ergibt sich keine Mehrheit, weil mehr als zwei Meinungen vertreten werden, so hat der Vorsitzende durch Teilung der Fragen und neuerliche Umfrage zu versuchen, eine Mehrheit zu erzielen. Wenn dies nicht gelingt, sind die für den Beschuldigten nachteiligeren Stimmen den jeweils günstigeren solange zuzuzählen, bis sich eine Mehrheit ergibt.

(3) Entstehen unterschiedliche Ansichten darüber, welche von zwei Meinungen für den Beschuldigten die günstigere ist, so ist zunächst darüber abzustimmen. Ergibt sich auch dabei keine Mehrheit, so gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

§ 42. (1) Über die Zuständigkeit des Gerichtes, über eine Ergänzung des Verfahrens und andere Vorfragen ist vor der Hauptsache abzustimmen.

(2) In der Hauptsache ist zunächst die Frage der Schuld und deren rechtliche Beurteilung zu entscheiden. Liegen dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last, so muss über jede Tat einzeln abgestimmt werden.

(3) Wer den Beschuldigten auch nur in einem Fall für nicht schuldig hält, kann sich bei der Beratung über die Strafe der Stimme enthalten. Diese ist der für den Beschuldigten jeweils günstigsten Meinung zuzuzählen.

4. Abschnitt

Ausschließung und Befangenheit

Ausgeschlossenheit von Richtern

§ 43. (1) Ein Richter ist vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn

           1. er selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) im Verfahren Staatsanwalt, Privatankläger, Privatbeteiligter, Beschuldigter, Verteidiger oder Vertreter ist oder war oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr besteht,

           2. er außerhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll oder

           3. andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

(2) Ein Richter ist außerdem vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er entweder im Ermittlungsverfahren tätig gewesen oder an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs aufgehoben wurde.

(3) Ein Richter eines Rechtsmittelgerichts ist überdies ausgeschlossen, wenn er selbst oder einer seiner Angehörigen im Verfahren als Richter der ersten Instanz, ein Richter der ersten Instanz, wenn er selbst oder sein Angehöriger als Richter eines übergeordneten Gerichts tätig gewesen ist.

(4) Ein Richter ist ebenso von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a) und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.

Anzeige der Ausgeschlossenheit und Antrag auf Ablehnung

§ 44. (1) Bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes hat sich ein Richter im Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit aller Handlungen zu enthalten. Unaufschiebbare Handlungen hat er jedoch vorzunehmen, es sei denn, dass er gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte; in diesem Fall hat er das Verfahren unverzüglich abzutreten.

(2) Ein Richter, dem ein Ausschließungsgrund bekannt wird, hat diesen sogleich dem Vorsteher oder Präsidenten des Gerichts, dem er angehört, der Vorsteher eines Bezirksgerichts und der Präsident eines Landesgerichts oder Oberlandesgerichts dem Präsidenten des jeweils übergeordneten Gerichts, der Präsident des Obersten Gerichtshofs dem Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs (§ 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof) anzuzeigen.

(3) Allen Beteiligten des Verfahrens steht der Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Ausschließung zu. Er ist bei dem Richter einzubringen, dem die Ausschließung gemäß Abs. 2 anzuzeigen wäre.

Entscheidung über Ausschließung

§ 45. (1) Über die Ausschließung hat der Richter zu entscheiden, dem sie nach § 44 Abs. 2 anzuzeigen ist. Über einen während einer Verhandlung im Haupt- oder Rechtsmittelverfahren gestellten Antrag auf Ablehnung eines Richters hat das erkennende Gericht zu entscheiden. Gleiches gilt, wenn der Antrag unmittelbar vor der Verhandlung gestellt wurde und eine rechtzeitige Entscheidung durch den Vorsteher oder Präsidenten nicht ohne ungebührliche Verzögerung der Verhandlung möglich ist. Eine Entscheidung in der Verhandlung kann längstens bis vor Beginn der Schlussvorträge aufgeschoben werden.

(2) Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn er von einer Person eingebracht wurde, der er nicht zusteht. Im Übrigen ist in der Sache zu entscheiden. Wird auf Ausschließung erkannt, so ist der Richter oder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache übertragen wird; der ausgeschlossene Richter hat sich von diesem Zeitpunkt an bei sonstiger Nichtigkeit der Ausübung seines Amtes zu enthalten.

(3) Gegen einen Beschluss nach Abs. 2 steht ein selbstständiges Rechtsmittel nicht zu.

Ausschließung von Geschworenen, Schöffen und Protokollführern

§ 46. Für die Ausschließung und Ablehnung von Geschworenen und Schöffen sind die Bestimmungen über Richter sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass über die Ablehnung der Vorsitzende des Geschworenen- oder Schöffengerichts zu entscheiden hat. Für Protokollführer gelten die Ausschließungsgründe des § 43 Abs. 1; über ihre Ablehnung entscheidet der Richter oder der Vorsitzende des jeweiligen Senates.

Befangenheit von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft

§ 47. (1) Jedes Organ der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft hat sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen,

           1. in Verfahren, in denen es selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) als Beschuldigter, als Privatankläger, als Privatbeteiligter oder als deren Vertreter am Verfahren beteiligt ist oder war oder durch die Straftat geschädigt worden sein könnte, wobei die durch Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn die Ehe nicht mehr besteht,

           2. in Verfahren, in denen es als Organ der Kriminalpolizei zuvor Richter oder Staatsanwalt, als Staatsanwalt zuvor Richter oder Organ der Kriminalpolizei gewesen ist,

           3. wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die Vertretung durch ein anderes Organ nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen, soweit es nicht gegen sich selbst oder gegen einen Angehörigen einzuschreiten hätte.

(3) Über die Befangenheit hat der Leiter der Behörde, der das Organ angehört, im Fall der Befangenheit des Leiters dieser Behörde der Leiter der im Instanzenzug übergeordneten Behörde im Dienstaufsichtsweg das Erforderliche zu veranlassen.

3. Hauptstück

Beschuldigter und Verteidiger

1. Abschnitt

Allgemeines

Definitionen

§ 48. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Beschuldigter“ jede Person, die auf Grund bestimmter Tatsachen der Begehung einer strafbaren Handlung konkret verdächtig ist, sobald gegen sie ermittelt oder Zwang ausgeübt wird,

           2. „Angeklagter“ jeder Beschuldigte, gegen den Anklage eingebracht worden ist,

           3. „Betroffener“ jede Person, die durch Anordnung oder Durchführung von Zwang in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt wird,

           4. „Verteidiger“ eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigte Person, die der Beschuldigte als Rechtsbeistand bevollmächtigt hat, und eine Person, die dem Beschuldigten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes als Rechtsbeistand bestellt wurde.

(2) Soweit die Bestimmungen dieses Gesetzes auf den Beschuldigten verweisen, sind sie, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, auch auf Angeklagte und auf Personen anzuwenden, gegen die ein Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGB geführt wird.

2. Abschnitt

Der Beschuldigte

Rechte des Beschuldigten

§ 49. Der Beschuldigte ist Beteiligter des Strafverfahrens und hat das Recht, sich zu verteidigen. Er hat insbesondere das Recht,

           1. vom Gegenstand des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren informiert zu werden (§ 50),

           2. einen Verteidiger zu wählen und gegebenenfalls einen Verfahrenshilfeverteidiger zu erhalten (§§ 58, 61 und 62),

           3. Akteneinsicht zu nehmen (§§ 51 bis 53),

           4. sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen sowie vor seiner Vernehmung mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit ihm zu besprechen (§§ 58, 59 und 164 Abs. 1),

           5. seiner Vernehmung eine Person seines Vertrauens beizuziehen (§ 164 Abs. 2),

           6. die Aufnahme von Beweisen zu beantragen (§ 55),

           7. wegen der Verletzung eines subjektiven Rechts Einspruch zu erheben (§ 106),

           8. gegen die gerichtliche Bewilligung von Zwangsmitteln Beschwerde zu erheben (§ 87),

           9. die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu beantragen (§ 108),

         10. an der Hauptverhandlung, an einer kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Mitbeschuldigten (§ 165 Abs. 2), an einer Befundaufnahme (§ 127 Abs. 2) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150) teilzunehmen,

         11. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe zu erheben,

         12. Übersetzungshilfe zu erhalten (§ 56).

Rechtsbelehrung

§ 50. Jeder Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft sobald wie möglich über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 49, 164 Abs. 1) zu informieren. Dies darf nur so lange unterbleiben, als besondere Umstände befürchten lassen, dass ansonsten der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

Akteneinsicht

§ 51. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, in die der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungs- und des Hauptverfahrens Einsicht zu nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist.

(2) Soweit die im § 162 angeführte Gefahr besteht, ist es zulässig, personenbezogene Daten und andere Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und Kopien auszufolgen, in denen diese Umstände unkenntlich gemacht wurden. Im Übrigen darf Akteneinsicht nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

(3) Einfache Auskünfte können auch mündlich erteilt werden. Hiefür gelten die Bestimmungen über Akteneinsicht sinngemäß.

§ 52. (1) Soweit dem Beschuldigten Akteneinsicht zusteht, sind ihm auf Antrag und gegen Gebühr Kopien (Ablichtungen oder andere Reproduktionen) des Akteninhalts auszufolgen oder herstellen zu lassen; dieses Recht bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen.

(2) In folgenden Fällen hat der Beschuldigte keine Gebühren nach Abs. 1 zu entrichten:

           1. wenn und so lange ihm Verfahrenshilfe bewilligt wurde,

           2. wenn er sich in Haft befindet bis zur ersten Haftverhandlung oder zur früher stattfindenden Hauptverhandlung hinsichtlich aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können,

           3. für Befunde und Gutachten von Sachverständigen, Behörden, Dienststellen und Anstalten.

(3) Dem Verfahrenshilfeverteidiger sind unverzüglich Kopien des Aktes von Amts wegen zuzustellen. Gleiches gilt für die Fälle des Abs. 2 Z 2 und 3. Der Verteidiger des in Haft befindlichen Beschuldigte kann beantragen, dass ihm Kopien der in Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge von Amts wegen übermittelt werden.

Verfahren bei Akteneinsicht

§ 53. (1) Einsicht in den jeweiligen Akt kann im Ermittlungsverfahren bei der Kriminalpolizei und bei der Staatsanwaltschaft begehrt werden, im Hauptverfahren bei Gericht.

(2) Soweit Akteneinsicht zusteht, ist sie grundsätzlich während der Amtsstunden in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen. Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann sie auch über Bildschirm oder im Wege automationsunterstützter Datenübertragung gewährt werden.

Verbot der Veröffentlichung

§ 54. Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, in einem Medienwerk oder sonst auf eine Weise zu veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.

Beweisanträge

§ 55. (1) Der Beschuldigte ist berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen. Im Antrag sind Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen. Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären.

(2) Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag des Beschuldigten nur unterbleiben, wenn

           1. das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist,

           2. das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine wesentliche Tatsache zu beweisen, oder

           3. das Beweisthema als erwiesen gelten kann.

(3) Im Ermittlungsverfahren kann die Aufnahme eines Beweises der Hauptverhandlung vorbehalten werden. Dies ist unzulässig, wenn das Ergebnis der Beweisaufnahme geeignet sein kann, den Tatverdacht zu beseitigen, oder die Gefahr des Verlustes des Beweises besteht.

(4) Die Kriminalpolizei hat im Ermittlungsverfahren einem an sie gerichteten Antrag zu entsprechen oder ihn mit Anlassbericht (§ 100 Abs. 2 Z 2) der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt.

Übersetzungshilfe

§ 56. (1) Ist ein Beschuldigter der Verfahrenssprache nicht hinreichend kundig, so ist ihm, nötigenfalls durch die Beistellung eines Dolmetschers, Übersetzungshilfe zu leisten, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte, erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, für Verhandlungen und dann, wenn der Beschuldigte für den Kontakt mit einem ihm beigegebenen Verteidiger oder anlässlich der Bekanntgabe eines Antrags oder einer Anordnung der Staatsanwaltschaft oder eines gerichtlichen Beschlusses oder – sofern er unvertreten ist – für die Akteneinsicht Übersetzungshilfe verlangt.

(2) Ist der Beschuldigte gehörlos oder stumm, so ist ein Dolmetscher für die Gebärdensprache beizuziehen, sofern sich der Beschuldigte in dieser verständigen kann. Andernfalls ist zu versuchen, mit dem Beschuldigten schriftlich oder auf andere geeignete Art, in der sich der Beschuldigte verständlich machen kann, zu verkehren.

3. Abschnitt

Der Verteidiger

Rechte des Verteidigers

§ 57. (1) Der Verteidiger steht dem Beschuldigten beratend und unterstützend zur Seite. Er ist berechtigt und verpflichtet, jedes Verteidigungsmittel zu gebrauchen und alles, was der Verteidigung des Beschuldigten dient, unumwunden vorzubringen, soweit dies dem Gesetz, seinem Auftrag und seinem Gewissen nicht widerspricht.

(2) Der Verteidiger übt, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Verfahrensrechte aus, die dem Beschuldigten zustehen. Der Beschuldigte kann aber immer selbst Erklärungen abgeben; im Fall einander widersprechender Erklärungen gilt seine. Ein Verzicht auf Rechtsmittel, den der Beschuldigte nicht im Beisein seines Verteidigers und nach Beratung mit diesem abgibt, ist jedoch ohne Wirkung.

Bevollmächtigung des Verteidigers

§ 58. (1) Der Beschuldigte hat das Recht, mit einem Verteidiger Kontakt aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm zu besprechen.

(2) Die Vollmacht des Verteidigers ist schriftlich oder, wenn der Beschuldigte anwesend ist, durch dessen mündliche Erklärung nachzuweisen. In Abwesenheit des Beschuldigten kann sich der Verteidiger auch auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen. Zur Vornahme einzelner Prozesshandlungen bedarf der Verteidiger keiner besonderen Vollmacht.

(3) Der Beschuldigte kann die Verteidigung vom gewählten Verteidiger jederzeit auf einen anderen übertragen, doch darf das Verfahren durch diesen Wechsel nicht unangemessen verzögert werden. Wenn der Beschuldigte mehrere Verteidiger bevollmächtigt, wird das Fragerecht und das Recht vorzutragen dadurch nicht erweitert. In diesem Fall gelten Zustellungen an ihn als bewirkt, sobald auch nur einem der Verteidiger zugestellt wurde.

(4) Für einen Minderjährigen und eine Person, der ein Sachwalter bestellt wurde, kann der gesetzliche Vertreter selbst gegen ihren Willen einen Verteidiger bevollmächtigen.

§ 59. (1) Dem festgenommenen Beschuldigten ist zu ermöglichen, Kontakt mit einem Verteidiger aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm vor seiner Vernehmung zu besprechen (§ 164 Abs. 1). In besonders begründeten Fällen kann dieser Kontakt vor Einlieferung des Beschuldigten in die Justizanstalt auf das für die Erteilung der Vollmacht und eine allgemeine Rechtsberatung erforderliche Ausmaß beschränkt werden.

(2) Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger verständigen, ohne dabei überwacht zu werden. Bis zur Erteilung der Vollmacht kann die Staatsanwaltschaft, vor Einlieferung des Beschuldigten in die Justizanstalt auch die Kriminalpolizei, die Überwachung des Kontakts mit dem Verteidiger anordnen. Danach ist dies nur zulässig, wenn der Beschuldigte auch wegen Verabredungs- oder Verdunkelungsgefahr angehalten wird und auf Grund besonderer, schwerwiegender Umstände zu befürchten ist, dass der Kontakt mit dem Verteidiger zu einer Beeinträchtigung von Beweismitteln führen könnte. Die Überwachung darf in jedem Fall nur mit Kenntnis des Beschuldigten und des Verteidigers erfolgen; nach Einbringen der Anklage gegen den Beschuldigten ist sie jedenfalls zu beenden.

Ausschluss des Verteidigers

§ 60. (1) Von der Verteidigung ausgeschlossen ist, gegen wen ein Verfahren wegen derselben strafbaren Handlung anhängig ist.

(2) Der Ausschluss von der Verteidigung ist vom Gericht mit Beschluss auszusprechen; zuvor hat es dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Im Ermittlungsverfahren ist auch die Kriminalpolizei vom Ausschluss zu verständigen. Im Übrigen ist § 236a anzuwenden; in den Fällen notwendiger Verteidigung ist nach § 61 Abs. 3 vorzugehen.

(3) Der Ausschluss ist aufzuheben, sobald seine Voraussetzungen weggefallen sind.

Beigebung eines Verteidigers

§ 61. (1) In folgenden Fällen muss der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein (notwendige Verteidigung):

           1. im gesamten Verfahren, wenn und solange er in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs. 4 in Strafhaft angehalten wird,

           2. im gesamten Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB (§§ 429 Abs. 2, 430 Abs. 3, 436, 439 Abs. 1),

           3. in der Hauptverhandlung zur Unterbringung in einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§ 439 Abs. 1),

           4. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht,

           5. in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Einzelrichter, wenn für die Straftat, außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 4 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist,

           6. im Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Berufung gegen ein Urteil des Schöffen- oder des Geschworenengerichts,

           7. bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über einen solchen (§§ 363a Abs. 2 und 363c).

(2) Ist der Beschuldigte außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil (§ 393 Abs. 1a) zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Die Beigebung eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:

           1. in den Fällen des Abs. 1,

           2. wenn der Beschuldigte blind, gehörlos, stumm, auf andere Weise behindert oder der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen,

           3. für das Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Anmeldung einer Berufung,

           4. bei schwieriger Sach- oder Rechtslage.

(3) In den Fällen des Abs. 1 sind der Beschuldigte und sein gesetzlicher Vertreter aufzufordern, einen Verteidiger zu bevollmächtigen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Abs. 2 zu beantragen. Bevollmächtigt weder der Beschuldigte noch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger, so hat ihm das Gericht von Amts wegen einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger), soweit nicht die Voraussetzungen des Abs. 2 erster Satz vorliegen.

(4) Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gilt, wenn das Gericht nicht im Einzelnen etwas anderes anordnet, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sowie für ein allfälliges Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde oder eines Antrages auf Erneuerung des Strafverfahrens.

Bestellung eines Verteidigers

§ 62. (1) Hat das Gericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach seinem Sitz zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person dieses Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteher des Gerichtes auch bei Gericht tätige, zum Richteramt befähigte Personen mit ihrer Zustimmung zu Verteidigern bestellen.

(3) Mehreren Beschuldigten kann ein gemeinsamer Verteidiger beigegeben und bestellt werden, es sei denn, dass ein Interessenskonflikt besteht oder einer der Beschuldigten oder der Verteidiger gesonderte Vertretung verlangt.

(4) Beigebung und Bestellung eines Verteidigers erlöschen jedenfalls mit dem Einschreiten eines bevollmächtigten Verteidigers (§ 58 Abs. 2).

Fristenlauf

§ 63. (1) Wird dem Beschuldigten innerhalb der für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozesshandlung offen stehenden Frist ein Verteidiger nach § 61 Abs. 2 oder 3 beigegeben oder hat der Beschuldigte vor Ablauf dieser Frist die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragt, so beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt neu zu laufen, ab welchem dem Verteidiger der Bescheid über seine Bestellung und das Aktenstück, das die Frist sonst in Lauf setzt, oder dem Beschuldigten der den Antrag abweisende Beschluss zugestellt wird.

(2) Wurde durch eine Zustellung an den Verteidiger eine Frist ausgelöst, so wird deren Lauf nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt wird. In diesem Fall hat der Verteidiger weiterhin die Interessen des Beschuldigten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt.

4. Abschnitt

Haftungsbeteiligte

Haftungsbeteiligte

§ 64. (1) Haftungsbeteiligte sind Personen, die für Geldstrafen, Geldbußen oder für die Kosten des Verfahrens haften, oder die, ohne selbst angeklagt zu sein, von der Abschöpfung der Bereicherung, vom Verfall oder von der Einziehung einer Sache bedroht sind. Sie haben in der Hauptverhandlung und im Rechtsmittelverfahren, soweit es sich um die Entscheidung über diese vermögensrechtlichen Anordnungen handelt, die Rechte des Angeklagten.

(2) Haftungsbeteiligte können ihre Sache selbst führen oder sich vertreten lassen (§ 73).

4. Hauptstück

Geschädigte und ihre Rechte

1. Abschnitt

Allgemeines

Definitionen

§ 65. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Geschädigter“

                a) jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene strafbare Handlung Qualen erlitten haben oder schwer am Körper verletzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte,

               b) der Ehegatte, die Eltern und die Kinder einer Person, deren Tod durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden sein könnte,

                c) jede andere Person, die durch eine strafbare Handlung einen Schaden erlitten haben und aus diesem Grund einen privatrechtlichen Anspruch geltend machen könnte,

           2. „Privatankläger“ jede Person, die eine Anklage oder einen anderen Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens wegen einer nicht von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung bei Gericht einbringt (§ 71),

           3. „Privatbeteiligter“ jeder Geschädigte, der sich dem Verfahren anschließt um mitzuwirken,

           4. „Subsidiarankläger“ jeder Privatbeteiligte, der eine von der Staatsanwaltschaft zurückgezogene Anklage aufrecht hält.

2. Abschnitt

Geschädigte und Privatbeteiligte

Rechte der Privatbeteiligten

§ 66. (1) Privatbeteiligte haben das Recht, am Verfahren mitzuwirken und ihre privatrechtlichen Ansprüche zu verfolgen. Ihr durch die strafbare Handlung verursachter Schaden ist von Amts wegen festzustellen, soweit dies auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens oder weiterer einfacher Erhebungen möglich ist.

(2) Privatbeteiligte haben das Recht,

           1. sich vertreten zu lassen (§ 73),

           2. Akteneinsicht zu nehmen (§ 67),

           3. vom Fortgang des Verfahrens verständigt zu werden (§§ 25 Abs. 3, 177 Abs. 5, 194, 197 Abs. 3, 206, 208 Abs. 2 und 213 Abs. 1),

           4. nach Maßgabe des § 55 die Aufnahme von Beweisen zu beantragen,

           5. privatrechtliche Ansprüche geltend zu machen (§ 68),

           6. nach Maßgabe des § 56 Übersetzungshilfe zu erhalten,

           7. an einer kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten (§ 165), an einer Befundaufnahme (§ 127 Abs. 2) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1) teilzunehmen sowie während der Hauptverhandlung anwesend zu sein,

           8. die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen (§ 195 Abs. 1),

           9. Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens durch das Gericht des Ermittlungsverfahrens zu erheben (§ 87),

         10. nach Maßgabe des § 72 die Anklage aufrechtzuerhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von ihr zurücktritt,

         11. nach Maßgabe des § 366 Berufung wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche zu erheben.

(3) Privatbeteiligten, die Geschädigte im Sinne des § 65 Z 1 lit. a oder b sind und einen privatrechtlichen Anspruch gegen den Beschuldigten geltend machen, ist – soweit sie nicht durch eine geeignete Opferschutzeinrichtung vertreten werden können – auf ihren Antrag ein Rechtsanwalt als Vertreter beizugeben, dessen Kosten sie nicht zu tragen haben, wenn sie dazu außerstande sind, ohne ihre Unterhaltspflichten oder ihren eigenen zur einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalt zu beeinträchtigen. Hinsichtlich der Beigebung und der Bestellung dieses Vertreters gelten die Bestimmungen der §§ 61 Abs. 4, 62 Abs. 1, 2 und 4 sinngemäß.

Akteneinsicht

§ 67. (1) Privatankläger und Privatbeteiligte sind zur Akteneinsicht berechtigt, soweit ihre Interessen betroffen sind; hiefür gelten die §§ 51, 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 3 sowie 53 sinngemäß. Im Übrigen darf die Akteneinsicht nur verweigert oder beschränkt werden, soweit durch sie der Zweck der Ermittlungen oder eine unbeeinflusste Aussage als Zeuge gefährdet wäre.

(2) Dieses Recht auf Akteneinsicht steht auch Geschädigten zu, die nicht als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirken.

(3) Das Verbot der Veröffentlichung nach § 54 gilt für Privatankläger, Privatbeteiligte und Geschädigte sinngemäß.

Privatrechtliche Ansprüche

§ 68. (1) Der Privatbeteiligte kann aus der Straftat einen auf Leistung, Feststellung oder Rechts­gestaltung gerichteten Anspruch gegen den Beschuldigten ableiten. Die Gültigkeit einer Ehe kann im Strafverfahren jedoch immer nur als Vorfrage (§ 15) beurteilt werden.

(2) Das Gericht hat im Hauptverfahren jederzeit einen Vergleich über privatrechtliche Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Es kann den Privatbeteiligten und den Beschuldigten auch auf Antrag oder von Amts wegen zu einem Vergleichsversuch laden und einen Vorschlag für einen Vergleich unterbreiten. Kommt ein Vergleich zustande, so sind dem Privatbeteiligten, der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten Vergleichsausfertigungen auszufolgen.

(3) Ein privatrechtliches Anerkenntnis des Beschuldigten und seine Einwilligung zum Vergleich gelten nicht als Geständnis und dürfen zu seinen Lasten nicht als Beweis verwendet werden.

(4) Im Fall einer Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 Z 2 hat die Staatsanwaltschaft die Rückgabe des Gegenstandes an den Geschädigten anzuordnen, wenn eine Beschlagnahme aus Beweisgründen nicht erforderlich ist und in die Rechte Dritter dadurch nicht eingegriffen wird.

Recht auf Information

§ 69. (1) Sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird, hat die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft Geschädigte über ihr Recht, am Verfahren als Privatbeteiligte mitzuwirken, und über die mit dieser Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (§ 66) zu informieren. Dies darf nur solange unterbleiben, als dadurch der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

(2) Geschädigte, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, sind spätestens vor ihrer ersten Befragung überdies über die folgenden, ihnen zustehenden Rechte zu informieren:

           1. vor der Vernehmung Kontakt mit einem Rechtsanwalt, einer Opferschutzeinrichtung oder einer anderen Beratungsperson aufzunehmen,

           2. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden,

           3. die Beantwortung von Fragen nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder nach Einzelheiten der strafbaren Handlung, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2),

           4. zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§§ 165, 250 Abs. 3),

           5. zu verlangen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 2).

Privatbeteiligung

§ 70. (1) Geschädigte werden durch Erklärung zu Privatbeteiligten. In der Erklärung haben sie, soweit dies nicht offensichtlich ist, ihre Berechtigung, am Verfahren mitzuwirken, und ihre privatrechtlichen Ansprüche zu begründen.

(2) Eine Erklärung nach Abs. 1 ist bei der Kriminalpolizei oder bei der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage beim Gericht einzubringen. Sie muss längstens bis zum Schluss des Beweisverfahrens abgegeben werden; bis dahin ist auch die Höhe eines Anspruchs auf Geldleistung zu beziffern. Die Erklärung kann jederzeit zurückgezogen werden.

(3) Eine Erklärung ist zurückzuweisen, wenn

           1. sie offensichtlich unberechtigt ist,

           2. sie verspätet abgegeben wurde (Abs. 2) oder

           3. im Fall des § 65 Z 1 lit. c der Anspruch auf Geldleistung nicht rechtzeitig beziffert wurde.

(4) Die Zurückweisung einer Erklärung nach Abs. 3 obliegt der Staatsanwaltschaft, nach Einbringen der Anklage dem Gericht.

3. Abschnitt

Privatankläger und Subsidiarankläger

Privatankläger

§ 71. (1) Strafbare Handlungen, die nur auf Verlangen des Geschädigten zu verfolgen sind, bezeichnet das Gesetz. Das Hauptverfahren wird in diesen Fällen auf Grund einer Anklage des Privatanklägers oder seines selbstständigen Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 durchgeführt; ein Ermittlungsverfahren findet nicht statt.

(2) In den Fällen des § 117 Abs. 2 und 3 StGB ist der Geschädigte dann zur Privatanklage berechtigt, wenn er oder seine vorgesetzte Stelle die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilt oder zurückzieht (§ 92). Zur Anklage nicht berechtigt ist, wer ausdrücklich darauf verzichtet oder die strafbare Handlung verziehen hat. Die §§ 57 und 58 StGB bleiben unberührt.

(3) Die Privatanklage ist beim zuständigen Gericht einzubringen. Sie hat den Erfordernissen einer Anklageschrift (§ 211) zu entsprechen. Die Berechtigung zur Privatanklage und allfällige privatrechtliche Ansprüche sind, soweit sie nicht offensichtlich sind, in der Begründung darzulegen. Für einen selbstständigen Antrag gilt Gleiches.

(4) Das Gericht hat den Antrag dem Angeklagten und den Haftungsbeteiligten mit der Information zuzustellen, dass sie berechtigt seien, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Danach hat das Gericht, soweit es nicht nach § 485 oder § 451 vorgeht, die Hauptverhandlung anzuberaumen.

(5) Der Privatankläger hat grundsätzlich die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Zwangsmaßnahmen zu beantragen ist er jedoch nur insofern berechtigt, als dies zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist. Die Festnahme des Beschuldigten oder die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft zu beantragen ist er nicht berechtigt.

(6) Kommt der Privatankläger nicht zur Hauptverhandlung oder stellt er nicht die erforderlichen Anträge, so wird angenommen, dass er auf die Verfolgung verzichtet habe. In diesen Fällen ist das Verfahren durch Beschluss einzustellen.

Subsidiarankläger

§ 72. (1) Privatbeteiligte, die einen privatrechtlichen Anspruch geltend machen, sind berechtigt, die Anklage als Subsidiarankläger aufrechtzuerhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von der Anklage zurücktritt. Zum Subsidiarankläger wird der Privatbeteiligte durch die Erklärung, die Anklage aufrechtzuerhalten; der Geschädigte hat zuvor überdies zu erklären, am Verfahren als Privatbeteiligter mitzuwirken.

(2) Tritt die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so ist eine Erklärung nach Abs. 1 sogleich abzugeben. Erfolgt dies nicht, ist der Privatbeteiligte zur Hauptverhandlung nicht erschienen oder unterlässt er es, in der Hauptverhandlung zur Aufrechterhaltung der Anklage erforderliche Anträge zu stellen, so ist der Angeklagte freizusprechen (§ 259 Z 2).

(3) Tritt die Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so hat das Gericht den Privatbeteiligten zu verständigen, der seine Erklärung binnen 14 Tagen abgeben kann. Sofern er dies nicht tut, wird angenommen, dass er die Verfolgung nicht aufrecht halte. In diesem Fall ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen.

(4) Der Subsidiarankläger hat im Hauptverfahren die gleichen Rechte wie der Privatankläger. Rechtsmittel gegen Urteile stehen ihm jedoch nur soweit zu, als der Privatbeteiligte sie zu erheben berechtigt ist. Die Staatsanwaltschaft kann sich jederzeit über den Gang des Verfahrens informieren und die Anklage wieder an sich ziehen; in diesem Fall stehen dem Subsidiarankläger wieder die Rechte des Privatbeteiligten zu.

4. Abschnitt

Vertreter

Vertreter

§ 73. Vertreter stehen Haftungsbeteiligten, Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern beratend und unterstützend zur Seite. Sie üben, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die Verfahrensrechte aus, die den Vertretenen zustehen. Als Vertreter kann eine zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigte oder eine andere geeignete Person bevollmächtigt werden.

5. Hauptstück

Gemeinsame Bestimmungen

1. Abschnitt

Einsatz der Informationstechnik

Verwenden von Daten

§ 74. (1) Soweit zum Verwenden von Daten im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, Anwendung.

(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener Daten den Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§ 5) zu beachten. Jedenfalls haben sie schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung der Daten Vorrang einzuräumen. Beim Verwenden sensibler und strafrechtlich relevanter Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen.

Berichtigen, Löschen und Sperren von Daten

§ 75. (1) Unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes ermittelte Daten sind unverzüglich richtig zu stellen oder zu löschen. Automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten, die fünf Jahre unverändert geblieben sind, sind daraufhin zu überprüfen, ob sie richtig zu stellen oder zu löschen sind.

(2) Im Übrigen ist ein Zugriff auf Namensverzeichnisse zu unterbinden, und zwar

           1. im Fall einer Verurteilung längstens nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt, ab dem die Strafe vollzogen wurde, wenn jedoch eine Strafe nicht ausgesprochen oder bedingt nachgesehen wurde, ab der Verurteilung,

           2. im Fall eines Freispruchs, einer Einstellung des Verfahrens oder eines (endgültigen) Rücktritts von Verfolgung längstens nach Ablauf von fünf Jahren ab der Entscheidung.

(3) Nach sechzig Jahren ab den in Abs. 2 angeführten Zeitpunkten sind alle Daten im direkten Zugriff zu löschen.

(4) Personenbezogene Daten, die ausschließlich auf Grund einer Identitätsfeststellung (§ 118), einer körperlichen Untersuchung (§ 123) oder einer molekulargenetische Analyse (§ 124) gewonnen wurden, dürfen nur solange verwendet werden, als wegen der Art der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit der betroffenen Person oder auf Grund anderer Umstände anzunehmen ist, dass diese Person eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde. Wird der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen oder das Ermittlungsverfahren ohne Vorbehalt späterer Verfolgung eingestellt, so sind diese Daten zu löschen. Die §§ 73 und 74 SPG bleiben hiervon unberührt.

(5) Soweit Daten, die durch eine Überwachung von Nachrichten, eine optische oder akustische    Überwachung oder einen automationsunterstützten Datenabgleich ermittelt worden sind, in einem Strafverfahren als Beweis verwendet werden dürfen, ist ihre Verwendung auch in einem damit in Zusammenhang stehenden Zivil- oder Verwaltungsverfahren und zur Abwehr mit beträchtlicher Strafe bedrohter Handlungen (§ 17 SPG) sowie zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach- und Vermögenswerte zulässig.

2. Abschnitt

Amts- und Rechtshilfe, Akteneinsicht

Amts- und Rechtshilfe

§ 76. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz berechtigt, die Unterstützung aller Behörden und öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Solchen Ersuchen ist ehest möglich zu entsprechen oder es sind entgegen stehende Hindernisse unverzüglich bekannt zu geben. Erforderlichenfalls ist Akteneinsicht zu gewähren.

(2) Ersuchen von kriminalpolizeilichen Behörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten, die sich auf Straftaten einer bestimmten Person beziehen, dürfen mit dem Hinweis auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit oder darauf, dass es sich um automationsunterstützt verarbeitete personenbezogene Daten handelt, nur dann abgelehnt werden, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Gerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, die im Einzelnen anzuführen und zu begründen sind.

(3) Auf den Verkehr mit ausländischen Behörden sind völkerrechtliche Verträge, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz sowie das Polizeikooperationsgesetz anzuwenden.

(4) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind berechtigt, über nach diesem Gesetz ermittelte personenbezogene Daten Auskunft für Zwecke der Sicherheitsverwaltung, der Strafrechtspflege sowie der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der genannten Organe zu erteilen. Übermittlungen von Daten an andere Behörden als Finanzstrafbehörden für deren Tätigkeit im Dienste der Strafrechtspflege, Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte sind im Übrigen nur zulässig, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.

(5) Vom Beginn und von der Beendigung eines Strafverfahrens gegen Beamte (§ 74 Z 4 bis Z 4c StGB) ist die Dienstbehörde zu verständigen.

Akteneinsicht

§ 77. (1) Im Falle begründeten rechtlichen Interesses haben Staatsanwaltschaften und Gerichte auch außer den in diesem Gesetz besonders bezeichneten Fällen Einsicht in die ihnen vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens zu gewähren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.

(2) Zum Zweck einer nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen können die Staatsanwaltschaften, die Gerichte und das Bundesministerium für Justiz auf Ersuchen der Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen die Einsicht in Akten eines Verfahrens, die Herstellung von Abschriften (Ablichtungen) und die Übermittlung von Daten aus solchen bewilligen.

(3) § 54 ist sinngemäß anzuwenden.

3. Abschnitt

Anzeigepflicht, Anzeige- und Anhalterecht

Anzeigepflicht

§ 78. (1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer strafbaren Handlung bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.

(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht,

           1. wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder

           2. wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen.

(3) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Geschädigten oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.

§ 79. Soweit eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht, sind der Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten zur Aufklärung einer Straftat einer bestimmten Person von Amts wegen oder auf Grund von Ersuchen Ablichtungen der Akten und sonstige schriftliche Aufzeichnungen zu übermitteln oder Akteneinsicht zu gewähren. Eine Berufung auf bestehende gesetzliche Verschwiegenheitspflichten ist insoweit unzulässig.

Anzeige- und Anhalterecht

§ 80. (1) Wer von der Begehung einer strafbaren Handlung Kenntnis erlangt, ist zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft berechtigt.

(2) Wer auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe, unmittelbar zuvor ausgeführt habe oder dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr gefahndet werde, ist berechtigt, diese Person auf verhältnismäßige Weise anzuhalten, jedoch zur unverzüglichen Anzeige an das nächst erreichbare Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet.

4. Abschnitt

Bekanntmachung, Zustellung und Fristen

Bekanntmachung

§ 81. (1) Die Bekanntmachung von Erledigungen des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft hat durch mündliche Verkündung, durch Zustellung einer Ausfertigung (§ 79 GOG), durch Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG zu erfolgen.

(2) Mündliche Verkündungen sind zu protokollieren. Jeder Person, der mündlich verkündet wurde, ist der Inhalt der Erledigung auf Verlangen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.

(3) Der Staatsanwaltschaft und dem Gericht können die Akten zur Einsicht in die Erledigung übermittelt werden. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft oder das Gericht den Tag des Einlangens der Akten und den Tag der Einsichtnahme nachvollziehbar in den Akten zu beurkunden.

Zustellung

§ 82. (1) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, gelten für Zustellungen das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und die §§ 87, 89, 91 und 100 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(2) Die §§ 8, 9 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 sowie 10 Zustellgesetz sind außer im Fall des § 180 Abs. 4 nur auf Subsidiarankläger, Privatankläger, Privatbeteiligte, Haftungsbeteiligte und auf Bevollmächtigte dieser Personen anzuwenden.

(3) Zustellungen haben durch unmittelbare Übergabe oder durch Organe der Post (§ 2a Abs. 1 Z 2 Zustellgesetz) zu erfolgen. Die Kriminalpolizei ist nur dann um eine Zustellung zu ersuchen, wenn dies im Interesse der Strafrechtspflege unbedingt erforderlich ist.

Arten der Zustellung

§ 83. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, kann ohne Zustellnachweis zugestellt werden.

(2) Eine Übermittlung durch Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG ist einer Zustellung mit Zustellnachweis gleichzuhalten.

(3) Ladungen und Aufforderungen, deren Befolgung durch Beugemittel oder auf andere Weise durchgesetzt werden kann, Erledigungen, deren Zustellung die Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs an das Gericht auslöst, sowie Ladungen von Subsidiaranklägern, Privatanklägern und Privatbeteiligten zur Hauptverhandlung sind zu eigenen Handen (§ 21 des Zustellgesetzes) zuzustellen. Verteidigern und Rechtsanwälten kann anstatt zu eigenen Handen immer auch mit Zustellnachweis (§§ 13 bis 20 des Zustellgesetzes) zugestellt werden.

(4) Soweit der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter des Verfahrens durch einen Verteidiger oder eine andere Person vertreten wird, ist diesem Verteidiger oder Vertreter zuzustellen. Die Ladung zur Hauptverhandlung in erster Instanz, das Abwesenheitsurteil sowie Verständigungen und Mitteilungen nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 1 und 4 sowie 203 Abs. 1 und 3 sind dem Angeklagten oder Beschuldigten jedoch immer selbst und zu eigenen Handen zuzustellen.

Fristen

§ 84. (1) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, gilt für die Berechnung der in diesem Gesetz normierten Fristen Folgendes:

           1. Fristen können nicht verlängert werden,

           2. Tage des Postlaufs sind in die Frist nicht einzurechnen,

           3. der Tag, von dem ab die Frist zu laufen hat, zählt nicht,

           4. nach Stunden bestimmte Fristen sind von Moment zu Moment zu berechnen,

           5. Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und der Karfreitag sind ohne Einfluss auf Beginn und Lauf einer Frist; endet eine Frist an einem solchen Tag, so gilt der nächste Werktag als letzter Tag der Frist.

(2) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, können Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und alle sonstigen Eingaben an die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht schriftlich, per Telefax, im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Sofern sie an eine Frist gebunden sind, sind sie auch dann rechtzeitig, wenn sie innerhalb dieser Frist bei der Behörde eingebracht werden, die darüber zu entscheiden hat. Die näheren Vorschriften über die geschäftliche Behandlung solcher Eingaben werden durch Verordnung geregelt.

5. Abschnitt

Beschlüsse und Beschwerden

Allgemeines

§ 85. Soweit im Einzelnen nicht etwas anderes bestimmt wird, gelten für gerichtliche Beschlüsse (§ 35), dagegen erhobene Beschwerden und das dabei einzuhaltende Verfahren die Bestimmungen dieses Abschnitts.

Beschlüsse

§ 86. (1) Ein Beschluss hat Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Der Spruch hat die Anordnung, Bewilligung oder Feststellung des Gerichts sowie die darauf bezogenen gesetzlichen Bestimmungen zu enthalten. Ein Beschluss über einen Einspruch oder einen Antrag hat darüber hinaus auszusprechen, ob und in welchem Umfang dem Begehren stattgegeben wird. In der Begründung sind die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Überlegungen auszuführen, die der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Die Rechtsmittelbelehrung hat die Mitteilung zu enthalten, ob ein Rechtsmittel zusteht, welchen Förmlichkeiten es zu genügen hat und innerhalb welcher Frist und wo es einzubringen ist.

(2) Jeder Beschluss, der nach dem Gesetz zu verkünden ist, ist längstens binnen 14 Tagen schriftlich auszufertigen und den zur Beschwerde Berechtigten (§ 87) zuzustellen. Ein Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, ist überdies der Kriminalpolizei und dem Geschädigten, diesem samt einer Information im Sinne des § 69, zu übermitteln.

(3) Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses können unterbleiben, wenn die Berechtigten sogleich nach Verkündung auf Beschwerde verzichten. In diesem Fall ist der wesentliche Inhalt des Beschlusses zu protokollieren. Soweit das Gesetz die Verkündung des Beschlusses in der Hauptverhandlung vorsieht, jedoch ein selbstständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel dagegen nicht zulässt, kann die Ausfertigung gemeinsam mit jener des Urteils erfolgen (§ 238).

Beschwerden

§ 87. (1) Gegen gerichtliche Beschlüsse steht der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.

(2) Aufschiebende Wirkung hat eine Beschwerde nur dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.

Verfahren über Beschwerden

§ 88. (1) Die Beschwerde hat den Beschluss oder Vorgang, auf den sie sich bezieht, anzuführen und anzugeben, worin die Verletzung des Rechts bestehen soll. Sie ist binnen 14 Tagen ab Bekanntmachung schriftlich oder auf elektronischem Weg beim Gericht einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben.

(2) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem eine Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt wird, ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die Staatsanwaltschaft hat die Beschwerde mit einer allfälligen Stellungnahme unverzüglich an das Gericht weiterzuleiten.

(3) Die Beschwerde ist dem Rechtsmittelgericht ohne Verzug mit dem Akt vorzulegen. Der Gang des Verfahrens darf dadurch nicht aufgehalten werden; erforderlichenfalls sind Kopien jener Aktenteile, die zur Fortführung des Verfahrens erforderlich sind, zurückzubehalten.

(4) Eine Beschwerde, die innerhalb der Frist beim Rechtsmittelgericht oder im Fall des Abs. 1 bei der Staatsanwaltschaft, im Fall des Abs. 2 beim Gericht eingebracht wird, gilt als rechtzeitig.

Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht

§ 89. (1) Das Rechtsmittelgericht hat der zuständigen staatsanwaltschaftlichen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 24) und über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.

(2) Beschwerden, die verspätet oder von einer Person eingebracht wurden, der ein Rechtsmittel nicht zusteht (§ 87 Abs. 1), hat das Rechtsmittelgericht als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen hat es in der Sache zu entscheiden und dabei gegebenenfalls auch Umstände zu berücksichtigen, die nach dem bekämpften Beschluss eingetreten oder bekannt geworden sind. An die geltend gemachten Beschwerdepunkte ist es nicht gebunden.

(3) Entscheidet das Oberlandesgericht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, und treffen die hiefür maßgebenden Umstände auch bei einem Mitbeschuldigten zu, der keine Beschwerde erhoben hat, so hat das Oberlandesgericht so vorzugehen, als ob eine solche Beschwerde vorläge.

(4) Wird einer Beschwerde wegen Unzulässigkeit einer im 5. und 6. Abschnitt des 8. Hauptstückes (§§ 134 bis 143) geregelten Ermittlungsmaßnahme Folge gegeben, so ist zugleich anzuordnen, dass alle durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind.

(5) Das Rechtsmittelgericht kann vom Erstgericht und von der Staatsanwaltschaft weitere Aufklärungen verlangen. Vor seiner Entscheidung hat es dem Gegner der Beschwerde Gelegenheit zur Äußerung binnen sieben Tagen einzuräumen; § 24 zweiter Satz ist anzuwenden.

(6) Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

6. Abschnitt

Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen

Vollstreckung von Geld- und Freiheitsstrafen

§ 90. (1) Alle Geldstrafen fließen dem Bund zu.

(2) Ist eine nach diesem Gesetz ausgesprochene Geldstrafe ganz oder teilweise uneinbringlich, so hat das Gericht sie in berücksichtigungswürdigen Fällen neu zu bemessen, sonst aber in eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu acht Tagen umzuwandeln.

(3) Auf den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen nach Abs. 2 und der in diesem Gesetz angedrohten Freiheitsstrafen und der Beugehaft sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, sinngemäß anzuwenden.

2. TEIL

Das Ermittlungsverfahren

6. Hauptstück

Allgemeines

1. Abschnitt

Zweck des Ermittlungsverfahrens

Zweck des Ermittlungsverfahrens

§ 91. (1) Das Ermittlungsverfahren dient dazu, den Sachverhalt durch Ermittlungen soweit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann.

(2) Ermittlung ist jede Tätigkeit der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die der Gewinnung, Sicherstellung, Auswertung oder Verarbeitung einer Information zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat dient. Sie ist nach der in diesem Gesetz vorgesehenen Form entweder als Erkundigung oder als Beweisaufnahme durchzuführen.

Ermächtigung zur Strafverfolgung

§ 92. (1) Soweit das Gesetz eine Ermächtigung des Geschädigten zur Strafverfolgung voraussetzt, haben Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft unverzüglich bei ihm anzufragen, ob er die Ermächtigung erteile. Verweigert er diese, so ist jede weitere Ermittlung gegen die betreffende Person unzulässig und das Verfahren einzustellen. Die Ermächtigung gilt als verweigert, wenn der Geschädigte sie nicht binnen 14 Tagen nach Anfrage erteilt. Diese Frist beträgt im Falle der öffentlichen Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers sechs Wochen; die tagungsfreie Zeit ist nicht einzurechnen.

(2) Die Ermächtigung muss sich auf eine bestimmte Person beziehen und spätestens bei Einleitung diversioneller Maßnahmen oder Einbringen der Anklage vorliegen. Sie kann bis zum Schluss des Beweisverfahrens erster Instanz zurückgenommen werden. Die Erklärung, als Privatbeteiligter am Verfahren mitzuwirken (§ 70), gilt als Ermächtigung.

2. Abschnitt

Zwangsgewalt und Beugemittel, Ordnungsstrafen

Zwangsgewalt und Beugemittel

§ 93. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sind nach Maßgabe des § 5 ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang einzusetzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich und im Einzelnen nicht ausdrücklich untersagt ist. Dabei dürfen sie unter den jeweils vorgesehenen Bedingungen und Förmlichkeiten auch physische Gewalt gegen Personen und Sachen anwenden, soweit dies für die Durchführung von Ermittlungen oder die Aufnahme von Beweisen unerlässlich ist.

(2) Verweigert eine Person eine Handlung, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist, so kann dieses Verhalten unmittelbar durch Zwang nach Abs. 1 oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Ist dies nicht möglich, so kann die Person, falls sie nicht selbst der strafbaren Handlung verdächtig oder von der Pflicht zur Aussage gesetzlich befreit ist, durch Beugemittel angehalten werden, ihrer Verpflichtung nachzukommen.

(3) Für den Waffengebrauch gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969.

(4) Als Beugemittel kommt eine Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und in wichtigen Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen in Betracht. Über Anwendung und Ausmaß von Beugemitteln hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden (§ 105).

(5) Die Ausübung unmittelbaren Zwangs ist anzudrohen und anzukündigen, wenn die davon betroffene Person anwesend ist. Hiervon darf nur abgesehen werden, wenn der Erfolg der Ermittlung oder der Beweisaufnahme dadurch gefährdet wäre.

Ordnungsstrafen

§ 94. Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes hat der Leiter der jeweiligen Amtshandlung zu sorgen. Er ist zu diesem Zweck berechtigt, jede Person, die sich trotz vorausgegangener Ermahnung und Androhung ihrer Wegweisung gegenüber anwesenden Personen aggressiv oder sonst grob ungebührlich verhält oder auf andere Weise die Amtshandlung behindert, auf einige Zeit oder für die gesamte Dauer der Amtshandlung aus dieser wegzuweisen oder zu entfernen. Im Übrigen sind die §§ 233 Abs. 3 und 235 bis 236a im Ermittlungsverfahren sinngemäß anzuwenden. Die Verhängung der dort erwähnten Ordnungsstrafen (§ 235) und die Aufforderung, einen anderen Verteidiger zu bestellen (§ 236 Abs. 2), bedürfen jedoch eines gerichtlichen Beschlusses.

3. Abschnitt

Protokollierung

Amtsvermerk

§ 95. Vorbringen von Personen und andere bedeutsame Vorgänge sind derart schriftlich festzuhalten, dass ihr wesentlicher Inhalt nachvollzogen werden kann. Ein solcher Amtsvermerk ist jedenfalls vom aufnehmenden Organ und allenfalls von anderen Personen zu unterfertigen.

Protokoll

§ 96. (1) Die Aufnahme von Beweisen ist in einem Protokoll zu dokumentieren, welches insbesondere zu enthalten hat:

           1. die Bezeichnung der Behörde und der an der Amtshandlung beteiligten Personen,

           2. Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung,

           3. den Inhalt von Aussagen,

           4. andere wesentliche Vorgänge während der Amtshandlung,

           5. allenfalls gestellte Anträge,

           6. die Unterschriften der vernommenen Personen. Wird eine Unterschrift verweigert oder unterbleibt sie aus anderen Gründen, so sind die hiefür maßgebenden Umstände im Protokoll zu vermerken.

(2) Das Protokoll ist vom Leiter der Amtshandlung oder von einer anderen geeigneten Person als Schriftführer zu erstellen. Es ist in Vollschrift abzufassen. Sofern es diktiert wird, hat dies für die Anwesenden hörbar zu geschehen. Es ist aber zulässig, vorläufig Kurzschrift zu verwenden oder das Diktat mit einem technischen Hilfsmittel aufzunehmen. Eine solche Vorgangsweise und ein allenfalls verkündeter Beschluss sind jedenfalls sogleich in Vollschrift festzuhalten. Kurzschrift und Tonaufnahme sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen, die Tonaufnahme ist überdies zuvor wieder zu geben, sofern dies einer der Beteiligten verlangt.

(3) Soweit dies für die Beurteilung der Sache und der Ergebnisse der Amtshandlung erforderlich ist oder eine vernommene Person es verlangt, ist ihre Aussage im Protokoll wörtlich wieder zu geben; im Übrigen sind die Antworten ihrem wesentlichen Inhalt nach erzählungsweise festzuhalten. Die gestellten Fragen sind nur soweit aufzunehmen, als dies für das Verständnis der Antwort erforderlich ist.

(4) Das Protokoll ist der vernommenen Person zur Durchsicht mit der Information vorzulegen, dass sie berechtigt ist, Ergänzungen oder Berichtigungen zu verlangen. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen sind in einen Nachtrag aufzunehmen und gesondert zu unterfertigen. Sofern dies abgelehnt wird, hat die vernommene Person das Recht, dem Protokoll eine Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen darf in dem einmal Niedergeschriebenen nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchgestrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Das Protokoll ist von der vernommenen Person auf jeder Seite und am Ende vom Leiter der Amtshandlung, vom Schriftführer und den übrigen Beteiligten zu unterschreiben.

(5) Das Protokoll ist zum Akt zu nehmen. Soweit die vernommene Person zur Akteneinsicht berechtigt ist, ist ihr auf Verlangen sogleich eine Abschrift oder Kopie auszufolgen, sofern dem schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegen stehen; § 54 ist anzuwenden. Auf Kurzschriften und Tonaufnahmen (Abs. 2) ist § 271 Abs. 6 anzuwenden.

Ton- und Bildaufnahme

§ 97. (1) Nach ausdrücklicher Information der vernommenen Person ist es zulässig, eine Ton- oder Bildaufnahme einer Vernehmung anzufertigen, sofern diese zur Gänze aufgenommen wird. Im Fall der Vernehmung eines Zeugen hat dies, unbeschadet besonderer gesetzlicher Bestimmungen (§§ 150, 165, § 247a, 250 Abs. 3), zu unterbleiben, wenn und sobald der Zeuge der Aufnahme widerspricht.

(2) Im Falle einer Aufnahme nach Abs. 1 kann an Stelle eines Protokolls eine schriftliche Zusammenfassung des Inhalts der Vernehmung erstellt werden, welche der Leiter der Amtshandlung unterfertigt und zum Akt nimmt. Auf diese Zusammenfassung sind im Übrigen die Vorschriften der §§ 96 Abs. 1 und 3 und 271 Abs. 6 anzuwenden.

7. Hauptstück

Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts

1. Abschnitt

Allgemeines

Allgemeines

§ 98. (1) Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft haben das Ermittlungsverfahren nach Maßgabe dieses Gesetzes soweit wie möglich im Einvernehmen zu führen.

(2) Das Gericht wird im Ermittlungsverfahren nur auf Antrag oder auf Grund eines Einspruchs tätig.

2. Abschnitt

Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren

Ermittlungen

§ 99. (1) Die Kriminalpolizei ermittelt von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige; Anordnungen der Staatsanwaltschaft hat sie zu befolgen.

(2) Ist für eine Ermittlungsmaßnahme eine Anordnung der Staatsanwaltschaft erforderlich, so kann die Kriminalpolizei diese Befugnis bei Gefahr im Verzug ohne diese Anordnung ausüben. In diesem Fall hat die Kriminalpolizei unverzüglich um Genehmigung anzufragen (§ 100 Abs. 2 Z 2); wird diese nicht erteilt, so hat die Kriminalpolizei die Ermittlungshandlung sogleich zu beenden und den ursprünglichen Zustand soweit wie möglich wieder herzustellen.

(3) Erfordert die Anordnung jedoch eine gerichtliche Bewilligung, so ist die Ermittlungsmaßnahme bei Gefahr im Verzug ohne diese Bewilligung nur dann zulässig, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.

(4) Ein Aufschub kriminalpolizeilicher Ermittlungen ist zulässig, wenn

           1. dadurch die Aufklärung einer wesentlich schwerer wiegenden strafbaren Handlung oder die Ausforschung eines an der strafbaren Handlung führend Beteiligten gefördert wird und mit dem Aufschub keine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit Dritter verbunden ist, oder

           2. andernfalls eine ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person entstehen würde, die auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.

(5) Die Kriminalpolizei hat die Staatsanwaltschaft von einem Aufschub nach Abs. 4 unverzüglich zu verständigen.

Berichte

§ 100. (1) Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Die Ausübung von Zwang und von Befugnissen, die mit einem Eingriff in Rechte verbunden sind, hat sie zu begründen.

(2) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft schriftlich (Abs. 1) oder im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung zu berichten, wenn und sobald

           1. sie vom Verdacht eines schwerwiegenden Verbrechens oder einer strafbaren Handlung von besonderem öffentlichen Interesse Kenntnis erlangt (Anfallsbericht),

           2. eine Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder eine Entscheidung des Gerichts erforderlich oder zweckmäßig ist oder die Staatsanwaltschaft einen Bericht verlangt (Anlassbericht),

           3. in einem Verfahren gegen eine bestimmte Person seit der ersten gegen sie gerichteten Ermittlung drei Monate abgelaufen sind, ohne dass berichtet worden ist, oder seit dem letzten Bericht drei Monate vergangen sind (Zwischenbericht),

           4. Sachverhalt und Tatverdacht soweit geklärt scheinen, dass eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von Verfolgung, Einstellen oder Abbrechen des Verfahrens ergehen kann (Abschlussbericht).

(3) Ein Bericht nach Abs. 2 hat – soweit diese Umstände nicht bereits berichtet wurden – insbesondere zu enthalten:

           1. die Namen der Beschuldigten, oder, soweit diese nicht bekannt sind, die zu ihrer Identifizierung oder Ausforschung nötigen Merkmale, die Taten, deren sie verdächtig sind, und deren gesetzliche Bezeichnung,

           2. die Namen der Anzeiger, der Geschädigten und allfälliger weiterer Auskunftspersonen,

           3. eine zusammenfassende Sachverhaltsdarstellung und das geplante weitere Vorgehen, soweit dieses nicht bereits erörtert oder einer Dienstbesprechung vorbehalten wurde,

           4. allfällige Anträge der Beschuldigten oder anderer Verfahrensbeteiligter.

(4) Mit jedem Bericht sind der Staatsanwaltschaft, soweit dies noch nicht geschehen ist, alle für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erforderlichen kriminalpolizeilichen Akten zu übermitteln oder auf elektronischem Weg zugänglich zu machen.

3. Abschnitt

Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren

Aufgaben

§ 101. (1) Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und entscheidet über dessen Fortgang und Beendigung. Gegen ihren erklärten Willen darf ein Ermittlungsverfahren weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.

(2) Die Staatsanwaltschaft stellt die erforderlichen Anträge bei Gericht. Sie hat ihre Anträge zu begründen und dem Gericht die Akten zu übermitteln. Bewilligt das Gericht eine Maßnahme, so entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Durchführung. Wenn die Voraussetzungen, unter denen der Antrag bewilligt wurde, weggefallen sind oder sich derart geändert haben, dass die Durchführung rechtswidrig oder nicht mehr zweckmäßig wäre, hat die Staatsanwaltschaft von ihr abzusehen und das Gericht hiervon zu verständigen.

(3) Die Staatsanwaltschaft prüft die Berichte der Kriminalpolizei und trifft die erforderlichen Anordnungen. Soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann sie jederzeit weitere Ermittlungen und die Ausübung von Zwang durch die Kriminalpolizei anordnen.

Anordnungen und Genehmigungen

§ 102. (1) Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anordnungen und Genehmigungen an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten. Wenn es von den Umständen her geboten ist oder die Kriminalpolizei dies verlangt, sind Anordnungen und Genehmigungen schriftlich auszufertigen und zu begründen. In dringenden Fällen können aber auch solche Anordnungen und Genehmigungen vorläufig mündlich übermittelt werden. Anstelle einer schriftlichen Ausfertigung ist auch die Bekanntmachung auf elektronischem Weg oder sonst unter Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung zulässig.

(2) Eine Ausfertigung hat jedenfalls zu enthalten:

           1. die Bezeichnung der Staatsanwaltschaft,

           2. die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, soweit er bekannt ist, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist, und ihre gesetzliche Bezeichnung,

           3. die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der strafbaren Handlung erforderlich und verhältnismäßig ist und die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen,

           4. eine Information über die Rechte des von der Anordnung oder Genehmigung Betroffenen.

Ermittlungen

§ 103. Soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, obliegt es der Kriminalpolizei, die Anordnungen der Staatsanwaltschaft durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft kann sich an allen Ermittlungen der Kriminalpolizei beteiligen und dem Leiter der kriminalpolizeilichen Amtshandlung einzelne Aufträge erteilen, soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen der Bedeutung der Ermittlungen für die Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens, zweckmäßig ist. Die Staatsanwaltschaft kann auch selbst Ermittlungen durchführen oder durch einen Sachverständigen durchführen lassen.

4. Abschnitt

Gericht im Ermittlungsverfahren

Beweisaufnahme

§ 104. Dem Gericht obliegen die Tatrekonstruktion und die kontradiktorische Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Das Gericht hat die Tatrekonstruktion nach den Bestimmungen des § 150, die Vernehmung nach den Bestimmungen des § 165 durchzuführen oder den Antrag mit Beschluss abzuweisen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Bewilligung von Zwangsmitteln

§ 105. Das Gericht hat über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden.

Einspruch wegen Rechtsverletzung

§ 106. (1) Einspruch an das Gericht steht im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

           1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert oder

           2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

(2) Einspruch gegen die Anordnung oder Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme, die gerichtlich zu bewilligen ist, steht nur insoweit zu, als nicht Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung erhoben werden kann.

(3) Der Einspruch ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht und auf welche Weise ihm stattzugeben sei. Sofern er sich gegen eine Maßnahme der Kriminalpolizei richtet, hat die Staatsanwaltschaft der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Die Staatsanwaltschaft hat zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vorliegt, und dem Einspruch, soweit er berechtigt ist, zu entsprechen sowie den Einspruchswerber davon zu verständigen, dass und auf welche Weise dies geschehen sei und dass er dennoch das Recht habe, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen.

(5) Wenn die Staatsanwaltschaft dem Einspruch nicht entspricht oder der Einspruchswerber eine Entscheidung des Gerichts verlangt, hat die Staatsanwaltschaft den Einspruch unverzüglich an das Gericht weiterzuleiten. Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei hat das Gericht dem Einspruchswerber zur Äußerung binnen einer festzusetzenden, sieben Tage nicht übersteigenden Frist zuzustellen.

§ 107. (1) Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ist ein Einspruch nicht mehr zulässig. Über einen zuvor erhobenen Einspruch hat das Gericht dennoch zu entscheiden. Im Falle, dass Anklage eingebracht wurde, ist hiefür das Gericht des Hauptverfahrens zuständig. Unzulässige Einsprüche und solche, denen die Staatsanwaltschaft entsprochen hat, sind zurückzuweisen. Im Übrigen hat das Gericht in der Sache zu entscheiden.

(2) Sofern sich die Umstände der behaupteten Rechtsverletzung nur durch unmittelbare Beweisaufnahme klären lassen, kann das Gericht von Amts wegen eine mündliche Verhandlung anberaumen und in dieser über den Einspruch entscheiden. Diese Verhandlung ist nicht öffentlich, doch hat das Gericht jedenfalls dem Einspruchswerber, der Staatsanwaltschaft und, sofern sich der Einspruch gegen sie richtet, der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Teilnahme und Stellungnahme zu geben.

(3) Der Staatsanwaltschaft und dem Einspruchswerber steht Beschwerde zu; diese hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Falle, dass das Gericht dem Einspruch stattgibt, haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei den entsprechenden Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln herzustellen.

Antrag auf Einstellung

§ 108. (1) Das Gericht hat das Ermittlungsverfahren auf Antrag des Beschuldigten einzustellen, wenn

           1. auf Grund der Anzeige oder der vorliegenden Ermittlungsergebnisse feststeht, dass die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat keine strafbare Handlung darstellt oder sonst ein rechtlicher Grund der weiteren Verfolgung des Beschuldigten entgegensteht,

           2. der bestehende Tatverdacht im Hinblick auf dessen Dringlichkeit und Gewicht sowie die bisherige Dauer und den Umfang des Ermittlungsverfahrens dessen Fortsetzung nicht rechtfertigt und von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist.

(2) Der Antrag ist bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren einzustellen (§§ 190, 191) oder den Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten. § 106 Abs. 5 letzter Satz gilt sinngemäß.

(3) Das Gericht hat den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn er nicht vom Beschuldigten eingebracht wurde, und im Übrigen in der Sache zu entscheiden.

(4) Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss auf Einstellung des Verfahrens hat aufschiebende Wirkung.

8. Hauptstück

Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme

1. Abschnitt

Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte

Definitionen

§ 109. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Sicherstellung“

                a) die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände und

               b) das vorläufige Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und Werte,

           2. „Beschlagnahme“

                a) eine gerichtliche Entscheidung auf Begründung oder Fortsetzung einer Sicherstellung nach Z 1 und

               b) das gerichtliche Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind,

           3. „Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte“

                a) die Bekanntgabe des Namens und sonstiger Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift und die Auskunft, ob ein Beschuldigter eine Geschäftsverbindung mit diesem Institut unterhält, aus einer solchen wirtschaftlich berechtigt ist oder für sie bevollmächtigt ist, sowie die Herausgabe aller Unterlagen über die Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung,

               b) die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraum.

Sicherstellung

§ 110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn sie

           1. aus Beweisgründen,

           2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 367) oder

           3. zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), des Verfalls (§ 20b StGB) oder der Einziehung (§ 26 StGB)

erforderlich scheint.

(2) Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, Gegenstände (§ 109 Z 1 lit. a) von sich aus sicherzustellen, wenn

           1. sich die Gegenstände in niemandes Verfügungsmacht befinden,

           2. sie am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten,

           3. sie geringwertig oder vorübergehend leicht ersetzbar sind,

           4. ihr Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs. 1).

(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen (Abs. 1 Z 1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden.

§ 111. (1) Jede Person, die Gegenstände oder Vermögenswerte, die sichergestellt werden sollen, in ihrer Verfügungsmacht hat, ist verpflichtet (§ 93 Abs. 2), diese auf Verlangen der Kriminalpolizei herauszugeben oder die Sicherstellung auf andere Weise zu ermöglichen. Diese Pflicht kann erforderlichenfalls auch mittels Durchsuchung von Personen oder Wohnungen erzwungen werden; dabei sind die §§ 119 bis 122 sinngemäß anzuwenden.

(2) Sollen auf Datenträgern gespeicherte Informationen sichergestellt werden, so hat jedermann Zugang zu diesen Informationen zu gewähren und auf Verlangen einen elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu lassen. Überdies hat er die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden.

(3) Personen, die nicht selbst der Tat beschuldigt sind, sind auf ihren Antrag die angemessenen und ortsüblichen Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien notwendigerweise entstanden sind.

(4) In jedem Fall ist der von der Sicherstellung betroffenen Person sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Sicherstellung auszufolgen oder zuzustellen und sie über das Recht, Einspruch zu erheben (§ 106), zu informieren. Von einer Sicherstellung zur Sicherung einer Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche (§ 110 Abs. 1 Z 2) ist, soweit möglich, auch der Geschädigte zu verständigen.

§ 112. Widerspricht die von der Sicherstellung betroffene oder bei ihr anwesende Person der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf geistliche Amtsverschwiegenheit oder auf ein Berufsgeheimnis (§§ 144, 155 Abs. 1 Z 1, 157 Abs. 1 Z 2 bis 5), so sind diese Aufzeichnungen und Datenträger auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und dem Gericht vorzulegen; zuvor dürfen sie nicht eingesehen werden. Das Gericht hat die Aufzeichnungen und Datenträger zu sichten und zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie weiterhin sicherzustellen oder dem Betroffenen zurückzustellen sind. Eine dagegen erhobene Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

§ 113. (1) Die Sicherstellung endet,

           1. wenn die Kriminalpolizei sie aufhebt (Abs. 2),

           2. wenn die Staatsanwaltschaft die Aufhebung anordnet (Abs. 3),

           3. wenn das Gericht die Beschlagnahme anordnet.

(2) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft über jede Sicherstellung unverzüglich, längstens jedoch binnen 14 Tagen zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), soweit sie eine Sicherstellung nach § 110 Abs. 3 nicht zuvor wegen Fehlens oder Wegfalls der Voraussetzungen aufhebt. Dieser Bericht kann jedoch mit dem nächstfolgenden verbunden werden, wenn dadurch keine wesentlichen Interessen des Verfahrens oder von Personen beeinträchtigt werden und die sichergestellten Gegenstände geringwertig sind, sich in niemandes Verfügungsmacht befinden oder ihr Besitz allgemein verboten ist (§ 445a Abs. 1).

(3) Die Staatsanwaltschaft hat sogleich bei Gericht die Beschlagnahme zu beantragen oder, wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen oder weggefallen sind, die Aufhebung der Sicherstellung anzuordnen.

§ 114. (1) Für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände hat bis zur Entscheidung über die Beschlagnahme (§ 115 Abs. 2) die Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen.

(2) Wenn der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese sogleich jener Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen. Die hiervon betroffenen Personen sind zu verständigen.

Beschlagnahme

§ 115. (1) Beschlagnahme ist zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich

           1. im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich sein werden,

           2. privatrechtlichen Ansprüchen (§ 367) unterliegen oder

           3. dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung auf Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), auf Verfall (§ 20b StGB) oder auf Einziehung (§ 26 StGB) zu sichern, deren Vollstreckung andernfalls gefährdet oder wesentlich erschwert würde.

(2) Über die Beschlagnahme hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft unverzüglich zu entscheiden.

(3) § 110 Abs. 4 gilt sinngemäß. Gegebenenfalls ist die Beschlagnahme auf die dort angeführten Aufnahmen und Kopien zu beschränken.

(4) Für eine Beschlagnahme durch Drittverbot und Veräußerungs- oder Belastungsverbot (§ 109 Z 2 lit. b) gelten, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, die Bestimmungen der Exekutionsordnung über einstweilige Verfügungen sinngemäß.

(5) In einem Beschluss, mit dem eine Beschlagnahme zur Sicherung einer gerichtlichen Entscheidung auf Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB) oder auf Verfall (§ 20b StGB) bewilligt wird, ist ein Geldbetrag zu bestimmen, in dem die voraussichtliche Abschöpfung der Bereicherung oder der voraussichtliche Verfall Deckung findet.

(6) Wenn und sobald die Voraussetzungen der Beschlagnahme nicht oder nicht mehr bestehen oder ein nach Abs. 5 bestimmter Geldbetrag erlegt wird, hat die Staatsanwaltschaft, nach dem Einbringen der Anklage das Gericht, die Beschlagnahme aufzuheben.

Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte

§ 116. (1) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (§ 31 Abs. 2 bis 4), erforderlich erscheint.

(2) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 109 Z 3 lit. b ist darüber hinaus nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,

           1. die Geschäftsverbindung einer Person mit dem Kredit- oder Finanzinstitut stehe mit der Begehung der strafbaren Handlung im Zusammenhang und entweder der Kontoinhaber selbst verdächtig ist, die Tat begangen zu haben, oder zu erwarten ist, dass eine der Tat verdächtige Person eine Transaktion über das Konto abgewickelt hat oder abwickeln werde, oder

           2. die Geschäftsverbindung für die Transaktion eines Vermögensvorteils benutzt werde, der durch strafbare Handlungen erlangt oder für sie empfangen wurde (§ 20 StGB) oder welcher der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung unterliegt oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung bereitgestellt oder gesammelt wurde (§ 20b StGB).

(3) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen.

(4) Anordnung und Bewilligung der Auskunftserteilung haben zu enthalten:

           1. die Bezeichnung des Verfahrens und der Tat, die ihm zu Grunde liegt, sowie deren gesetzliche Bezeichnung,

           2. das Kredit- oder Finanzinstitut,

           3. die Bezeichnung der herauszugebenden Unterlagen und der zu erteilenden Auskünfte und Informationen,

           4. die Tatsachen, aus denen sich die Verhältnismäßigkeit (§ 5) der Anordnungen ergibt,

           5. im Fall einer Anordnung nach Abs. 2 den Zeitraum, innerhalb dessen die betroffenen Transaktionen erfasst werden sollen,

           6. im Fall einer Anordnung nach Abs. 2 die Tatsachen, aus denen sich der Zusammenhang zwischen der Geschäftsverbindung und dem Gegenstand des Verfahrens ergibt.

(5) Die Anordnung samt gerichtlicher Bewilligung ist dem Kredit- oder Finanzinstitut, dem Beschuldigten und den aus der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen zuzustellen, sobald diese der Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind. Die Zustellung an den Beschuldigten und an die Verfügungsberechtigten kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck des Verfahrens gefährdet wäre. Hierüber ist das Kredit- oder Finanzinstitut zu informieren, das die Anordnung und alle mit ihr verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber Kunden und Dritten geheim zu halten hat.

(6) Das Kredit- oder Finanzinstitut ist verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen sowie die Urkunden und Unterlagen einsehen zu lassen und herauszugeben. Dies hat auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu erfolgen, wenn zur Führung der Geschäftsverbindung automationsunterstützte Datenverarbeitung verwendet wird. Die §§ 110 Abs. 4 und 111 Abs. 3 sind anzuwenden.

2. Abschnitt

Identitätsfeststellung, Durchsuchung von Orten und Gegenständen, Durchsuchung von Personen, körperliche Untersuchung und molekulargenetische Untersuchung

Definitionen

§ 117. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Identitätsfeststellung“ die Ermittlung und Feststellung von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000), die eine bestimmte Person unverwechselbar kennzeichnen,

           2. „Durchsuchung von Orten und Gegenständen“ das Durchsuchen

                a) eines nicht allgemein zugänglichen Grundstückes, Raumes, Fahrzeuges oder Behältnisses,

               b) einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände,

           3. „Durchsuchung einer Person“

                a) die Durchsuchung der Bekleidung einer Person und der Gegenstände, die sie bei sich hat,

               b) die Besichtigung des unbekleideten Körpers einer Person,

           4. „körperliche Untersuchung“ die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die körperliche Integrität von Personen,

           5. „molekulargenetische Untersuchung“ die Ermittlung der DNA einer Person.

Identitätsfeststellung

§ 118. (1) Identitätsfeststellung ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine Person an einer strafbaren Handlung beteiligt ist, über die Umstände der Begehung Auskunft geben kann oder Spuren hinterlassen hat, die der Aufklärung dienen könnten.

(2) Die Kriminalpolizei ist ermächtigt, zur Identitätsfeststellung die Namen einer Person, ihr Geschlecht, ihr Geburtsdatum, ihren Geburtsort, ihren Beruf und ihre Wohnanschrift zu ermitteln. Die Kriminalpolizei ist auch ermächtigt, die Größe einer Person festzustellen, sie zu fotografieren, ihre Stimme aufzunehmen und ihre Papillarlinienabdrücke abzunehmen, soweit dies zur Identitätsfeststellung erforderlich ist.

(3) Jedermann ist verpflichtet, auf eine den Umständen nach angemessene Weise an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken; die Kriminalpolizei hat ihm auf Aufforderung mitzuteilen, aus welchem Anlass diese Feststellung erfolgt.

(4) Wenn die Person an der Identitätsfeststellung nicht mitwirkt oder ihre Identität aus anderen Gründen nicht sogleich festgestellt werden kann, ist die Kriminalpolizei berechtigt, zur Feststellung der Identität eine Durchsuchung der Person nach § 117 Z 3 lit. a von sich aus durchzuführen.

Durchsuchung von Orten und Gegenständen sowie von Personen

§ 119. (1) Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2) ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer strafbaren Handlung verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind.

(2) Durchsuchung einer Person (§ 117 Z 3) ist zulässig, wenn diese

           1. festgenommen oder auf frischer Tat betreten wurde,

           2. einer strafbaren Handlung verdächtig ist und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Gegenstände, die der Sicherstellung unterliegen, bei sich oder Spuren an sich habe,

           3. durch eine strafbare Handlung Verletzungen erlitten oder andere Veränderungen am Körper erfahren haben könnte, deren Feststellung für Zwecke eines Strafverfahrens erforderlich ist.

§ 120. (1) Durchsuchungen von Orten und Gegenständen nach § 117 Z 2 lit. b und von Personen nach § 117 Z 3 lit. b sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; bei Gefahr im Verzug ist die Kriminalpolizei allerdings berechtigt, diese Durchsuchungen vorläufig ohne Anordnung und Bewilligung vorzunehmen.

(2) Durchsuchungen nach § 117 Z 2 lit. a und nach § 117 Z 3 lit. a kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen.

§ 121. (1) Vor jeder Durchsuchung ist der Betroffene unter Angabe der hiefür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119 Abs. 2 Z 1 abgesehen werden. Die Anwendung von Zwang (§ 93) ist im Fall der Durchsuchung einer Person nach § 119 Abs. 2 Z 3 unzulässig.

(2) Der Betroffene hat das Recht, bei einer Durchsuchung nach § 117 Z 2 anwesend zu sein, sowie einer solchen und einer Durchsuchung nach § 117 Z 3 lit. b eine Person seines Vertrauens zuzuziehen; für diese gilt § 160 Abs. 2 sinngemäß. Ist der Inhaber der Wohnung nicht zugegen, so kann ein erwachsener Mitbewohner seine Rechte ausüben. Ist auch das nicht möglich, so sind der Durchsuchung zwei unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen. Davon darf nur bei Gefahr im Verzug abgesehen werden. Einer Durchsuchung in ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erwähnten Personen ist von Amts wegen ein Vertreter der jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung beziehungsweise der Medieninhaber oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter beizuziehen.

(3) Bei der Durchführung sind Aufsehen, Belästigungen und Störungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. Die Eigentums- und Persönlichkeitsrechte sämtlicher Betroffener sind soweit wie möglich zu wahren. Eine Durchsuchung von Personen nach § 117 Z 3 lit. b ist stets von einer Person desselben Geschlechts oder von einem Arzt vorzunehmen.

§ 122. (1) Über jede Durchsuchung nach § 120 Abs. 1 letzter Halbsatz hat die Kriminalpolizei sobald wie möglich der Staatsanwaltschaft zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2), welche im Nachhinein eine Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (§ 99 Abs. 3) zu beantragen hat. Wird die Bewilligung nicht erteilt, so haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(2) Werden bei einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der Straftat schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so sind sie zwar sicherzustellen; es muss jedoch hierüber ein besonderes Protokoll aufgenommen und sofort der Staatsanwaltschaft berichtet werden.

(3) In jedem Fall ist dem Betroffenen sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Durchsuchung und deren Ergebnis sowie gegebenenfalls die Anordnung der Staatsanwaltschaft samt gerichtlicher Entscheidung auszufolgen oder zuzustellen.

Körperliche Untersuchung

§ 123. (1) Eine körperliche Untersuchung ist zulässig, wenn

           1. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Spuren hinterlassen hat, deren Sicherstellung und Untersuchung für die Aufklärung einer strafbaren Handlung wesentlich sind,

           2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Gegenstände im Körper verbirgt, die der Sicherstellung unterliegen, oder

           3. Tatsachen, die für die Aufklärung einer strafbaren Handlung oder die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von maßgebender Bedeutung sind, auf andere Weise nicht festgestellt werden können.

(2) Eine körperliche Untersuchung nach Abs. 1 Z 1 ist auch an Personen zulässig, die einem durch bestimmte Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Täter in diesem Personenkreis befindet und die Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches andernfalls wesentlich erschwert wäre.

(3) Eine körperliche Untersuchung ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Einen Mundhöhlenabstrich kann die Kriminalpolizei jedoch von sich aus abnehmen.

(4) Ein operativer Eingriff und ein Eingriff, bei dem die Gefahr einer Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer besteht, sind unzulässig. Im Übrigen ist eine körperliche Untersuchung, die mit einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit verbunden ist, nur auf Grund ausdrücklicher Einwilligung der zu untersuchenden Person nach vorheriger Aufklärung über die Folgen ihrer Einwilligung und das Ausmaß des Eingriffs oder der Gefährdung zulässig. Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen; ein Mundhöhlenabstrich kann jedoch auch von einer anderen Person, die für diesen Zweck besonders geschult ist, abgenommen werden.

(5) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 121 sowie 122 Abs. 1 letzter Satz und 3 über die Durchsuchung sinngemäß.

Molekulargenetische Untersuchung

§ 124. (1) Zur Aufklärung einer strafbaren Handlung ist es zulässig, einerseits biologische Spuren und andererseits Material, das einer bestimmten Person zugehört oder zugehören dürfte, molekulargenetisch zu untersuchen, um die Spur einer Person zuzuordnen oder die Identität einer Person oder deren Abstammung festzustellen, und mit nach diesem Gesetz oder nach dem Sicherheitspolizeigesetz rechtmäßig gewonnenen Ergebnissen molekulargenetischer Untersuchungen abzugleichen.

(2) Eine molekulargenetische Untersuchung ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, sofern es sich nicht bloß um eine biologische Tatortspur handelt; eine solche kann die Kriminalpolizei von sich aus untersuchen lassen.

(3) Mit der molekulargenetischen Untersuchung ist ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Gerichtlichen Medizin zu beauftragen. Diesem ist das Untersuchungsmaterial in anonymisierter Form zu übergeben. Im Übrigen ist dafür Sorge zu tragen, dass Daten aus molekulargenetischen Untersuchungen nur insoweit einer bestimmten Person zugeordnet werden können, als dies für den Untersuchungszweck (Abs. 1 und 4) erforderlich ist.

(4) Untersuchungsmaterial, das einer bestimmten Person zugehört oder zugehören dürfte, und die Ergebnisse der Untersuchung dürfen nur so lange verwendet und verarbeitet werden, als die Zuordnung zur Spur oder die Feststellung der Identität oder der Abstammung nicht ausgeschlossen ist; danach sind sie zu vernichten. Sicherheitspolizeiliche Vorschriften (§§ 65 bis 67, 70 SPG) bleiben hiervon unberührt.

(5) Daten, die auf Grund dieser Bestimmung ermittelt wurden, sind den Sicherheitsbehörden auf deren Verlangen zu übermitteln, soweit Ermittlung und Verarbeitung dieser Daten nach sicherheitspolizeilichen Vorschriften (§§ 65 bis 67, 70 SPG) zulässig wäre.

3. Abschnitt

Sachverständige und Dolmetscher, Leichenbeschau und Obduktion

Definitionen

§ 125. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Sachverständiger“ eine Person, die auf Grund besonderen Fachwissens in der Lage ist, beweiserhebliche Tatsachen festzustellen (Befundaufnahme) oder aus diesen rechtsrelevante Schlüsse zu ziehen und sie zu begründen (Gutachtenserstattung),

           2. „Dolmetscher“ eine Person, die auf Grund besonderer Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere Sprache oder von einer anderen in die Verfahrenssprache zu übersetzen,

           3. „Leichenbeschau“ die Besichtigung der äußeren Beschaffenheit einer Leiche,

           4. „Obduktion“ die Öffnung einer Leiche durch einen Sachverständigen zum Zweck der Feststellung von Anlass und Ursache des Todes oder von anderen für die Aufklärung einer strafbaren Handlung wesentlichen Umständen.

Sachverständige und Dolmetscher

§ 126. (1) Sachverständige können bestellt werden, wenn für Ermittlungen oder für Beweisaufnahmen besonderes Fachwissen erforderlich ist, über welches die Strafverfolgungsbehörden durch ihre Organe, besondere Einrichtungen oder bei ihnen dauernd angestellte Personen nicht verfügen. Dolmetscher sind im Rahmen der Übersetzungshilfe und dann zu beizuziehen, wenn eine Person vernommen wird, die der Verfahrenssprache nicht kundig ist (§ 56), oder für die Ermittlungen wesentliche Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen sind.

(2) Als Sachverständige und Dolmetscher sind vor allem Personen beizuziehen, die in eine Sachverständigen- oder Dolmetscherliste (§ 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975) eingetragen sind. Werden andere Personen als Sachverständige oder Dolmetscher beigezogen, so sind sie zuvor über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten zu informieren.

(3) Sachverständige sind möglichst im Einvernehmen mit der Kriminalpolizei durch die Staatsanwaltschaft, für gerichtliche Beweisaufnahmen (§ 104) und nach Einbringen der Anklage jedoch durch das Gericht zu bestellen. Der Beschuldigte, der Privatbeteiligte und – im Fall einer Bestellung durch das Gericht – die Staatsanwaltschaft sind hiervon zu verständigen. Sie haben das Recht, Einwände gegen die Person zu erheben; darüber sind sie zu informieren.

(4) Für Sachverständige und Dolmetscher gelten die Befangenheitsgründe des § 47 Abs. 1 sinngemäß. Soweit sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, sind sie von der Staatsanwaltschaft, im Fall einer Bestellung durch das Gericht von diesem, von Amts wegen oder auf Grund von Einwänden (Abs. 3) ihres Amtes zu entheben, bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes gemäß § 47 Abs. 1 Z 1 und 2 bei sonstiger Nichtigkeit. Im Hauptverfahren kann die Befangenheit eines Sachverständigen oder Dolmetschers nicht bloß mit der Begründung geltend gemacht werden, dass er bereits im Ermittlungsverfahren tätig gewesen ist.

§ 127. (1) Sachverständige und Dolmetscher haben Anspruch auf Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975. Sofern nicht besondere Gründe entgegen stehen, ist ihnen die Anwesenheit bei Vernehmungen zu gestatten und im erforderlichen Umfang Akteneinsicht zu gewähren. Sie unterliegen der Amtsverschwiegenheit.

(2) Sachverständige haben den Befund und das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst oder ihres Gewerbes abzugeben. Sie haben Ladungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zu befolgen und bei Verhandlungen, Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen zu beantworten. Bei der Befundaufnahme haben sie überdies der Staatsanwaltschaft, dem Privatbeteiligten, dem Beschuldigten und deren Vertretern Gelegenheit zur Anwesenheit zu geben, soweit dies von den Umständen her möglich ist und die Aufnahme des Befunds oder berechtigte Interessen von Personen nicht gefährdet.

(3) Ist der Befund unbestimmt oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft oder weichen die Angaben zweier Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen oder die hieraus gezogenen Schlüsse erheblich voneinander ab und lassen sich die Bedenken nicht durch Befragung beseitigen, so ist ein weiterer Sachverständiger beizuziehen. Handelt es sich um eine Begutachtung psychischer Zustände und Entwicklungen, so ist in einem solchen Fall das Gutachten eines Sachverständigen mit Lehrbefugnis (venia docendi) an einer in- oder ausländischen Universität einzuholen.

(4) Dolmetscher haben nach bestem Wissen und Gewissen zu übersetzen, Ladungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zu befolgen und bei Verhandlungen, Vernehmungen und Tatrekonstruktionen Fragen zu beantworten.

(5) Wenn ein Sachverständiger oder ein Dolmetscher die ihm gesetzte Frist zur Erstattung des Befundes oder Gutachtens oder der Übersetzung trotz Mahnung wesentlich überschreitet, kann er seines Amtes enthoben werden. Überdies kann das Gericht, wenn der Sachverständige oder Dolmetscher die Verzögerung verschuldet hat, über ihn eine Geldstrafe bis zu 10 000 Euro verhängen.

Leichenbeschau und Obduktion

§ 128. (1) Sofern nicht ein natürlicher Tod feststeht, hat die Kriminalpolizei erforderlichenfalls einen Arzt beizuziehen und grundsätzlich am Ort der Auffindung die äußere Beschaffenheit der Leiche zu besichtigen, der Staatsanwaltschaft über das Ergebnis der Leichenbeschau zu berichten (§ 100 Abs. 2 Z 2) und dafür zu sorgen, dass die Leiche für den Fall der Obduktion zur Verfügung steht.

(2) Eine Obduktion ist zulässig, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tod einer Person durch eine strafbare Handlung verursacht worden ist. Sie ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von einem Sachverständigen eines Instituts für Gerichtliche Medizin, erforderlichenfalls unter Beiziehung weiterer Sachverständiger anderer Fachgebiete, durchzuführen.

(3) Wenn dies zur Aufklärung einer strafbaren Handlung erforderlich ist, ist auch die Exhumierung einer Leiche zum Zweck einer Obduktion (Abs. 2) zulässig. Sie ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.

4. Abschnitt

Observation, verdeckte Ermittlung und Scheingeschäft

Definitionen

§ 129. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Observation“ das heimliche Überwachen des Verhaltens einer Person,

           2. „verdeckte Ermittlung“ der Einsatz von kriminalpolizeilichen Organen oder anderen Personen im Auftrag der Kriminalpolizei, die ihre amtliche Stellung oder ihren Auftrag weder offen legen noch erkennen lassen,

           3. „Scheingeschäft“ der Versuch oder die Ausführung äußerlich strafbarer Handlungen, soweit diese im Erwerben, Ansichbringen, Besitzen, Ein-, Aus- oder Durchführen von Gegenständen oder Vermögenswerten bestehen, die entfremdet wurden, aus einem Verbrechen herrühren oder der Begehung eines solchen gewidmet sind oder deren Besitz absolut verboten ist.

Observation

§ 130. (1) Observation ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ausforschung des Aufenthalts des Beschuldigten erforderlich erscheint.

(2) Sofern die Observation über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden oder außerhalb des Bundesgebietes durchgeführt wird oder werden soll, ist sie nur dann zulässig, wenn der Verdacht einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung besteht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, und auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass die überwachte Person die strafbare Handlung begangen habe oder mit dem Beschuldigten Kontakt herstellen werde oder dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ermittelt werden kann.

Verdeckte Ermittlung

§ 131. (1) Verdeckte Ermittlung ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat erforderlich erscheint.

(2) Eine systematische, über längere Zeit durchgeführte verdeckte Ermittlung ist nur dann zulässig, wenn die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder die Verhinderung einer im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) geplanten strafbaren Handlung ansonsten wesentlich erschwert wäre. Soweit dies für die Aufklärung oder Verhinderung unerlässlich ist, ist es auch zulässig, nach Maßgabe des § 54a SPG Urkunden, die über die Identität eines Organs der Kriminalpolizei täuschen, herzustellen und sie im Rechtsverkehr zur Erfüllung des Ermittlungszwecks zu gebrauchen.

(3) Der verdeckte Ermittler ist von der Kriminalpolizei zu führen und regelmäßig zu überwachen. Sein Einsatz und dessen nähere Umstände sowie Auskünfte und Mitteilungen, die durch ihn erlangt werden, sind in einem Bericht oder in einem Amtsvermerk (§ 95) festzuhalten, sofern sie für die Untersuchung von Bedeutung sein können.

(4) Wohnungen und andere vom Hausrecht geschützte Räume dürfen verdeckte Ermittler nur im Einverständnis mit dem Inhaber betreten. Das Einverständnis darf nicht durch Täuschung über eine Zutrittsberechtigung herbeigeführt werden.

(5) Berichte und Amtsvermerke über verdeckte Ermittlungen dürfen nur insoweit als Beweis verwendet werden, als andere Beweismittel sie bestätigen oder unterstützen.

Scheingeschäft

§ 132. Die Durchführung eines Scheingeschäfts ist zulässig, wenn die Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) oder die Sicherstellung von Gegenständen oder Vermögenswerten, die aus einem Verbrechen herrühren oder vom Verfall (§ 20b StGB) oder von der Einziehung (§ 26 StGB) bedroht sind, andernfalls wesentlich erschwert wäre. Unter diesen Voraussetzungen ist es auch zulässig, zur Ausführung eines Scheingeschäfts durch Dritte beizutragen (§ 12 dritter Fall StGB).

Gemeinsame Bestimmungen

§ 133. (1) Observation nach § 130 Abs. 1 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 1 kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Observation nach § 130 Abs. 2 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 2 sowie der Abschluss eines Scheingeschäfts nach § 132 sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.

(2) Observation nach § 130 Abs. 2 und verdeckte Ermittlung nach § 131 Abs. 2 dürfen nur für jenen Zeitraum angeordnet oder genehmigt werden, der zur Erreichung ihres Zweckes voraussichtlich erforderlich ist, längstens jedoch für einen Monat, im Fall einer verdeckten Ermittlung längstens für drei Monate. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Observation oder die weitere Durchführung verdeckter Ermittlungen Erfolg haben werde; § 99 Abs. 2 ist jedoch nicht anzuwenden. Observation und verdeckte Ermittlung sind zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, wenn ihr Zweck erreicht ist oder voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann oder wenn die Staatsanwaltschaft die Einstellung anordnet.

(3) Observation, verdeckte Ermittlungen und Scheingeschäft sind durch die Kriminalpolizei durchzuführen. Die Verwendung technischer Mittel zur optischen oder akustischen Überwachung von Personen im Zuge dieser Ermittlungsmaßnahmen ist nur unter den Voraussetzungen des § 136 zulässig.

(4) Nach Beendigung der Observation nach § 130 Abs. 2 und der verdeckten Ermittlung nach § 131 Abs. 2 und nach Abschluss des Scheingeschäfts sind dem Beschuldigten und den Betroffenen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist, die Anordnungen und Genehmigungen nach Abs. 1 und 2 zuzustellen. Diese Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen in diesem oder in einem anderen Verfahren gefährdet wäre.

5. Abschnitt

Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Standort- und Vermittlungsdaten sowie
Überwachung von Nachrichten und von Personen

Definitionen

§ 134. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

           1. „Beschlagnahme von Briefen“ das Öffnen und Zurückbehalten von Telegrammen, Briefen oder anderen Sendungen, die der Beschuldigte abschickt oder die an ihn gerichtet werden,

           2. „Auskunft über Standort- und Vermittlungsdaten“ die Erteilung einer Auskunft über

                a) die näheren Umstände der Übertragung von Nachrichten durch Telekommunikation oder durch ein Computersystem, insbesondere über die Person des Adressaten oder Absenders einer Nachricht, seines Standortes, die für Verrechnungszwecke erforderlichen Daten und die Adresse der technischen Einrichtung oder des Computersystems, die Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder ist, und

               b) den räumlichen Bereich, in dem sich ein zur Übermittlung und zum Empfang von Nachrichten durch Telekommunikation bestimmtes Endgerät befindet oder befunden hat,

           3. „Überwachung von Nachrichten“ das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten, die durch Telekommunikation oder durch ein Computersystem übermittelt oder empfangen werden,

           4. „optische und akustische Überwachung von Personen“ die Überwachung des Verhaltens von Personen unter Durchbrechung ihrer Privatsphäre und der Äußerungen von Personen, die nicht zur unmittelbaren Kenntnisnahme Dritter bestimmt sind, unter Verwendung technischer Mittel zur Bild- oder Tonübertragung und zur Bild- oder Tonaufnahme ohne Kenntnis der Betroffenen,

           5. „Ergebnis“ (der unter Z 1 bis 4 angeführten Beschlagnahme, Auskunft oder Überwachung) der Inhalt von Briefen (Z 1), die Stamm-, Vermittlungs- oder Inhaltsdaten (Z 2 und 3) und die Bild- oder Tonaufnahme einer Überwachung (Z 4).

Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Standort- und Vermittlungsdaten sowie Überwachung von Nachrichten

§ 135. (1) Beschlagnahme von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich ist und sich der Beschuldigte wegen einer solchen Tat in Haft befindet oder seine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde.

(2) Auskunft über Standort- und Vermittlungsdaten ist zulässig,

           1. wenn und solange der dringende Verdacht besteht, dass eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich sonst ihrer bemächtigt hat, und sich die Auskunft auf Daten, Signale und Nachrichten beschränkt, von denen anzunehmen ist, dass sie zur Zeit der Freiheitsentziehung durch vom Beschuldigten benützte technische Einrichtungen oder Computer­systeme und Endgeräte übermittelt, empfangen oder gesendet werden,

           2. wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gefördert werden kann und der Inhaber der technischen Einrichtung oder des Computersystems, die oder das Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, der Auskunft ausdrücklich zustimmt,

           3. wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich erscheint und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden können.

(3) Überwachung von Nachrichten ist zulässig,

           1. in den Fällen des Abs. 2 Z 1,

           2. in den Fällen des Abs. 2 Z 2, sofern der Inhaber der technischen Einrichtung oder des Computersystems der Überwachung zustimmt,

           3. wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich erscheint oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen ansonsten wesentlich erschwert wäre und der Inhaber der technischen Einrichtung oder des Computersystems, die oder das Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, dringend verdächtig ist, die Tat begangen zu haben oder zu planen,

           4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen zu erwarten ist, dass dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist, ermittelt werden kann.

Optische und akustische Überwachung von Personen

§ 136. (1) Die optische und akustische Überwachung von Personen ist zulässig,

           1. wenn und solange der dringende Verdacht besteht, dass eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich ihrer sonst bemächtigt hat, und sich die Überwachung auf Vorgänge und Äußerungen zur Zeit und am Ort der Freiheitsentziehung beschränkt,

           2. wenn sie sich auf Vorgänge und Äußerungen beschränkt, die zur Kenntnisnahme eines verdeckten Ermittlers oder sonst einer von der Überwachung informierten Person bestimmt sind oder von dieser unmittelbar wahrgenommen werden können, und sie zur Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) erforderlich scheint oder

           3. wenn die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a oder § 278b StGB oder die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen Organisation oder einer terroristischen Vereinigung (§§ 278a und 278b StGB) begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen oder die Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat verdächtigen Person ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und

                a) die Person, gegen die sich die Überwachung richtet, des mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach 278a oder § 278b StGB dringend verdächtig ist oder

               b) auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass ein Kontakt einer solcherart dringend verdächtigen Person mit der Person hergestellt werde, gegen die sich die Überwachung richtet.

(2) Soweit dies zur Durchführung einer Überwachung nach Abs. 1 Z 3 unumgänglich ist, ist es zulässig, in eine bestimmte Wohnung oder in andere durch das Hausrecht geschützte Räume einzudringen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Beschuldigte die betroffenen Räume benützen werde.

(3) Die optische Überwachung von Personen zur Aufklärung einer Straftat ist überdies zulässig,

           1. wenn sie sich auf Vorgänge außerhalb einer Wohnung oder anderer durch das Hausrecht geschützter Räume beschränkt und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, Gegenstände oder Örtlichkeiten zu beobachten, um das Verhalten von Personen zu erfassen, die mit den Gegenständen in Kontakt treten oder die Örtlichkeiten betreten, oder

           2. wenn sie ausschließlich zu dem in Z 1 erwähnten Zweck in einer Wohnung oder anderen durch das Hausrecht geschützten Räumen erfolgt, die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung ansonsten wesentlich erschwert wäre und der Inhaber dieser Wohnung oder Räume in die Überwachung ausdrücklich einwilligt.

(4) Eine Überwachung ist nur zulässig, soweit die Verhältnismäßigkeit (§ 5) gewahrt wird. Eine  Überwachung nach Abs. 1 Z 3 zur Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten strafbaren Handlungen ist überdies nur dann zulässig, wenn bestimmte Tatsachen auf eine schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit schließen lassen.

Gemeinsame Bestimmungen

§ 137. (1) Eine Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 1 kann die Kriminalpolizei von sich aus durchführen. Die übrigen Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135 und 136 sind von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen, wobei das Eindringen in Räume nach § 136 Abs. 2 jeweils im Einzelnen einer gerichtlichen Bewilligung bedarf.

(2) Bei der Beschlagnahme von Briefen sind die §§ 111 Abs. 4 und 112 sinngemäß anzuwenden.

(3) Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135 und 136 dürfen nur für einen solchen künftigen, in den Fällen des § 135 Abs. 2 auch vergangenen, Zeitraum angeordnet werden, der zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist. Eine neuerliche Anordnung ist jeweils zulässig, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die weitere Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Erfolg haben werde. Im Übrigen ist die Ermittlungsmaßnahme zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen wegfallen.

§ 138. (1) Anordnung und gerichtliche Bewilligung einer Beschlagnahme von Briefen nach § 135 Abs. 1 haben die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist und ihre gesetzliche Bezeichnung sowie die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Tat erforderlich und verhältnismäßig ist, anzuführen; Anordnung und Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 haben überdies zu enthalten:

           1. die Namen oder sonstigen Identifizierungsmerkmale des Inhabers der technischen Einrichtung oder des Computersystems, die oder das Ursprung oder Ziel einer Übertragung von Nachrichten war oder sein wird, oder der Person, deren Überwachung angeordnet wird,

           2. die für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in Aussicht genommenen Örtlichkeiten,

           3. die Art der Nachrichtenübertragung, die technische Einrichtung, das Computersystem und das Endgerät oder die Art der voraussichtlich für die optische und akustische Überwachung zu verwendenden technischen Mittel,

           4. den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung der Überwachung,

           5. die Räume, in die auf Grund einer Anordnung eingedrungen werden darf,

           6. im Fall des § 136 Abs. 4 die Tatsachen, aus denen sich die schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergibt.

(2) Betreiber von Post- und Telegrafendiensten sind verpflichtet, an der Beschlagnahme von Briefen mitzuwirken und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft solche Sendungen bis zum Eintreffen einer gerichtlichen Bewilligung zurückzuhalten; ergeht eine solche Bewilligung nicht binnen drei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nicht weiter verschieben. Betreiber (§ 87 Abs. 3 Z 1 TKG) und sonstige Diensteanbieter (§§ 13, 16 und 18 Abs. 2 des E-Commerce-Gesetzes, BGBl. I Nr. 152/2001) sind verpflichtet, Auskunft über Standort- und Vermittlungsdaten (§ 135 Abs. 2) zu erteilen und an einer Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3) mitzuwirken.

(3) Die Verpflichtung nach Abs. 2 und ihren Umfang sowie die allfällige Verpflichtung, mit der Anordnung und Bewilligung verbundene Tatsachen und Vorgängen gegenüber Dritten geheim zu halten, hat die Staatsanwaltschaft dem Betreiber mit gesonderter Anordnung aufzutragen; diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die §§ 93 Abs. 2, 111 Abs. 3 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung gelten sinngemäß.

(4) Die Staatsanwaltschaft hat die Ergebnisse (§ 134 Z 5) zu prüfen und diejenigen Teile in Bild-  oder Schriftform übertragen zu lassen und zu den Akten zu nehmen, die für das Verfahren von Bedeutung sind und als Beweismittel verwendet werden dürfen (§§ 140 Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).

(5) Nach Beendigung einer Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 Abs. 2 und 3 sowie 136 hat die Staatsanwaltschaft ihre Anordnung und deren gerichtliche Bewilligung dem Beschuldigten und den von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen unverzüglich zuzustellen. Die Zustellung kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre. Wenn die Ermittlungsmaßnahme später begonnen oder früher beendet wurde als zu den in Abs. 1 Z 4 genannten Zeitpunkten, ist auch der Zeitraum der tatsächlichen Durchführung mitzuteilen.

§ 139. (1) Dem Beschuldigten ist zu ermöglichen, die gesamten Ergebnisse (§ 134 Z 5) einzusehen und anzuhören. Soweit berechtigte Interessen Dritter dies erfordern, hat die Staatsanwaltschaft jedoch Teile der Ergebnisse, die für das Verfahren nicht von Bedeutung sind, von der Kenntnisnahme durch den Beschuldigten auszunehmen. Dies gilt nicht, soweit während der Hauptverhandlung von den Ergebnissen Gebrauch gemacht wird.

(2) Die von der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme betroffenen Personen haben das Recht, die Ergebnisse insoweit einzusehen, als ihre Standort- oder Vermittlungsdaten, für sie bestimmte oder von ihnen ausgehende Nachrichten oder von ihnen geführte Gespräche oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, betroffen sind. Über dieses und das ihnen nach Abs. 6 zustehende Recht sind diese Personen, sofern ihre Identität bekannt oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist, von der Staatsanwaltschaft zu informieren.

(3) Auf Antrag des Beschuldigten sind weitere Ergebnisse in Bild- oder Schriftform zu übertragen, wenn diese für das Verfahren von Bedeutung sind und ihre Verwendung als Beweismittel zulässig ist (§§ 140 Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).

(4) Auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen sind Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahme zu vernichten, wenn diese für ein Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht verwendet werden dürfen. Dieses Antragsrecht steht auch den von der Ermittlungsmaßnahme Betroffen zu, insoweit für sie bestimmte oder von ihnen ausgehende Nachrichten oder Bilder, auf denen sie dargestellt sind, oder von ihnen geführte Gespräche betroffen sind.

§ 140. (1) Als Beweismittel dürfen Ergebnisse (§ 134 Z 5), bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden,

           1. wenn die Voraussetzungen für die Ermittlungsmaßnahme nach § 136 Abs. 1 Z 1 vorlagen,

           2. wenn die Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 135 oder 136 Abs. 1 Z 2 oder 3 oder Abs. 3 rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde (§ 137), und

           3. in den Fällen des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 nur zum Nachweis eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB),

           4. in den Fällen der §§ 135 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 und 3, Abs. 3 Z 2 bis 4 nur zum Nachweis einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, deretwegen die Ermittlungsmaßnahme angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können.

(2) Ergeben sich bei Prüfung der Ergebnisse Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die Anlass zur Überwachung gegeben hat, so ist mit diesem Teil der Ergebnisse ein gesonderter Akt anzulegen, soweit die Verwendung als Beweismittel zulässig ist (Abs. 1, 144, 157 Abs. 2).

(3) In anderen gerichtlichen und in verwaltungsbehördlichen Verfahren dürfen Ergebnisse nur insoweit als Beweismittel verwendet werden, als ihre Verwendung in einem Strafverfahren zulässig war oder wäre.

6. Abschnitt

Automationsunterstützter Datenabgleich

Datenabgleich

§ 141. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist „Datenabgleich“ der automationsunterstützte Vergleich von Daten (§ 4 Z 1 DSG 2000) einer Datenanwendung, die bestimmte, den mutmaßlichen Täter kennzeichnende oder ausschließende Merkmale enthalten, mit Daten einer anderen Datenanwendung, die solche Merkmale enthalten, um Personen festzustellen, die auf Grund dieser Merkmale als Verdächtige in Betracht kommen.

(2) Datenabgleich ist zulässig, wenn die Aufklärung eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) ansonsten wesentlich erschwert wäre und nur solche Daten einbezogen werden, die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden für Zwecke eines bereits anhängigen Strafverfahrens oder sonst auf Grund bestehender Bundes- oder Landesgesetze ermittelt oder verarbeitet haben.

(3) Sofern die Aufklärung eines mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens oder eines Verbrechens nach § 278a oder § 278b StGB ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, ist es zulässig, in einen Datenabgleich auch Daten, die Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie der Kriminalpolizei nach § 76 Abs. 2 zu übermitteln sind, und Daten über Personen einzubeziehen, die von einem bestimmten Unternehmen bestimmte Waren oder Dienstleistungen bezogen haben oder die Mitglieder von Personenvereinigungen des Privatrechts oder von juristischen Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts sind.

(4) Sensible Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) dürfen in einen Datenabgleich nicht einbezogen werden. Dies gilt nicht für Daten über die Staatsangehörigkeit, Daten zur tatbildmäßigen Bezeichnung einer Tätergruppe sowie für Daten, die Staatsanwaltschaften oder Sicherheitsbehörden durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, durch Durchsuchung einer Person, durch körperliche Untersuchung oder durch molekulargenetische Analyse rechtmäßig ermittelt haben, sofern diese Daten ausschließlich für einen Datenabgleich nach Abs. 1 verwendet werden. Daten von Personenvereinigungen, deren Zweck in unmittelbarem Zusammenhang mit einem der besonders geschützten Merkmale steht, dürfen in einen Datenabgleich in keinem Fall einbezogen werden.

Durchführung

§ 142. (1) Der Datenabgleich ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei hat dieses Ergebnis des Datenabgleichs, soweit es für das Verfahren von Bedeutung ist, in Schriftform zu übertragen.

(2) Die Anordnung des Datenabgleichs sowie ihre gerichtliche Bewilligung haben außer den in § 102 Abs. 2 genannten Angaben zu enthalten:

           1. die Bezeichnung jener Merkmale, nach deren Übereinstimmung gesucht wird,

           2. die Datenanwendung (§ 4 Z 7 DSG 2000) und jene ihrer Daten, welche die gesuchten Merkmale enthalten,

           3. die zur Datenübermittlung verpflichteten Auftraggeber (§ 4 Z 4 DSG 2000).

(3) Eine Anordnung nach Abs. 2 ist samt ihrer gerichtlichen Bewilligung der Datenschutzkommission und allen Personen zuzustellen, welche durch den Datenabgleich ausgeforscht werden; die Zustellung an die ausgeforschten Personen kann jedoch aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck dieses oder eines anderen bereits anhängigen Strafverfahrens gefährdet wäre.

Mitwirkungspflicht

§ 143. (1) Jeder Auftraggeber einer Datenanwendung, deren Daten in einen Abgleich nach § 141 einbezogen werden sollen, ist verpflichtet, die Datenanwendung auf die gesuchten Merkmale hin zu durchsuchen und alle Daten, die diese Merkmale enthalten, auf einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu übermitteln. Hierbei hat er sich neben den gesuchten Merkmalen auf die Übermittlung der Namen, der Geburtsdaten und der Anschriften zu beschränken. Danach hat er allfällige Ergebnisse des Suchvorganges zu vernichten und – abweichend von den §§ 14 Abs. 2 Z 7 und Abs. 3 bis 4 DSG 2000 – lediglich die Daten der Übermittlung und die Anordnung nach Abs. 2 zu protokollieren.

(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 hat die Staatsanwaltschaft dem Auftraggeber mit gesonderter Anordnung aufzutragen; diese Anordnung hat die entsprechende gerichtliche Bewilligung anzuführen. Die §§ 93 Abs. 2 und 112 sowie die Bestimmungen über die Durchsuchung gelten sinngemäß.

7. Abschnitt

Geistliche Amtsverschwiegenheit und Berufsgeheimnisse

Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit und von Berufsgeheimnissen

§ 144. (1) Die geistliche Amtsverschwiegenheit ist geschützt (§ 155 Z 1), sie darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Anordnung oder Durchführung der in diesem Hauptstück enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen. Die Anordnung oder Durchführung einer optischen oder akustischen Überwachung von Geistlichen unter Verwendung technischer Mittel in Beichtstühlen oder in Räumen, die zur geistlichen Aussprache bestimmt sind, ist in jedem Fall unzulässig.

(2) Die Anordnung oder Durchführung der in diesem Hauptstück enthaltenen Ermittlungsmaßnahmen ist auch unzulässig, soweit dadurch das Recht einer Person, gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 5 die Aussage zu verweigern, umgangen wird.

(3) Ein Umgehungsverbot nach Abs. 1 erster Satz oder Abs. 2 besteht insoweit nicht, als die betreffende Person selbst der Tat dringend verdächtig ist. In einem solchen Fall ist für die Anordnung und Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135 Abs. 2 und 3 sowie des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs. 2) Voraussetzung.

8. Abschnitt

Besondere Durchführungsbestimmungen, Rechtsschutz und Schadenersatz

Besondere Durchführungsbestimmungen

§ 145. (1) Sämtliche Ergebnisse einer der im 4. bis 6. Abschnitt geregelten Ermittlungsmaßnahmen sind von der Staatsanwaltschaft zu verwahren und dem Gericht beim Einbringen der Anklage zu übermitteln. Das Gericht hat diese Ergebnisse nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu löschen, soweit sie nicht in einem anderen, bereits anhängigen Strafverfahren als Beweismittel Verwendung finden. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft im Fall der Einstellung des Verfahrens.

(2) Anordnungen und Genehmigungen dieser Ermittlungsmaßnahmen (Abs. 1), ihre gerichtlichen Bewilligungen sowie in Bild- oder Schriftform übertragene Ergebnisse (§ 134 Z 5) sind zunächst getrennt aufzubewahren und erst dann zum Akt zu nehmen, wenn die betreffende Anordnung dem Beschuldigten gegenüber rechtskräftig geworden ist, spätestens jedoch beim Einbringen der Anklage. Bis zur Zustellung der Anordnung an den Beschuldigten können sie von der Einsicht durch diesen sowie durch Privatbeteiligte und Geschädigte ausgenommen werden, wenn zu befürchten ist, dass andernfalls der Zweck der Ermittlungen oder die Persönlichkeitsrechte von Personen, die von diesen Ermittlungsmaßnahmen betroffen sind, gefährdet wären; im Übrigen gilt § 51 Abs. 2.

(3) Solange in Bild- oder Schriftform übertragene Ergebnisse einer Ermittlungsmaßnahme in den Fällen des § 135 Abs. 2 und 3 und des § 136 Abs. 1 Z 2 und 3 nicht zum Akt genommen werden, sind sie samt den zugehörigen Anordnungen, gerichtlichen Bewilligungen und sonstigen Aktenstücken unter Verschluss aufzubewahren. Näheres hat der Bundesminister für Justiz durch Verordnung zu bestimmen.

Rechtsschutz

§ 146. (1) Der Bundesminister für Justiz hat zur Wahrnehmung des besonderen Rechtsschutzes nach diesem Abschnitt nach Einholung eines gemeinsamen Vorschlages des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages einen Rechtsschutzbeauftragten sowie die erforderliche Anzahl von Stellvertretern mit deren Zustimmung für die Dauer von drei Jahren zu bestellen; Wiederbestellungen sind zulässig. Der Vorschlag hat zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten wie Personen zu bestellen sind.

(2) Der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Grund- und Freiheitsrechte aufweisen und mindestens fünf Jahre in einem Beruf tätig gewesen sein, in dem der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist und dessen Ausübung Erfahrungen im Straf- und Strafverfahrensrecht mit sich brachte. Richter und Staatsanwälte des Dienststandes, Rechtsanwälte, die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind, und andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht zu berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990), dürfen nicht bestellt werden.

(3) Die Bestellung des Rechtsschutzbeauftragten und seiner Stellvertreter erlischt bei Verzicht, im Fall des Todes, mit Ende der Bestellungsdauer oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit gemäß Abs. 2; im Fall des Endes der Bestellungsdauer jedoch nicht vor der neuerlichen Bestellung eines Rechtsschutzbeauftragten. In den Fällen des § 43 Abs. 1 hat sich der Rechtsschutzbeauftragte von dem Zeitpunkt, zu dem ihm der Grund bekannt geworden ist, des Einschreitens in der Sache zu enthalten.

(4) Der Rechtsschutzbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Er unterliegt der Amtsverschwiegenheit. Seine Stellvertreter haben gleiche Rechte und Pflichten.

(5) Zustellungen an den Rechtsschutzbeauftragten sind im Wege der Geschäftsstelle des Obersten Gerichtshofes vorzunehmen; diese hat auch die Kanzleigeschäfte des Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen.

(6) Dem Rechtsschutzbeauftragten gebührt als Entschädigung für die Erfüllung seiner Aufgaben nach diesem Abschnitt für jede, wenn auch nur begonnene Stunde ein Zehntel der Entschädigung eines Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag (§ 4 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für die Vergütung seiner Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete sinngemäß mit der Maßgabe, dass sein Wohnsitz als Dienstort gilt und dass ihm die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die Bemessung der dem Rechtsschutzbeauftragten zustehenden Gebühren ist der Bundesminister für Justiz zuständig.

§ 147. (1) Dem Rechtsschutzbeauftragten obliegt die Prüfung und Kontrolle der Anordnung, Bewilligung und Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 136 Abs. 1 Z 3 und 141 sowie der Ermittlungsmaßnahmen nach den §§ 135 Abs. 2 und 3, 136 Abs. 1 Z 2 in den Fällen des § 144 Abs. 3. Zu diesem Zweck haben ihm Staatsanwaltschaften, Gerichte und Kriminalpolizei jederzeit Akteneinsicht zu gewähren, ihm auf Verlangen unentgeltlich Kopien auszufolgen und ihm alle Auskünfte zu erteilen. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, die Durchführung der erwähnten Ermittlungsmaßnahmen zu überwachen, und jederzeit Zutritt zu allen Räumen zu gewähren, in denen Ergebnisse (§ 134 Z 5) aufbewahrt werden oder ein Datenabgleich durchgeführt wird.

(2) Beantragt die Staatsanwaltschaft die gerichtliche Bewilligung einer in Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme, so hat sie dem Rechtsschutzbeauftragten zugleich eine Ausfertigung dieses Antrags samt einer Kopie der Anzeige und der maßgebenden Ermittlungsergebnisse zu übermitteln. Im Fall des § 144 Abs. 3 hat die Staatsanwaltschaft zugleich um Ermächtigung zur Antragstellung zu ersuchen. Eine Ermächtigung zu einem Antrag auf Bewilligung einer Überwachung nach § 136 Abs. 1 Z 3 in den ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumen einer der in § 157 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erwähnten Personen darf der Rechtsschutzbeauftragte nur erteilen, wenn besonders schwer wiegende Gründe vorliegen, die diesen Eingriff verhältnismäßig erscheinen lassen.

(3) Die Anordnung und die Bewilligung der im Abs. 1 angeführten Ermittlungsmaßnahme hat die Staatsanwaltschaft samt Kopien aller Aktenstücke, die für die Beurteilung der Anordnungsgründe von Bedeutung sein können, unverzüglich dem Rechtsschutzbeauftragten zu übermitteln. Diesem steht gegen die Bewilligung Beschwerde zu; dieses Recht erlischt mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist des Beschuldigten.

(4) Nach Beendigung der Ermittlungsmaßnahme ist dem Rechtsschutzbeauftragten Gelegenheit zu geben, die gesamten Ergebnisse einzusehen und anzuhören, bevor diese zum Akt genommen werden (§ 145 Abs. 2). Er ist ferner berechtigt, die Vernichtung von Ergebnissen oder Teilen von ihnen (§ 139 Abs. 4) zu beantragen und sich von der ordnungsgemäßen Vernichtung dieser Ergebnisse zu überzeugen. Das Gleiche gilt für die ordnungsgemäße Löschung von Daten, die in einen Datenabgleich einbezogen oder durch ihn gewonnen wurden. Beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, einem solchen Antrag des Rechtsschutzbeauftragten nicht nachzukommen, so hat sie unverzüglich die Entscheidung des Gerichts einzuholen.

(5) Bis zum 31. März eines jeden Jahres hat der Rechtsschutzbeauftragte dem Bundesminister für Justiz einen Bericht über seine Tätigkeit und seine Wahrnehmungen zur Anwendung der Bestimmungen über die betreffenden Ermittlungsmaßnahmen im vorangegangenen Jahr zu übermitteln.

Schadenersatz

§ 148. Der Bund haftet für vermögensrechtliche Nachteile, die durch die Durchführung einer Überwachung von Personen nach § 136 Abs. 1 Z 3 oder eines Datenabgleichs nach § 141 entstanden sind. Der Ersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Geschädigte die Anordnung vorsätzlich herbeigeführt hat. Weitergehende Ansprüche bleiben unberührt. Auf das Verfahren ist das Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, anzuwenden.

9. Abschnitt

Augenschein und Tatrekonstruktion

Augenschein und Tatrekonstruktion

§ 149. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Augenschein“ jede unmittelbare sinnliche Wahrnehmung und deren Dokumentation durch Ton- oder Bildaufnahme, soweit es sich nicht um eine Vernehmung handelt,

           2. „Tatrekonstruktion“ die Vernehmung einer Person im Zuge eines Nachstellens des wahrscheinlichen Verlaufs der Tat am Tatort oder an einem anderen mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Ort sowie die Ton- oder Bildaufnahme über diese Vorgänge.

(2) Ein Augenschein kann durch die Kriminalpolizei durchgeführt werden. Wenn er besondere Sachkunde erfordert, über welche Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft nicht durch besondere Einrichtungen oder deren Organe verfügen, kann mit seiner Durchführung auch ein Sachverständiger im Rahmen der Befundaufnahme beauftragt werden.

(3) Eine Tatrekonstruktion hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht zu erfolgen (§ 104).

Durchführung der Tatrekonstruktion

§ 150. (1) Der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern ist Gelegenheit zu geben, sich an der Tatrekonstruktion zu beteiligen. Sie haben das Recht, Fragen zu stellen sowie ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu verlangen. Soweit die Kriminalpolizei nicht an der Durchführung beteiligt wird, ist sie vom Termin zu verständigen.

(2) Der Beschuldigte kann von der Teilnahme vorübergehend ausgeschlossen werden, wenn seine Anwesenheit den Zweck des Verfahrens gefährden könnte oder besondere Interessen dies erfordern (§ 250 Abs. 1). Dem Privatbeteiligten ist die Beteiligung vorübergehend zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass seine Anwesenheit den Beschuldigten oder Zeugen bei der Ablegung einer freien und vollständigen Aussage beeinflussen könnte. In diesen Fällen ist dem Beschuldigten oder Privatbeteiligten sogleich eine Kopie des Protokolls zu übermitteln. Die Beteiligung des Verteidigers darf jedoch in keinem Fall eingeschränkt werden. Im Übrigen ist § 97 anzuwenden.

10. Abschnitt

Erkundigungen und Vernehmungen

Definitionen

§ 151. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Erkundigung“ das Verlangen von Auskunft und das Entgegennehmen einer Mitteilung von einer Person,

           2. „Vernehmung“ das Befragen von Personen nach förmlicher Information über ihre Stellung und ihre Rechte im Verfahren.

Erkundigungen

§ 152. (1) Erkundigungen dienen der Aufklärung einer Straftat und der Vorbereitung einer Beweisaufnahme; die Bestimmungen über die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen dürfen durch Erkundigungen bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden.

(2) Soweit die Kriminalpolizei nicht verdeckt ermittelt, hat sie bei Erkundigungen auf ihre amtliche Stellung hinzuweisen, wenn diese nicht aus den Umständen offensichtlich ist. Die Auskunft erfolgt freiwillig und darf nicht erzwungen werden, soweit sie nicht auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung zu erteilen ist.

(3) Auskünfte und sonstige Umstände, die durch Erkundigungen erlangt wurden und für das Verfahren von Bedeutung sein können, sind in einem Amtsvermerk festzuhalten.

Vernehmungen

§ 153. (1) Vernehmungen dienen der Aufklärung einer Straftat und der Beweisaufnahme.

(2) Eine Person, die vernommen werden soll, ist in der Regel schriftlich vorzuladen. Die Ladung muss den Gegenstand des Verfahrens und der Vernehmung sowie den Ort, den Tag und die Stunde ihres Beginns enthalten. Der Beschuldigte und der Geschädigte sind darin über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 50 und 69) zu informieren, soweit dies nicht zuvor bereits geschehen ist. Jedermann ist verpflichtet, eine solche Ladung zu befolgen und kann im Fall seines ungerechtfertigten Ausbleibens vorgeführt werden, wenn dies in der Ladung ausdrücklich angedroht wurde.

(3) Die Staatsanwaltschaft, im Fall des § 104 das Gericht, kann die Vorführung des Beschuldigten zur sofortigen Vernehmung anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Beschuldigte sich andernfalls dem Verfahren entziehen oder Beweismittel beeinträchtigen werde. Wenn eine solche Anordnung wegen Gefahr im Verzug nicht eingeholt werden kann oder wenn der Beschuldigte auf frischer Tat oder mit Gegenständen betreten wird, die auf eine Tatbegehung schließen lassen, kann die Kriminalpolizei ihn von sich aus vorführen.

Zeuge und Wahrheitspflicht

§ 154. (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist Zeuge eine vom Beschuldigten verschiedene Person, die zur Aufklärung der Straftat wesentliche oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffende Tatsachen mittelbar oder unmittelbar wahrgenommen haben könnte und darüber im Verfahren aussagen soll.

(2) Zeugen sind verpflichtet, richtig und vollständig auszusagen.

Verbot der Vernehmung als Zeuge

§ 155. (1) Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 3) nicht vernommen werden:

           1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde,

           2. Beamte (§ 74 Z 4 bis 4c StGB) über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurden,

           3. Mitglieder eines Ausschusses gemäß Art. 53 B-VG und eines nach Art. 52a B-VG eingesetzten ständigen Unterausschusses sowie Personen, die sonst berechtigterweise bei der Sitzung anwesend waren, soweit sie gemäß § 310 Abs. 2 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,

           4. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer geistigen Behinderung oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit anzugeben.

(2) Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Abs. 1 Z 2 besteht jedenfalls nicht, soweit der Zeuge im Dienste der Strafrechtspflege Wahrnehmungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder Anzeigepflicht (§ 78) besteht.

Aussagebefreiung

§ 156. (1) Von der Pflicht zur Aussage sind befreit:

           1. Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen aussagen sollen (§ 72 StGB), wobei die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige für die Beurteilung der Berechtigung zur Aussageverweigerung aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,

           2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung verletzt worden sein könnten und zur Zeit ihrer Vernehmung das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, wenn die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen kontradiktorischen Einvernahme zu beteiligen (§§ 165, 247).

(2) Nach Abs. 1 Z 1 ist eine erwachsene Person, die als Privatbeteiligte am Verfahren mitwirkt (§ 70), von der Aussage nicht befreit.

(3) Besteht die Befreiung von der Aussage im Verfahren gegen mehrere Beschuldigte nur gegenüber einem von ihnen, so ist der Zeuge hinsichtlich der anderen nur dann befreit, wenn eine Trennung der Aussagen nicht möglich ist. Gleiches gilt, wenn sich der Befreiungsgrund nur auf einen von mehreren Sachverhalten bezieht.

Aussageverweigerung

§ 157. (1) Zur Verweigerung der Aussage sind berechtigt:

           1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren der Gefahr aussetzen würden, sich über ihre bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten,

           2. Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

           3. Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapeuten, Psychologen, Bewährungshelfer und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

           4. Mediatoren, die im Sinne des Art. XVI Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 zwischen, wenngleich bloß möglichen, Parteien eines Pflegschaftsverfahrens oder ihren gesetzlichen Vertretern oder die im Sinne des § 99 Abs. 1 Ehegesetz zwischen Ehegatten vermitteln, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist,

           5. Medieninhaber (Herausgeber), Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes über Fragen, welche die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen betreffen oder die sich auf Mitteilungen beziehen, die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemacht wurden,

           6. Wahlberechtigte darüber, wie sie ein gesetzlich für geheim erklärtes Wahl- oder Stimmrecht ausgeübt haben.

(2) Das Recht der in Abs. 1 Z 2 bis 5 angeführten Personen, die Aussage zu verweigern, darf bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Vernehmung ihrer Hilfskräfte oder der Personen, die zur Ausbildung an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen.

§ 158. (1) Die Beantwortung einzelner Fragen können verweigern:

           1. Personen, soweit sie ansonsten sich oder einen Angehörigen (§ 156 Abs. 1 Z 1) der Schande oder der Gefahr eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils aussetzen würden,

           2. Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte strafbare Handlung in ihrer Geschlechtssphäre verletzt wurden oder verletzt worden sein könnten, soweit sie Umstände aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich oder Einzelheiten der Tat zu offenbaren hätten, deren Schilderung sie für unzumutbar halten.

(2) Das Gericht kann die in Abs. 1 angeführten Personen jedoch trotz Weigerung zur Aussage verpflichten, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung ihrer Aussage für den Gegenstand des Verfahrens unerlässlich ist.

Information und Nichtigkeit

§ 159. (1) Über ihre Befreiung von der Aussagepflicht oder ihr Recht auf Verweigerung der gesamten oder eines Teiles der Aussage sind Zeugen vor Beginn ihrer Vernehmung zu informieren. Werden Anhaltspunkte für ein solches Recht erst während der Vernehmung bekannt, so ist die Information zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen.

(2) Ein Zeuge, der einen Befreiungs- oder Verweigerungsgrund in Anspruch nehmen will, hat diesen, soweit er nicht offenkundig ist, glaubhaft zu machen. Darüber abgegebene Erklärungen sind zu protokollieren.

(3) Hat ein Zeuge auf seine Befreiung von der Aussagepflicht nach § 156 nicht ausdrücklich verzichtet, so ist seine gesamte Aussage nichtig. Wurde ein Zeuge, der ein Recht auf Verweigerung der Aussage nach § 157 hat, darüber nicht rechtzeitig informiert, so ist jener Teil seiner Aussage nichtig, auf den sich das Verweigerungsrecht bezieht. Das aufgenommene Protokoll ist insoweit zu vernichten.

Durchführung der Vernehmung

§ 160. (1) In der Regel ist jeder Zeuge einzeln und in Abwesenheit der Verfahrensbeteiligten und anderer Zeugen zu vernehmen. Personen, die durch Krankheit oder Gebrechlichkeit oder aus anderen berücksichtigungswürdigen Umständen verhindert sind, eine Ladung zu befolgen, können in ihrer Wohnung oder an ihrem sonstigen Aufenthaltsort gehört werden.

(2) Auf Verlangen des Zeugen ist einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit bei der Vernehmung zu gestatten. Auf dieses Recht ist in der Ladung hinzuweisen. Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden, wer der Mitwirkung an der Straftat verdächtig ist, wer als Zeuge vernommen wurde oder werden soll und wer sonst am Verfahren beteiligt ist oder besorgen lässt, dass seine Anwesenheit den Zeugen an einer freien und vollständigen Aussage beeinflussen könnte. Vertrauenspersonen sind zur Verschwiegenheit über ihre Wahrnehmungen im Zuge der Vernehmung verpflichtet (§ 301 Abs. 2 StGB).

(3) Der Vernehmung einer Person, die psychisch krank oder geistig behindert ist oder die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, ist jedenfalls eine Person ihres Vertrauens beizuziehen.

§ 161. (1) Der Zeuge ist vor Beginn der Vernehmung zu ermahnen, richtig, vollständig und derart auszusagen, dass er seine Aussage erforderlichenfalls vor Gericht beeiden könne. Sodann ist er über Vor- und Familienname, Geburtsort und -datum, Beruf und Wohnort oder eine sonstige zur Ladung geeignete Anschrift sowie über sein Verhältnis zum Beschuldigten zu befragen. Im Falle der Anwesenheit anderer Personen ist darauf zu achten, dass die persönlichen Verhältnisse des Zeugen möglichst nicht öffentlich bekannt werden.

(2) Danach ist der Zeuge um eine zusammenhängende Darstellung seiner Wahrnehmungen zu ersuchen. Sodann sind allfällige Unklarheiten oder Widersprüche aufzuklären.

(3) Fragen, mit denen dem Zeugen Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhanges erforderlich ist; solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten sind wörtlich zu protokollieren. Fragen nach allfälligen strafgerichtlichen Verfahren gegen den Zeugen und nach deren Ausgang sowie Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Zeugen dürfen nicht gestellt werden, es sei denn, dass dies nach den besonderen Umständen des Falles unerlässlich ist.

Anonyme Aussage

§ 162. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten, dass der Zeuge sich oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben zur Person (§ 161 Abs. 1) oder durch Beantwortung von Fragen, die Rückschlüsse darauf zulassen, einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde, so kann ihm gestattet werden, solche Fragen nicht zu beantworten. In diesem Fall ist auch zulässig, dass der Zeuge seine äußere Erscheinung derart verändert, dass er nicht wieder erkannt werden kann. Es ist ihm jedoch nicht gestattet, sein Gesicht derart zu verhüllen, dass sein Mienenspiel nicht soweit wahrgenommen werden kann, als dies für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Aussage unerlässlich ist.

Gegenüberstellung

§ 163. (1) Einem Zeugen können mehrere Personen – offen oder verdeckt – gegenübergestellt werden, unter denen sich eine befindet, die verdächtig ist. Zuvor ist der Zeuge aufzufordern, zur Unterscheidung erforderliche Kennzeichen des Verdächtigen zu beschreiben; dieser Beschreibung haben die gegenübergestellten Personen möglichst ähnlich zu sein. Sodann ist der Zeuge zur Angabe darüber aufzufordern, ob er eine Person erkenne und auf Grund welcher Umstände dies der Fall sei. Dieser Vorgang ist zu protokollieren und kann durch geeignete bildgebende Verfahren unterstützt werden.

(2) Gleiches gilt bei der Einsicht in Lichtbilder und der Anhörung von Stimmproben. Auch wenn der Zeuge Gegenstände wieder erkennen soll, die als Beweismittel von Bedeutung sind, ist er zunächst aufzufordern, diesen Gegenstand und gegebenenfalls seine Unterscheidungsmerkmale zu beschreiben.

(3) Im Übrigen ist eine Konfrontation des Beschuldigten oder eines Zeugen mit anderen Zeugen oder Beschuldigten zulässig, wenn die jeweiligen Aussagen in erheblichen Umständen von einander abweichen und anzunehmen ist, dass die Aufklärung der Widersprüche dadurch gefördert werden kann. Die einander gegenüber gestellten Personen sind über jeden einzelnen Umstand ihrer von einander abweichenden oder einander widersprechenden Aussagen besonders zu vernehmen; die beiderseitigen Antworten sind zu protokollieren.

Vernehmung des Beschuldigten

§ 164. (1) Dem Beschuldigten ist vor Beginn der Vernehmung mitzuteilen, welcher Tat er verdächtig ist. Sodann ist er im Sinne des Abs. 2 und darüber zu informieren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten (§§ 58 Abs. 1 und 59 Abs. 1). Der Beschuldigte ist auch darauf aufmerksam zu machen, dass seine Aussage seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne. Soweit dies erforderlich und möglich ist, ist die Vernehmung für einen angemessenen Zeitraum aufzuschieben, um dem Beschuldigten die Ausübung seiner Rechte zu ermöglichen.

(2) Der Beschuldigte hat das Recht, seiner Vernehmung eine Person seines Vertrauens beizuziehen; diese darf sich an der Vernehmung nicht beteiligen. § 160 Abs. 2 dritter Satz ist anzuwenden. Von der Beiziehung einer Vertrauensperson kann jedoch abgesehen werden, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass ihre Anwesenheit Ermittlungen beeinträchtigen könnte. In diesem Fall ist nach Möglichkeit eine Ton- oder Bildaufnahme (§ 97) anzufertigen.

(3) Der Beschuldigte ist zunächst über seine persönlichen Verhältnisse zu befragen. Dann ist ihm Gelegenheit zu geben, sich in einer zusammenhängenden Darstellung zu dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf zu äußern. Zu schwierigen Fragen, die besondere Sachkunde voraussetzen oder eine Beurteilung durch einen Sachverständigen erfordern, ist ihm zu gestatten, sich binnen angemessener Frist ergänzend schriftlich zu äußern. Während der Vernehmung darf er sich jedoch mit niemandem, auch nicht mit dem Verteidiger, über die Beantwortung einzelner Fragen beraten.

(4) Es dürfen weder Versprechungen oder Vorspiegelungen noch Drohungen oder Zwangsmittel angewendet werden, um den Beschuldigten zu einem Geständnis oder zu anderen Angaben zu bewegen. Die Freiheit seiner Willensentschließung und seiner Willensbetätigung sowie sein Erinnerungsvermögen und seine Einsichtsfähigkeit dürfen durch keinerlei Maßnahmen oder gar Eingriffe in seine körperliche Integrität beeinträchtigt werden. Dem Beschuldigten gestellte Fragen müssen deutlich und klar verständlich und dürfen nicht unbestimmt, mehrdeutig oder verfänglich sein. Fragen, mit denen ihm Umstände vorgehalten werden, die erst durch seine Antwort festgestellt werden sollen, dürfen nur dann gestellt werden, wenn dies zum Verständnis des Zusammenhanges erforderlich ist; solche Fragen und die darauf gegebenen Antworten sind wörtlich zu protokollieren. Fragen, die eine vom Beschuldigten nicht zugestandene Tatsache als bereits zugestanden behandeln, sind nicht zulässig. Die Vernehmung ist in angemessenen Zeiträumen durch Pausen zu unterbrechen.

Kontradiktorische Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen

§ 165. (1) Eine kontradiktorische Vernehmung sowie die Ton- oder Bildaufnahme einer solchen Vernehmung des Beschuldigten oder eines Zeugen ist zulässig, wenn zu besorgen ist, dass die Vernehmung in einer Hauptverhandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein werde.

(2) Die kontradiktorische Vernehmung hat das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§ 249 und 250 durchzuführen (§ 104). Das Gericht hat der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, dem Privatbeteiligten und deren Vertretern Gelegenheit zu geben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen zu stellen.

(3) Bei der Vernehmung eines Zeugen ist in seinem Interesse, besonders mit Rücksicht auf sein geringes Alter oder seinen seelischen oder gesundheitlichen Zustand, oder im Interesse der Wahrheitsfindung auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen die Gelegenheit zur Beteiligung derart zu beschränken, dass die Beteiligten des Verfahrens (Abs. 2) und ihre Vertreter die Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung mitverfolgen und ihr Fragerecht ausüben können, ohne bei der Befragung anwesend zu sein. Insbesondere wenn der Zeuge das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, kann in diesem Fall ein Sachverständiger mit der Befragung beauftragt werden. In jedem Fall ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Begegnung des Zeugen mit dem Beschuldigten und anderen Verfahrensbeteiligten möglichst unterbleibt.

(4) Einen Zeugen, der das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, hat das Gericht in jedem Fall auf die in Abs. 3 beschriebene Art und Weise zu vernehmen, die übrigen im § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 erwähnten Zeugen dann, wenn sie oder die Staatsanwaltschaft dies beantragen.

(5) Vor der Vernehmung hat das Gericht den Zeugen überdies darüber zu informieren, dass das Protokoll in der Hauptverhandlung verlesen und Ton- oder Bildaufnahmen der Vernehmung vorgeführt werden können, auch wenn er im weiteren Verfahren die Aussage verweigern sollte. Soweit ein Sachverständiger mit der Durchführung der Befragung beauftragt wurde (Abs. 3), obliegt diesem die Vornahme dieser Information und jener nach §§ 161 Abs. 1. Auf das Alter und den Zustand des Zeugen ist dabei Rücksicht zu nehmen. Die Informationen und darüber abgegebene Erklärungen sind zu protokollieren.

(6) Im Übrigen sind die Bestimmungen dieses Abschnitts sinngemäß anzuwenden.

Beweisverwertung

§ 166. Zum Nachteil eines Beschuldigten – außer gegen eine Person, die im Zusammenhang mit einer Vernehmung einer Rechtsverletzung beschuldigt ist – dürfen seine Aussagen sowie jene von Zeugen und Mitbeschuldigten bei sonstiger Nichtigkeit nicht als Beweis verwendet werden (§ 281 Abs. 1 Z 3), soweit sie zustande gekommen sind:

           1. unter Folter (Art. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, BGBl. Nr. 591/1978, Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, und Art. 1 Abs. 1 sowie 15 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, BGBl. Nr. 492/1987),

           2. sonst unerlaubt durch Zwang, Drohung, Täuschung, andere Einwirkung auf die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung oder durch unzulässige Vernehmungsmethoden, soweit sie fundamentale Verfahrensgrundsätze verletzen.

9. Hauptstück

Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft

1. Abschnitt

Fahndung

Definitionen

§ 167. Im Sinne dieses Gesetzes ist

           1. „Personenfahndung“ jede Maßnahme zur Ermittlung des Aufenthaltes einer Person und zur Festnahme des Beschuldigten auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft,

           2. „Sachenfahndung“ jede Maßnahme zur Feststellung des Verbleibes einer Sache und zu ihrer Sicherstellung.

Fahndung

§ 168. (1) Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung ist zulässig, wenn der Aufenthalt des Beschuldigten oder einer Person, deren Identität festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll, unbekannt ist.

(2) Personenfahndung zur Festnahme ist zulässig, wenn eine solche nicht vollzogen werden kann, weil der Beschuldigte flüchtig oder sein Aufenthalt unbekannt ist, oder weil er einer Ladung keine Folge geleistet hat und zu einer Vernehmung, einer anderen Beweisaufnahme oder zur Hauptverhandlung vorgeführt werden soll.

(3) Sachenfahndung ist zulässig, wenn ein Gegenstand, der sichergestellt werden soll, nicht aufgefunden werden kann.

§ 169. (1) Personenfahndung durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung oder zur Festnahme ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen. Über weitere Anordnung der Staatsanwaltschaft kann sie öffentlich bekannt gemacht werden, wenn die Ausforschung des Beschuldigten oder die Auffindung einer anderen Person andernfalls wenig erfolgversprechend wäre und der Beschuldigte einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig ist. Abbildungen von Personen dürfen jedoch nur dann veröffentlicht oder zur Veröffentlichung in Medien oder sonst öffentlich zugänglichen Dateien freigegeben werden, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich scheint.

(2) Sachenfahndung kann die Kriminalpolizei von sich aus anordnen und durchführen; sie hat die erforderlichen Veröffentlichungen und anderen notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.

2. Abschnitt

Festnahme

Zulässigkeit

§ 170. (1) Die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, ist zulässig,

           1. wenn sie auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen,

           2. wenn sie flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde flüchten oder sich verborgen halten,

           3. wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen,

           4. wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Z 5 StGB) ausführen.

(2) Festnahme und Anhaltung sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen (§ 5).

Anordnung

§ 171. (1) Die Festnahme ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

(2) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, den Beschuldigten von sich aus festzunehmen

           1. in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 und

           2. in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 2 bis 4, wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.

(3) Im Fall des Abs. 1 ist dem Beschuldigten sogleich oder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner Festnahme die gerichtliche Bewilligung der Festnahme zuzustellen; im Falle des Abs. 2 eine schriftliche Begründung der Kriminalpolizei über Tatverdacht und Haftgrund. Überdies ist der Beschuldigte sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme darüber zu informieren, dass er das Recht habe,

           1. einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger von seiner Festnahme zu verständigen oder verständigen zu lassen,

           2. gegebenenfalls die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen,

           3. Beschwerde bzw. Einspruch gegen seine Festnahme zu erheben und im Übrigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen.

Durchführung

§ 172. (1) Vom Vollzug einer Anordnung auf Festnahme hat die Kriminalpolizei die Staatsanwaltschaft und diese das Gericht unverzüglich zu verständigen. Der Beschuldigte ist ohne unnötigen Aufschub, längstens aber binnen 48 Stunden ab Festnahme in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefern. Wenn dies auf Grund der Entfernung des Ortes der Festnahme nicht rechtzeitig möglich ist oder der Beschuldigte erkrankt oder verletzt ist oder aus einem anderen Grund in Lebensgefahr schwebt, ist es zulässig, ihn der Justizanstalt eines unzuständigen Gerichts einzuliefern oder einer Krankenanstalt zu überstellen. In diesen Fällen kann das Gericht den Beschuldigten unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vernehmen und ihm den Beschluss über die Untersuchungshaft auf gleiche Weise verkünden (§ 174).

(2) Hat die Kriminalpolizei den Beschuldigten von sich aus festgenommen, so hat sie ihn unverzüglich zur Sache, zum Tatverdacht und zum Haftgrund zu vernehmen. Sie hat ihn freizulassen, sobald sich ergibt, dass kein Grund zur weiteren Anhaltung vorhanden ist. Kann der Zweck der weiteren Anhaltung durch gelindere Mittel nach § 173 Abs. 5 Z 1 bis 6 erreicht werden, so hat die Kriminalpolizei dem Beschuldigten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft unverzüglich die erforderlichen Weisungen zu erteilen, die Gelöbnisse von ihm entgegenzunehmen oder ihm die in § 173 Abs. 5 Z 5 erwähnten Dokumente abzunehmen und ihn freizulassen. Die Ergebnisse der Ermittlungen samt den Protokollen über die erteilten Weisungen und die geleisteten Gelöbnisse sowie den abgenommenen Dokumenten sind der Staatsanwaltschaft binnen 48 Stunden nach der Festnahme zu übermitteln. Über die Aufrechterhaltung dieser gelinderen Mittel entscheidet das Gericht.

(3) Ist der Beschuldigte nicht nach Abs. 2 freizulassen, so hat ihn die Kriminalpolizei ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen 48 Stunden nach der Festnahme, in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefern oder – im Fall seiner Erkrankung (Abs. 1) – einer Krankenanstalt zu überstellen. Sie hat jedoch vor der Einlieferung rechtzeitig die Staatsanwaltschaft zu verständigen. Erklärt diese, keinen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft zu stellen, so hat die Kriminalpolizei den Beschuldigten sogleich freizulassen.

3. Abschnitt

Untersuchungshaft

Zulässigkeit

§ 173. (1) Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sind nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nur dann zulässig, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Straftat dringend verdächtig, vom Gericht zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vernommen worden ist und einer der im Abs. 2 angeführten Haftgründe vorliegt. Sie darf nicht angeordnet oder fortgesetzt werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht oder ihr Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel (Abs. 5) erreicht werden kann.

(2) Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß

           1. wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten,

           2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen,

           3. ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung gegen ihn geführten Strafverfahrens

                a) eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit schweren Folgen,

               b) eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden,

                c) eine mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlung begehen, die ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die strafbaren Handlungen, derentwegen er bereits zweimal verurteilt worden ist, oder

               d) die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Z 5 StGB) ausführen.

(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn der Beschuldigte einer strafbaren Handlung verdächtig ist, die nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, er sich in geordneten Lebensverhältnissen befindet und einen festen Wohnsitz im Inland hat, es sei denn, er habe bereits Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Bei Beurteilung von Tatbegehungsgefahr nach Abs. 2 Z 3 fällt es besonders ins Gewicht, wenn vom Beschuldigten eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder die Gefahr der Begehung von Verbrechen in einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung ausgeht. Im Übrigen ist bei Beurteilung dieses Haftgrundes zu berücksichtigen, inwieweit sich die Gefahr dadurch vermindert hat, dass sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelastete Tat begangen worden ist, geändert haben.

(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängt, aufrechterhalten oder fortgesetzt werden, wenn die Haftzwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaft oder Haft anderer Art erreicht werden können. Im Fall der Strafhaft hat die Staatsanwaltschaft die Abweichungen vom Vollzug anzuordnen, die für die Zwecke der Untersuchungshaft unentbehrlich sind. Wird die Untersuchungshaft dennoch verhängt, so tritt eine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.

(5) Als gelindere Mittel sind insbesondere anwendbar:

           1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von seinem Aufenthaltsort zu entfernen,

           2. das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Ermittlungen zu erschweren,

           3. die Weisung, an einem bestimmten Ort, bei einer bestimmten Familie zu wohnen, eine bestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder bestimmten Umgang zu meiden, sich alkoholischer Getränke    oder anderer Suchtmittel zu enthalten oder einer geregelten Arbeit nachzugehen,

           4. die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthaltes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeitabständen bei der Kriminalpolizei oder einer anderen Stelle zu melden,

           5. die vorübergehende Abnahme von Identitäts,- Kraftfahrzeugs- oder sonstigen Berechtigungsdokumenten,

           6. vorläufige Bewährungshilfe nach § 179,

           7. die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 180 und 181,

           8. mit Zustimmung des Beschuldigten die Weisung, sich einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen Behandlung oder einer Psychotherapie (§ 51 Abs. 3 StGB) oder einer gesundheitsbezogenen Maßnahme (§ 11 Abs. 2 SMG) zu unterziehen.

Verhängung der Untersuchungshaft

§ 174. (1) Jeder festgenommene Beschuldigte ist vom Gericht unverzüglich nach seiner Einlieferung in die Justizanstalt zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft zu vernehmen. Längstens binnen 48 Stunden nach dieser Einlieferung hat das Gericht zu entscheiden, ob der Beschuldigte, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mittel (§ 173 Abs. 5), freigelassen oder ob die Untersuchungshaft verhängt wird.

(2) Der Beschluss nach Abs. 1 ist dem Beschuldigten sofort mündlich zu verkünden. Ein Beschluss auf Freilassung ist der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden zuzustellen und der Kriminalpolizei zur Kenntnis zu bringen. Wird die Untersuchungshaft verhängt, so ist die Zustellung an den Beschuldigten binnen 24 Stunden zu veranlassen und unverzüglich eine Ausfertigung der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger, der Justizanstalt und einem gegebenenfalls bestellten Bewährungshelfer zu übermitteln. Der Beschuldigte kann auf die Zustellung nicht wirksam verzichten.

(3) Ein Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt wird, hat zu enthalten:

           1. den Namen des Beschuldigten sowie weitere Angaben zur Person,

           2. die strafbare Handlung, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, Zeit, Ort und Umstände ihrer Begehung sowie ihre gesetzliche Bezeichnung,

           3. den Haftgrund,

           4. die bestimmten Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergeben, und aus welchen Gründen der Haftzweck durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden kann,

           5. die Mitteilung, bis zu welchem Tag der Beschluss längstens wirksam sei sowie dass vor einer allfälligen Fortsetzung der Haft eine Haftverhandlung stattfinden werde, sofern nicht einer der im Abs. 4 oder im § 175 Abs. 3, 4 oder 5 erwähnten Fälle eintritt,

           6. die Mitteilung, dass der Beschuldigte, soweit dies nicht bereits geschehen ist, einen Verteidiger, einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson verständigen oder verständigen lassen könne,

           7. die Mitteilung, dass der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein müsse, solange er sich in Untersuchungshaft befinde,

           8. die Mitteilung, dass dem Beschuldigten Beschwerde zustehe und dass er im Übrigen jederzeit seine Enthaftung beantragen könne.

(4) Eine Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verhängung der Untersuchungshaft löst die Haftfrist nach § 175 Abs. 2 Z 2 aus. Ein darauf ergehender Beschluss des Oberlandesgericht auf Fortsetzung der Untersuchungshaft löst die nächste Haftfrist aus; Abs. 3 Z 1 bis 5 gilt sinngemäß.

Haftfristen

§ 175. (1) Ein Beschluss, mit dem die Untersuchungshaft verhängt oder fortgesetzt wird, ist längstens für einen bestimmten Zeitraum wirksam (Haftfrist); der Ablauftag ist im Beschluss anzuführen. Vor Ablauf der Haftfrist ist eine Haftverhandlung durchzuführen oder der Beschuldigte zu enthaften.

(2) Die Haftfrist beträgt

           1. 14 Tage ab Verhängung der Untersuchungshaft,

           2. einen Monat ab erstmaliger Fortsetzung der Untersuchungshaft,

           3. zwei Monate ab weiterer Fortsetzung der Untersuchungshaft.

(3) Ist die Durchführung der Haftverhandlung vor Ablauf der Haftfrist wegen eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich, so kann die Haftverhandlung auf einen der drei dem Fristablauf folgenden Arbeitstage verlegt werden; in diesem Fall verlängert sich die Haftfrist entsprechend.

(4) Haben bereits zwei Haftverhandlungen stattgefunden, so kann der Beschuldigte auf die Durchführung einer bevorstehenden weiteren Haftverhandlung verzichten. In diesem Fall kann der Beschluss über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft (§ 176 Abs. 4) ohne vorangegangene mündliche Verhandlung schriftlich ergehen.

(5) Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen finden nach diesem Zeitpunkt nur statt, wenn der Beschuldigte seine Enthaftung beantragt und darüber nicht ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden werden kann.

Haftverhandlung

§ 176. (1) Eine Haftverhandlung hat das Gericht von Amts wegen anzuberaumen:

           1. vor Ablauf der Haftfrist,

           2. ohne Verzug, wenn der Beschuldigte seine Freilassung beantragt und sich die Staatsanwaltschaft dagegen ausspricht,

           3. sofern das Gericht Bedenken gegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft hegt.

(2) Die Haftverhandlung leitet das Gericht; sie ist nicht öffentlich. Die Staatsanwaltschaft, der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter, sein Verteidiger, die Kriminalpolizei und der Bewährungshelfer sind vom Termin zu verständigen.

(3) Der Beschuldigte ist zur Verhandlung vorzuführen, es sei denn, dass dies wegen Krankheit nicht möglich ist. Er muss durch einen Verteidiger vertreten sein.

(4) Zunächst trägt die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Fortsetzung der Untersuchungshaft vor und begründet ihn. Der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und sein Verteidiger haben das Recht zu erwidern. Der Bewährungshelfer kann sich zur Haftfrage äußern. Staatsanwaltschaft und Beschuldigter können ergänzende Feststellungen aus dem Akt begehren. Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Anregung Zeugen vernehmen oder andere Beweise aufnehmen, soweit dies für die Beurteilung der Haftfrage erforderlich ist. Dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger gebührt das Recht der letzten Äußerung. Sodann entscheidet das Gericht über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft. § 174 Abs. 3 Z 1 bis 5 und 8 gilt sinngemäß.

(5) Eine Beschwerde gegen einen Beschluss nach Abs. 4 ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Beschlusses einzubringen; § 174 Abs. 4 zweiter Satz ist anzuwenden.

Aufhebung der Untersuchungshaft

§ 177. (1) Sämtliche am Strafverfahren beteiligten Behörden sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Haft so kurz wie möglich dauere. Die Ermittlungen sind von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei mit Nachdruck und unter besonderer Beschleunigung zu führen.

(2) Der Beschuldigte ist sogleich freizulassen und gelindere Mittel sind aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Anhaltung, der Untersuchungshaft oder der Anwendung gelinderer Mittel nicht mehr vorliegen oder ihre Dauer unverhältnismäßig wäre.

(3) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Untersuchungshaft aufzuheben sei, so beantragt sie dies beim Gericht, das den Beschuldigten sogleich freizulassen hat.

(4) Ist die Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass die Aufhebung gelinderer Mittel zu verfügen sei, so beantragt sie dies beim Gericht, das daraufhin entsprechend zu verfügen hat. Beantragt die Staatsanwaltschaft eine Änderung oder der Beschuldigte eine Aufhebung oder Änderung gelinderer Mittel und spricht sich die Staatsanwaltschaft dagegen aus, so hat das Gericht zu entscheiden. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss ist binnen drei Tagen ab seiner Bekanntmachung einzubringen.

(5) Soweit der Geschädigte dies beantragt hat, ist er von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe und der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel sogleich zu verständigen. Diese Verständigung hat die Kriminalpolizei, bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft jedoch die Staatsanwaltschaft zu veranlassen.

Höchstdauer der Untersuchungshaft

§ 178. (1) Bis zum Beginn der Hauptverhandlung darf die Untersuchungshaft folgende Fristen nicht übersteigen:

           1. zwei Monate, wenn der Beschuldigte nur aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 2), im Übrigen

           2. sechs Monate, wenn er wegen des Verdachts eines Vergehens, ein Jahr, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens und zwei Jahre, wenn er wegen des Verdachts eines Verbrechens, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, angehalten wird.

(2) Über sechs Monate hinaus darf die Untersuchungshaft jedoch nur dann aufrechterhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Ermittlungen im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.

(3) Muss ein wegen Fristablaufs freigelassener Beschuldigter zum Zweck der Durchführung der Hauptverhandlung neuerlich in Haft genommen werden, so darf dies jeweils höchstens für die Dauer von sechs weiteren Wochen geschehen.

Vorläufige Bewährungshilfe

§ 179. (1) Vorläufige Bewährungshilfe ist anzuordnen, wenn der Beschuldigte dem zustimmt und es geboten scheint, dadurch seine Bemühungen um eine Lebensführung und Einstellung, die ihn in Zukunft von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten werde, zu fördern.

(2) Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so ist diesem die Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe mitzuteilen.

(3) Die vorläufige Bewährungshilfe endet spätestens mit rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens. Im Übrigen gelten die Bestimmungen über die Bewährungshilfe dem Sinne nach.

Kaution

§ 180. (1) Gegen Kaution oder Bürgschaft sowie gegen Ablegung der im § 173 Abs. 5 Z 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse kann der Beschuldigte freigelassen werden, sofern ausschließlich der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 173 Abs. 2 Z 1) vorliegt; dies hat zu erfolgen, wenn die strafbare Handlung nicht strenger als mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.

(2) Die Höhe der Sicherheitsleistung ist vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft unter Bedachtnahme auf das Gewicht der dem Beschuldigten angelasteten strafbaren Handlung, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie das Vermögen der Person zu bestimmen, welche die Sicherheit leistet.

(3) Die Sicherheit ist entweder in barem Geld oder in mündelsicheren Wertpapieren, nach dem Börsekurs des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind, oder durch taugliche Bürgen (§ 1374 ABGB), die sich zugleich als Zahler verpflichten, zu leisten. Wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legen, dass die angebotene Sicherheit aus einer gerichtlich strafbaren Handlung des Beschuldigten herrührt, hat das Gericht vor der Annahme der Sicherheitsleistung Ermittlungen über die Redlichkeit der Herkunft zu veranlassen.

(4) Die Sicherheit ist vom Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen mit Beschluss für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte dem Verfahren oder, im Fall der Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, dem Antritt dieser Strafe entzieht, insbesondere dadurch, dass er sich ohne Erlaubnis von seinem Wohnort entfernt oder eine Ladung nicht befolgt. Diese Ladung und der Beschluss über den Verfall sind dem Beschuldigten im Falle seiner Nichtauffindung nach § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes zuzustellen.

(5) Mit Rechtskraft des Beschlusses nach Abs. 4 ist die verfallene Sicherheit für den Bund einzuziehen, doch hat der Geschädigte das Recht zu verlangen, dass seine Entschädigungsansprüche aus der Sicherheit oder ihrem Verwertungserlös vorrangig befriedigt werden.

§ 181. (1) Wenn der Beschuldigte nach seiner Freilassung gegen Sicherheit seine Flucht vorbereitet oder wenn neue Umstände hervorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der Sicherheit festzunehmen, doch wird in diesen Fällen die Sicherheitsleistung frei.

(2) Dasselbe ist der Fall, sobald das Strafverfahren rechtswirksam beendet ist, bei Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe aber erst, sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat.

(3) Über die Freigabe der Sicherheit entscheidet das Gericht.

4. Abschnitt

Vollzug der Untersuchungshaft

Allgemeines

§ 182. (1) Zweck der Anhaltung eines Beschuldigten in Untersuchungshaft ist, dem Haftgrund (§ 173 Abs. 2) entgegen zu wirken.

(2) Das Leben in Untersuchungshaft soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden. Beschränkungen dürfen verhafteten Beschuldigten nur insoweit auferlegt werden, als dies gesetzlich zulässig und zur Erreichung des Haftzwecks (Abs. 1) oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt notwendig ist.

(3) Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass

           1. für Beschuldigte die Vermutung der Unschuld gilt,

           2. Beschuldigte ausreichend Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung haben und

           3. schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges auf geeignete Weise entgegengewirkt wird.

(4) Im Übrigen sind, soweit dieses Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt, auf den Vollzug der Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 18 Monate nicht übersteigt, dem Sinn nach anzuwenden.

(5) Soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt wird, gelten die Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft für alle Anhaltungen nach diesem Gesetz, die in einer Justizanstalt vollzogen werden.

Haftort

§ 183. (1) Beschuldigte sind in der Justizanstalt des für die Entscheidung über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zuständigen Gerichts anzuhalten. Soweit dies – insbesondere im Interesse einer wirtschaftlichen Führung der Justizanstalten – notwendig ist, können weibliche Beschuldigte in der Justizanstalt eines benachbarten Gerichts angehalten werden.

(2) Wenn dies zur Erreichung des Haftzwecks oder zur Wahrung der in § 182 enthaltenen Grundsätze notwendig ist, hat das Bundesministerium für Justiz die Zuständigkeit einer anderen Justizanstalt anzuordnen. Eine solche Anordnung kann mit Zustimmung des Beschuldigten auch zur Vermeidung eines Überbelags getroffen werden.

(3) Nach Fällung des Urteils erster Instanz kann das Bundesministerium für Justiz die Zuständigkeit einer anderen als der nach Abs. 1 bestimmten Justizanstalt anordnen, wenn eine dort zu vollziehende Freiheitsstrafe erwartet werden kann, die Überstellung im Interesse des Angeklagten liegt oder einer besseren Auslastung der Vollzugseinrichtungen dient, Nachteile für das Strafverfahren nicht zu befürchten sind und der Angeklagte zustimmt.

(4) Vor einer Änderung des Haftortes sind Staatsanwaltschaft und Gericht zu hören; nach der Überstellung sind sie und der Verteidiger durch die nunmehr zuständige Justizanstalt unverzüglich zu verständigen.

Ausführungen

§ 184. Für Vernehmungen, Ausführungen und Überstellungen von Beschuldigten gelten die Bestimmungen der §§ 97 und 98 StVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass

           1. Vernehmungen auch dann in der Anstalt durchzuführen sind, wenn sie nicht vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden,

           2. Ausführungen auf Ersuchen der Kriminalpolizei oder anderer Behörden (§ 98 Abs. 1 StVG) nur auf Anordnung oder mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und nur zum Zweck der Teilnahme an Verhandlungen, Tatrekonstruktionen und anderen kontradiktorischen Einvernahmen, an Gegenüberstellungen, Augenscheinen sowie sonstigen Befundaufnahmen zulässig sind.

Getrennte Anhaltung

§ 185. (1) Beschuldigte sollen nicht in Gemeinschaft mit Strafgefangenen untergebracht werden. Beschuldigte, die sich das erste Mal in Haft befinden, sind jedenfalls getrennt von Strafgefangenen anzuhalten. Bei der Bewegung im Freien, bei der Arbeit, beim Gottesdienst und bei Veranstaltungen sowie bei der Krankenbetreuung kann jedoch von einer Trennung abgesehen werden, soweit eine solche nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen nicht möglich ist.

(2) Soweit das zur Erreichung der Haftzwecke erforderlich ist, sind der Beteiligung an derselben strafbaren Handlung verdächtige Beschuldigte so anzuhalten, dass sie nicht miteinander verkehren können. Solange die Staatsanwaltschaft hierüber keine Entscheidung getroffen hat, sind solche Beschuldigte jedenfalls getrennt anzuhalten.

(3) Weibliche Beschuldigte sind in jedem Fall von männlichen Beschuldigten und männlichen Strafgefangenen getrennt unterzubringen.

Kleidung und Bedarfsgegenstände

§ 186. (1) Angehaltene Beschuldigte sind unter Achtung ihrer Persönlichkeit und ihres Ehrgefühls sowie mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln. Sie sind berechtigt, eigene Kleidung zu tragen, soweit die regelmäßige Reinigung in der Anstalt möglich ist oder außerhalb der Anstalt durch deren Vermittlung besorgt werden kann. Verfügt ein angehaltener Beschuldigter über keine geeignete Kleidung, so ist ihm eine solche für Verhandlungen vor Gericht, für Ausführungen und für Überstellungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verfügung zu stellen.

(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt, sich auf eigene Kosten Bedarfsgegenstände, Dienstleistungen und andere Annehmlichkeiten zu verschaffen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist und weder die Sicherheit gefährdet noch die Ordnung in der Anstalt erheblich beeinträchtigt oder Mithäftlinge belästigt.

Arbeit und Arbeitsvergütung

§ 187. (1) Angehaltene Beschuldigte sind zur Arbeit nicht verpflichtet. Ein arbeitsfähiger Beschuldigter kann jedoch unter den für Strafgefangene geltenden Bedingungen (§§ 44 bis 55 StVG) arbeiten, wenn er sich dazu bereit erklärt und Nachteile für das Verfahren nicht zu befürchten sind.

(2) Die Arbeitsvergütung ist dem Beschuldigten nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 und 3 StVG) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben. Im Fall eines Freispruchs, des Rücktritts von Verfolgung oder einer Einstellung des Strafverfahrens ist ihm der einbehaltene Vollzugskostenbeitrag auszuzahlen.

(3) Kann einem Beschuldigten, der zur Arbeit bereit ist und bei dem der Haftzweck der Heranziehung zur Arbeit nicht entgegen steht, Arbeit nicht zugewiesen werden, so ist ihm monatlich im Nachhinein ein Betrag von 5 vH der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben.

(4) Angehaltene Beschuldigte dürfen sich auf ihre Kosten selbst beschäftigen, soweit dies mit dem Haftzweck vereinbar ist und die Ordnung in der Anstalt nicht stört. Aus dieser Beschäftigung erzielte Einkünfte sind dem Hausgeld gutzuschreiben.

Verkehr mit der Außenwelt

§ 188. (1) Angehaltene Beschuldigte dürfen Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als die Abwicklung ohne unvertretbaren Aufwand gewährleistet werden kann. Im Übrigen gelten für den Empfang von Besuchen die §§ 85 bis 87 und 93 bis 96 StVG sinngemäß mit folgenden Maßgaben:

           1. Beschuldigten darf nicht verwehrt werden, wenigstens zweimal in jeder Woche einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen,

           2. auf den Inhalt des zwischen einem Beschuldigten und einem Besucher geführten Gesprächs hat sich die Überwachung nur zu erstrecken, wenn dies die Staatsanwaltschaft zur Sicherung des Haftzwecks oder der Anstaltsleiter zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Anstalt anordnet,

           3. der Besuch bestimmter Personen, von denen eine Gefährdung des Zweckes der Untersuchungshaft oder der Sicherheit der Anstalt zu befürchten ist, kann untersagt oder abgebrochen werden.

(2) Angehaltene Beschuldigte sind berechtigt, auf eigene Kosten mit anderen Personen und Stellen schriftlich zu verkehren und zu telefonieren, es sei denn, dass durch den außerordentlichen Umfang des Brief- oder Telefonverkehrs die Überwachung beeinträchtigt wird. In diesem Fall sind diejenigen Beschränkungen anzuordnen, die für eine einwandfreie Überwachung notwendig sind. Schreiben, von denen eine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist, sind zurückzuhalten, soweit sich nicht aus den Bestimmungen der §§ 88, 90a bis 90b und 96a des Strafvollzugsgesetzes über den schriftlichen Verkehr mit Behörden und Rechtsbeiständen etwas anderes ergibt. Schreiben angehaltener Beschuldigter an einen inländischen allgemeinen Vertretungskörper, ein inländisches Gericht, eine andere inländische Behörde oder an Organe der Europäischen Union sowie an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dürfen in keinem Fall zurückgehalten werden. Für die Überwachung des Inhalts von Telefongesprächen gilt Abs. 1 Z 2.

(3) Für die Überwachung des mündlichen und schriftlichen Verkehrs des angehaltenen Beschuldigten mit seinem Verteidiger gilt § 59 Abs. 2.

Zuständigkeit für Entscheidungen

§ 189. (1) Die Entscheidung darüber, mit welchen Personen angehaltene Beschuldigte schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung ihres Briefverkehrs und ihrer Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der angehaltenen Beschuldigten mit der Außenwelt (§§ 86 bis 100 des Strafvollzugsgesetzes) beziehen, stehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren dem Gericht zu. Von der Überwachung des Brief- und Telefonverkehrs darf nur insoweit abgesehen werden, als davon keine Beeinträchtigung des Haftzweckes zu befürchten ist.

(2) Die Entscheidungen nach § 16 Abs. 2 Z. 2, 4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes stehen dem für die Entscheidung über die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft zuständigen Gericht zu.

(3) Im Übrigen stehen alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder dem von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu. Vor jeder Entscheidung nach den §§ 185 Abs. 2, 186 Abs. 2 und 187 Abs. 1 ist im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft, nach Einbringung der Anklage das Gericht zu hören. Ordnungswidrigkeiten, die von angehaltenen Beschuldigten begangen wurden, sind der Staatsanwaltschaft und dem Gericht mitzuteilen. Das gleiche gilt von Vorfällen, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist.

3. TEIL

Beendigung des Ermittlungsverfahrens

10. Hauptstück

Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahren

Einstellung des Ermittlungsverfahrens

§ 190. Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als

           1. die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat keine strafbare Handlung darstellt oder sonst ein rechtlicher Grund der weiteren Verfolgung des Beschuldigten entgegensteht oder

           2. kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.

Einstellung wegen Geringfügigkeit

§ 191. Von der Verfolgung einer Straftat, die nur mit Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre nicht übersteigt, hat die Staatsanwaltschaft abzusehen und das Ermittlungsverfahren einzustellen, wenn

           1. in Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat und des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat, insbesondere im Hinblick auf eine allfällige Schadensgutmachung, sowie weiterer Umstände, die auf die Strafbemessung Einfluss hätten, der Störwert der Tat als gering anzusehen wäre und

           2. eine Bestrafung oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.

Einstellung bei mehreren Straftaten

§ 192. (1) Von der Verfolgung einzelner Straftaten kann die Staatsanwaltschaft endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung absehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einstellen, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen und

           1. dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat oder

           2. der Beschuldigte schon im Ausland für die ihm zur Last liegende Straftat bestraft oder dort nach Diversion außer Verfolgung gesetzt worden ist und nicht anzunehmen ist, dass das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde oder er wegen Begehung anderer strafbarer Handlungen an einen anderen Staat ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen gegenüber jenen, auf die voraussichtlich im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.

(2) Eine nach Abs. 1 vorbehaltene Verfolgung kann innerhalb dreier Monate nach rechtskräftigem Abschluss des inländischen oder innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des ausländischen Strafverfahrens wieder aufgenommen werden. Ein abermaliger Vorbehalt wegen einzelner Straftaten ist sodann unzulässig.

Fortführung des Verfahrens

§ 193. (1) Nach der Einstellung des Verfahrens sind weitere Ermittlungen gegen den Beschuldigten zu unterlassen; erforderlichenfalls hat die Staatsanwaltschaft seine Freilassung anzuordnen. Sofern jedoch für eine Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens bestimmte Ermittlungen oder Beweisaufnahmen erforderlich sind, kann die Staatsanwaltschaft solche im Einzelnen anordnen oder durchführen.

(2) Die Fortführung eines nach den §§ 190 oder 191 beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen, solange die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist und

           1. der Beschuldigte wegen dieser Tat nicht vernommen (§§ 164, 165) und kein Zwang gegen ihn ausgeübt wurde oder

           2. neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder bekannt werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zu begründen.

(3) Die Fortführung eines nach § 192 beendeten Ermittlungsverfahrens kann die Staatsanwaltschaft anordnen, wenn sie sich die spätere Verfolgung vorbehalten hat (§ 192 Abs. 2) oder die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 vorliegen.

Verständigungen

§ 194. Von der Einstellung und der Fortführung des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei, den Beschuldigten, den Geschädigten und, sofern es mit dem Verfahren befasst war, das Gericht zu verständigen. Die Verständigung hat eine zusammenfassende Begründung und gegebenenfalls den Vorbehalt späterer Verfolgung (§ 192 Abs. 2) zu enthalten; der Geschädigte ist überdies im Sinne des § 195 zu informieren.

Antrag auf Fortführung

§ 195. (1) Geschädigte (§ 65) und Personen, deren strafrechtlich geschützte Interessen durch eine strafbare Handlung sonst verletzt worden sein könnten, haben das Recht, die Fortführung eines nach den §§ 190 bis 192 beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft zu begehren, wenn die Voraussetzungen für eine Beendigung des Verfahrens nicht vorlagen oder neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder bekannt werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, die Bestrafung des Beschuldigten oder ein Vorgehen nach dem 11. Hauptstück zu begründen.

(2) Ein Antrag nach Abs.1 ist binnen 14 Tagen nach Verständigung von der Einstellung (§ 194), jedenfalls aber innerhalb von sechs Monaten ab der Einstellung des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Der Antrag hat die Straftat zu bezeichnen und eine Begründung zu enthalten.

(3) Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag, sofern sie nicht die Fortführung des Verfahrens anordnet (§ 193), mit dem Akt und einer allfälligen Stellungnahme im Wege der Oberstaatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zu übermitteln.

Entscheidung des Oberlandesgerichtes

§ 196. (1) Das Oberlandesgericht hat über den Antrag in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden; gegen seine Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Verspätete Anträge und solche, die von einer nicht berechtigten Person eingebracht wurden (§ 195 Abs. 1 und 2), hat das Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.

(3) Im Übrigen hat das Oberlandesgericht in der Sache zu entscheiden. Zuvor hat es dem Beschuldigten und zu jeder Stellungnahme der Staatsanwaltschaft dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung binnen angemessener Frist einzuräumen. Vor seiner Entscheidung kann es die Kriminalpolizei mit bestimmten Ermittlungen beauftragen. Gibt das Oberlandesgericht dem Antrag statt, so hat die Staatsanwaltschaft die Fortführung des Verfahrens anzuordnen.

Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter

§ 197. (1) Wenn der Beschuldigte flüchtig oder unbekannten Aufenthalts ist, ist das Ermittlungsverfahren soweit fortzuführen, als dies zur Sicherung von Spuren und Beweisen erforderlich ist. Ermittlungshandlungen und Beweisaufnahmen, bei denen der Beschuldigte das Recht hat, sich zu beteiligen (§§ 150, 165), können in diesem Fall auch in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Der Beschuldigte kann zur Ermittlung seines Aufenthalts oder zur Festnahme ausgeschrieben werden. Danach hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren abzubrechen und nach Ausforschung des Beschuldigten fortzusetzen.

(2) In Verfahren gegen unbekannte Täter ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Von der Abbrechung des Verfahrens gegen einen bekannten Täter und von der Fortsetzung oder Einleitung des Verfahrens nach Ausforschung des Beschuldigten sind die Kriminalpolizei und der Geschädigte zu verständigen.

11. Hauptstück

Rücktritt von Verfolgung (Diversion)

Allgemeines

§ 198. (1) Die Staatsanwaltschaft hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von Verfolgung einer Straftat zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf

           1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200) oder

           2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201) oder

           3. die Bestimmung einer Probezeit, allenfalls in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), oder

           4. einen Tatausgleich (§ 204)

nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken.

(2) Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist jedoch nur zulässig, wenn

           1. die strafbare Handlung nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht fällt,

           2. die Schuld des Beschuldigten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und

           3. die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.

§ 199. Nach Einbringen der Anklage wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, hat das Gericht die für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen dieses Hauptstückes sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.

Zahlung eines Geldbetrages

§ 200. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn der Beschuldigte einen Geldbetrag zu Gunsten des Bundes entrichtet.

(2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (§§ 389 Abs. 2 und 3, 391 Abs. 1) entspricht. Er ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den Beschuldigten unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums gestattet werden.

(3) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der Rücktritt von Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.

(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat beabsichtigt sei, aber unterbleiben werde, wenn er einen festgesetzten Geldbetrag und gegebenenfalls Schadensgutmachung in bestimmter Höhe leiste. Des Weiteren hat die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten im Sinne des § 207 sowie über die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs (Abs. 2) zu informieren, soweit sie ihm einen solchen nicht von Amts wegen in Aussicht stellt.

(5) Nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger Schadensgutmachung hat die Staatsanwaltschaft von Verfolgung zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortsetzen ist.

Gemeinnützige Leistungen

§ 201. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat vorläufig zurücktreten, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt hat, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich gemeinnützige Leistungen zu erbringen.

(2) Gemeinnützige Leistungen sollen die Bereitschaft des Beschuldigten zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen. Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist.

(3) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der Rücktritt von Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.

(4) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat beabsichtigt sei, aber vorläufig unterbleiben werde, wenn er sich bereit erklärt, binnen bestimmter Frist gemeinnützige Leistungen in nach Art und Ausmaß bestimmter Weise zu erbringen und gegebenenfalls Tatfolgenausgleich zu leisten. Die Staatsanwaltschaft hat den Beschuldigten dabei im Sinne des § 207 zu informieren; sie kann auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum ersuchen, die gemeinnützigen Leistungen zu vermitteln (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes). Die Einrichtung (Abs. 2) hat dem Beschuldigten oder dem Sozialarbeiter eine Bestätigung über die erbrachten Leistungen auszustellen, die unverzüglich vorzulegen ist.

(5) Nach Erbringung der gemeinnützigen Leistungen und allfälligem Tatfolgenausgleich hat die Staatsanwaltschaft von Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortzusetzen ist.

§ 202. (1) Gemeinnützige Leistungen dürfen täglich nicht mehr als acht Stunden, wöchentlich nicht mehr als 40 Stunden und insgesamt nicht mehr als 240 Stunden in Anspruch nehmen; auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung oder eine Berufstätigkeit des Beschuldigten ist Bedacht zu nehmen. Gemeinnützige Leistungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Beschuldigten darstellen würden, sind unzulässig.

(2) Die Leiter der Staatsanwaltschaften haben jeweils eine Liste von Einrichtungen, die für die Erbringung gemeinnütziger Leistungen geeignet sind, zu führen und erforderlichenfalls zu ergänzen. In diese Liste ist auf Verlangen jedermann Einsicht zu gewähren.

(3) Fügt der Beschuldigte bei der Erbringung gemeinnütziger Leistungen der Einrichtung oder deren Träger einen Schaden zu, so ist auf seine Ersatzpflicht das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden. Fügt der Beschuldigte einem Dritten einen Schaden zu, so haftet dafür neben ihm auch der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Die Einrichtung oder deren Träger haftet in diesem Fall dem Geschädigten nicht.

(4) Der Bund hat den Schaden nur in Geld zu ersetzen. Von der Einrichtung, bei der die gemeinnützigen Leistungen erbracht wurden, oder deren Träger kann er Rückersatz begehren, insoweit diesen oder ihren Organen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, insbesondere durch Vernachlässigung der Aufsicht oder Anleitung, zur Last fällt. Auf das Verhältnis zwischen dem Bund und dem Beschuldigten ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965, sinngemäß anzuwenden.

(5) Erleidet der Beschuldigte bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen einen Unfall oder eine Krankheit, so gelten die Bestimmungen der §§ 76 bis 84 des Strafvollzugsgesetzes dem Sinne nach.

Probezeit

§ 203. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurücktreten. Der Lauf der Probezeit beginnt mit der Zustellung der Verständigung über den vorläufigen Rücktritt von Verfolgung.

(2) Soweit dies möglich und zweckmäßig ist, ist der vorläufige Rücktritt von Verfolgung überdies davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten, und sich durch einen Bewährungshelfer (§ 52 StGB) betreuen zu lassen. Dabei kommt insbesondere die Pflicht in Betracht, den entstandenen Schaden nach Kräften gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen.

(3) Die Staatsanwaltschaft hat dem Beschuldigten mitzuteilen, dass Anklage gegen ihn wegen einer bestimmten Straftat für eine bestimmte Probezeit vorläufig unterbleibe, und ihn im Sinne des § 207 zu informieren. Gegebenenfalls hat die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten mitzuteilen, dass dieser vorläufige Rücktritt von Verfolgung voraussetze, dass er sich ausdrücklich bereit erklärt, bestimmte Pflichten auf sich zu nehmen und sich von einem Bewährungshelfer betreuen zu lassen (Abs. 2). In diesem Fall kann die Staatsanwaltschaft auch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person um die Erteilung dieser Informationen sowie darum ersuchen, den Beschuldigten bei der Erfüllung solcher Pflichten zu betreuen (§ 29b des Bewährungshilfegesetzes).

(4) Nach Ablauf der Probezeit und Erfüllung allfälliger Pflichten hat die Staatsanwaltschaft von Verfolgung endgültig zurückzutreten, sofern das Verfahren nicht gemäß § 205 nachträglich fortzusetzen ist.

Tatausgleich

§ 204. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn der Beschuldigte bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinander zu setzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen.

(2) Der Geschädigte ist in Bemühungen um einen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, dass er diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind. Seine berechtigten Interessen sind jedenfalls zu berücksichtigen (§ 206).

(3) Die Staatsanwaltschaft kann einen Konfliktregler ersuchen, den Geschädigten und den Beschuldigten über die Möglichkeit eines Tatausgleichs sowie im Sinne der §§ 206 und 207 zu informieren und bei ihren Bemühungen um einen solchen Ausgleich anzuleiten und zu unterstützen (§ 29a des Bewährungshilfegesetzes).

(4) Der Konfliktregler hat der Staatsanwaltschaft über Ausgleichsvereinbarungen zu berichten und deren Erfüllung zu überprüfen. Einen abschließenden Bericht hat er zu erstatten, wenn der Beschuldigte seinen Verpflichtungen zumindest soweit nachgekommen ist, dass unter Berücksichtigung seines übrigen Verhaltens angenommen werden kann, er werde die Vereinbarungen weiter einhalten, oder wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass ein Ausgleich zustande kommt.

Nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens

§ 205. (1) Nach einem nicht bloß vorläufigen Rücktritt von Verfolgung des Beschuldigten nach diesem Hauptstück (§§ 200 Abs. 5, 201 Abs. 5, 203 Abs. 4 und 204 Abs. 1) ist eine Fortsetzung des Strafverfahrens nur unter den Voraussetzungen der ordentlichen Wiederaufnahme zulässig. Vor einem solchen Rücktritt ist das Strafverfahren jedenfalls dann fortzusetzen, wenn der Beschuldigte dies verlangt.

(2) Hat die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten vorgeschlagen, einen Geldbetrag zu bezahlen (§ 200 Abs. 4), gemeinnützige Leistungen zu erbringen (§ 201 Abs. 4) oder eine Probezeit und allfällige Pflichten auf sich zu nehmen (§ 203 Abs. 3), oder ist die Staatsanwaltschaft von Verfolgung der Straftat vorläufig zurückgetreten (§§ 201 Abs. 1, 203 Abs. 1), so hat sie das Strafverfahren fortzusetzen, wenn

           1. der Beschuldigte den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung oder die gemeinnützigen Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt oder erbringt,

           2. der Beschuldigte übernommene Pflichten nicht hinreichend erfüllt oder sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht oder

           3. gegen den Beschuldigten vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen Straftat ein Strafverfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens zulässig, sobald gegen den Beschuldigten wegen der neuen oder neu hervorgekommenen Straftat Anklage eingebracht wird, und zwar auch noch während dreier Monate nach dem Einbringen, selbst wenn inzwischen die Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich fortgesetzte Strafverfahren ist jedoch nach Maßgabe der übrigen Voraussetzungen zu beenden, wenn das neue Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendet wird.

(3) Von der Fortsetzung des Verfahrens kann jedoch abgesehen werden, wenn dies in den Fällen des Abs. 2 Z 1 aus besonderen Gründen vertretbar erscheint, in den Fällen des Abs. 2 Z 2 und 3 nach den Umständen nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Im Übrigen ist die Fortsetzung des Verfahrens in den im Abs. 2 angeführten Fällen außer unter den in Z 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen nur zulässig, wenn der Beschuldigte den dort erwähnten Vorschlag der Staatsanwaltschaft nicht annimmt.

(4) Wenn der Beschuldigte den Geldbetrag nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen oder den übernommenen Verpflichtungen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommen kann, weil ihn dies wegen einer erheblichen Änderung der für die Höhe des Geldbetrages oder die Art oder den Umfang der Verpflichtungen maßgeblichen Umstände unbillig hart träfe, so kann die Staatsanwaltschaft die Höhe des Geldbetrages oder die Verpflichtung angemessen ändern.

(5) Verpflichtungen, die der Beschuldigte übernommen, und Zahlungen, zu denen er sich bereit erklärt hat, werden mit der nachträglichen Fortsetzung des Verfahrens gegenstandslos. Die Bewährungshilfe endet; § 179 bleibt jedoch unberührt. Geldbeträge, die der Beschuldigte geleistet hat (§ 200), sind auf eine nicht bedingt nachgesehene Geldstrafe unter sinngemäßer Anwendung des § 38 Abs. 1 Z 1 StGB anzurechnen; im Übrigen sind sie zurückzuzahlen. Andere Leistungen sind nicht zu ersetzen, im Fall einer Verurteilung jedoch gleichfalls angemessen auf die Strafe anzurechnen. Dabei sind insbesondere Art und Dauer der Leistung zu berücksichtigen.

Rechte und Interessen des Geschädigten

§ 206. (1) Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück sind stets die Interessen des Geschädigten zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern. Der Geschädigte hat das Recht, eine Vertrauensperson beizuziehen. Er ist jedenfalls sobald wie möglich umfassend über seine Rechte und über geeignete Opferschutzeinrichtungen zu informieren. Vor einem Rücktritt von Verfolgung ist er zu hören, soweit dies nach Maßgabe seiner Interessen geboten erscheint.

(2) Der Geschädigte ist jedenfalls zu verständigen, wenn sich der Beschuldigte bereit erklärt, aus der Tat entstandenen Schaden gutzumachen oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beizutragen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Beschuldigte eine Pflicht übernimmt, welche die Interessen des Geschädigten unmittelbar berührt.

Information des Beschuldigten

§ 207. Bei einem Vorgehen nach diesem Hauptstück ist der Beschuldigte eingehend über seine Rechte zu informieren, insbesondere über die Voraussetzungen für einen Rücktritt von Verfolgung, über das Erfordernis seiner Zustimmung, über seine Möglichkeit, eine Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, über die sonstigen Umstände, die eine Fortsetzung des Verfahrens bewirken können (§ 205 Abs. 2) und über die Notwendigkeit eines Pauschalkostenbeitrags (§ 388).

Gemeinsame Bestimmungen

§ 208. (1) Die Probezeit nach § 203 Abs. 1 sowie die Fristen zur Zahlung eines Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung und zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen samt allfälligem Tatfolgenausgleich (§§ 200 Abs. 2 und 3, 201 Abs. 1 und 3) werden in die Verjährungszeit nicht eingerechnet (§ 58 Abs. 3 StGB).

(2) Vom Rücktritt von Verfolgung hat die Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei, den Beschuldigten, den Geschädigten und, sofern es mit dem Verfahren befasst war, das Gericht zu verständigen. Hat das Gericht das Verfahren gemäß § 199 eingestellt, obliegen die Verständigungen diesem. Die Verständigung hat eine zusammenfassende Begründung zu enthalten.

§ 209. (1) Die Staatsanwaltschaft kann nach diesem Hauptstück von Verfolgung zurücktreten, solange sie noch nicht Anklage eingebracht hat. Danach hat sie bei Gericht zu beantragen, das Verfahren einzustellen (§ 199).

(2) Gerichtliche Beschlüsse nach diesem Hauptstück sind in der Hauptverhandlung vom erkennenden Gericht, sonst vom Vorsitzenden, in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht jedoch vom Schwurgerichtshof zu fassen. Bevor das Gericht dem Beschuldigten eine Mitteilung nach den §§ 200 Abs. 4, 201 Abs. 4, 203 Abs. 3 oder einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, zustellt, hat es die Staatsanwaltschaft zu hören. Gegen einen solchen Beschluss steht nur der Staatsanwaltschaft Beschwerde zu; dem Beschuldigten ist dieser Beschluss erst dann zuzustellen, wenn er der Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist.

(3) Solange über eine Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem ein Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens nach diesem Hauptstück abgewiesen wurde, noch nicht entschieden wurde, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht zulässig. Eine Beschwerde gegen die nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens hat aufschiebende Wirkung.

4. TEIL

Haupt- und Rechtsmittelverfahren

12. Hauptstück

Die Anklage

1. Abschnitt

Allgemeines

Die Anklage

§ 210. (1) Wenn auf Grund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt, hat die Staatsanwaltschaft bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht Anklage einzubringen; beim Landesgericht als Geschworenen- oder Schöffengericht mit Anklageschrift, beim Landesgericht als Einzelrichter und beim Bezirksgericht mit Strafantrag.

(2) Durch das Einbringen der Anklage beginnt das Hauptverfahren, dessen Leitung dem Gericht obliegt. Die Staatsanwaltschaft wird zur Beteiligten des Verfahrens.

(3) Die Festnahme des Beschuldigten ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht anzuordnen, auch andere Zwangsmittel und Beweisaufnahmen, die im Ermittlungsverfahren einer Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft bedürfen, sind nach Einbringen der Anklage durch das Gericht anzuordnen oder zu bewilligen. Die Durchführung obliegt weiterhin der Kriminalpolizei; Berichte und Verständigungen hat sie an das Gericht zu richten. Anträge auf Einstellung des Verfahrens (§ 108) sind nach dem Einbringen der Anklage nicht mehr zulässig, bereits eingebrachte werden gegenstandslos.

(4) Außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt sich die Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenen- oder Schöffengericht nach § 32 Abs. 3.

2. Abschnitt

Die Anklageschrift

Inhalt der Anklageschrift

§ 211. (1) Die Anklageschrift hat anzuführen:

           1. den Namen des Angeklagten sowie weitere Angaben zur Person,

           2. Zeit, Ort und die näheren Umstände der Begehung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat und die gesetzliche Bezeichnung der durch sie verwirklichten strafbaren Handlung,

           3. die übrigen anzuwendenden Strafgesetze.

(2) In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft ihre Anträge für das Hauptverfahren zu stellen und dabei insbesondere auch die Beweise anzuführen, die im Hauptverfahren aufgenommen werden sollen; die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist erforderlichenfalls zu begründen. Schließlich ist der Sachverhalt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen und zu beurteilen.

Einspruch gegen die Anklageschrift

§ 212. Gegen die Anklageschrift steht dem Angeklagten Einspruch zu, wenn

           1. die zur Last gelegte Tat keine gerichtlich strafbare Handlung darstellt oder sonst ein rechtlicher Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten ausschließt,

           2. Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist,

           3. der Sachverhalt nicht soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt,

           4. die Anklageschrift sonst an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 211),

           5. die Anklageschrift ein für die angeklagte strafbare Handlung sachlich nicht zuständiges Gericht anruft,

           6. die Anklageschrift ein örtlich nicht zuständiges Gericht anruft oder

           7. der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten fehlt.

§ 213. (1) Das Gericht hat die Anklageschrift dem Angeklagten und dem Privatbeteiligten zuzustellen; eine weitere Ausfertigung der Kriminalpolizei.

(2) Der Angeklagte hat das Recht, gegen die Anklageschrift binnen 14 Tagen Einspruch bei Gericht zu erheben. Darüber ist er ebenso zu informieren wie über die seine Verteidigung betreffenden Vorschriften.

(3) Befindet sich der Angeklagte zum Zeitpunkt des Einbringens der Anklage in Haft oder wird er zugleich verhaftet, so ist die Anklageschrift, gegebenenfalls mit der Anordnung der Festnahme (§ 171 Abs. 1 und 2), sogleich ihm auszufolgen und seinem Verteidiger zuzustellen; die Frist zur Erhebung des Einspruchs richtet sich in diesem Fall nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(4) Verzichtet der Angeklagte auf einen Einspruch oder erhebt er einen solchen nicht fristgerecht, so hat das Gericht, sofern es keine Bedenken gegen seine Zuständigkeit hat, mit Beschluss festzustellen, dass die Anklageschrift rechtswirksam sei, und ohne Verzug die Hauptverhandlung anzuordnen. § 199 bleibt unberührt.

(5) Sobald die Anklageschrift rechtswirksam geworden ist, kann die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts des Hauptverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.

(6) Ein Einspruch ist dem Oberlandesgericht vorzulegen. Hat das Gericht Bedenken gegen seine Zuständigkeit, so hat es diese dem Oberlandesgericht unter Angabe der Gründe mitzuteilen, und zwar auch dann, wenn ein Einspruch nicht erhoben wurde. Für ein solches Begehren gelten die Vorschriften über den Einspruch sinngemäß.

Verfahren vor dem Oberlandesgericht

§ 214. (1) Das Oberlandesgericht hat der Oberstaatsanwaltschaft Gelegenheit zu geben, sich zum Einspruch zu äußern; § 89 Abs. 5 letzter Satz gilt. Sodann hat es über den Einspruch in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden; gegen seine Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Treffen dieselben Gründe auch auf eine Person zu, die keinen Einspruch erhoben hat, so hat das Oberlandesgericht so vorzugehen, als ob ein solcher Einspruch vorläge.

(3) Wird der Einspruch von einem Angeklagten erhoben, der sich in Untersuchungshaft befindet, so hat das Oberlandesgericht von Amts wegen über die Haft zu entscheiden. Beschließt das Oberlandesgericht die Fortsetzung der Haft, so gilt § 174 Abs. 3 Z 1 bis 5 sinngemäß.

§ 215. (1) Verspätete Einsprüche und solche, die von einer hiezu nicht berechtigten Person eingebracht wurden, hat das Oberlandesgericht als unzulässig zurückzuweisen.

(2) In den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 hat das Oberlandesgericht dem Einspruch Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.

(3) In den Fällen des § 212 Z 3 und 4 hat das Oberlandesgericht die Anklageschrift zurückzuweisen; dadurch wird das Hauptverfahren beendet und das Ermittlungsverfahren wieder eröffnet.

(4) In den Fällen des § 212 Z 5 und 6 hat das Oberlandesgericht die Sache dem zuständigen Gericht zuzuweisen. Hält es jedoch für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei, so legt es den Einspruch dem Obersten Gerichtshof vor, der zunächst die Frage der Zuständigkeit zu klären hat, bevor er die Sache dem zuständigen Oberlandesgericht zur Entscheidung über den Einspruch übermittelt.

(5) Das Oberlandesgericht kann auch einzelne Anklagepunkte teils auf die eine, teils auf die andere Art erledigen. Mit seiner Begründung darf es der Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache nicht vorgreifen.

(6) Liegt keiner der Fälle der Abs. 2 bis 4 vor, so hat das Oberlandesgericht den Einspruch abzuweisen und die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.“

2. Vor dem XIX. Hauptstück (§ 300) werden die Überschriften „5. TEIL“ und „Besondere Verfahren“ eingefügt.

3. Nach dem § 513 wird folgender 6. Teil angefügt:

„6. TEIL

Schlussbestimmungen

In-Kraft-Treten

§ 514. Dieses Bundesgesetz tritt in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. XX/XXXX, am XX. XXXXXX in Kraft.

Verweisungen

§ 515. (1) Verweisungen in diesem Gesetz auf andere Rechtsvorschriften des Bundes oder auf unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen. Wird in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen verwiesen, an deren Stelle mit dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes neue Bestimmungen wirksam werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden neuen Bestimmungen zu beziehen.

(2) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

Übergangsbestimmungen

§ 516. (1) Die durch das Strafprozessreformgesetz geänderten Verfahrensbestimmungen dieses Bundesgesetzes sind in Strafverfahren nicht anzuwenden, in denen vor ihrem In-Kraft-Treten das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist. Nach Aufhebung eines solchen Urteils ist jedoch im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen.

(2) Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Strafprozessreformgesetzes bei Gericht anhängige Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen sind nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Verfahrensbestimmungen zu erledigen. Voruntersuchungen werden mit dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes von Gesetzes wegen beendet. Das Gericht hat die Akten, nachdem es die allenfalls zur Entscheidung über die Fortsetzung der Untersuchungshaft erforderlichen Verfügungen und Entscheidungen getroffen hat, der Staatsanwaltschaft zu übersenden. In Verfahren, die nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind, ist der Privatankläger vom Gericht mit Beschluss aufzufordern, binnen angemessen festzusetzender Frist die Anklageschrift oder einen selbstständigen Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 einzubringen (§ 71 Abs. 6).

(3) An die Stelle eines Antrags auf Strafverfolgung tritt die Ermächtigung nach § 92. Diese gilt als erteilt, wenn ein Antrag auf Strafverfolgung gestellt wurde.

Vollziehung

§ 517. Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut.“