1167 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Nachdruck vom 11. 7. 2002

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Zinsenrecht im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, im Handelsgesetzbuch, im Aktiengesetz 1965 und im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert wird (Zinsenrechts-Änderungsgesetz – ZinsRÄG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch das  Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2002, wird wie folgt geändert:

1. Nach dem § 999 wird folgender § 1000 eingefügt:

„§ 1000. (1) An Zinsen, die ohne Bestimmung der Höhe vereinbart worden sind oder aus dem Gesetz gebühren, sind, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.

(2) Der Gläubiger einer Geldforderung kann Zinsen von Zinsen verlangen, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Sonst kann er, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit an fordern. Wurde über die Höhe der Zinseszinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind ebenfalls vier vom Hundert auf ein Jahr zu entrichten.

(3) Haben die Parteien über die Frist zur Zahlung der Zinsen keine Vereinbarung getroffen, so sind diese bei der Zurückzahlung des Kapitals oder, sofern der Vertrag auf mehrere Jahre abgeschlossen worden ist, jährlich zu zahlen.“

2. Die §§ 1333 bis 1335 lauten samt Überschriften:

„Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.

Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden

§ 1333. (1) Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs. 1) vergütet.

(2) Bei der Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmerischen Geschäften beträgt der gesetzliche Zinssatz acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dabei ist der Basiszinssatz, der am letzten Kalendertag eines Halbjahres gilt, für das nächste Halbjahr maßgebend.

(3) Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

§ 1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat.

§ 1335. Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern, sofern es sich nicht um Geldforderungen gegen einen Unternehmer aus unternehmerischen Geschäften handelt. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.“

Artikel II

Änderung des Handelsgesetzbuchs

Das Handelsgesetzbuch, dRGBl. 1897 S 219, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001, wird wie folgt geändert:

1. § 352 lautet:

„§ 352. Ist in diesem Gesetzbuch die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen ausgesprochen, so findet auf ihre Höhe, sofern nicht Besonderes festgesetzt ist, der gesetzliche Zinssatz nach den Bestimmungen des ABGB Anwendung.“

2. § 353 wird aufgehoben.

3. Dem § 906 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) § 352 und die Aufhebung des § 353 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2002 treten mit 1. August 2002 in Kraft.“

Artikel III

Änderung des Aktiengesetzes 1965

Das Aktiengesetz 1965, BGBl. Nr. 98, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/ 2001, wird wie folgt geändert:

1. In § 57 Abs. 2 erster Satz entfällt die Wortfolge „mit dem jeweils für beiderseitige Handelsgeschäfte geltenden Zinsfuß“.

2. Dem § 262 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 57 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2002 tritt mit 1. August 2002 in Kraft.“

Artikel IV

Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes

Das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 79/2002, wird wie folgt geändert:

1. § 49a erster Satz  lautet:

„Die gesetzlichen Zinsen für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (§ 50 Abs. 1) betragen acht vom Hundert pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz.“

2. In § 93 Abs. 2 werden der Betrag von „25 798 856 Euro“ durch den Betrag von „30 500 000 Euro“ und der Betrag von „12 899 428 Euro“ durch den Betrag von „15 250 000 Euro“ ersetzt.

3. In § 98 haben die Abs. 11 und 12 zu lauten:

„(11) § 49 a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2002 tritt mit 1. August 2002 in Kraft.

(12) § 93 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2002 tritt mit 1. Jänner 2003 in Kraft.“

Artikel V

Verbandsklage

1. Ein Unternehmer, der im geschäftlichen Verkehr ohne sachliche Rechtfertigung grob nachteilige Zahlungsbedingungen verwendet, indem er einem anderen unangemessen lange Zahlungsfristen oder wesentlich unter den gesetzlichen Zinsen liegende Verzugszinsen aufzwingt, kann von Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern auf Unterlassung geklagt werden, soweit diese Vereinigungen Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden. Der Unterlassungsanspruch kann auch von der Wirtschaftskammer Österreich und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs geltend gemacht werden. Die §§ 24, 25 Abs. 3 bis 7 und 26 UWG 1984 sind sinngemäß anzuwenden.

2. Die Gefahr einer Verwendung derartiger Zahlungsbedingungen besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine nach Z 1 klagebefugte Vereinigung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.

Artikel VI

In-Kraft-Treten

Die Artikel I (Änderung des ABGB) und V (Verbandsklage) treten mit 1. August 2002 in Kraft.

Artikel VII

Aufgehobene Vorschriften

Mit Ablauf des 31. Juli 2002 treten folgende Vorschriften außer Kraft:

           1. Hofkanzleidekret vom 4. April 1837 über Verzugszinsen für die Enteignungsentschädigung, JGS Nr. 188/1837;

           2. Hofdekret vom 18. Jänner 1842 über Verzugszinsen, JGS Nr. 592/1842;

           3. Gesetz vom 14. Juni 1868, wodurch die gegen den Wucher bestehenden Gesetze aufgehoben werden, RGBl. Nr. 62/1868;

           4. Artikel 8 Nr. 7 der Vierten Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. Dezember 1938, dRGBl. 1938 I, S 1999.

Artikel VIII

Umsetzung

Mit diesem Bundesgesetz wird die Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. Nr. L 200 vom 8. August 2000, S 35, umgesetzt.