1191 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 11. 10. 2002

Regierungsvorlage


Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich

Die Regierung der Republik Österreich

und

die Regierung der Bundesrepublik Deutschland –

im Geiste der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten,

in der Absicht, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaften und den Austausch im Hochschulbereich zu fördern,

in dem Wunsche, den Studierenden in beiden Staaten die Aufnahme oder die Fortführung des Stu­diums im jeweils anderen Staat zu erleichtern,

im Bewusstsein der in beiden Staaten im Bereich des Hochschulwesens und der Hochschulausbildung bestehenden Gemeinsamkeiten –

haben hinsichtlich der Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen zum Zwecke der Fortführung von Studien oder weiterer Studien im Hochschulbereich und hinsichtlich der Führung von Hochschulgraden und akademischen Graden Folgendes vereinbart:

Artikel 1

(1) Hochschulen im Sinne dieses Abkommens sind

           1. staatliche Bildungseinrichtungen, die in der Bundesrepublik Deutschland nach den Rechtsvorschriften der Länder oder in der Republik Österreich nach deren Rechtsvorschriften Hochschulen sind;

           2. nicht staatliche Bildungseinrichtungen, die in der Bundesrepublik Deutschland nach den Rechtsvorschriften der Länder oder in der Republik Österreich nach deren Rechtsvorschriften als Hochschulen oder als Fachhochschul-Studiengänge staatlich anerkannt sind.

(2) Die Ständige Expertenkommission gemäß Artikel 6 sorgt für die laufende Dokumentation und Veröffentlichung der Listen der Hochschulen gemäß Absatz 1, auf deutscher Seite durch die Hochschulrektorenkonferenz, auf österreichischer Seite durch das österreichische Nationale Informationszentrum für die akademische Anerkennung (NARIC AUSTRIA).

Artikel 2

(1) Deutsche Hochschulgrade sind von einer deutschen Hochschule gemäß Artikel 1 Absatz 1 als Abschluss eines Studiums verliehene Grade (Diplom-, Bakkalaureus-/Bachelorgrad, Magister-/Master­grad, Grad eines Magister Artium, Lizentiatengrad) sowie der Doktorgrad und der Grad eines habilitierten Doktors.

(2) Österreichische akademische Grade sind von einer österreichischen Hochschule gemäß Artikel 1 Absatz 1 als Abschluss eines Studiums verliehene akademischen Grade (Bakkalaureats-, Master-, Magister-, Diplom- und Doktorgrad).

Artikel 3

(1) Studien- und Prüfungsleistungen in einschlägigen Fächern an Hochschulen gemäß Artikel 1 werden auf Antrag im Rahmen eines Studiums an Hochschulen im jeweils anderen Staat anerkannt, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Kreditpunkten im Rahmen des European Credit Transfer System (ECTS) oder sonstiger Kreditpunktsysteme. Die Einschlägigkeit wird von der aufnehmenden Hochschule festgestellt. Einschlägige österreichische Universitätslehrgänge, denen der Abschluss eines Hochschulstudiums voraus geht, sind als Entsprechung der deutschen Zusatz-, Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge anzusehen.

(2) Bei der Zulassung zu Staatsprüfungen gelten die in die­sem Abkommen vorgesehenen Anerkennungen nach Maßgabe des innerstaatlichen Prüfungsrechtes.

(3) Die Absätze 1 und 2 schließen nicht aus, dass Hochschulen im Rahmen bilateraler oder multilateraler Vereinbarungen weiter gehende Anerkennungen festlegen oder in diesem Abkommen nicht genannte Leistungen und Qualifikationen anerkennen.

Artikel 4

(1) Hochschulgrade und akademische Grade im Sinne des Artikels 2 Absätze 1 und 2 sowie Zeugnisse über gleichrangige Staatsprüfungen eröffnen den Zugang zu einem weiterführenden beziehungsweise einem weiteren Studium oder zu Studien mit dem Ziel der Promotion im jeweils anderen Staat in dem Ausmaß, in dem dies im Herkunftsstaat möglich ist, gegebenenfalls nach weiterer Maßgabe der für die Hochschulen im Aufnahmestaat geltenden Regelungen. Die Ständige Expertenkommission gemäß Artikel 6 kann hierzu allgemeine Empfehlungen aussprechen.

(2) Artikel 3 Absatz 3 gilt sinngemäß.

Artikel 5

(1) Die Inhaber eines in Artikel 2 Absätze 1 und 2 genannten Grades sind berechtigt, diesen Grad im jeweils anderen Staat zu führen.

(2) Die Grade sind jeweils in der verliehenen Form zu führen. Abkürzungen sind in der festgelegten, andernfalls in der im Herkunftsstaat üblichen Form zu führen.

(3) Die in Österreich mit dem Studienabschluss verliehenen Grade in Humanmedizin (Dr. med.       univ.) und Zahnmedizin (Dr. med. dent.) dürfen in Deutschland nur mit vollständigem fachlichen Zusatz geführt werden.

(4) Berufsrechtliche Regelungen zur Führung geschützter Berufsbezeichnungen bleiben unberührt.

(5) Die Berechtigung zur Führung eines Grades im jeweils anderen Staat umfasst nicht das Recht zur Berufsausübung (effectus civilis).

Artikel 6

(1) Für die Beratung aller Fragen, die sich aus diesem Abkommen ergeben, wird eine Ständige Expertenkommission eingesetzt, die aus je bis zu sechs von den beiden Vertragsparteien zu nominierenden Mitgliedern besteht. Die Liste der Mitglieder wird der jeweils anderen Vertragspartei auf diplomatischem Weg übermittelt.

(2) Die Ständige Expertenkommission tritt auf Wunsch einer der beiden Vertragsparteien zusammen. Der Tagungsort wird jeweils auf diplomatischem Weg vereinbart.

(3) Die Ständige Expertenkommission wird in ihrer Arbeit von den Nationalen Informationszentren für die akademische Anerkennung (NARICs) unterstützt.

Artikel 7

(1) Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es tritt an dem Tag in Kraft, an dem die beiden Vertragsparteien einander notifiziert haben, dass die jeweiligen innerstaatlichen Voraussetzungen für das In-Kraft-Treten erfüllt sind. Maßgebend ist der Tag des Eingangs der letzten Notifikation.

(2) Jede der beiden Vertragsparteien kann dieses Abkommen auf diplomatischem Weg schriftlich kündigen. Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation der Kündigung bei der anderen Vertragspartei wirksam.

(3) Mit dem In-Kraft-Treten dieses Abkommens tritt das Abkommen vom 19. Jänner 1983 zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich mitsamt dem dazugehörigen Notenwechsel vom selben Datum außer Kraft.

Geschehen zu Wien am 13. Juni 2002 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.

Für die Regierung der Republik Österreich:

Ferrero-Waldner m. p.

Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland:

Holik m. p.