1193 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 8. 7. 2002

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales


über die Regierungsvorlage (1183 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

und

über den Antrag der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (201/A)

und

über den Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz [276/A(E)]

und

über den Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ersatzlose Streichung der Krankenscheingebühr [75/A(E)]

und

über den Antrag der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Schutzimpfung für Feuerwehrleute [693/A(E)]

Durch die gegenständliche Regierungsvorlage sollen notwendige Anpassungen und Rechtsbereinigungen vorgenommen werden. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH mit Urteil vom 27. November 2001 ausgesprochen hat, dass die derzeitige Rechtslage betreffend die Aufnahme von Arzneispezialitäten in das Heilmittelverzeichnis mangels entsprechenden Rechtsschutzes gegen die Transparenzrichtlinie 89/105/ EWG verstößt; durch die in der Regierungsvorlage vorgesehene Einrichtung einer Unab­hängigen Heilmittelkommission als Rechtsmittelinstanz soll dem erwähnten Urteil Rechnung getragen werden.

Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen des Gesetzentwurfes hervorzuheben:

      Freie Dienstnehmer: Ende der Pflichtversicherung wie bei Dienstnehmern nach § 4 Abs. 2 ASVG; Aufhebung der Bestimmung über die Dauer der Beitragspflicht; Aufhebung der Bestimmung über die durchgehende Versicherung;

      geringfügig Beschäftigte: Ende der Pflichtversicherung wie bei Vollbeschäftigten;

      Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung: Angleichung des Beginnes an den Beginn der Selbstversicherung nach § 16 ASVG;

      Auflösung der Betriebskrankenkasse Pengg und Übernahme ihrer Versicherten durch die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues;

      Neugestaltung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger;

      Einrichtung einer Unabhängigen Heilmittelkommission, die im Instanzenzug – als Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK – gegen (teil)negative Entscheidungen über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in das Heilmittelverzeichnis angerufen werden kann;

      Aufhebung der Krankenscheingebühr unter gleichzeitiger Einführung eines Service-Entgeltes für die Sozialversicherungs-Chipkarte;

      Schaffung einer neuen Richtlinienkompetenz für den Hauptverband zur einheitlichen Vollzugspraxis der Versicherungsträger im Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen;

      Management: Angleichung der Amtsdauer an jene der Controllinggruppe;

      Klarstellung, dass sich die Bindung der Versicherungsträger an rechtskräftige Gerichtsentscheidungen nicht auf Vergleiche bezieht;

      Ausdehnung der begünstigenden Weiterversicherung in der Pensionsversicherung auf Pflegestufe 3;

      Anknüpfung der Angehörigeneigenschaft insbesondere von Studierenden an die Gewährung von Familienbeihilfe;

      Klarstellung, dass Bemessungsgrundlage für das Krankengeld ein Dreißigstel des monatlichen Arbeitsverdienstes ist;

      Jugendlichenuntersuchungen: Angleichung des Begriffes des Jugendlichen nach dem ASVG an jenen des ABGB;

      Krankengeld: Modifikation des Versagungsgrundes der Beteiligung am Raufhandel;

      Änderung der Berechnung der Bemessungsgrundlage für Geldleistungen aus der Unfallversicherung: Abstellen auf das „Kalenderjahr“ (derzeit: „Jahr“) vor Eintritt des Versicherungsfalles;

      Anhebung der Bemessungsgrundlage in der Unfallversicherung für Gewerbetreibende sowie für Schüler und Studenten;

      Klarstellung, dass die Neuregelung der Gesamtrentenbildung im Rahmen der 58. ASVG-Novelle nur auf Versicherungsfälle anzuwenden ist, die nach deren Wirksamkeitsbeginn eingetreten sind;

      Reihenfolge für die Berücksichtigung von Beitrags- und Ersatzzeiten: Vorrang von Ersatzzeiten gegenüber Beitragsmonaten der freiwilligen Versicherung;

      Ausschluss des Wechsels der Zuständigkeit des Pensionsversicherungsträgers bei Eintritt eines weiteren Versicherungsfalles bei laufendem Pensionsbezug;

      Fälligkeit der Überweisungsbeträge bei Ausscheiden aus einem Beamtendienstverhältnis: Streichung der 18-Monate-Frist bei Antragstellung auf Pension;

      Gewährleistung der für die Anerkennung als Tribunal im Sinne von Art. 6 MRK erforderlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder der Landesberufungskommission;

      verpflichtende elektronische Abrechnung durch alle Vertragspartner aus dem Bereich der Gesundheitsberufe;

      Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage betreffend das Rezepturrecht für Krankenanstalten;

      Anpassung der Vermögensveranlagungsvorschriften an die europarechtlichen Entwicklungen;

      Aufteilung der für die Pauschalabgeltung der Anstaltspflege in Privatkrankenanstalten aufzubringenden Mittel anhand der tatsächlichen Leistungsinanspruchnahme;

      Umbenennung des Pensionsinstitutes der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe-Aktiengesellschaft in „Pensionsinstitut der Linz AG“;

      Berücksichtigung von Ersatzzeiten des Wochengeldbezuges im Rahmen der Übergangsbestimmung nach § 588 Abs. 7 ASVG;

      Verlängerung der Härtefallregelung im Zusammenhang mit der Anhebung des Anfallsalters für vorzeitige Alterspensionen;

      Klarstellung, dass Pensionisten, die vormals nach § 4 Abs. 3 ASVG versichert waren bzw. von der einschlägigen Wahrungsregelung erfasst wurden, in der Krankenversicherung nach dem ASVG versichert bleiben;

      redaktionelle Klarstellungen.

Die Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Karl Öllinger, Annemarie Reitsamer, Sophie Bauer, Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 201/A am 7. Juni 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Durch die vorgeschlagene Änderung soll eindeutig klargestellt werden, dass auch Tätigkeiten von Feuerwehren im Einsatz, bei denen ein erhebliches Infektionsrisiko besteht, von der Nr. 38 der Anlage 1 zum ASVG (Berufskrankheitenliste) erfasst sind. Schnittverletzungen durch Blechkanten, Glasscheiben usw. sind oft trotz guter Schutzausrüstung unvermeidlich.

Bei Körperkontakt mit Verletzten kommt die Einsatzmannschaft mit Körperflüssigkeit wie Blut, Speichel usw. der zu Bergenden in Berührung, Einsatzkleidung wird kontaminiert.“

Die Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Heidrun Silhavy, Annemarie Reitsamer, Mag. Brunhilde Plank, Dr. Elisabeth Pittermann, Rudolf Nürnberger, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 276/A(E) am 12. Oktober 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Arbeitskreise ,Hebung der Treffsicherheit des Sozialsystems‘ befassten sich mit Fragen aus dem Bereich der Krankenversicherung und Unfallversicherung (Arbeitskreis 1), aus dem Bereich von Arbeitslosenversicherung und Arbeitsmarktpolitik (Arbeitskreis 2), von Pflegesicherung und Sozialhilfe (Arbeitskreis 3) sowie der Familientransfers und Familienförderung (Arbeitskreis 4).

In den Arbeitsgruppen war ein offenes Diskussionsklima typisch, das wohl nicht zuletzt dadurch ermöglicht wurde, dass keinerlei Konsenszwang herrschte, weil von den Experten nicht die Erarbeitung eines abschließenden Maßnahmenvorschlags erwartet wurde. Die Suche nach einem Kompromiss war hingegen nicht Thema dieser Arbeitskreise.

Ziel der Tätigkeit der Experten war es, die im Bereicht vom 4. Juli 2000 genannten Vorschläge zu beurteilen, wo es sinnvoll erschien, vertiefte Überlegungen anzustellen, und insgesamt – zusätzlich zu den in der ersten Phase des Vorgangs ,Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems‘ genannten Informationen – Sachinformationen zu sammeln, die bei politischen Entscheidungen zur Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems berücksichtigt werden sollen.

Wie Prof. Mazal richtig vermutet hat, ist das Ergebnis viel kantiger geworden als Experten als kleinsten gemeinsamen Nenner je hätten finden können.

Prof. Mazal irrt jedoch fundamental, wenn er schreibt: „Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die politischen Entscheidungsträger nicht nur den in den letzten Wochen so sehr in den Vordergrund der Treffsicherheitsdiskussion getretenen monetären Aspekt bedenken …; darüber hinaus sollten auch die vielen nicht unmittelbar monetären Überlegungen in die politische Auswertung des Vorgangs ,Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems‘ überlegt werden, mit denen mittel- und langfristige Verbesserungen der Treffsicherheit des Sozialsystems erreicht werden könnten.“

Im Ministerratsbeschluss vom 19. September 2000 „zur Verbesserung der sozialen Treffsicherheit“ finden sich reine Sozialabbaumaßnahmen und keine Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit. Das Ausmaß der Einsparungen (7,68 Milliarden Schilling pro Jahr) übertraf die Zielvorgaben der ExpertInnen um das Dreifache.

Unter dem Vorwand der sozialen Treffsicherheit wird ein massiver Sozialabbau der FPÖVP-Koalition umgesetzt.“

Die Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 75/A(E) am 26. Jänner 2000 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Bereits im Jahr 1966 wurde bei den PatientInnen eine Krankenscheingebühr eingehoben, jedoch wegen ihrer ausfallenden Steuerungswirkung wieder abgeschafft. Seit der Wiedereinführung der Krankenscheingebühr wird erneut festgestellt, dass die Krankenscheingebühr einen ,unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand‘ für Kassen und Unternehmen darstellt und auch die PatientInnensteuerungsfunktion nicht erfüllt werden kann.

Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat diesbezüglich den Bundesgesetzgeber bereits in einer Resolution aufgefordert, die Krankenscheingebühr ersatzlos zu streichen.“

Die Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Sophie Bauer, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 693/A(E) am 23. Mai 2002 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Aufgaben der Feuerwehrhelfer reichen heute über den klassischen Bereich der Brandlöschung weit hinaus. Von den mehr als 200 000 Einsätzen im Jahr entfallen mittlerweile rund zwei Drittel in den ,technischen Bereich‘, wozu etwa die Bergung von Unfallopfern, deren Erstversorgung und Übergabe an die Rettungsorganisationen gehört. Die Gesundheit der Feuerwehrangehörigen kann dabei etwa auf Grund von Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder der Gefahr von Schnittwunden beeinträchtigt werden. Dieser Entwicklung muss zum Schutz der Feuerwehrleute Rechnung getragen werden.

Sogar der Impfausschuss des Obersten Sanitätsrates hat festgestellt, dass Feuerwehrleute als Ersthelfer zu verstehen sind, für die die Impfung gegen Hepatitis-B empfohlen wird. Als Hochrisikogruppe werden gerade auch jene Personen definiert, die mit hydraulischen Bergegeräten arbeiten.

Es ist nicht einsehbar, dass ehrenamtliche Helfer, die freiwillig ihre Zeit und ihre Gesundheit zum Wohle unserer Gesellschaft einsetzen, die Impfkosten tragen sollen. Schließlich werden auch Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der Krankenhäuser und in der Altenfachbetreuung gratis geimpft.

Auf der einen Seite werden Forderungen nach einer Bürgergesellschaft mit Bürgerdienst erhoben, auf der anderen Seite fehlt aber die Bereitschaft, wirklich etwas für Menschen zu tun, die im Dienst der Gesellschaft sogar ihr Leben riskieren.

Die Befürchtung vor unfinanzierbaren Kosten ist unbegründet, da die Impfung vorläufig nur bei jenen Feuerwehrleuten erfolgen soll, die tatsächlich für die Bergeeinsätze ausgebildet sind und dafür eingesetzt werden. Laut einer Anfragebeantwortung (1357/AB) sollen dies beispielsweise im relativ großen Bundesland Oberösterreich, welches über eine große Anzahl von freiwilligen Feuerwehrhelfern verfügt, nur zirka 4 500 Personen sein.

Feuerwehrleute sind einer erhöhten Gefahr der Ansteckung mit Hepatitis ausgesetzt. Schnittverletzungen durch Blechkanten, Glasscheiben usw. sind oft trotz guter Schutzausrüstung unvermeidlich. Die Einsatzmannschaften müssen geschützt werden, eine einfache Spritze – wie bei Rettungsorganisationen – könnte diesen Schutz gewährleisten.“

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage 1183 der Beilagen und die Anträge 201/A, 276/A(E), 75/A(E) und 693/A(E) in seiner Sitzung am 25. Juni 2002 in Verhandlung genommen.

Als Verhandlungsgrundlage wurde die Regierungsvorlage verwendet.

Berichterstatter im Ausschuss war der Abgeordnete Sigisbert Dolinschek.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Karl Öllinger, Heidrun Silhavy, Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Beate Hartinger, Dr. Reinhold Mitterlehner, Helmut Dietachmayr, Dr. Alois Pumberger, Sophie Bauer, Franz Riepl, Sigisbert Dolinschek, Dr. Ilse Mertel, Karl Donabauer, Josef Horn und Theresia Haidlmayr sowie der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt.

Von den Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Karl Donabauer wurde ein Abänderungsantrag betreffend § 180a, § 351b Abs. 2, § 442 Abs. 2, § 442a Abs. 2, § 446 Abs. 1, § 447a Abs. 6, § 447b Abs. 4, § 447c Abs. 1 und 4 sowie § 600 Abs. 1, 2, 8, 11, 12 und 13 eingebracht.

Zum Antrag 276/A(E) wurde von der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel ein Abänderungsantrag eingebracht.

Von der Abgeordneten Heidrun Silhavy wurde ein Entschließungsantrag betreffend die Konsolidierung der sozialen Krankenversicherung und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens eingebracht.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des oberwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Karl Donabauer mit Stimmenmehrheit angenommen. Der oberwähnte Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy fand keine Mehrheit.

Durch die Annahme des diesem Ausschussbericht angeschlossenen Gesetzentwurfes gelten die Anträge 201/A, 276/A(E), 75/A(E) und 693/A(E) sowie der oberwähnte Abänderungsantrag zu 276/A(E) als miterledigt.

Zu den Abänderungen und Ergänzungen gegenüber der Regierungsvorlage 1183 der Beilagen wird Folgendes bemerkt:

Zu den  §§ 180a und 600 Abs. 1 Z 3:

Für Schwerversehrte soll als weitere Begünstigung neben der Gewährung einer Zusatzrente nach § 205a ASVG die Bemessungsgrundlage im Prozentsatz des Anpassungsfaktors des Jahres des Eintrittes des Versicherungsfalles erhöht werden.

Im Jahr 2001 entfielen auf Schwerverletzte rund 12% des Neuzugangs an Versehrtenrenten. Es wird angenommen, dass rund 50% des Neuzugangsaufwands auf diese Personengruppe entfällt. Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage um den Anpassungsfaktor führt zu folgenden Mehrkosten für die Unfallversicherung:

1. Jahr                   70 000 Euro

2. Jahr                 210 000 Euro

3. Jahr                 350 000 Euro

4. Jahr                 500 000 Euro

Für den Bund erwächst daraus keine finanzielle Belastung.

Zu den §§ 351b und 600 Abs. 1 Z 1:

Der geplante Abs. 2 des § 351b ASVG erweitert die bereits in Abs. 1 leg. cit. vorgesehene Ermächtigung von Pensionsversicherungsträgern, mit Gebietskörperschaften Verträge über die Durchführung von medizinischen Begutachtungen abzuschließen, um eine Verpflichtung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (ab 1. Jänner 2003: Pensionsversicherungsanstalt), in bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen entsprechende Begutachtungen in Ruhestandsversetzungsverfahren von Personen, die von der Pensionsversicherung nach dem ASVG ausgenommen sind, gegen Kostenersatz durchzuführen. Vertragliche Vereinbarungen mit den zuweisenden Einrichtungen über die Durchführung solcher Begutachtungen sind an sich nicht erforderlich, werden jedoch zweckmäßig sein. Die entsprechenden bundesgesetzlichen Regelungen werden voraussichtlich im Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002 enthalten sein.

Zu den §§ 442 Abs. 2 Z 6, 442a Abs. 2 Z 9 und 447c Abs. 4:

Durch die vorgeschlagene terminologische Änderung wird klargestellt, dass nicht nur die Gesamthöhe (das Gesamtvolumen) der Zielerreichungs-Zuschüsse, sondern auch die konkrete Höhe der an die einzelnen Träger fließenden Zielerreichungs-Zuschüsse vom Verwaltungsrat festzulegen ist.

Zu § 446 Abs. 1 Z 1:

Um einen möglichen Vorwurf des Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und einer damit verbundenen Diskriminierung zu vermeiden, soll hinsichtlich der Vermögensveranlagung auf alle verzinslichen Wertpapiere, die in Euro von den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes begeben wurden, abgestellt werden.

Zu den §§ 447a Abs. 6 und 447b Abs. 4 und 5:

Der Anspruch auf Leistungen des Ausgleichsfonds soll – insbesondere im Hinblick auf das Anreizsystem, das in der Honorierung der Zielerreichung zu erblicken ist – grundsätzlich nicht davon abhängen, ob der Versicherungsträger noch genügend liquide Mittel besitzt oder nicht. Auch der Anspruch auf Abgeltung von Strukturnachteilen soll nicht davon abhängen, ob noch genügend liquide Mittel vorhanden sind oder nicht.

Zu 447c Abs. 1:

Dem Verwaltungsrat – der die Höhe der Zielerreichungs-Zuschüsse festlegt – soll auch die Kompetenz zur Feststellung der Erreichung der Zielvereinbarungen obliegen; seiner Beurteilung ist ein Bericht der Controllinggruppe zugrunde zu legen.

Zu § 600 Abs. 1 Z 1 sowie Abs. 2 und 8:

Der Zeitpunkt des Beginnes der Gesetzeskraft soll grundsätzlich auf den 1. September 2002 verschoben werden, damit der Verwaltung ausreichend Zeit für etwaige vorbereitende Maßnahmen bleibt.

Zu § 600 Abs. 11:

Die Bundesregierung hat im Zuge der Beschlussfassung des einschlägigen Ministerratsmaterials am 13. Juni 2002 folgende Anmerkung zu Protokoll nehmen lassen: „Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für das Jahr 2002 in die Dotierung des Ausgleichsfonds aus Rücklagen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einbezogen wird.“

Im Sinne dieser Protokollanmerkung sollen die genannten Versicherungsträger aus Gleichheitsgründen nach ihrer Finanzkraft auch in das Darlehensmodell zur Dotierung des neugeordneten Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger einbezogen werden. Da die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter erst mit 1. Jänner 2003 am Ausgleichsfonds beteiligt sein werden, soll die Zuzählung der Darlehen erst bis längstens 31. Dezember 2003 erfolgen.

Zur Einbeziehung der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt des öffentlichen Dienstes in den Ausgleichsfonds der Krankenversicherung sei darüber hinaus Folgendes festgehalten:

Der Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger wurde im Rahmen der 6. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 87/1960, eingerichtet. Im diesbezüglichen Ausschussbericht (vgl. 188 Blg. NR IX. GP) wurde ausgeführt: „Die im Ausschuss vertretenen Parteien kamen (…) überein, dass mit 1. Jänner 1961 für die Gebiets-, Landwirtschafts- und Betriebskrankenkassen beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ein Ausgleichsfonds errichtet werden soll. Die Mittel des Fonds sollen durch Beiträge der dem Fonds angeschlossenen Versicherungsträger und im Wege der Tabaksteuer aufgebracht werden. Aus dem Ausgleichsfonds selbst sollen finanziell schwachen Krankenversicherungsträgern Mittel zugewendet werden können.“

Die Weiterentwicklung dieses Ausgleichsfonds führte zur Aufnahme der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues in den Fonds mit 1. Jänner 1967. Mit 1. Jänner 1977 wurde die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in ihrer Funktion als Träger der Krankenversicherung in den Ausgleichsfonds aufgenommen.

In der Folge wurde auch die Sozialversicherungsanstalt der Bauern als Träger der Krankenversicherung ebenfalls Mitglied des Fonds.

Zur Funktion des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Jahre 1994 Folgendes grundsätzlich ausgeführt:

„Der Fonds ist ein krankenversicherungsinternes Strukturausgleichsinstrument, dessen Mittel ausschließlich von den Krankenversicherungsträgern selbst aufgebracht werden. Das formal einheitliche Beitragsrecht in der Krankenversicherung verschafft den einzelnen Krankenversicherungsträgern überaus unterschiedlich hohe Beitragseinnahmen pro Kopf der Versicherten. Diese Tendenz zur Entwicklung finanziell gut dotierter Krankenversicherungsträger zu weniger gut dotierten Krankenversicherungsträgern erklärt sich durch starke Strukturveränderungen. Aus diesem Grund ist ein Ausgleichsfonds als Instrument des sozialversicherungsinternen Finanzausgleichs unbedingt erforderlich.“

Der Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger entspricht auch dem immer wieder geäußerten – vom Verfassungsgerichtshof in Erkenntnissen abgestützten – Solidargedanken in der Sozialversicherung. Die österreichische Sozialversicherung ist nicht rein dem Versicherungsprinzip verpflichtet, sondern im Rahmen der Sozialpflichtigkeit auch dem solidarischen Lastenausgleich innerhalb von gesamtösterreichischen Riskengemeinschaften. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Grundsatz der österreichischen Bundesverfassung verwiesen, wonach gemäß Artikel 4 Abs. 1 B-VG das Bundesgebiet ein einheitliches Wirtschaftsgebiet darstellt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Einbeziehung eines Sozialversicherungsträgers in einen Ausgleichsfonds dann gerechtfertigt, wenn es sich beim Personenkreis des begünstigten Sozialversicherungsträgers um einen solchen handelt, der auch – wenn auch nur indirekt – Beiträge für den belasteten Sozialversicherungsträger zu leisten hat. Zwischen den Versicherten der belasteten und der begünstigten Sozialversicherungsträger hat somit eine Versicherungsriskengemeinschaft im weiteren Sinn zu bestehen (VfSlg. 6039/1969). Diese Voraussetzung ist mit der Einbeziehung der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in den Ausgleichsfonds gegeben. Die vom Ausgleichsfonds erfassten Krankenversicherungsträger haben nämlich nicht nur einen Beitrag bzw. Darlehen für den Ausgleichsfonds zu leisten, in gleicher Weise gebühren den erfassten Krankenversicherungsträgern gleichermaßen Leistungen des Ausgleichsfonds, wenn sie die dafür festgesetzten Voraussetzungen erfüllen. Alle in den Ausgleichsfonds einbezogenen Krankenversicherungsträger haben somit gleichermaßen Ansprüche auf Leistungen, wie sie auch Beiträge und Darlehen an den Fonds entrichten bzw. gewähren müssen.

Die Neuregelung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger ist auch deshalb als verfassungskonform zu qualifizieren, als eine Belastung einzelner Krankenversicherungsträger nur dann als unsachlich zu qualifizieren wäre, wenn die Gebietskrankenkassen und die anderen betroffenen Krankenversicherungsträger durch diese Maßnahme nicht mehr in der Lage wären, ihren gesetzlichen Aufgaben und Verpflichtungen mit ihren eigenen Mitteln und mit den Mitteln des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger nachzukommen. Dies ist mit der Neuregelung der Ausgleichsfondsfinanzierung nicht der Fall, die langfristige Finanzierung aller österreichischen Krankenversicherungsträger wird mit dieser Maßnahme nachhaltig gesichert.

Ebenso ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 5241 im Zusammenhang mit der Erklärung des Begriffes Sozialversicherung ausdrücklich auch Sozialversicherungsgemeinschaften als solche ohne Differenzierung nach einer berufsständischen Zugehörigkeit anerkennt.

Ebenso verletzt die Neuregelung der Finanzierung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger nicht das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums. Dies deshalb, weil die neuen Bestimmungen dem öffentlichen Interesse an einer ausgeglichenen Gebarung der Krankenversicherungsträger dienen, damit diese die ihnen übertragenen Aufgaben wirksam erfüllen können. Die Einbeziehung der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen und der Versicherungsanstalt des öffentlichen Dienstes in den Ausgleichsfonds stellt eine dafür durchaus geeignete Maßnahme dar, weil dies hilft, zu einer ausgeglichenen Gebarung der österreichischen Krankenversicherungsträger zu kommen. Das öffentliche Interesse am Funktionieren jedes einzelnen Krankenversicherungsträgers rechtfertigt daher einen diesbezüglichen Eingriff.

Da die Gliederung der Sozialversicherung in verschiedene Träger nach Gesichtspunkten der Personenverbundenheit erfolgte, ist es unausweichlich, dass die Riskenauslese innerhalb dieser Träger sehr unterschiedlich ist. Hat sich der Gesetzgeber – wie in Österreich – dafür entschieden, das Leistungsrecht für alle Versichertengruppen in etwa gleich auszugestalten, so bedeutet dies, dass es damit finanziell begünstigte und finanziell benachteiligte Versicherungsgemeinschaften gibt. Geht man davon aus, dass die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten eine Risikogemeinschaft im weiteren Sinn darstellen, so ist ein finanzieller Ausgleich zwischen defizitären und positiv bilanzierenden Krankenversicherungsträgern nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern geradezu geboten.

Zu § 600 Abs. 12:

Zweckzuschüsse etwa für den Ausbau und die Erhaltung der eigenen medizinischen Einrichtungen der am Ausgleichsfonds beteiligten Krankenversicherungsträger (zB Zahn- und Fachambulatorien) sollen – um den Abschluss der begonnen Projekte nicht zu gefährden – unter den Voraussetzungen des § 447e ASVG weiter gewährt werden, wenn der entsprechende Antrag vor dem 1. September 2002 bewilligt wurde.

Zu § 600 Abs. 13:

Auf Grund der finanziellen Situation der Sozialversicherung wurde durch § 588 Abs. 14 ASVG vorgesehen, dass die Sozialversicherungsträger und deren Hauptverband bis zum Jahr 2003 einschneidende Sparmaßnahmen zu setzen haben, die sich insbesondere in einer Verringerung des Verwaltungs- und Verrechnungsaufwandes auf den Stand des Jahres 1999 auswirken. Nur bestimmte Maßnahmen, wie zum Beispiel Standardprodukte oder die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, sind hievon ausgenommen.

Es ist jedoch notwendig, die für die Verwirklichung dieser Sparmaßnahmen auftretenden Investitionen beim Hauptverband ebenfalls auszunehmen, weil es sonst zwar zur Errichtung der Sparziele bei den Trägern kommt, jedoch zu Lasten des Budgets des Hauptverbandes. Dies soll jedoch nur für folgende Investitionen gelten, die zu Kosteneinsparungen führen: Verbesserung des Controllings der Sozialversicherung und Maßnahmen zur Verringerung der Kosten für medizinische Leistungen (evidence based medicine).

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2002 06 25

                            Sigisbert Dolinschek                                                        Helmut Dietachmayr

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann