Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, erstattet durch den Abgeordneten Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen

Das Gesetzespaket bringt eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Ausländerbeschäftigungs- und Integrationspolitik. Diese stand unter dem Prinzip „Integration vor Neuzuzug“ und beruhte auf zwei Elementen:

      Zuzug von Ausländern nach Österreich – von humanitären Gründen abgesehen – nur in jenem Ausmaß, das wirtschaftlich erforderlich und gesellschaftlich vertretbar ist.

      Integration von Ausländern, die nach Österreich kommen dürfen oder sich in Österreich legal aufhalten, um soziale Spannungen zu vermeiden bzw. zu verringern; Integration bedeutet dabei die Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass sich Ausländer in die österreichische Gesellschaft unter Teilnahme am wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben unter Beibehaltung der eigenen Identität eingliedern können.

Die Regierungsfraktionen nehmen für ihr Gesetzespaket ebenfalls das Prinzip „Integration vor Neuzuzug“ in Anspruch, inhaltlich enthält es aber das Gegenteil: Entgegen dem volkswirtschaftlichen Bedarf wird die gesetzmäßige Zuwanderung von Ausländern auf eine verschwindend kleine Anzahl gut verdienender Schlüsselkräfte beschränkt. Stattdessen werden ohne Beschränkung durch Quoten in Gestalt von „Saisoniers“ und Wochenpendlern billige Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt, die den Österreichern und den in Österreich legal lebenden Ausländern wirtschaftlich Konkurrenz machen. Diese Ausländer sind aber nicht integrierbar, weil ihnen von vornherein keine Chance geboten wird, dauerhaft am Leben der österreichischen Gesellschaft teilzunehmen. Dadurch werden aber die sozialen Spannungen, die durch Ausländer in einer Gesellschaft entstehen können, erst recht hervorgerufen, was dann wiederum dazu führt, dass einzelne politische Gruppierungen gegen Ausländer hetzen, als ob sie die Quelle des Übels wären.

Aber auch für die bereits hier legal lebenden Ausländer oder in Zukunft gesetzmäßig zuziehenden Ausländer enthält das Gesetzespaket – trotz der bewusst irreführenden Bezeichnung „Integrationsvereinbarung“ – keinerlei Maßnahmen, die tatsächlich der Integration von Ausländern dienen. Stattdessen enthält es – entsprechend der ausländerfeindlichen Haltung der FPÖ – Schikanen und Maßnahmen, um Ausländer zu stigmatisieren.

Alles in allem bündelt das Gesetzespaket typische Maßnahmen schwarzer und blauer Ausländerpolitik zu Lasten aller ÖsterreicherInnen und AusländerInnen in Österreich:

Die ÖVP will für die Wirtschaft billige Arbeitskräfte und erhält deswegen Saisoniers und Wochenpendler außerhalb der Quoten, die inländischen Arbeitskräften Konkurrenz machen und den sozialen Druck verschärfen; die FPÖ baut weiterhin Ausländer als Feindbild auf, weswegen Niederlassungsquoten auf eine verschwindende Anzahl gut verdienender Arbeitskräfte („Schlüssel­kräfte“) reduziert werden und alle anderen nur zum Arbeiten hier sein dürfen, ohne Chance auf Integration; die, die schon hier sind, werden schikaniert (zB Integrationsdiktat) und stigmatisiert (zB Gesundheitszeugnis).

Alles in allem: Zynisch, menschenverachtend und herzlos. Einzelne Verbesserungen werden demgegenüber viel größer dargestellt, als sie sind.

Zu den einzelnen Punkten

Beschränkung der Zuwanderung („Quote“) auf gutverdienende Schlüsselkräfte

      Bisher konnten – entsprechend der allgemeinen Arbeits- und Wirtschaftslage und dem Bedarf – im Rahmen von festgelegten Quoten sowohl Führungs- und Spezialkräfte als auch sonstige Erwerbstätige eine Niederlassungsbewilligung erhalten.

      In Zukunft können nur mehr Schlüsselkräfte eine Niederlassungsbewilligung erhalten. Diese definieren sich folgendermaßen:

              Mindesteinkommen 60% der Höchstbeitragsgrundlage (~ 27 000 S!);

              besondere Kenntnisse oder am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung;

              Erfüllung von Zusatzbedingungen, zB besondere Bedeutung für Region, Führungskraft, abgeschlossenes Studium, Transfer von Investitionskapital oder Schaffung von weiteren Arbeitsplätzen.

      Quote für 2002: zirka 2 000, einschließlich Familiennachzug (!).

Kritik der SPÖ:

      Nur mehr sehr gut verdienende Ausländer können zuwandern, das entspricht nicht dem Bedarf der Wirtschaft: Ausländer werden vor allem auch in jenen Bereichen benötigt, in denen Österreicher angesichts schlechter Löhne nicht bereit sind zu arbeiten (Krankenpflege, Fremdenverkehr, Bauwirtschaft). Die Wirtschaft hat aber einen Bedarf nach Arbeitskräften, daher kommt es zu folgenden Maßnahmen:

              Ausweitung von Saisoniers und Pendlern, die aber nicht integriert werden (siehe unten);

              Ausweitung der illegalen Beschäftigung.

      One-Stop-Shop: Oberflächlich betrachtet bildet dies eine Verwaltungsvereinfachung, weil nur mehr ein Verfahren beim Landeshauptmann zu führen ist; in Wahrheit ist es aber nur Kosmetik: Der Landeshauptmann muss Gutachten des AMS einholen, dieses entscheidet mit Bescheid, dagegen besteht eine Berufungsmöglichkeit. In Wahrheit ist dieses Verfahren kompliziert und enthält Nachteile für den Rechtsschutz. Außerdem gilt dieses One-Stop-Shop nur für die Erstzulassung, in weiterer Folge sind wieder zwei Bewilligungen erforderlich.

Öffnung des Arbeitsmarktes durch Neudefinition der „Prüfung der Arbeitsmarktlage“

      Bisher wird eine Beschäfigungsbewilligung nur dann erteilt, wenn eine „Prüfung der Arbeitsmarktlage“ ergibt, dass für den zu besetzenden Arbeitsplatz (bei angemessener Entlohnung usw.) keine Arbeitskräfte vermittelt werden können, wobei eine Reihung entsprechend der Aufenthaltsdauer im Inland bzw. dem Integrationsgrad festgelegt war (vom Inländer und Flüchtling über Befreiungs­scheininhaber bis zu Ausländern, die sich seit fünf Jahren erlaubt im Inland aufgehalten haben).

      In Zukunft soll eine Beschäftigungsbewilligung für Ausländer immer schon dann erteilt werden, wenn für die offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben, das sind also bloß die Kollektivvertragsbedingungen, auch wenn in der betreffenden Branche üblicherweise höhere Löhne bezahlt werden.

Kritik der SPÖ:

         Durch die „Neudefinition“ wird es ermöglicht, neue Ausländer einzustellen, durch die dann Inländer und eingesessene Ausländer unter Druck kommen, weil sie bereit sind, bloß zu Kollektivvertragsbedingungen zu arbeiten (und nicht für die Ist-Löhne der Branche einschließlich Überstunden). Für diese Posten stehen aber keine integrierbaren, weil niederlassungsberechtigten Ausländer zur Verfügung (weil sie die Kriterien für Schlüsselkräfte nicht erfüllen), sondern Pendler und Saisoniers (die neu eingeführt werden, siehe unten). Die Neudefinition ist sowohl für die konkrete Beschäftigungsbewilligung als auch für die Quoten für Schlüsselkräfte und Saisoniers und die Zulassung von Pendlern maßgeblich.

Befristet Beschäftigte („Saisoniers“) für alle Branchen

      Bisher (auch durch FP/VP-Regierung eingeführt) existieren Saisoniers nur für Saisonbetriebe (Fremdenverkehr) und als „Erntehelfer“.

      In Zukunft soll es Saisoniers für alle Branchen geben; einzige Voraussetzung: zusätzlicher Arbeitskräftebedarf, der aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotential nicht abgedeckt werden kann. Die Quote kann vom Wirtschaftsminister (!) nach dem Bedarf an billigen Arbeitskräften festgelegt werden (siehe auch oben Neudefinition der Arbeitsmarktlage).

      Saisoniers erhalten eine Beschäfigungsbewilligung von sechs Monaten bis zu einem Jahr, nach zwei Monaten können sie wieder bis zu einem Jahr arbeiten.

      Saisoniers können keine Familienangehörige mitbringen und haben kein Recht (auch bei wiederholter Beschäftigung), eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten.

      Saisoniers fallen nicht in die allgemeine Quote, sondern in eine eigene, die jetzt bereits 15 000 beträgt (allein für Tourismus und Landwirtschaft); für alle Branchen ist diese Quote beinahe beliebig erweiterbar; zwar wurde in die Regierungsvorlage für Saisoniers für das Jahr 2002 eine Obergrenze von 8 000 in Aussicht genommen, doch enthält die gesetzliche Bestimmung (§ 9 Ausländerbeschäftigungsgesetz) eine völlig unbestimmte Gewichtungsvorschrift, die lediglich die „bisherige Praxis“ festschreiben soll, was bedeutet, dass die Quote nur „im gewichteten Jahresdurchschnitt“ gelten soll. Die Wahl des Gewichtungsfaktors ist frei, sodass die Quote um ein Vielfaches überschritten werden kann. 2001 wurden dementsprechend über 52 000 Saisoniers beschäftigt, und dies allein im Fremdenverkehr, 2002 waren es in den ersten fünf Monaten bereits über 20 000.

Kritik der SPÖ:

      Die gesetzlichen Vorschriften über Saisoniers sind nunmehr so gestaltet, dass de facto so gut wie keine Grenzen gelten, so lange die Wirtschaft einen Arbeitskräftebedarf hat; die Quote ist so gut wie nicht kontrollierbar, angesichts der Beschäftigung bis zu einem Jahr kann in Wahrheit auch nicht mehr von Saisoniers gesprochen werden; in Wahrheit handelt es sich um billige Dauerarbeitskräfte, die leicht wieder abbaubar sind.

      Saisoniers bringen den Arbeitsmarkt unter Druck, weil sie billiger sind als eingesessene Arbeitskräfte; sie konkurrenzieren damit Inländer und Ausländer, die schon länger hier und damit auf dem Weg der Integration sind.

      Saisoniers sind aber nicht integrierbar, weil sie weder Familienangehörige mitbringen können noch die Sicherheit eines dauernden Aufenthalts hier haben.

      Soziale Spannungen sind mit diesen beiden Faktoren garantiert.

Einführung von Wochenpendlern, die nicht in die „Quote“ fallen

      Bisher sind Pendler Arbeitskräfte aus Nachbarstaaten, die täglich in diesen zurückfahren, also stets zu Hause nächtigen; bis Anfang des Jahres waren sie in die Quote einzurechnen.

      In Zukunft (seit 1. Jänner 2002) fallen Pendler nicht in die Quote; das heißt, ausschließlich der Bedarf der Wirtschaft bestimmt, wieviele Pendler eine Aufenthaltsberechtigung erhalten und hier arbeiten dürfen. Außerdem gelten in Zukunft als Pendler all jene Ausländer, die einmal wöchentlich zurück in den Nachbarstaat fahren (also Wochenpendler); damit wird das „Pendlerangebot“ drastisch ausgeweitet, weil es aus dem gesamten Gebiet aller anrainenden Staaten Mittel- und Osteuropas attraktiv ist, für eine ganze Woche nach Österreich auszupendeln. Außerdem enthält das Gesetz keinerlei Vorkehrungen, damit nachweisbar ist, dass ein Wochenpendler tatsächlich über das Wochenende nach Hause zurückkehrt.

      Pendler dürfen keine Familienangehörigen mitbringen und können eine Niederlassungsbewilligung nur wie jeder Erstzuwandernde Ausländer im Rahmen der Quote erhalten, auch wenn sie jahrelang in Österreich arbeiten.

      Pendler benötigen für die Aufenthaltsberechtigung keine ortsübliche Unterkunft.

      Die Regierung wird zusätzlich ermächtigt, in Abkommen mit Nachbarstaaten Quoten für Pendler zu vereinbaren.

Kritik der SPÖ:

      Wie die Saisoniers bringen die ausländischen Pendler den Arbeitsmarkt mit billigen Arbeitskräften unter Druck.

      Sie sind als Wochenpendler zwar die ganze Woche hier, haben aber weder Chance noch Anreiz zur Integration; als Wochenpendler benötigen sie eine Unterkunft, werden aber gleichzeitig am Wohnungsmarkt ausgebeutet (Bettgänger, die am Abend dann an Bahnhöfen, in Parks usw. herumhängen); die sozialen Probleme sind absehbar.

„Integrationsvereinbarung“

      Die Bezeichnung „Integrationsvereinbarung“ ist blanker Zynismus, weil eine Vereinbarung etwas ist, was freiwillig abgeschlossen wird und jeder der beiden Partner Rechte und Pflichten übernimmt; die vorgeschlagene „Integrationsvereinbarung ist aber schlicht die einseitige Verpflichtung des Ausländers, Deutsch zu lernen, bei sonstiger Geldstrafe und Ausweisung; außer dieser Pflicht erhält er keine Rechte und keine Möglichkeiten zur Integration.

      Inhalt:

              Fremde, die Niederlassungsbewilligung wollen, sind verpflichtet (!) als Voraussetzung die Integrationsvereinbarung abzuschließen.

              Dies gilt auch für Fremde, die seit 1998 schon hier sind (nachträgliche Auflage!); 30 000 bis 40 000 Personen sind betroffen.

              Die Integrationsvereinbarung gilt auch für jeden Familienangehörigen (auch wenn er hier nicht arbeiten darf!), mit Ausnahme von Kleinkindern (!) und Schülern (vierköpfige Familie: 20 000 S!).

              „Integrationsvereinbarung“ ist bloß ein Deutschkurs bei einer befugten Einrichtung im Ausmaß von hundert Stunden.

              Der Deutschkurs ist innerhalb eines Jahres zu absolvieren, Nachfrist von sechs Monaten.

              Die Kosten von 5 000 S trägt zur Hälfte der Bund (bei Schlüsselkräften der Arbeitgeber), wenn innerhalb von einem Jahr (Nachfrist sechs Monate) die Prüfung positiv absolviert wird; im zweiten Jahr trägt der Bund bzw. Arbeitgeber 25% der Kosten.

              100 Euro Strafe, wer nach zwei Jahren nicht begonnen hat, 200 Euro nach drei Jahren.

              Wer nach drei Jahren nicht den Kurs begonnen bzw. nach vier Jahren nicht positiv abgeschlossen hat, ist auszuweisen.

              Schlüsselkräfte sind nur ausgenommen, soweit ein „gesamtwirtschaftlicher Bedarf“ an ihnen nachgewiesen wird.

      Wesentliche Kritik der SPÖ:

              Ein Zwang zu lernen ist sinnlos und kontraproduktiv, wenn nicht die Voraussetzungen für das Deutschlernen geschaffen werden; Ausländer wollen ohnedies Deutsch lernen, nur fehlt das entsprechende Angebot und die Möglichkeit, neben der Arbeit Deutsch zu lernen und mit Österreichern Deutsch zu sprechen.

              Im Einzelnen ist die Integrationsvereinbarung völlig undurchdacht: Was, wenn Ehefrau Prüfung nicht schafft? Wird sie ausgewiesen?

              Das Angebot muss maßgeschneidert und auch im Interesse des Ausländers sein: Nicht nur Staatsbürgerkunde, sondern auch soziale und berufliche Orientierungshilfe (das ist das holländische Modell, auf das sich die Regierung so gerne beruft); 100 Stunden sind dafür viel zu wenig, Mindestdauer beträgt 600 Stunden.

              Integrationskurse sollten Ausländer nicht nur über Pflichten, sondern auch über Rechte informieren, insbesondere über Arbeitsrecht, Sozialrecht und Wohnungsrecht (dies verhindert Ausbeutung und damit verbundene soziale Probleme und Konkurrenz zu Inländern);

              Es sind keinerlei Vorkehrungen getroffen, damit die Kurse tatsächlich in Anspruch genommen werden können, zB Abhaltung in der Nähe des Wohnortes, damit auch Frauen an ihnen teilnehmen können.

              Die nachträgliche verpflichtende Einführung ist rechtsstaatlich inakzeptabel; wie in Wien sollten freiwillige Integrationspakete für Ausländer angeboten werden, die schon länger hier sind.

Gesundheitszeugnis

      In Zukunft soll ein Gesundheitszeugnis beigebracht werden, bei „schwerwiegenden“ Krankheiten darf Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.

Kritik der SPÖ:

      Dient ausschließlich der Stigmatisierung von Ausländern („Ausländer schleppen Krankheiten ein“).

Das Gesamtpaket enthält demgegenüber lediglich folgende Verbesserungen, die aber bloß geringfügig sind und die Nachteile bei weitem nicht aufwiegen:

      Befreiungsschein für niedergelassene Minderjährige, die letztes Pflichtschuljahr in Österreich absolviert haben:

         Im Wesentlichen ist dies nur eine Vereinheitlichung von Tatbeständen, die bisher im Ergebnis schon existiert haben, weil bisher schon zumindest Anspruch auf Beschäftigungsbewilligung bestand; einzelne Gruppen von Minderjährigen werden nun aber benachteiligt.

      Niederlassungnachweis nach fünjähriger Niederlassungsbewilligung verbunden mit Recht, in Österreich zu arbeiten:

         Kein allzu großer Unterschied zur bisherigen Regelung, weil diese Personen bisher in der Regel schon einen Anspruch auf unbefristete oder fünfjährige Niederlassungsbewilligung und Ausstellung eines Befreiungsscheines (der zu jeder Arbeit berechtigt) hatten; geringfügige Vereinfachung der Administration durch Wegfall des Befreiungsscheines.

         Diese Vorteile werden durch Integrationsvereinbarung zunichte gemacht: Befristung der Niederlassungsbewilligung auf jeweils ein Jahr, solange Deutschkurs nicht positiv absolviert, solange auch kein Niederlassungsnachweis und damit keine Rechtssicherheit.


 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Paul Kiss, Dr. Helene Partik-Pablé und Kollegen zur Regierungs­vorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Fremdengesetz 1997 (FrG-Novelle 2002) und das Asylgesetz (AsylG-Novelle 2002) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1172 der Beilagen)

Grundsätzliche Kritik

Seit der Regierungsbildung propagieren die Regierungsparteien eine angebliche Politik der „Integration vor Neuzuzug“. Die vorliegende Regierungsvorlage einschließlich dem Abänderungsantrag verhindert allerdings nicht nur Integration (in Österreich niedergelassene Nicht-EU-AusländerInnen bleiben in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts weiterhin vom Arbeitsmarkt ausgesperrt), sondern ermöglicht durch massive Ausweitung der Saisoniersregelungen Einwanderung durch die Hintertür ohne jegliche Integrationsmaßnahmen. Somit bezweckt die Regierung Neuzuzug von rechtlich und sozial benach­teiligten ausländischen Arbeitskräften, während sie vorgibt, Integration zu betreiben und Einwanderung zu regeln.

Das heißt, Ausgrenzung und Diskriminierung von ImmigrantInnen wird fortgesetzt und ausdifferenziert. Es werden neue Gruppen von AusländerInnen geschaffen, die noch weniger Rechte haben als solche, die schon in Österreich leben. Statt Ungleichheiten zwischen hier lebenden AusländerInnen (und zwischen ihnen und den österreichischen Staatsangehörigen) abzubauen, werden neue Ungleichheiten durch ungleiche Rechtsstatus geschaffen.

Große Teile des Gesetzes zeugen von einem konzentrierten Misstrauen gegenüber MigrantInnen, der Paranoia vor „Missbrauch“ und einem Signal, dass Migration und MigrantInnen unerwünscht sind.

Mit einem Diktat sowohl NeuzuwanderInnen als auch noch nicht fünf Jahre Aufhältigen gegenüber zwingt die Regierung MigrantInnen den Besuch eines Deutschkurses auf und bürdet ihnen die Hälfte der Kosten dieser Zwangsmaßnahme auf. Wer den Kurs in 18 Monaten nicht absolvieren kann, muss nicht nur 100% der Kurskosten selber tragen, sondern erhält nach zwei Jahren auch eine Verwaltungsstrafe bis zu 200 Euro und muss nach drei Jahren nach Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung ausgewiesen werden, wenn der Kurs noch nicht besucht wurde. Dieses abgestufte Sanktionssystem ist sowohl in rechtsstaatlicher als auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich. Die Einführung bei bereits niedergelassenen Menschen, die unter anderen Voraussetzungen nach Österreich eingewandert sind, ist mit dem Vertrauensgrundsatz für die Rechtsunterworfenen, der in einem demokratischen Rechtsstaat existieren sollte, unvereinbar. Für neu Zuwandernde ist sie auch rechtlich bedenklich, da das Eingehen der „Integrationsvereinbarung“ die Abgabe einer Willenserklärung unter Androhung der Ausweisung bedeutet. Da unter Zwang zustande gekommene Willenserklärungen ungültig sind, stellt sich die Frage, ob die Verhängung einer Verwaltungsstrafe bei Nichtabschluss des Kurses rechtlich überhaupt zulässig ist.

Die Regierungsvorlage verkündet: „künftig sollen nur mehr Schlüsselkräfte als Erwerbstätige zugelassen werden“. Gleichzeitig dehnt sie allerdings die Saisonarbeitsbewilligung auf alle Branchen aus, macht den Saisoniersstatus durch fast uneingeschränkte Verlängerungsmöglichkeit zum Dauerstatus – allerdings faktisch ohne Saisonbetriebe und Saison – und ermöglicht zusätzlich zwischenstaatliche Abkommen für „befristet beschäftigte Ausländer“ jenseits der Quote. Dazu sagt die Regierungsvorlage lapidar, dass „durch diese Abkommen die in der Niederlassungsverordnung festgelegte Anzahl an Quotenplätzen nicht berührt wird“. Während hier niedergelassenen AusländerInnen in den ersten fünf Jahren eine reguläre Arbeitsaufnahme verweigert wird, sollen jährlich Tausende als rechtlose „KurzzeitarbeiterInnen“ rekrutiert werden und in allen Branchen einsetzbar sein.

Nicht verwirklicht wird die Ankündigung des Bundeskanzlers und des Innenministers „Wer hier lebt, soll auch hier legal arbeiten dürfen“. Lediglich Schlüsselkräfte und Personen, die die Voraussetzungen des Niederlassungsnachweises erfüllen – und dafür den Zwangsdeutschkurs besuchen müssen – erhalten eine Bewilligung, mit der sie hier leben und auch arbeiten dürfen. Alle anderen legal hier lebenden Auslän­derInnen bleiben weiterhin vom Arbeitsmarkt ausgesperrt.

Regelungen im Detail:

Fremdengesetz:

Zu § 8 Abs. 4a Fremdengesetz: Adoption

Volljährige adoptierte AusländerInnen sollen sich in Zukunft bei der Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur mehr auf diese Adoption berufen dürfen, „wenn die Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war“. Bei einer vom Gericht bewilligten und rechtsgültigen Adoption will die Regierung also die Fremdenbehörde entscheiden lassen, was der Grund der Adoption war. Somit sollen die Rechtsfolgen eines vom Gericht genehmigten Rechtsaktes unterbunden werden, denn auch die volljährigen Adoptiv­kinder von EU-Staatsangehörigen haben nach EU-Recht ein Recht auf Niederlassung in einem EU-Land, wenn ihnen von den Adoptiveltern Unterhalt gewährt wird. Die Regelung ist äußerst schwammig formuliert, öffnet Mutmaßungen und Willkür Tür und Tor und ist angesichts der klaren Gewaltenteilung rechtlich bedenklich.

Zu § 8 Abs. 6 und 7 und § 10 Abs. 2 Z 1 Fremdengesetz: Gesundheitszeugnis

Als Voraussetzung für die Erteilung einer ersten Niederlassungsbewilligung wird ein so genanntes Gesundheitszeugnis eingeführt. Wer es nicht erbringen kann oder wenn es eine „schwerwiegende Krankheit“ aufweist, kann der Aufenthaltstitel versagt werden. Da jetzt schon durch andere, teilweise internationale Bestimmungen gewährleistet ist, dass die Volksgesundheit gefährdende Krankheiten bei Visaerteilungen berücksichtigt werden, liegt der Verdacht nahe, dass es der Regierung um die Verhinderung der Familienzusammenführung von kranken und/oder pflegebedürftigen Menschen geht, zumal der Inhalt des Gesundheitszeugnisses durch Verordnung festzulegen ist.

Zusätzlich zu dieser Problematik ist der Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ mit einem Abänderungsantrag im Innenausschuss auch um Keuchhusten, Augenentzündung und Scharlach erweitert worden, was schikanöse Absichten vermuten lässt.

Vor allem bei Familienangehörigen von bereits hier lebenden Menschen bedeutet die Bestimmung einen Eingriff in das Recht auf Familien- und Privatleben (Art. 8 der Menschenrechtskonvention). Hinzu kommt, dass die Bestimmung mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten und für alle an diesem Tag anhängigen Anträge gelten soll, somit auch für über 11 000 auf Familienzusammenführung wartende Menschen, was eine zusätzliche Hürde für sie bedeutet.

Zu § 14 Abs. 3 FrG: Schikane für TouristInnen

Auch TouristInnen (und nicht nur Niederlassungswillige) müssen für einen Einreisetitel ein so genanntes Gesundheitszeugnis vorlegen. Und der Antrag ist zurückzuweisen, wenn der Antragsteller kein Gesund­heitszeugnis vorlegt oder es nicht nachbringt. Somit werden die Hürde, ein Touristenvisum für Österreich zu erhalten, der Vewaltungsaufwand und die Kosten für den/die AntragstellerIn weiter erhöht, indem ohne Differenzierung von allen Einreisewilligen ein Gesundheitszeugnis verlangt wird.

Zu § 12 Abs. 3 FrG: Schaffung von „Illegalität“

Die sinnvolle Maßnahme, bei Unmöglichkeit der Verweigerung eines Aufenthaltstitels diesen auch zwingend zu erteilen, wird wieder zurückgenommen, indem ein Aufenthaltstitel nur dann nicht versagt werden darf, wenn zusätzlich „die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen unverändert sind“. Somit wird ein Stück Aufenthaltssicherheit und sinnvolle Reduktion des Verwaltungsaufwandes und der „Illegalität“ wieder abgebaut.

Zu § 24 FrG: Niederlassungsnachweis

Als unbefristeter Aufenthaltstitel wird der „Niederlassungsnachweis“ (langfristige Aufenthaltsberechti­gung-EG) eingeführt. Er ist dem EU-Richtlinienvorschlag zur Rechtsstellung von langfristig nieder­gelassenen Drittstaatsangehörigen entnommen und soll auch zur Arbeitsaufnahme berechtigen. Diese Maßnahme ist Teil der EU-weiten Harmonisierung von Rechten von Drittstaatsangehörigen, die unab­hängig von Österreich schon im Gange ist. Allerdings ist im EU-Richtlinienvorschlag auch von einer sozialrechtlichen Gleichstellung mit EU-Staatsangehörigen die Rede, die im Regierungsentwurf nicht vorkommt. Um diesen Niederlassungsnachweis zu erhalten, müssen allerdings alle, die noch keine fünf Jahre in Österreich niedergelassen sind, Zwangsdeutschkurse absolvieren, was eine Verschärfung für die Erlangung des unbefristeten Aufenthaltstitels bedeutet.

Die Harmonisierung von Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang ist eine langjährige Forderung der Grünen und NGOs. Das komplizierte Zulassungssystem zum Arbeitsmarkt sollte wesentlich vereinfacht werden, indem Menschen mit Aufenthaltsrecht der Arbeitsmarktzugang automatisch gewährt wird. Stattdessen hält die Regierung mit dem vorgelegten Entwurf an der Ausgrenzung von einem Großteil der bereits Ansässigen fest und schreibt für das zukünftige unbefristete Aufenthaltsrecht die Absolvierung von Zwangskursen vor.

Mussten Familienangehörige von AusländerInnen, die eine unbefristete Niederlassungsbewilligung besitzen oder die Voraussetzungen dafür erfüllen, für den Rechtsanspruch auf eine ebensolche unbefristete Niederlassungsbewilligung zwei Jahre im Bundesgebiet wohnhaft sein, wird diese Frist auf fünf Jahre angehoben, was eine massive Verschlechterung bedeutet.

Die AusländerInnen, die jetzt schon eine unbefristete Niederlassungsbewilligung, aber keinen uneinge­schränkten Arbeitsmarktzugang haben, bekommen den neu geschaffenen Niederlassungsnachweis nicht automatisch, sondern müssen ihn selber beantragen, was zu zusätzlichen Kosten für sie und zu unnötigem Aufwand für die Verwaltung führen wird.

Bei der Antragstellung wird außerdem nochmals überprüft, ob Wohnung und Einkommen und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, obwohl diese Personen das unbefristete Aufenthaltsrecht schon erwirkt haben. Selbst bei bereits erwirkten Rechten und rechtlichen Standards versucht die Regierung, diese nach Möglichkeit wieder zurückzunehmen bzw. ihre Beibehaltung zu erschweren.

Zu § 16 Abs. 1b FrG: Ungültigerklärung von unbefristeten Aufenthaltstiteln

Eine unbefristete Niederlassungsbewilligung ist für ungültig zu erklären, „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde seinen Niederlassungswillen aufgegeben hat und er seine Niederlassung in Österreich beendet hat“. Der Rechtsanspruch auf eine unbefristete Niederlassungsbewilligung wurde erst mit 1. Jänner 1998 eingeführt und jetzt soll dieses Recht wieder ausgehöhlt werden!

Diese Bestimmung gefährdet gerade das Aufenthaltsrecht von langjährig niedergelassenen Aus­länderInnen massiv und macht auch angesichts des Regierungsslogans „Integration vor Neuzuzug“ überhaupt keinen Sinn. Wenn solche Personen nach Ungültigerklärung ihrer Bewilligung wieder eine Niederlassungsbewilligung für Österreich erhalten wollen, sollen sie laut Regierungsvorlage wie Neuzuwanderer behandelt werden, was einen beispiellosen Zynismus darstelllt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es weiterhin: „Es ist jedoch auch dem Fremden unbenommen, einen derartigen Antrag auf Ungültigerklärung des unbefristet erteilten Titels selbst zu stellen“, was offensichtlich dem Wunsch der Regierung am besten entsprechen würde.

Zu § 66 Abs. 5 FrG: Schubhaft statt Gelinderes Mittel

Die Anwendung des Gelinderen Mittels (welches als Alternative zur Schubhaft eingeführt worden ist) und hauptsächlich bei Jugendlichen angewandt wird, wird künftig jeweils bis zu 24 Stunden auch im Polizeigefangenenhaus möglich sein! Somit höhlt die Regierung das Gelindere Mittel aus und führt die Schubhaft durch die Hintertür in das Gelindere Mittel ein. Der Sinn dieser Verschärfung ist nicht einsichtig, denn sollten die Voraussetzungen für die Inschubhaftnahme zur Sicherung der Abschiebung vorliegen, kann die Behörde jetzt schon jederzeit die Schubhaft verhängen.

Zu § 71 Abs. 1 FrG: Abbau des Rechts auf Achtung der Wohnung

Eingriffsbefugnisse des öffentlichen Sicherheitsdienstes in das Recht auf Achtung der Wohnung werden erweitert: Künftig soll es für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes schon bei noch nicht verhängter Schubhaft über einen Ausländer erlaubt sein, Räumlichkeiten zu betreten, von denen angenommen wird, dass dieser sich in ihnen aufhält, um die Schubhaft zu verhängen. Die Bestimmung eröffnet Willkür Tür und Tor, da bei Bedarf von allen Räumlichkeiten behauptet werden kann, dass von ihnen angenommen wird, dass sich ein bestimmten Fremder in ihnen aufhält.

Zu § 106a FrG: Freiheitsstrafe bei gewerbsmäßiger Adoptionsvermittlung

Die Bestimmung „keine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung führen wollen“ ist schwammig, da unklar ist, was darunter verstanden werden soll, zumal das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) zu Adoption ausspricht: „Sie (die Adoption) muss dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dienen. Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so muss ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen.“

Statt einen Generalverdacht bei der Adoption von eigenberechtigten AusländerInnen auszusprechen, wäre es ratsam, die Entscheidung den Gerichten zu überlassen, die inzwischen bei Adoptionen sehr sensibel agieren und die Begleitumstände untersuchen.

Zu § 95 Abs. 5 FrG: Handwurzelknochenröntgen zur Altersfeststellung trotz gegenteiliger Empfeh­lung des Menschenrechtsbeirats

Obwohl die Einsetzung des Handwurzelröntgens zu anderen als zu medizinischen Zwecken nach dem österreichischen Strahlenschutzgesetz mit Verwaltungsstrafe strafbar ist, sieht das Gesetz für die Fest­stellung des Alters von Minderjährigen „auf Wunsch des Fremden“ ein Handwurzelröntgen auf seine Kosten vor. Die Feststellung des Alters durch Handwurzelknochenröntgen ist auch medizinisch frag­würdig, da dadurch das exakte Alter nicht festgestellt werden kann. Trotz diesbezüglicher Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats an den Innenminister, keine Röntgenaufnahmen zur Altersfeststellung einzu­setzen und mehrerer kritischer Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, beharrt die Regierung auf dieser widerlegten und gesundheitsschädigenden Methode der Altersfeststellung. Dass sie dabei die Gesundheit von AusländerInnen wissentlich aufs Spiel setzt, ist für eine Demokratie beschämend.

Zu § 50a Abs FrG: „Integrationsvereinbarung“

Trotz massiver Kritik von SprachpädagogInnen, wie dem Österreichischen Verband für Angewandte Linguistik (verbal), Österreichischem Verband Deutsch als Fremdsprache (ÖDAF) und dem Institut für Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik der Universität Wien, hat die Regierung mit diesem Gesetzesvorhaben einen Zwang zum Sprachkursbesuch bei Sanktions- und Ausweisungsdrohung fest­geschrieben.

Zum Integrationsbegriff, der hinter diesem Vorhaben steht, schreibt ÖDAF in seiner Stellungnahme:

„In diesem Absatz (§ 50 Abs. 2 FrG) wird ein in der wissenschaftlichen Diskussion völlig unüblicher Begriff von ,Integration‘ verwendet. Integration ist nach internationaler fachlicher Übereinkunft ein zweiseitiger Prozess und kann nicht mit einer Befähigung, die ,durch den Besuch eines Deutsch-Integrationskurses erworben‘ wird, gleichgesetzt werden. Die ,Integration auf Dauer niedergelassener Fremder‘ ist nicht mit Maßnahmen, die allein bei den Zuwanderern ansetzen, zu erreichen, sondern erfordert ebenso verschiedenste Anstrengungen auf Seiten der Aufnahmegesellschaft sowie auch die Respektierung der mitgebrachten sprachlichen und kulturellen Identität der Zuwanderer. Integration kann auch nicht allein durch den Erwerb der Mehrheitssprache Deutsch gewährleistet werden, sondern umfasst verschiedenste Bereiche der Persönlichkeit und ihrer Beziehung zur Umwelt. Das hat auch der österreichische Gesetzgeber an anderer Stelle, so zB in § 41 AsylG, festgehalten.“

An der Zwangsregelung ist trotz besagter und negativer Stellungnahmen von ExpertInnen nicht einmal ein Beistrich geändert worden. Bei bleibender Ablehnung der Zwangsregelung muss allerdings gesagt werden, dass selbst die Ausnahmen vom Deutschkurszwang unzureichend sind. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die DissertantInnen und Postdocs und andere ausländische ForscherInnen, die an außer­universitären österreichischen Forschungseinrichtungen tätig sind, sind weiterhin dem Deutschkurszwang unterworfen. Menschen, die nicht Lesen und Schreiben können oder in einer anderen Schrift alpha­betisiert wurden und daher besondere Unterstützung und ganz andere Maßnahmen für den Spracherwerb benötigen, werden in der Regierungsvorlage mit keinem Wort erwähnt.

Diese Zwangsbestimmungen sind ein negatives Signal an MigrantInnen und dienen zur Einschüchterung, Verunsicherung und Desintegration. Obwohl das durschnittliche Einkommen von Migrantenhaushalten viel geringer ist als das von ÖsterreicherInnenhaushalten, werden ihnen die Kurskosten aufgebürdet und zusätzlich mit Geldstrafen gedroht. Die Bundesregierung wählt nicht den Weg, Kurse anzubieten und Integration zu fördern, sondern AusländerInnen mit Verwaltungsstrafe und Ausweisung zu drohen. Daher sind die gesamten Bestimmungen zur so genanten „Integrationsvereinbarung“ abzulehnen.

Zu § 14 Abs. 2 FrG: Humanitäre Aufenthaltserlaubniserteilung weiterhin Gnadenakt

Wenn die Voraussetzungen einer humanitären Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind, kann eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung im Inland beantragt werden, wenn der Innenminister zustimmt. Prinzipiell ist die Möglichkeit der Inlandsantragstellung und der quotenfreien Erteilung positiv, allerdings macht die Abhängigkeit vom bloßen Willen des Innenministers ohne klare und transparente Voraussetzungen und Bestimmungen die Erteilung zum feudalen Willkürakt. Wenn man die Notwendigkeit der Regularisierung von Härtefällen erkannt hat, warum bleibt man an einem Gnadenakt stehen?

Zu § 14 Abs. 2a FrG: Verbleib nach Studienabschluss nur als Schlüsselkraft möglich

Gerade angesichts des Regierungsmottos „Integration vor Neuzuzug“ macht es keinen Sinn, ausländi­schen Studierenden und SchülerInnen einen Verbleib in Österreich nur bei Vorliegen der Voraus­setzungen der „Schlüsselkraft“ zu erlauben. Außerdem ist die Beschränkung ihrer Beschäftigung während des Studiums auf Saisonbeschäftigungen gerade angesichts ihrer Sprach- und Berufskenntnisse eine sinnlose und volkswirtschaftlich unverantwortliche Restriktion.

Angesichts des zu erwartenden Arbeitskräftemangels in den kommenden Jahren muss vielmehr die schrittweise Arbeitsmarktintegration der Studierenden angestrebt werden.

Ausländerbeschäftigungsgesetz

Zu § 5 AuslbG: Saisonbeschäftigung auf alle Branchen ausgeweitet

Die Regierung erweitert Saisonbeschäftigungen auf alle Branchen und möchte unter dem Deckmantel von „zeitlich befristeter Arbeit” rechtlose Arbeitskräfte in allen Branchen einsetzbar machen. Durch die Bestimmungen werden reguläre Arbeitsverhältnisse in „zeitlich befristete“ umdefiniert, um Arbeitskräfte rechtlos zu halten (Saisonbeschäftigte haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, Niederlassung, Familiennachzug, soziale Absicherung). Zusätzlich zur derzeitigen Saisonniersquote von 8 000 Plätzen wird in Zukunft auch der Beschluss von zwischenstaatlich vereinbarten Zusatzkontingenten möglich sein, was die Zahl der rechtlos Beschäftigten vervielfachen wird.

Die Schlüsselkraftdefinition geht an der Realität der Beschäftigungsverhältnisse vorbei und diskriminiert Frauen. Das vorgesehene Bruttoeinkommen von 1 962 Euro können selbst hochqualifizierte inländische Arbeitskräfte am Beginn ihrer Karriere nicht vorweisen. Hinzu kommt, dass Frauen durch die Diskriminierung am Arbeitsmarkt durchschnittlich weniger als Männer verdienen, weshalb kaum eine ausländische Frau diese Einkommensgrenze als Schlüsselkraft erreichen wird können.

Mit der Abschaffung der Teilquote für unselbständig Beschäftigte verunmöglicht die Regierung die Arbeitsaufnahme von in Österreich lebenden AusländerInnen und tut so, als gäbe es nur Schlüsselkräfte, PendlerInnen und Saisoniersbeschäftigung. Die Beschäftigung von sonstigen unselbständig Erwerbs­tätigen glaubt man mit restriktiven Bestimmungen verhindern zu können, was aber nur irreguläre und illegale Beschäftigung produzieren wird.

Durch die Aufhebung der Quotenpflicht für Pendler können Pendler aus den Nachbarstaaten in unbegrenzter Zahl in Österreich Beschäftigung finden. Die Regierung argumentiert mit der Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft dieser Länder und dass in dieser Zeit eine Freizügigkeit am Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollte. Der große Widerspruch dabei ist, dass die Regierung selber auf langen Übergangsfristen für EU-Beitrittskandidaten bei der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit bestanden und eine siebenjährige Übergangsfrist ausverhandelt hat.

Bei selbständigen Schlüsselkräften soll das AMS durch Gutachten feststellen, ob eine Selbständigkeit als Schlüsselkraft vorliegt. Das AMS war bisher nur für unselbständig Erwerbstätige zuständig und es ist daher zu bezweifeln, ob es über die nötige Expertise für das neue Bewilligungsverfahren für Selbständige verfügt. Diese Bestimmung ist außerdem gesetzeswidrig, da die Entscheidungskompetenz somit von der Aufenthaltsbehörde auf das AMS, das keine Behörde ist, übertragen wird.

Asylgesetz

Zu § 35 Asylgesetz: Erkennungsdienstliche Behandlung

Die Belehrung über den Grund der erkennungsdienstlichen Behandlung von AsylwerberInnen soll zwar in das österrreichische Asylgesetz übernommen werden, nicht allerdings die Informationspflicht der Behörde, insbesondere über Auskunfts- und Berichtigungsrechte gegenüber den Betroffenen, die in der EURODAC-Verordnung enthalten ist.

Es fehlt – im Gegensatz zur EURODAC-Verordnung – der Hinweis, dass das Verfahren zur Abnahme von Fingerabdrücken nur unter Beachtung der in der EMRK verankerten Rechte und der UN-Kinderrechts­konvention durchgeführt werden darf.