IV-1 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Donnerstag, 25. November 1999

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode   Donnerstag, 25. November 1999

Tagesordnung

(Ergänzung und Neureihung siehe Seite 2)

1. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Entsendung von österreichischen Exekutivbeamten zu United Nations Transitional Authority in East Timor (UNTAET) (Vorlage 8/HA)

2. Antrag des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Aufstockung und Fortsetzung der Entsendung des österrei­chi­schen Truppenkontingentes im Rahmen des multinationalen Friedenseinsatzes (KFOR) im Kosovo (Vorlage 9/HA)

3. Überwachung des Telekommunikationsverkehrs

RAT 6715/99 ENFOPOL 19

Überwachung des Telekommunikationsverkehrs

(71187/EU XX. GP)

RAT 11951/99 COPEN 45

Gegenseitige Hilfeleistungen in Strafrechtssachen

(75940/EU XX. GP)

4. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr

RAT 11077/99 TRANS 180 SOC 307

Landverkehr / Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr

(75002/EU XX. GP)

RAT 13526/98 COR 1 SOC 462 TRANS 200 MAR 80 AER 67

Arbeitszeit

(60152/EU XX. GP)

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und lässt über den Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung um die Vorlage 9/HA abstimmen. Diese Vorlage wird einvernehmlich als neuer Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) schlägt vor, den Ständigen Unterausschuss des Haupt­­ausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in dieser Sitzung des Haupt­aus­schusses einzusetzen, jedoch über die Delegation erst in einer späteren Sitzung des Hauptaus­schusses zu entscheiden.

Obmann Dr. Heinz Fischer kündigt an, diesen Punkt für die nächste Sitzung des EU-Haupt­ausschusses als 1. Punkt in die Tagesordnung aufzunehmen.

Was die Redezeiten für die Beratungen zu den EU-Tagesordungspunkten betrifft, gibt Obmann Dr. Fischer bekannt, dass im Rahmen einer unpräjudiziellen Einigung zu beiden Punkte Rede­zeiten von jeweils 1 Stunde vereinbart wurden, deren Aufteilung im Ausmaß von je 16 Minuten für SPÖ, Freiheitliche und ÖVP sowie 12 Minuten für die Grünen erfolgen werde.

(Nach Erledigung der Tagesordnungspunkte 1 und 2 beginnen die Beratungen zu EU-Angele­genheiten – nunmehr den Tagesordnungspunkten 3 und 4 – um 9.16 Uhr.)

3. Punkt

Überwachung des Telekommunikationsverkehrs

RAT 6715/99 ENFOPOL 19
Überwachung des Telekommunikationsverkehrs
(71187/EU XX. GP)

RAT 11951/99 COPEN 45
Gegenseitige Hilfeleistungen in Strafrechtssachen
(75940/EU XX. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt bekannt, dass wegen der unerwartet kurzen Beratungszeit über die vorangegangenen Tagesordnungspunkte der Regierungsvertreter noch nicht eingetrof­fen ist.

Nachdem sich auch Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) für eine Sitzungsunterbrechung aus­ge­sprochen hat, unterbricht Obmann Dr. Heinz Fischer die Sitzung bis zum Eintreffen von Bundes­minister Dr. Michalek.

(Die Sitzung wird um 9.18 Uhr unterbrochen und um 9.29 Uhr wiederaufgenommen.)

Obmann Dr. Heinz Fischer nimmt die unterbrochene Sitzung wieder auf, begrüßt Bundes­minister Dr. Nikolaus Michalek und erteilt ihm das Wort zu einer einleitenden Stellungnahme.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek stellt fest, dass der Schwerpunkt in dieser Thematik, Über­­wachung des Telekommunikationsverkehrs, das schon seit langem verhandelte Überein­kom­men über gegenseitige Hilfeleistungen in Strafrechtssachen ist. Das in der Tagesordnung zuerst genannte, in die Zuständigkeit des Innenministeriums gehörende Dokument ENFO­POL 19 beziehe sich lediglich auf die technische Seite, nicht jedoch auf die rechtliche Voraus­setzung der Durchführung von Überwachungsmaßnahmen. ENFOPOL 19 stelle die Ergänzung einer Entschließung dar, damit solle die seinerzeitige Entschließung, die den EU-Mitgliedstaaten gewisse technische Voraussetzungen empfohlen habe, entsprechend der technischen Ent­wicklung fortgeschrieben werden.

Im Wesentlichen gehe es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen welche Rechtshilfe in Straf­sachen hinsichtlich der Telekommunikationsüberwachung möglich sein soll. Dies stelle lediglich einen von vielen Punkten in dem vorgesehenen, schon lange diskutierten Rechts­hilfe­über­­einkommen in Strafsachen dar. Ein Abschluss dieses Übereinkommens sei vordergründig bis­­her stets an der Frage gescheitert, welche Konsequenzen sich für einen Mitgliedstaat erge­ben sollen, wenn sich im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung eine Zielperson in einem anderen Land befindet und die Mitwirkung dieses anderen Landes zur Überwachung nicht erforderlich ist.

Derzeitiger Verhandlungsstand sei, man solle grundsätzlich nicht alles tun dürfen, was möglich ist, sondern es solle das jeweils betroffene andere Land einbezogen werden. In den Verhand­lun­gen werde derzeit darum gerungen, wie weit ein Land einbezogen wird und welche Möglich­keiten es dann hat. Ein Abschluss sei bisher stets an der Position Großbritanniens und in Bezug auf die Möglichkeit gescheitert, die nachrichtendienstliche Überwachung von der Überwachung im Zuge von Strafverfahren zu trennen, da es auch nachrichtendienstliche Überwachung gebe, deren Ergebnis nachträglich einem Strafverfahren zugänglich gemacht werden könne.

Das zitierte Dokument COPEN 45 bedeute nur eine kleine Abänderung – bezogen auf die Fra­ge, was ein Staat tut, auf dessen Hoheitsgebiet sich zwar die Zielperson befindet, dessen Einbe­ziehung aber technisch nicht notwendig ist – und stelle eine überarbeitete Ergänzung zu dem von deutscher Seite vorgelegten Dokument COPEN 11 dar.

Was die verschiedenen Regelungen im Einzelnen anbelangt, gelte es, drei Bestimmungen zur Telekommunikationsüberwachung zu unterscheiden. Zunächst gehe es um den Artikel 16, be­treffend die Rechtshilfe in Strafsachen sozusagen im Rahmen des normalen Vorgehens, wenn von der zuständigen Behörde im Zuge eines Strafverfahrens die Überwachung der Tele­kom­mu­nikation angeordnet wird und – unabhängig davon, ob sich die Zielperson im eigenen oder in einem anderen Land befindet – die technische Mithilfe eines anderen Landes erforderlich ist.

Die zweite Bestimmung stelle die Diensteanbieterlösung gemäß Artikel 17 dar. Darin gehe es um Informationen aus der Abhörung der Satellitenkommunikation, die von einer Bodenstation in einem Mitgliedstaat aufgefangen und an einen entsprechenden Diensteanbieter in einem ande­ren Land weitergegeben werden. Die Bestimmung sehe eine Regelung dafür vor, dass die Überwachung sozusagen im Verfolgungsland nach dortigem Recht vorgenommen wird und das Land, in dem sich die Bodenstation befindet, möglichst wenig einbezogen wird.

Die dritte Bestimmung, festgelegt im Artikel 18, sehe Einschränkungen für den Fall vor, dass es einem Mitgliedstaat möglich ist, eine in einem anderen Land befindliche Zielperson selbst tech­nisch zu überwachen, ohne die Mitwirkung des anderen Landes zu benötigen. Es gehe um Vor­kehrungen dafür, dass das Aufenthaltsland in diesem Fall die Möglichkeit hat, sich gegen diese Art der Überwachung der Zielperson zu wehren.

Wesentlich komme es darauf an, dass in all den genannten Fällen das Land, in dem sich die Ziel­­­person befindet, stets prüfen kann, ob in diesem Land selbst die Voraussetzungen für ein ent­­­spre­chendes Strafverfahren sowie dafür, die Überwachung der Zielperson anzuordnen, ge­ge­ben wären. Das betroffene Land solle Zugriff auf die Informationen haben, die für eine Ent­schei­­dung darüber nötig sind, ob es auch in diesem Land selbst, nach seiner eigenen Rechts­ordnung, eine solche Telekommunikationsüberwachung geben könnte.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) fragt in Bezug auf die im Dokument COPEN 11, Arti­kel 16, verwendete Formulierung “zum Zwecke einer strafrechtlichen Ermittlung”, ob in allen EU-Mitgliedstaaten unter einer strafrechtlichen Ermittlung dasselbe verstanden werde oder ob es – etwa in Großbritannien – darüber Auffassungsunterschiede gebe, die zu unterschiedlichen Inter­pretationen von COPEN 11 in den einzelnen Mitgliedstaaten führen könnten.

Mit Bezug auf Artikel 16 Z 5, worin die Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaates beschrieben wird, zieht Abgeordneter Dr. Pilz einen Vergleich damit, wie ähnliche Rechtsvorschriften bei der un­­gleich einfacheren Überwachung der österreichischen Festnetzanschlüsse gehandhabt wer­den. Es scheine sachlich und personell fast unmöglich zu sein, den Bestimmungen über die Fest­netzüberwachung in Österreich im Rahmen strafrechtlicher Verfolgungen so nachzu­kom­men, dass etwa die Aufgaben der vorgesehenen Dreier-Senate wirklich wahrgenommen wer­den. In der Praxis funktioniere dies nicht.

Mit Bezug darauf, dass in dem vorliegenden Dokument ein ähnliches Verfahren sehr vage be­schrieben werde – verbunden mit dem Hinweis darauf, dass die meisten Bestimmungen ohne­hin dadurch abgesichert seien, dass im Fall von Problemen immer noch die Bestimmungen des ersuchten Mitgliedstaates gültig sind, also jenes Staates, in dem über die Sache zu entscheiden ist –, fragt Abgeordneter Dr. Pilz, woher Bundesminister Dr. Michalek das Vertrauen nehme, dass etwas, was im relativ kleinen, reichen und gut ausgestatteten Österreich nicht funktioniere, auf EU-Ebene – bei großen Unterschieden zwischen den Rechtssystemen und der Aufgaben­verteilung innerhalb der nationalen Strafverfolgungsbehörden – plötzlich funktionieren werde.

Dies sei insbesondere deshalb wichtig, weil im Zusammenhang mit Artikel 16 Abs. 5 auch dar­über entschieden werde, ob es einen effizienten Grundrechtsschutz geben wird.

Im Artikel 17 sei offenbar eine Generalermächtigung enthalten, dass man, wenn man über einen “Link” zumindest im Bereich der Satellitentelefonie und des satellitengestützten Internet-Ver­kehrs verfügt, im Rahmen der Europäischen Union überall generellen Zugriff auf personen­bezogene Daten habe und darüber niemanden zu informieren sowie niemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen brauche. Abgeordneter Dr. Pilz fragt, welche Instrumente der Kontrolle dafür vorgesehen seien, wodurch aus Artikel 17 hervorgehe, dass es sich ausschließlich um eine Ermächtigung in Bezug auf satellitengestützte Telefonie handle und ob es nicht möglich sei, Artikel 17 als eine technisch wesentlich weiter gehende Ermächtigung zu interpretieren.

Was Artikel 18 angeht, führt Abgeordneter Dr. Pilz aus, dass unter Bezug auf geltendes Völker­recht in letzter Zeit zwar einige positive Veränderung vorgenommen worden seien, doch bedeute dieser Artikel Im Prinzip trotzdem, dass denjenigen, die technisch dazu in der Lage sind und über stärkere grenzüberschreitende Systeme verfügen, in einer kritischen Phase von 96 Stun­den – bei einem Rest an Informations- und Einspruchspflicht – der letzten Endes unbeschränkte Zugriff auf personenbezogene Daten aus dem Telekommunikationsverkehr gewährt sei.

Abgeordneter Dr. Pilz verweist darauf, dass seine ständige Erfahrung mit österreichischen Straf­verfolgungsbehörden Folgendes besage: Was die Behörde einmal habe, das verschwinde nicht mehr. Daher stelle sich die Frage, welche Garantien es dafür gebe, dass Ergebnisse von Ermittlun­gen etwa in Großbritannien oder Italien – wobei nicht klar sei, ob es sich um Straf­ver­fol­gungs­behörden oder Nachrichtendienste handle – dann, wenn nach 96 Stunden keine eindeu­tige Ermächtigung vorliegt, nicht weiterverwendet werden, dass dies auch kontrolliert wird oder dass Personen, um deren Daten es geht, von der Überprüfung verständigt werden.

Ferner stellt Abgeordneter Dr. Pilz die Frage, warum in Artikel 18 Z 6 jedem Mitgliedstaat eine Möglichkeit eingeräumt werde, bekannt zu geben, dass er die Information über eine Über­wa­chung nach Maßgabe dieses Artikels nicht benötige. Bei misstrauischer Auslegung könne das be­deuten, dass die Exekutive eines Staates die Möglichkeit habe, über die genannten Überwa­chungs­vorgänge letzten Endes die eigene parlamentarische Kontrolle, sofern diese vorgesehen sei, durch eine Verzichtserklärung auszuschalten. Die Strafverfolgungsbehörden mehrerer Staaten könnten einander durch weitgehende gegenseitige Verzichtserklärungen ihre Tätigkeit erleichtern.

Als Nächstes fragt Abgeordneter Dr. Pilz, welche Sicherheit es für eine eindeutige und identi­sche Trennung von Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten in allen EU-Mitglied­staaten gebe und welche Folgen es beispielsweise haben werde, wenn eine britische Strafver­fol­gungs­behörde Anträge gemäß Artikel 16 oder Artikel 18 stellt.

Dass sich in Bezug auf Großbritannien Probleme ergeben, habe viel mit dessen Einbindung in das globale englischsprachige Überwachungssystem Echelon zu tun. Echelon stehe einer An­nähe­rung des britischen Standpunktes an die Mehrheitsposition in der Europäischen Union ent­gegen. Abgeordneter Dr. Pilz fragt, wie eine Klärung dieses Problems aussehen könnte und warum von Seiten Großbritanniens – im Gegensatz etwa zu Australien und Neuseeland – noch nicht einmal ein Eingeständnis seiner Verpflichtungen im Rahmen von Echelon vorliege. Zu fra­gen sei auch, warum diese britische Vorgangsweise in den Verhandlungen von der Euro­päischen Union akzeptiert werde und warum für Großbritannien diese Hintertür geöffnet werde.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) stellt einleitend fest, dass er sich in manchen Punkten den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Pilz anschließen könne.

Es handle sich in dieser Angelegenheit um eine komplizierte Materie, die den Abgeordneten stets nur in Teilstücken hingeworfen werde, obwohl es darauf ankomme, den gesamten Kontext ins Auge zu fassen. Dies nähre den Verdacht, dass auf diese Weise eine insgesamt alles andere als unkritische Sache mit Hilfe dieser Teilstücke schmackhaft gemacht werden solle. Einer dieser fragwürdigen Punkte sei der – wenngleich Österreich nicht direkt betreffende – in man­chen Ländern sehr fließende Übergang vom nachrichtendienstlichen Bereich zum polizei­lichen Bereich, und dies teilweise sogar gegen die dort bestehenden Gesetze.

Angeordneter Jung verweist auf eine Anfrage des Liberalen Forums aus dem Jahr 1998, betref­fend die Entwicklung eines Überwachungssystems im europäischen Telekommunikations­ver­kehr, auf welche der Innenminister die im Lichte der jetzigen Beratung befremdliche Antwort gab, dass er in dieser Hinsicht keinen Handlungsbedarf erblicke. Dies gebe Anlass zu der Ver­mutung, dass der Innenminister damals von seinen Beamten über die laufende Entwicklung nicht voll informiert worden war.

Es fehle jetzt die Zeit dafür, eine wirklich seriöse Diskussion über diese Angelegenheit zu füh­ren. Deshalb könne auf Probleme nur kurz hingewiesen werden, etwa darauf, dass die vorge­sehene Mithilfe-Automatik und die 96-Stunden-Frist besonders kritisch zu sehen seien. Es müsse ferner gefragt werden, was mit verwertbaren Daten geschehen wird, vor allem dann, wenn eine fließende Verbindung zwischen den zwei genannten Bereichen besteht.

Nicht vergessen werden dürfe darauf – dies mögen sich insbesondere die Abgeordneten der ÖVP genau ansehen –, dass davon auch die Frage der Wirtschaftsspionage betroffen ist. So könnte etwa zum Zeitpunkt einer entscheidenden Konferenz eines Unternehmens ein ent­spre­chender Antrag zur Überwachung eines Vorstandsmitgliedes gestellt werden, woraufhin dieses 96 Stunden lang abgehört werden könnte. Auch wenn nachher festgestellt werde, dass kein Ergeb­­nis erzielt worden sei, lägen die für das Unternehmen entscheidenden Verhandlungs­er­gebnisse nichtsdestoweniger vor.

Auch die Möglichkeit einer gewissen Automatik im Zusammenwirken grenzüberschreitender Diensteanbieter müsse in Betracht gezogen werden.

Im Hinblick auf die von Bundesminister Dr. Michalek angesprochene Bodenstation fragt Abge­ord­neter Jung, ob es zutreffe, dass es in diesem Punkt im Wesentlichen um Spanien – da sich nach gegenwärtiger Planung dort die Bodenstation der europäischen Satellitenüberwachung be­fin­den werde – und um die Regelung der nationalen Zugriffsrechte hinsichtlich dieser Infor­ma­tionen gehe. Derzeit mangle es da auch an einer Absicherung gegenüber dem Zugriff von Sei­ten Fremder.

Die große Skepsis der Freiheitlichen sei auch durch eigenartige Formulierungen in dem vorlie­gen­den Dokument bedingt. Im Artikel 8 sei etwa von “gutgläubigen Dritten” die Rede. Bundes­minister Dr. Michalek möge Auskunft darüber geben, was damit gemeint ist.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) stellt Bundesminister Dr. Michalek die Frage, ob diese Vorlage die in Österreich bestehenden Bestimmungen auf diesem Gebiet ändern oder inhaltlich ausweiten werde.

Vom Innenministerium werde argumentiert, dass damit nur eine bestimmte technische Möglich­keit geschaffen werde, von der man je nach der nationalen Gesetzeslage Gebrauch machen könne. Sofern die nationale Gesetzeslage nicht geändert werde, werde es durch diese Vorlage für Österreich auch zu keinerlei rechtlicher oder inhaltlicher Veränderung kommen.

Ferner fragt Abgeordneter Schieder, ob diese Vorlage einen Druck zur Veränderung der ent­spre­chenden gesetzlichen Bestimmungen in Österreich erzeugen werde, ob sie irgendeinen Bezug auf die Befristung im österreichischen Gesetz haben werde, wer solche Vorlagen im Hinblick darauf prüfe, ob sie mit der Europäischen Menschenrechtskonvention konform gehen, ob das österreichische Justizministerium eine solche Prüfung vorgenommen habe und ob diese Konformität gegeben sei.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek erläutert, dass in Form einer Definition in einem – vor­läufig so nummerierten – Artikel 18 Z 1a klargestellt werden soll, was unter einer strafrechtlichen Ermittlung zu verstehen sei. Er weist die Behauptung zurück, dass die Telefonüberwachung in Österreich nicht funktioniere oder die Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen nicht möglich sei.

Das Problem bestehe in diesem Fall nicht hinsichtlich der anderen Länder. Auf ein Ersuchen aus einem anderen Mitgliedstaat hin könne jeder einzelne Mitgliedstaat selbst prüfen, ob eine Überwachung nach seinen eigenen Vorschriften zulässig wäre oder nicht. Im Fall des eigenen Ersuchens ändere sich nichts an der eigenen Rechtslage.

Mit Bezug auf die Behauptung, dass in Österreich die Einhaltung der Voraussetzungen der Tele­fon­überwachung nicht funktioniere, stellt Bundesminister Dr. Michalek fest, dass sich überhaupt nichts ändern werde, da diese Überwachung eben funktioniere und daher auch in dem Fall funktionie­ren werde, dass Österreich ein drittes Land ersucht oder von einem dritten Land er­sucht wird, die Zustimmung für sein Gebiet zu erteilen. An sich gehe es daher um ein nationales Problem, das sowohl in der Rechtslage als auch im Vollzug für gelöst zu erachten sei.

Zur Satellitenkommunikation und zum Artikel 17 stellt Bundesminister Dr. Michalek fest, dass aus österreichischer Sicht keine Notwendigkeit bestehe, dass das Land unbedingt mitwirkt, in dem sich die Bodenstation befindet – dabei gehe es nicht um Spanien, sondern um Italien, da dieses bisher als einziger Mitgliedstaat einen Vorbehalt angemeldet habe –, und er verweist auf den Fall, dass sich sowohl die Zielperson als auch der Diensteanbieter in Österreich befindet und ein österreichischer Richter die Abhörung einer in Österreich befindlichen Person über einen in Österreich befindlichen Diensteanbieter anordnet. Nur darum gehe es.

Denkbar sei, dass das Land, in dem sich die Bodenstation befindet, aus seiner Sicht sagt, es wolle zum Beispiel über die Angelegenheit verständigt werden. Die Gespräche darüber, ob dem Land der Bodenstation irgendwelche zwingende oder fakultative Rechte eingeräumt werden sollen, seien noch im Gange.

Auch in Bezug auf die 96-Stunden-Frist gemäß Artikel 18 sei noch alles im Fluss. Der seinerzeit vorgeschlagene Text habe besagt, dass es als Ablehnung zu gelten habe, wenn nicht innerhalb von 96 Stunden die Einwilligung erfolgt. Demgegenüber sei von mehreren Staaten der Wunsch geäußert worden, die Sache umgekehrt zu sehen: Wenn binnen 96 Stunden keine Ablehnung erfolgt, so solle dies als Zustimmung gelten.

Ein Vermittlungsvorschlag laute darauf: Wenn binnen 96 Stunden die Zustimmung nicht gege­ben wird, so gelte dies noch nicht als indirekte Zustimmung, und es könne eine Ablehnung auch später erklärt werden; dann allerdings nur noch mit Wirkung ex nunc.

Was die Frist von 96 Stunden betrifft, sei zu beachten, dass dieselbe Frist noch einmal von vorn zu laufen beginnt, wenn erweiterte Informationen angefordert werden, weil die vorhandenen noch nicht ausreichen, um aus nationaler Sicht eine Überprüfung vorzunehmen.

Auf die Frage, was mit dem Datenmaterial geschehen werde, das bereits vorhanden ist, ant­wortet Bundesminister Dr. Michalek, es sei vorgesehen, dass diese Informationen nicht verwen­det werden dürfen. Es müsse beachtet werden, dass es eine solche Verwendung in einzelnen Länder bereits gibt und dass dies eingeschränkt werden soll. Diese Länder würden sonst weiter­hin tun, was sie bereits tun können; künftig sollten sie nicht mehr alles tun dürfen, was ihnen derzeit schon möglich sei. Daher sei alles, was in dieser Hinsicht unternommen wird, als Ver­bes­se­rung zu betrachten.

In Bezug auf die Möglichkeit der Weiterverwendung von Daten weist Bundesminister Dr. Micha­lek auf das österreichische nationale Recht hin, wonach ein Beweisverwertungsverbot bestehe. Es sei nicht zulässig, dass Daten der genannten Art in die Hauptverhandlung eingebracht wer­den. Zwar stelle sich das gleiche Problem wie im Rahmen der Diskussion über die erweiterten Ermittlungsmethoden, nämlich dass etwas bereits Bekanntes in Erinnerung bliebe und daher wohl oder übel eine Informationsquelle darstellen könne. Aber ein Beweis, auf den sich etwas stützen könnte, dürfe eine solche Information nicht sein.

Was Großbritannien betrifft, habe Österreich während seiner Präsidentschaft klargelegt, dass sich jene Behörde, die sowohl für nachrichtendienstliche als auch für strafverfahrensrechtliche Zwecke Abhörungen auch ohne gerichtlichen Auftrag vornimmt, entflechten müsse, zumindest insofern, als sie nur im Fall eines vorangehenden Auftrages der national dafür zuständigen Stelle Überwachungen für strafrechtliche Zwecke vornehmen dürfte. Es komme also auf die gerade ausgeübte Funktion dieser Behörde an. Sofern sie für Strafverfolgungszwecke einschrei­te, brauche sie zuvor eine Zustimmung. Was jedoch ein nachrichtendienstliches Einschreiten anbelangt, sei der Rahmen der Möglichkeiten völkerrechtlich sehr weich gestaltet. De facto gelte, dass Nachrichtendienste tun, was sie tun können; da brauche man sich nichts vorzu­machen.

In den laufenden Verhandlungen sei es daher Österreichs Bestreben, festzulegen, dass diese Behörden, wenn sie funktional für Strafverfolgungszwecke einschreiten, an die Voraussetzung gebunden sind, dass Ergebnisse einer Abhörung nur im Fall einer vorangegangenen Genehmi­gung durch die zuständige Strafverfolgungsbehörde in ein Strafverfahren einfließen dürfen. Von Großbritannien werde erwartet, eine Erklärung darüber abgeben.

Darüber werde noch verhandelt werden, genauso wie über die Frage der Verwertung personen­be­zo­gener Daten. So habe beispielsweise Deutschland seine Zustimmung davon abhängig ge­macht, dass eine konkrete Datenschutzbestimmung in das Übereinkommen aufgenommen wird. Demgegenüber hätten andere es abgelehnt, mit jedem dieser Instrumente eine spezielle Da­tenschutz­bestimmung zu verbinden, da ohnehin eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer grund­sätzlichen, horizontalen Datenschutzbestimmung für die Dritte Säule eingesetzt worden sei.

In Österreich selbst werde sich durch dieses Übereinkommen grundsätzlich nichts ändern, jeden­falls dann nicht, wenn sich die Zielperson in Österreich befindet.

Die Regelung in Artikel 18 Abs. 6 stelle kein Schlupfloch dar, da Österreich nicht vorhabe, von der Möglichkeit einer Verzichtserklärung Gebrauch zu machen, sondern sich sehr wohl vorbe­halte, derartige Ersuchen im Hinblick auf die hierzulande gegebene Rechtslage zu prüfen.

Sowohl der Juristische Dienst des Rates als auch jeder Mitgliedstaat in seinem Bereich habe eine Überprüfung dieses Übereinkommens in Bezug auf die Europäische Menschenrechts­kon­vention vorgenommen. Aus österreichischer Sicht sei derzeit nichts festzustellen, von dem anzu­neh­men wäre, dass es nicht EMRK-gemäß wäre. Österreich werde darauf achten, dass keine Bestimmung festgelegt wird, die eine entsprechende Bindung mit sich brächte. Dies wäre auch nicht möglich.

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt bekannt, dass zwei Anträge auf Stellungnahme betreffend Über­wachung des Telekommunikationsverkehrs vorliegen, die Abgeordneter Dr. Pilz einge­bracht hat und die zur Verhandlung stehen. Sie haben folgenden Wortlaut:

Antrag 1: “Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, im Rahmen der Verhandlungen über das Rechtshilfeabkommen dafür einzutreten, dass die parlamentarische und gerichtliche Kontrolle des Abkommens – das heißt die Einbindung des Europäischen Parlaments sowie die Kontrolle durch den EuGH – in vollem Umfang gewährleistet wird.”

Antrag 2: “Der zuständige Bundesminister wird aufgefordert, im EU-Ministerrat dafür einzutreten, dass die Bestimmungen des Rechtshilfeabkommens betreffend ‚Überwachung von Personen im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten ohne deren technische Hilfe‘ (Artikel 18) zur Gänze ge­strichen wird.”

Die Frage von Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek, was in dem Antrag damit gemeint sei, dass “die parlamentarische ... Kontrolle ... gewährleistet” ist, beantwortet Abgeordneter Dr. Pe­ter Pilz (Grüne) damit, dass es um parlamentarische Kontrolle im Rahmen des Europäischen Parlaments und in den zuständigen Unterausschüssen des österreichischen Parlaments sowie um gerichtliche Kontrolle gehe.

Derzeit scheitere die herkömmliche Telefonüberwachung daran, dass die Dreier-Senate wegen Überlastung der betreffenden Personen nicht in der vorgesehenen Form zustande kommen. Es sei ständig von Gefahr im Verzug die Rede, und der einzelne Richter gerate häufig in die Lage, aus diesem Grund bis zu zwanzig Mal hintereinander ein und dieselbe Telefonüberwachung als Einzelperson zu genehmigen. Daher stelle sich die Frage, wie es künftig möglich sein könnte, dass plötzlich “ausgeruhte” österreichische Dreier-Senate zur Stelle wären, um ausländische Ansuchen rechtsförmlich zu überprüfen.

Was den Umgang mit Überwachungsergebnissen betrifft, bestehe in Österreich derzeit ein Pri­mär-Verwertungsverbot, nicht jedoch ein Sekundär-Verwertungsverbot. Auf Grund des Sicher­heitspolizeigesetzes dürfe eine Originalaufzeichnung nur für das Verfahren verwendet wer­den, für das sie bestimmt ist, und müsse danach vernichtet werden. Auch Zufallsfunde seien zu vernichten, jedoch sei es zulässig, darüber Aufzeichnungen zu machen, die weiter verwertet werden dürften. Es sei gängige Praxis, den Inhalt von Bändern abzuschreiben und zu archi­vieren, sodass das Verwertungsverbot eher im Konjunktiv stehe.

Auf den Zwischenruf des Abgeordneten Schieder hin, dass dies ein Vergehen gegen das Daten­schutzgesetz wäre, stellt Abgeordneter Dr. Pilz fest, dass er dieses Problem auch so sehe.

Den vorgelegten Anträgen möge auch deshalb zugestimmt werden, weil es die falsche Vor­gangs­weise wäre, zuerst der Verabschiedung einer Richtlinie die Zustimmung zu erteilen, ob­wohl noch kein Konsens darüber bestehe, was im Rahmen der Europäischen Union als Straf­ver­folgung oder strafrechtliches Verfahren zu gelten habe, und dies nur auf die Ankündigung hin, dass der Schlüsselbegriff später durch Einfügung eines entsprechenden Abs. 1a in Arti­kel 18 eine Klärung erfahren werde.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) stellt fest, dass seitens der Freiheitlichen große Skepsis bestehe, da in diesem Übereinkommen zu viele Punkte ungeklärt seien und etwa auch eine Definition hinsichtlich der 96-Stunden-Frist fehle.

Zwar habe Bundesminister Dr. Michalek die Frage nicht beantwortet, wer der genannte “gutgläu­bi­ge Dritte” sei, doch liege nach seinen vorangegangenen Ausführungen die Annahme nahe, dass er selbst dies sei. Denn wenn sich Bundesminister Dr. Michalek mit dem Verwertungs­verbot in der vorliegenden Weise zufrieden gebe, stelle sich die Frage, ob er zum Beispiel je etwas von “Rainbow Warrior”, von in Spanien im Auftrag der britischen Regierung durchge­führten Mordaufträgen oder von Untersuchungen wegen eines ähnlichen Deliktes gegen den früheren spanischen Regierungschef Gonzales gehört habe. All dies sei im Rahmen der dort angeblich funktionierenden Rechtsstaaten geschehen.

Österreich sei da zu gutgläubig, weil sich die Dienste hier und auch in einigen anderen EU-Mit­glied­staaten – im Wesentlichen diejenigen der nordischen Staaten – daran halten würden. Ganz anders sehe es in Großbritannien oder in den Mitgliedstaaten aus dem Mittelmeerraum aus.

Die beiden Anträge des Abgeordneten Dr. Pilz seien zwar von der Tendenz her richtig, aber da­für sei es beim jetzigen Diskussionsstand noch zu früh.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) fragt, wie eine allfällige parlamentarische und gerichtli­che Kontrolle derzeit aussehe und ob in der Hinsicht, um die es bei diesem Rechtshilfeabkom­men geht, eine Zuständigkeit des Europäischen Parlaments oder des Europäischen Gerichts­hofes bestehe. Diese Frage stelle sich auch in Bezug auf die Forderung in den Anträgen des Abgeordneten Dr. Pilz, den jeweiligen Beschluss durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungs­gesetz umzusetzen.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek antwortet, dass derzeit eine parlamentarische Kontrol­le der Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht vorgesehen sei.

Zu den Plänen für das weitere Vorgehen stellt Bundesminister Dr. Michalek fest, dass ent­spre­chende Vorbereitungen für den nächsten Rat im Gange seien, jedoch bisher noch keine Abwei­chung von den konträren Standpunkten erfolgt sei. Seiner Einschätzung nach bestünden zwei Schwer­punkte: zum einen klarzustellen, dass der britische Nachrichtendienst, wenn er für Straf­rechtszwecke einschreitet, nur ein ausführendes Organ und an die Voraussetzungen gebunden sei, und zum anderen eine Vereinbarung über eine Datenschutzregelung im Hinblick auf die Überwachungsergebnisse zu treffen.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) stellt fest, dass Österreich im Rahmen dieses Rechts­hilfe­abkommens primär vertragsschließender Teil sei, die österreichische Durchführung dieses Abkommens der parlamentarischen Kontrolle des Nationalrates unterliege und dies somit kein Problem mehr darstelle.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) fragt Bundesminister Dr. Michalek, wie er zu dem Antrag auf entsprechende parlamentarische Kontrolle stehe.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) fragt, ob es eine Diskussion darüber gebe oder ob im Bundesministerium für Justiz erwogen werde, in Bezug auf unrechtmäßig erhobenes Datenmaterial eine Situation zu schaffen, wie sie etwa im Rechtssystem der USA möglich sei, nämlich zumindest eine Verwertung dieses Datenmaterials contra legem für den gesamten Bereich der Europäischen Union zu verhindern.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek antwortet dem Abgeordneten Jung, dass der Begriff des “gutgläubigen Dritten”, wie er im Artikel 8 vorkommt, nichts mit dem Thema Telekommuni­kation zu tun habe. In diesem Artikel gehe es darum, dass durch Straftaten erlangte Gegen­stän­de zurückzugeben sind, und in dieser Regelung bestehe eine Einschränkung derart, dass dar­auf Rücksicht zu nehmen ist, wenn jemand gutgläubig Eigentum an einem solchen Gegen­stand erlangt hat.

Was die Frage der parlamentarischen Kontrolle angeht, stellt Bundesminister Dr. Michalek fest, dass es eine Vorweg-Kontrolle niemals geben könne. Für eine Kontrolle von durchgeführten Maß­nahmen durch das Parlament im Nachhinein könne er sich nicht aussprechen, da dies nicht praktikabel wäre. Die Frage einer Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofes sei im Zusammenhang mit dem Auslieferungsübereinkommen bereits geprüft worden, und dies habe sich ebenfalls als nicht praktikabel erwiesen.

Wohl aber sei eine Ergänzung des vorliegenden Dokumentes durch eine Datenschutzrichtlinie erfor­derlich. Damit befasse sich bereits die erwähnte Arbeitsgruppe zur Erstellung einer horizon­talen Datenschutzrichtlinie für die Dritte Säule. Die Frage könne derzeit nicht beantwortet wer­den, ob Deutschland darauf beharren werde, vorweg konkrete datenschutzrechtliche Bestim­mun­gen in dem Übereinkommen zu verankern. Österreich würde eine solche Vorgangsweise nicht inhibieren, abgesehen davon, dass dies ohnehin der Einstimmigkeit bedürfe.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) regt eine Überprüfung im Hinblick darauf an, ob ein Antrag nach Artikel 31d Abs. 3 überhaupt zulässig wäre. Denn Anträge seien im Rahmen dieses Hauptausschuss-Verfahrens nur möglich, wenn sie auf die Abgabe einer Stellungnahme abzie­len. Diese Stellungnahme müsse Ausführungen darüber enthalten, ob das Vorhaben durch Bun­des­gesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet wäre. All dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu, da es sich um einen zwischenstaatlichen Vertrag handle.

Überdies stehe der transformierte Rechtshilfevertrag, was die innerstaatliche Anwendung in Öster­reich betrifft, unter der Kontrolle des Nationalrates. Für die europäische Anwendung gelte Artikel 39 des Vertrages über die Europäische Union, wonach das Europäische Parlament im Rahmen der Dritten Säule einmal im Jahr Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten kön­ne und eine Aussprache über die Fortschritte in diesen Bereichen durchführe.

Daher sei einmal im Jahr eine parlamentarische Kontrolle über die Anwendung der Dritten Säule gegeben, und dies stelle die ÖVP-Fraktion zufrieden.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) gibt seiner Befürchtung Ausdruck, dass Abgeordneter Dr. Khol mit seinen Ausführungen weitgehend Recht habe, allerdings nicht im letzten Punkt.

Mit Bezug darauf, dass dieses Übereinkommen durch den Nationalrat ratifiziert werden muss, erach­tet Abgeordneter Schieder folgende Formulierung für angebracht: Bundesminister Dr. Mi­cha­lek sollte wissen, dass es ein wesentlicher Punkt für die Ratifizierung im Nationalrat sein werde, ob er den Versuch unternommen habe, die im Hauptausschuss erhobenen Forde­rungen in die Verhandlungen einzubringen.

Obmann Dr. Heinz Fischer erinnert daran, dass es zu Beginn dieses Hauptausschuss-Verfah­rens vor ein paar Jahren inhaltliche Diskussionen darüber gegeben habe, ob der in der vom Abge­ordneten Dr. Khol zitierten Gesetzesstelle angeführte Tatbestand erfüllt sei oder nicht. Daraufhin sei es zur Gewohnheit geworden, die feststehende Formel zu verwenden, die sich jetzt in ungefähr 90 Prozent aller Anträge wiederfinde: “Das gegenständliche Vorhaben ist durch ein Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen beziehungsweise auf die Er­las­sung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch ein Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.”

Ob diese Bedingung jeweils erfüllt ist, werde nicht von Seiten des Vorsitzes überprüft, sondern im Wege der Abstimmung erledigt, sodass dies in Form einer Gegenstimme zum Ausdruck kom­me. Es könnte sich für Vorsitzende künftig schwierig gestalten, im Einzelfall ad hoc eine Prüfung vorzunehmen und eine Entscheidung darüber zu fällen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht.

Im vorliegenden Fall scheine die Sachlage relativ klar zu sein. Obmann Dr. Fischer regt daher an, dass der Ausschuss durch sein Abstimmungsverhalten seine Meinung, dass diese Voraus­setzung nicht erfüllt sei, zum Ausdruck bringt.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek stellt fest, dass er und die Unterhändler des Justiz­ministeriums in den Verhandlungen mit größtem Verantwortungsbewusstsein agiert hätten, jedoch müsse es zugleich – auch im abschließenden Rat – eine gewisse Flexibilität geben.

Derzeit sei aus dem Übereinkommen heraus nichts in Sicht, was die österreichische Position in unvertretbarer Weise schmälern würde. Es werde an Österreich liegen, die Vorgangsweise hin­sichtlich der Umsetzung festzulegen und einen eventuellen Bedarf nach innerstaatlichen Ände­rungen festzustellen. (Obmannstellvertreter Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Was in dem Antrag auf Gewährleistung der Kontrolle gefordert wird, sei unerfüllbar, da nach geltender Verfassungsrechtslage der Europäischen Union weder das Parlament noch der EuGH solche Kontrolle auszuüben hätten. Bundesminister Dr. Michalek stellt fest, dass er sich nicht im Rat Justiz und Inneres in Bezug auf Fragen einer Verfassungsänderung der Europäischen Union einsetzen könne. Dem Parlament stehe solche Kontrolle nicht zu, und auch gemäß dem Ver­trag von Amsterdam bestehe eine entsprechende Zuständigkeit des EuGH nicht. Daher kön­ne der österreichische Justizminister nicht eine derartige Forderung erheben. Allenfalls könnte dies für die Zukunft angestrebt und einem darauf lautenden Wunsch des österrei­chischen Parla­ments Ausdruck verliehen werden.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol führt aus, es sei in Artikel 31d Abs. 3 nicht ohne Grund ausdrücklich statuiert, dass Anträge auf Stellungnahmen Ausführungen darüber zu ent­hal­ten haben, ob das Vorhaben durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzu­setzen ist. Es gelte für alle parlamentarischen Klubs, dass künftig wahrscheinlich insbesondere in Grenzfällen wie dem vorliegenden eine Begründung des Antrages erforderlich sein werde.

Zwar möge am heutigen Tag das Verfahren wie bisher, in Form einer Abstimmung, weiter­ge­führt werden – ohne Präjudiz –, jedoch sollte in der Präsidialkonferenz über die weiteren Schritte beraten werden, da in Zukunft öfters eine Verständigung über zwischenstaatliche Abkommen im Rahmen der Dritten Säule zu finden sein werde.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) widerspricht der Ansicht, dass es in der Euro­päischen Union keine entsprechende Regelung gebe. Denn mit der Schaffung einer neue Be­hör­de werde man sich Gedanken über deren Kontrolle machen. Dies gelte auch für Parlamente, insbesondere im Fall einer derart wichtigen Materie.

Ferner urgiert Abgeordneter Jung die Beantwortung seiner Frage nach dem Zeitplan für die weite­re Vorgangsweise und weist darauf hin, dass es schwerwiegende Folgen hätte, wenn der Hauptausschuss im Rahmen der Dritten Säule kein Recht auf Stellungnahme hätte.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek führt aus, dass nach derzeitiger Rechtslage das Euro­päische Parlament ein Anhörungsrecht habe und auch eingebunden sei. Im Rahmen des Straf­rechts und der Dritten Säule habe die Mitwirkung des Europäischen Parlaments ein geringeres Ausmaß als in manchen wirtschaftlichen Belangen.

Das Europäische Parlament spiele seine Rolle im Prozess der Gesetzwerdung und im Rahmen der jährlichen Berichte, in denen auch etwaige Prüfungswünsche ihren Platz hätten. Die Mitwir­kung des österreichischen Parlaments umfasse die Ratifizierung sowie die Überlegungen zur eventuel­len Änderung der gegenwärtigen Rechtslage im Rahmen der österreichischen Um­setzung, doch habe das nationale Parlament im Hinblick auf den Vollzug, abgesehen von Anfra­gen an den zuständigen Minister, ebenfalls keine Möglichkeit der Mitwirkung.

Da es sich bei der Anordnung von Überwachung um einen gerichtlichen Akt handle, wäre es nicht sinnvoll, eine nachprüfende Kontrolle durch ein anderes Organ als ein Gerichtsorgan vor­zu­sehen. Es sei eine innerstaatliche Vorgangsweise ausreichend, wonach etwa eine österrei­chi­sche Anordnung auch in Österreich höchstgerichtlich ihren Abschluss finde. Eine darüber hi­naus­­gehende externe Regelung sei nicht nötig.

Was den Zeitplan betrifft, werde nächste Woche im Rat weiter darüber verhandelt werden, doch sei mit einem raschen Zurückziehen der vorliegenden Einwände, insbesondere zu den wich­tigsten Punkten – dem britische Standpunkt im Hinblick auf Artikel 18 und der Frage des Daten­schutzes –, nicht zu rechnen.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol ersucht Bundesminister Dr. Michalek, nach dem nächsten Rat den Hauptausschuss darüber zu informieren, wie im Zusammenhang mit dem ge­planten Rechtshilfeabkommen der Rechtsschutz sowohl innerstaatlich als auch auf euro­päischer Ebene aussehen werde.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek erklärt sich bereit, diesen Wunsch zu erfüllen. Er fügt hinzu, dass sich Österreich im Rat zwar einem Abschluss nicht als einziger Mitgliedstaat ver­schlie­ßen würde, wenn akzeptable Vorschläge unterbreitet werden, dass aber nach gegen­wärti­gem Verhandlungsstand nicht mit einem Abschluss im nächsten Rat gerechnet werden kön­ne, obwohl es ratsam wäre, dieses Rechtshilfeübereinkommen schleunigst unter Dach und Fach zu bringen. Denn die Effizienz der grenzüberschreitenden Strafverfolgung kranke – insbe­son­dere im Hinblick auf die organisierte Kriminalität – derzeit an der mangelhaften inter­nationa­len Zu­sam­menarbeit.

Bundesminister Dr. Michalek betont, dass es keine gravierenden Folgen hätte, wenn es zu einem Beschluss über die Telekommunikationsüberwachung in der jetzt vorgesehenen Form käme.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ) spricht sich für die Unterstützung des Antrags des Abgeordneten Jung im ersten Punkt aus. Dieses Anliegen sei nachvollziehbar und entspreche dem Wunsch des Hauptausschusses, an der Gestaltung Europas mitzuwirken. Daher solle dies nicht mit einem formalen Einwand verhindert werden, auch wenn der Einwand sicherlich richtig sei, dass die Einbringung eines solchen Anliegens in diesem Rahmen nicht vorgesehen sei.

Zwar sei der Antrag in der vorliegenden Form nicht beschlussfähig, aber trotzdem möge Bun­des­minister Dr. Michalek ersucht werden, sich in den Verhandlungen für eine entsprechende Rechts­schutzeinrichtung im Europäischen Parlament einzusetzen. Es gehe nicht darum, ob er dies auch umsetzen könnte, sondern um einen Ausdruck des Anliegens im Hauptausschuss, in dieser Hinsicht eine Verbesserung herbeizuführen, und zwar nach Maßgabe aller zur Verfügung stehenden Mittel sowie nicht nur rein formalistisch gesehen. Dieses Anliegen sei legitim und notwendig.

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek wendet ein, er könne sich nicht vorstellen, zu welchem Bedarf nach Rechtsschutz durch das Europäische Parlament es bei der Bewilligung oder Durch­füh­­rung von Telekommunikationsüberwachung kommen sollte, da eine solche Maßnahme von einem Gericht angeordnet und darüber hinaus vielleicht auch im Rechtsmittelweg überprüft werde. Es bestehe kein Grund zu solcher Kontrolle, und auch innerstaatlich werde ja kein Grund dazu gesehen, dem österreichischen Parlament im Hinblick darauf, ob die Gerichte eine solche Maßnahme ordnungsgemäß angeordnet haben, die Möglichkeit einer nachprüfenden Kontrolle einzuräumen. Dies wäre Gegenstand einer Diskussion über die Gewaltenteilung.

Bundesminister Dr. Michalek stellt in Aussicht, sich dafür einzusetzen, den Zuständigen in der Bun­­desregierung zu sagen, sie mögen diesen Punkt in der Regierungskonferenz zur Sprache brin­gen, da es sich um eine Frage der Weiterentwicklung der Verfassung der Europäischen Union handle. Allenfalls könnte in den Verhandlungen ein entsprechendes Unbehagen des Par­la­­­ments zum Ausdruck gebracht und eine Anregung gegeben werden, sich Gedanken dar­über zu machen, ob nicht auch die gegebene Verfassungsrechtslage der Europäischen Union in Rich­tung einer stärkeren Einbindung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Gerichts­hofes diskutiert werden sollte.

In der Sache selbst spricht sich Bundesminister Dr. Michalek dagegen aus, eine nicht­ge­richtli­che Kontrolle für gerichtliche und rechtskräftige Beschlüsse einzuführen.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol schließt die Debatte zum 3. Punkt und leitet über zur Ab­­stimmung über die zwei vom Abgeordneten Dr. Peter Pilz eingebrachten Anträge auf Stel­lung­nahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG betreffend Überwachung des Telekommunikations­verkehrs.

Beide Anträge bleiben in der Minderheit und sind abgelehnt.

4. Punkt

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr

RAT 11077/99 TRANS 180 SOC 307

Landverkehr / Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr

(75002/EU XX. GP)

RAT 13526/98 COR 1 SOC 462 TRANS 200 MAR 80 AER 67

Arbeitszeit

(60152/EU XX. GP)

Da das für diesen Punkt zuständige Regierungsmitglied, Bundesminister Dr. Einem, noch nicht anwesend ist, richtet Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol an die Parlamentsdirektion das Ersuchen, in Zukunft Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Zweifelsfall der Minister auf den Hauptausschuss wartet und nicht umgekehrt, und unterbricht die Sitzung bis zum Eintreffen des Verkehrsministers.

(Die Sitzung wird um 10.42 Uhr unterbrochen und um 10.49 Uhr wiederaufgenommen.)

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol nimmt die unterbrochene Sitzung wieder auf, be­grüßt Bundesminister Dr. Caspar Einem und erteilt ihm das Wort zu einer einleitenden Stellung­nahme.

Bundesminister Dr. Caspar Einem erinnert daran, dass im September 1998 trotz intensiver Be­mühungen eine sozialpartnerschaftliche Vereinbarung über neue Arbeitszeitregeln für das fahren­de Personal gescheitert ist. Daraufhin habe die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie unterbreitet. In der darauf folgenden Diskussion sei es um mehre­re Grundfragen gegangen.

Eine Gruppe von Mitgliedstaaten lehne eine gemeinsame europäische Regelung dieser An­gelegenheit grundsätzlich ab. Überdies vertrete die Kommissarin, die seit kurzem dafür zustän­dig ist, die Auffassung, dass für diese Angelegenheit nicht der Verkehrsministerrat zuständig ist, und messe dem keine Priorität bei. Dies sei bedauerlich, da es um ein wesentliches Ziel nicht nur in sozialpolitischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf höhere Sicherheit im Straßen­verkehr gehe.

Letzteres Argument spreche auch dagegen, die Richtlinie ausschließlich mit Blick auf die Arbeit­nehmerseite zu erstellen. Vielmehr sei es notwendig, auch selbständige LKW-Lenker einzube­ziehen, und zwar nicht nur aus Sicherheitsüberlegungen, sondern auch, um zu verhindern, dass vom Tag des Inkrafttretens einer solchen Richtlinie an schlagartig nur noch selbständige Kraft­fahrer auf den Straßen vorzufinden und die Bemühungen somit vergeblich wären.

Innerösterreichisch sei bereits Konsens darüber erzielt worden, nicht nur eine Arbeits­zeit­re­ge­lung, sondern auch eine Lenk- und Ruhezeitenregelung für alle LKW-Lenker anzustre­ben. Daher werde dieser Standpunkt auch in den Beratungen vertreten.

Am 6. Oktober 1999 habe eine entsprechende Tisch-Rundfrage im Verkehrsministerrat erge­ben, dass weiterhin unverändert sechs Mitgliedstaaten gegen eine solche Richtlinie und neun Länder dafür sind. Die finnische Präsidentschaft habe einen Kompromiss vorgeschlagen, doch räume die Europäische Kommission dieser Frage, wie gesagt, keine Priorität ein.

In Bezug auf einen von der Abgeordneten Dr. Lichtenberger in der laufenden Sitzung einge­brachten Antrag auf Stellungnahme betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr stellt Bundesminister Dr. Einem fest, dass in sachlicher Hinsicht auf Regierungsseite keine Differenz zu diesem Antrag bestehe, weil genau diese Position vertreten worden sei. Österreich trete für optimalen Schutz sowohl für die betroffenen Arbeitnehmer als auch für die selbständigen Kraft­fah­rer ein, insbesondere für die Schaffung eines bestmöglichen Sicherheitsrahmens, um die Zahl der Verkehrsunfälle mit übermüdeten Lenkern deutlich zu senken.

Es sei nicht damit zu rechnen, dass es im Verkehrsministerrat am 9. und 10. Dezember in Brüs­sel zu einer Abstimmung über diese Frage kommen wird. Wahrscheinlich werde nur ein Bericht der Präsidentschaft und gegebenenfalls der Europäischen Kommission über die Bemühungen zur Findung eines Kompromisses vorgelegt werden.

Bundesminister Dr. Einem kündigt an, er werde bei dieser Gelegenheit das Bedauern Öster­reichs darüber zum Ausdruck bringen, dass diese Frage nicht weiter vorangekommen ist. Denn Öster­reich sei im höchsten Maße daran interessiert, diese sozial- und verkehrspolitisch wesent­liche Frage voranzubringen. Dies sei eines der Bespiele dafür, an denen gezeigt werden könnte, dass Europa nicht nur den Binnenmarkt im Sinne des freien Waren- und Dienstleistungs­ver­kehrs vorantreibe, sondern dass es sich auch hinsichtlich der Sicherheit auf den Straßen sowohl für die LKW-Fahrer als auch für andere Betroffene bemühe, ein Europa für Menschen zu sein.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) stimmt Bundesminister Dr. Einem darin zu, dass die Frage der Sicherheit und des Arbeitnehmerschutzes für Kraftfahrer eine der besonders dringlich zu lösenden Fragen im Verkehrsbereich ist. Sie erinnert an eine Großdemonstration des Europäischen Gewerkschaftsbundes am 1. September 1998 und die Forderung nach einer Ver­besserung der Arbeitsbedingung für Fernfahrer, weil es in den letzten Jahren zu enormen Verschärfungen gekommen sei. Dass die Bezahlung über ein Fixum hinaus nun nach Kilometer­leistung vorgenommen wird, mache es umso notwendiger, etwa die Ruhezeiten genau zu defi­nie­ren und zu kontrollieren, um der vor sich gehenden Aufweichung des Arbeitnehmerschutzes entgegen­zutreten.

Der vorliegende Richtlinie – offensichtlich ein Kompromiss – würde allerdings sehr viele der er­for­­der­lichen Verbesserungen in puncto Sicherheit und Arbeitnehmerschutz-Bestimmungen nicht erreichen. So werde etwa die Ruhezeit, die derzeit in Österreich nach 4,5 Stunden einzu­setzen hat, weiter hinausgeschoben und brauche erst nach 6 Stunden einzusetzen.

Zwar sei in dem Entwurf vorgesehen, dass national bestehende Regelungen, sofern sie Ver­besserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beinhalten, beibehalten werden können. Dies bleibe jedoch interpretierbar, vor allem in Bezug auf die Kilometerleistungen und auf die Kontrolldichte.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, ob in den Verhandlungen über die Kontrolldichte insbeson­dere hinsichtlich der Tachometerscheiben gesprochen wurde – es sei bekannt, wie leicht diese derzeit manipuliert werden könnten – und wie es um die Kontrolldichte in Österreich und in ande­ren europäischen Ländern gegenwärtig stehe.

Würden die selbständigen Kraftfahrer tatsächlich nicht in die Richtlinie einbezogen werden, so wäre diese absolut gegenstandslos. Abgeordnete Dr. Lichtenberger verweist auf das negative Beispiel der italienischen Patroncini, die, einst von Agnelli ausgesteuert, sich selbst Lastkraft­wa­gen beschafft hätten und jetzt sozusagen die Vorhut in jedem einschlägigen Konflikt bilden wür­den. Diese Scheinselbständigkeit würde noch enorm zunehmen, sofern die selbständigen Kraft­fahrer ausgenommen blieben.

Mit Bezug darauf stellt Abgeordnete Dr. Lichtenberger die Frage, ob es zutreffe, dass Österreich die Forderung nach Einbeziehung der Selbständigen am Anfang nicht mitgetragen habe, und was die Begründung dafür gewesen sei. Sie verweist auf den von ihr eingebrachten Antrag auf Stellung­nahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Arbeitszeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr. Dieser Antrag ziele auf einige zentrale Punkte ab, die außer der bereits er­wähn­ten Einbeziehung der Selbständigen Beachtung finden müssten.

Es mögen alle Anstrengungen unternommen werden, dass Drittstaaten, sofern die Fahrlei­stun­gen im Gebiet der Europäischen Union erbracht werden, in diese Regelung mit einbezogen wer­den können – schon jetzt finde sozusagen eine arbeitsrechtliche Flucht in Drittstaaten statt, mit Anmeldungen vor allem in osteuropäischen Staaten zum Zweck des Sozialdumpings – und dass die Ruhezeiten zumindest dem österreichischen Standard angepasst werden.

Über diese Richtlinie komme es de facto zu einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 60 Stun­den, weil darin eine entsprechende Ausnahmeregelung enthalten sei. Abgeordnete Dr. Lichten­ber­ger stellt die Frage, welche Fahrer unter Artikel 6 der VO 3820/85 fallen würden, da es diesen Fahrern erlaubt wäre, bis zu 65 Stunden in der Woche zu fahren.

Effiziente Kontrolle sei unbedingt erforderlich. Die jetzt in der Richtlinie vorgesehene Vorlagen­kontrol­le scheine weder zweckdienlich noch zielführend zu sein. Es müsse ein Konkretisierung in Bezug auf Kontrolldienste oder Anerkennung von Beweismitteln – so bestehe etwa ein Problem mit der Anerkennung des Beweismittels Tachometerscheibe – vorgenommen werden.

Österreich könne zugunsten von Sicherheits- und Sozialbestimmungen keinesfalls eine Ver­schlech­terung seines Status zulassen. Eine solche Verschlechterung wäre automatisch die Fol­ge, sobald eine EU-Richtlinie mehr zuließe, als es derzeit in Österreich der Fall ist.

Auch wenn im Dezember 1999 noch kein Beschluss über diese Richtlinie fallen sollte, wäre es von zentraler Bedeutung, eine Artikulation des österreichischen Parlaments vorzunehmen, wel­che die zuvor geäußerte Haltung des Bundesministers für Verkehr unterstützt und aus welcher eine Absage an Sozialabbau und an den Abbau von Sicherheit hervorgeht. Zwar stelle es ein Problem dar, dass sechs Mitgliedstaaten keine Notwendigkeit der Kontrolle sehen, aber würde Österreich auf so weitgehende Kompromisse eingehen, so würde es das Gegenteil dessen errei­chen, was es anstrebe.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol stellt fest, dass der soeben erläuterte Antrag ord­nungs­gemäß eingebracht ist und zur Verhandlung steht.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche) äußert sich zustimmend zur Einbeziehung so­wohl der selbständigen als auch der unselbständigen Kraftfahrer, da es nicht um die Beschäfti­gungsform, sondern um die Verkehrssicherheit gehe. Umso verwunderlicher sei es daher, dass laut vorliegendem Dossier die österreichische Delegation “aus prinzipiellen Gründen und prakti­schen Erwägungen” einen Vorbehalt zur Einbeziehung der selbständigen Kraftfahrer dokumen­tiert habe.

Es handle sich bei den Bestimmungen über die Arbeitszeit der LKW-Fahrer in Österreich um eines jener Gesetze, die unter den Augen des Gesetzgebers permanent gebrochen werden. Eine schärfere Kontrolle und strengere Sanktionen wären angebracht, weil eine Mitschuld desje­ni­gen entstehe, der ständig darum weiß, dass es wegen Übermüdung der Lenker immer wieder zu Verkehrsunfällen kommt, und dies trotzdem als Kavaliersdelikt abtut. Daher wäre die Über­wa­chung der Einhaltung der bestehenden Gesetze eine dringend erforderliche Maßnahme.

Abgeordneter Gaugg fragt, ob das Thema Wochenendfahrverbot vom Tisch sei oder wieder­kom­men werde.

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP) fasst zusammen, dass hinter dieser vorliegenden Richt­linie die Absicht stehe, die Verkehrssicherheit auf europäischen Straßen zu heben, den Ar­beit­nehmerschutz sicherzustellen sowie die Wettbewerbsgleichheit zwischen europäischen Unter­nehmen wiederherzustellen.

Es sei ratsam, drei Kategorien von LKW-Lenkern zu unterscheiden: erstens den Lenker als Ar­beit­nehmer, zweitens den selbständigen Lenker und drittens den selbständigen Unternehmer als Lenker. Zwischen den beiden Letztgenannten wäre sinnvollerweise eine Unterscheidung vor­zu­nehmen.

Abgeordneter Dr. Trinkl verweist auf eine Diskussion, die in den letzten Monaten in Österreich dar­über geführt wurde, ob es möglich sei, das Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich als ein freies Gewerbe zur Anmeldung zu bringen. Dazu habe es unterschiedliche Auslegungen gege­ben, und davon hänge es letztlich ab, ob die Diskussion über zwei oder aber über drei Kate­gorien zu führen wäre. Abgeordneter Dr. Trinkl fragt, ob über die Unterscheidung der Beförde­rungs­­unternehmer, die selbst Fahrzeuge lenken, von selbständigen Gewerbetreibenden, die kein Kraftfahrzeug besitzen, sondern nur als selbständige Lenker tätig sind, inzwischen eine Klärung herbeigeführt worden sei.

Im Hinblick auf eine eventuelle Umsetzung dieser Richtlinie in Österreich verweist Abgeordneter Dr. Trinkl darauf, dass es für den Arbeitnehmer als Fahrzeuglenker in Österreich gesetzliche Be­stimmungen über die Arbeitszeit gibt, und knüpft daran die Frage, auf welche Weise eine ge­setzliche Regelung für den selbständigen Lenker oder den selbständigen Unternehmer als Len­ker geschaffen werden könnte.

Ferner richtet Abgeordneter Dr. Trinkl an Bundesminister Dr. Einem die Frage, auf welche Wei­se sichergestellt werden könnte, dass auch Drittländer die Bestimmungen dieser Richtlinie ein­hal­ten, etwa die Beitrittskandidaten-Länder, aus denen Kraftfahrer in immer größerem Ausmaß auf den österreichischen Straßen tätig sind.

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ) begrüßt die vorliegende Richtlinie, da diese eine wesentli­che Verbesserung für alle Verkehrsteilnehmer, vor allem aber für die LKW-Lenker und deren Arbeitsbedingungen bedeuten würde. Aus der Sicht von Verkehrsteilnehmern sei es gleichgültig, in welcher Kategorie ein Lenker jeweils eingeordnet wird, tatsächlich gehe es um die Sicherheit, vor allem um die Verkehrssicherheit.

Der Wettbewerbsdruck sei auf den Lenker weitergegeben worden, und Ruhezeiten würden zum Teil nicht eingehalten werden. Dies habe eine drastische Verschlechterung im Verkehrsauf­kom­men mit sich gebracht. Es habe sich in letzter Zeit gezeigt, dass damit auch ein steigendes Unfallrisiko verbunden ist.

Abgeordnete Binder fragt Bundesminister Dr. Einem, welche Kontrollmechanismen bestehen, ob diese ausreichend oder verbesserungswürdig sind, wie die Ausrüstung der LKW beschaffen sein muss und ob eine LKW-Aufrüstung erforderlich ist, damit die erforderlichen Aufzeichnungen zuverlässig und nachvollziehbar sind.

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ) erachtet es für absolut notwendig, auf die Be­drohung durch das enorme Gefährdungspotential, das von Lastkraftwagen – zumal in Extrem­situationen – ausgehe, zu reagieren. Ein Grund für eine die Lenker unterscheidende Vorgangs­weise bestehe nicht.

Abgeordneter Dr. Jarolim fragt nach Details über das offenbar geplante Gewerbe des selbstän­di­gen Lenkers. Dabei sei noch nicht klar geworden, ob künftig auch die Tätigkeit eines Lenkers, der keine LKW hat, ein Gewerbe sein soll. Bei aller Offenheit für Liberalisierung wäre dies doch eine zumindest als originell zu bezeichnende Form von Liberalisierung, dass jemand, der keinen LKW hat, ein Gewerbe dafür betriebe, seine – im klassischen Sinn – Dienstleistung anzubieten. Abgeordneter Dr. Jarolim fragt, ob solche Personen eine besondere Gefährdung der Öffentlich­keit darstellen würden, in der Form, dass sie nicht an jene Schutznormen gebunden sein sollen, die für aller anderen Teilnehmer des Alltagsverkehrs gültig sind. Falls dies zutreffe, ergebe sich die Frage, mit welcher Rechtfertigung in dieser Weise eine besondere Gefahr auf andere aus­geübt werden dürfe.

Bundesminister Dr. Caspar Einem stellt eingangs seiner Beantwortung fest, dass die mehr­fach angesprochene Kontrolle tatsächlich der zentrale Punkt sei. Es gehe nicht nur darum, ent­spre­chende Regeln – und diese allenfalls überhaupt nur für unselbständige Lenker – zu schaffen, sondern es müssten Regeln geschaffen werden, die in der “freien Wildbahn” wirklich kontrollierbar sind, und zwar europaweit nach einheitlichen Standards. Alles andere führe zu Wettbewerbsverzerrungen, die es zu vermeiden gelte, und darüber hinaus sei dies vor allem eine Frage der Sicherheit im Straßenverkehr.

Darüber sei auch im Rahmen des Verkehrsministerrates gesprochen worden. Im Grundsatz habe es eine Verständigung darauf gegeben, einheitliche Kontrollstandards und ein Mindestmaß solcher Kontrollen einzuführen, doch lasse sich in dieser Hinsicht noch einiges verbessern. Es bestehe eben noch kein entsprechender Konsens im Rahmen der europäischen Verkehrs­minister.

Zur Frage der technischen Standards stellt Bundesminister Dr. Einem fest, es treffe zu, dass die heute gebräuchlichen Fahrtenschreiber relativ leicht manipuliert werden können. Mit neueren technischen Geräten, die auch in Österreich bereits zum Einsatz kämen, sei es zwar möglich, solche Manipulationen aufzudecken, aber es gehe vielmehr darum, ein europäisch einheitliches System einer weniger fälschungsanfälligen Fahrtenschreiber-Generation hervorzubringen und dafür einheitliche europäische Standards zu setzen. Es sei erforderlich, diese Voraussetzung eben­so wie die konkrete Kontrolle vor Ort in die Tat umzusetzen.

Bedacht genommen werden müsse auch auf die weithin bekannte soziologische Tatsache, dass Organe, die zur Kontrolle berufen sind, in der Regel lieber jene Dinge kontrollieren, die leicht kontrollierbar sind. Was hingegen mit großer Mühe und Plage bei der Führung des Nachweises, dass die Kontrolle korrekt vorgenommen wurde und das festgestellte Ergebnis nicht korrekt ist, verbunden sei, werde lieber gleich unterlassen. Diese Mühe solle der Exekutive erspart bleiben, sodass es darum gehe, klare und leicht kontrollierbare Regeln zu schaffen.

Darüber seien sich die Verkehrsminister weitgehend einig. Daher komme es darauf an, auch die Selbständigen einzubeziehen, gleichgültig, ob sie selbständige Anbieter ihrer Arbeitskraft oder selb­stän­dige Anbieter ihrer Arbeitskraft plus eines LKW sind. Denn vom Gesichtspunkt der Straßen­verkehrssicherheit her könne keine solche Unterscheidung getroffen werden.

So laute die simple Antwort auf diese Frage. Die weniger simple, aber mindestens genauso be­deutsame Antwort wäre Folgende. Sich auf den glitschigen Pfad zu begeben, in der Euro­päischen Union gemeinsam zu definieren, was ein Selbständiger und was ein Scheinselbstän­di­ger ist oder welche Grade von Selbständigkeit gefunden werden können, lege die Grundlage da­für, dass es nicht kontrollierbar wäre. Bundesminister Dr. Einem fügt hinzu, dass er sich aus die­sem Grund im Rahmen des Verkehrsministerrates immer dagegen ausgesprochen habe, diese Differenzierung durch Definitionskunstfertigkeit voranzutreiben. Es gehe vielmehr darum, ob ein Kraftfahrer als Lenker tätig ist oder nicht, da die Gefahr ausschließlich vom Lenken ausgehe.

Ein Gegenargument eines Verkehrsministers darauf habe gelautet, dass die selbständigen Len­ker nicht nur die Aufgabe haben, ihr Fahrzeug zu lenken, sondern überdies betriebswirtschaftli­che Tätigkeiten zu erledigen haben. Dem stellt Bundesminister Dr. Einem entgegen, dass die­ses Argument in puncto Sicherheit nicht stichhaltig sei, weil die Ausübung des Lenkens nach voran­ge­gangenen zusätzlichen Tätigkeiten unter beeinträchtigter Fahrsicherheit zu leiden habe. Die Frage der Verkehrssicherheit sei ein höherwertiger Gesichtspunkt als jener der “Freiheit der unternehmerischen Selbstausbeutung”.

Was die Einbeziehung von Drittstaaten betrifft, sei dies von zentraler Bedeutung, weil eines der gewählten Mittel der Umgehung bestehender Regelungen gerade diesen Weg nehme.

Bei der Anlegung österreichischer Maßstäbe müsse beachtet werden, dass Österreich nicht über­all besser, sondern in manchen Bereichen deutlich schlechter dastehe. An einigen Bei­spielen lasse sich zeigen, dass die österreichischen Regelungen nicht so gut wie andere im Richt­linienvorschlag sind. So bestehe in Österreich ein Durchrechnungszeitraum von einem ganzen Jahr mit einem höheren Stundensatz als dem, der sich ergeben würde, würde man die EU-Regeln hierzulande anwenden. Es treffe nicht zu, dass Europa nur an Österreich genesen kann, sondern es gäbe auch Vorteile für die österreichische Straßenverkehrssicherheit, die aus einem nicht weiter verwässerten Richtlinienvorschlag zu gewinnen wären.

Zwar seien auch schlechtere Regelungen als die in Österreich gültigen in der Richtlinie enthal­ten, aber sie stelle eine Mindestregelung dar, die möglichst gut ausfallen sollte, und derzeit stehe eine gemeinsame Regelung ohnehin noch in weiter Ferne.

Bundesminister Dr. Einem erläutert, dass in die Kategorie von Fahrern, deren Fahrzeit bis zu 65 Stunden betragen darf, jene Fahrer gehören, die im grenzüberschreitenden Personen­gele­genheits­verkehr eingesetzt sind, und dass diese 65 Stunden geltender Rechtslage entsprechen. Was die Richtlinie vorschlägt, verbessere diese Rechtslage nicht, es könnte jedoch durchaus eine der österreichischen Initiativen sein, darauf zu dringen, dass es zu einer Verbesserung kommt. Das Ausmaß von 65 Stunden sei auch im grenzüberschreitenden Personengelegen­heits­verkehr zu hoch.

Der vom Abgeordneten Gaugg angesprochene Vorbehalt zur Einbeziehung der selbständigen Kraft­fahrer sei nur auf einer Vorstufe ausgesprochen und mittlerweile gegenstandslos gewor­den. Es habe zunächst in Österreich unterschiedliche Auffassungen dazu gegeben, ob es wün­schens­wert sei, die selbständigen Lenker einzubeziehen. Bundesminister Dr. Einem stellt fest, er habe als Verkehrsminister immer die Auffassung vertreten, sich auf den Aspekt Lenker zu konzentrieren, weil das Risiko von den Lenkern ausgehe.

Im Rahmen der Sozialpartner-Diskussionen und der Sozialpolitik sei es üblich, die beiden Aspekte zu unterscheiden, was ebenfalls seinen Sinn habe, um etwa nicht damit anzufangen, grundsätzlich Arbeitszeitregeln für Selbständige zu schaffen. In diesem Fall allerdings gehe es um eine besondere Frage in der Weise, dass der Gesichtspunkt der Arbeitszeitregelung sowie der Lenk- und Ruhezeiten so sehr auf Sicherheitsfragen Einfluss nehme, dass besondere Re­geln erforderlich seien. Bundesminister Dr. Einem fügt hinzu, er habe sich aus diesem Grund im Gegensatz zur Ratsarbeitsgruppe auf Ministerebene zu diesem Vorbehalt immer anders verhal­ten. In dieser Hinsicht habe es auch Vorzüge, dass nur das Parlament dem Minister Weisungen geben kann.

Schärfere Kontrollen seien tatsächlich erforderlich, und zwar auch in Österreich. Das Problem be­stehe darin, dass dem Verkehrsminister in dieser Frage bedauerlicherweise keinerlei Voll­ziehungskompetenz zukomme. Derzeit werde daher versucht, im Rahmen von Besprechungen auf die Verkehrsreferenten der Bundesländer einzuwirken, um einheitliche, gemeinsame und re­la­tiv strenge Standards zu schaffen. Das Selbstbewusstsein der Länder führe aber gelegent­lich auch zu Absagen, und es sei mühselig, auf diese Weise zu entsprechenden Standards zu kom­men.

Das Thema Wochenendfahrverbot sei zwar noch nicht endgültig vom Tisch, es gebe aber Signa­le in die Richtung, dass dieses Thema am kommenden Verkehrsministerrat nicht auf der Tagesordnung stehen wird. Insoweit habe das Zusammenwirken der vier die Schweiz umgeben­den EU-Mitgliedstaaten dazu beigetragen, dass vorübergehend Ruhe einkehrt. Erst in den letzten Tagen habe der deutsche Verkehrsminister bestätigt, dass Deutschland seine Linie hal­ten wird. Solange es dabei bleibe und auch Italien und Frankreich darauf beharren, drohe keine Ge­fahr, und solange werde auch die jeweilige EU-Präsidentschaft nicht neuerlich darauf zurück­kommen, weil dann eine Blockade gewiss wäre.

Der vom Abgeordneten Dr. Trinkl hervorgehobene Gesichtspunkt der Wettbewerbsgerechtigkeit und ‑gleichheit müsse unterstrichen werden. Weder nationale noch sonstige Ausnahmen dürften zugelassen werden, wenn der Europäischen Union tatsächlich an fairen und gleichen Wettbe­werbs­bedingungen gelegen sei. Daher habe Österreich alle Argumente auf seiner Seite, die da­für sprechen, zu einer einheitlichen Regelung zu kommen, auch die klassischen Binnenmarkt-Argu­mente.

Bundesminister Dr. Einem beantwortet die Frage, ob selbständigen Lenkern, die allein ihre Ar­beits­­kraft anbieten, dies im Rahmen eines Gewerbes möglich sei, als “nichtzuständiger Minister” damit, dass Bundesminister Dr. Farnleitner der Ansicht, dies sei ein selbständiges Gewerbe, zu­stimme. Die Arbeiterkammer hingegen vertrete die Auffassung, dass diese Lesart gesetz­widrig wäre. Bundesminister Dr. Einem fügt hinzu, dass diese Frage für ihn keine zentrale Rolle spiele, weil es in Fragen der Straßenverkehrssicherheit nur aufs Lenken selbst ankomme und nicht auf spitzfindige Fragen zum Grad der Selbständigkeit.

Zur Frage der Kontrolle stellt Bundesminister Dr. Einem ferner fest, dass Österreich an einheitli­chen Regeln gelegen sei, um dieses Kontrollproblem erst gar nicht auftreten zu lassen. Die Schwie­rig­keiten mit den Fahrtenschreibern seien hinreichend, weitere Kontrollprobleme durch eine gesetzliche Regelung sollten weder auf österreichischer noch auf europäischer Ebene ge­schaf­fen werden. Es gehe um klare und vollziehbare Regeln, um bessere Voraussetzungen da­für zu haben, zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sanktionieren.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) fragt nach näheren Angaben darüber, dass Öster­reich sich in einer vorhergehenden Runde gegen die Einbeziehung der Selbständigen aus­sprach.

Die Auskunft, dass die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 65 Stunden im Wesentlichen für Bus­fahrer gilt, mache die Sache noch dramatischer als im Fall von Fernfahrern, weil dadurch das Gefährdungspotential noch weiter ausgereizt werde. Daher sei es von zentraler Bedeutung, diesen Punkt weiter zu behandeln.

Ebenfalls wesentlich sei die Streichung von Artikel 7, da er abweichende Regelungen zur wö­chent­li­chen Höchstarbeitszeit und zur Nachtarbeit ermögliche, sofern Sozialpartner dies be­schließen. Durch diese Ausnahmebestimmung entwerte sich die Richtlinie selbst, da dies zur drohenden Ausnahme der Selbständigen hinzukäme. Dies komme der Erstellung einer sehr schwachen Richtlinie gleich, die obendrein jegliche Ausnahme im kurzen Verfahren ermögliche.

Grundsätzlich sei die Durchsetzung der Richtlinie für dringend zu erachten. Wenn aber diese Form einer sehr schwachen und nicht kontrollierten Richtlinie durchgezogen werde, werde kei­nerlei Verbesserung für die Sicherheit eintreten. Es werde deshalb darauf ankommen, den Ver­hand­lungsprozess weiterzutreiben und sich nicht auf einen Kompromiss in dieser Form einzu­lassen. Aus der Sicht einer offensichtlich allgemein geteilten Kritik an den Sicherheitsbestim­mun­gen wäre es fatal, die Richtlinie so zu beschließen.

Wenn die Kontrollen nicht näher definiert und konkretisiert werden, würden diejenigen Staaten, die heute schon Widerstand dagegen leisten, Kontrollen vorzunehmen, oder diesen Bereich nicht für kontrollwürdig erachten, überhaupt keine Schritte in diese Richtung unternehmen. Dies müsse verhindert werden, weil sonst ein absolut ungeregelter Bereich in den Randzonen ent­stünde.

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP) widerspricht der Abgeordneten Dr. Lichtenberger darin, dass diese Richtlinie ein Rückschritt sei. Sie bringe im Gegenteil eine deutliche Verbesse­rung der EU-weiten Standards in diesem Bereich mit sich, daher müsse sie auch für Österreich von Interesse sein. Denn es stehe völlig außer Frage, dass unionsweit einheitlichere und klarere Bestimmungen erforderlich seien.

Was den ursprünglichen österreichischen Vorbehalt gegenüber der Einbeziehung der Selbstän­digen betrifft, müsse beachtet werden, dass eine Anwendung von Arbeitnehmerschutzbestim­mungen auf Selbständige aus sozialpolitischer Sicht sehr problematisch sei. Damit werde auch in Grundrechte eingegriffen, zum Beispiel betreffe dies in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Erwerbsfreiheit.

Aus verkehrspolitischer Sicht könnten Regelungen zur Beschränkung der Lenkzeit nicht abge­lehnt werden, daher stehe auch die ÖVP hinter der Vorgangsweise, dass neben den Lenkzeiten auch die Arbeitszeit von selbst fahrenden Unternehmern geregelt wird. Denn es sei sinnvoll und vernünftig, die Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Übermüdung, Konzentrationsmängel und so weiter zu vermeiden. Sinnvoll sei dies auch im Hinblick auf die Wettbewerbsgleichheit, weil zu verhindern sei, dass einige Unternehmen sich an die Bestimmungen halten und Arbeit­nehmer beschäftigen, die unter die Schutzbestimmungen fallen, hingegen andere Unter­nehmen sich mit Fahrern behelfen, die ein selbständiges Gewerbe angemeldet haben, ein Firmenfahr­zeug für die Abwicklung der Aufträge zur Verfügung gestellt bekommen und auf diese Weise die Schutzbestimmungen unterlaufen.

Dies lehne auch die ÖVP ab, weil dies gegen den fairen Wettbewerb verstoße, und sie trete grundsätzlich dafür ein, dass die vorgesehene Regelung greifen soll.

Für das in dem Antrag der Grünen geäußerte Anliegen bestehe keine Notwendigkeit, weil der Verhandlungsprozess noch im Gange sei. Vor dem Vorliegen eines endgültigen Richtlinien­ent­wurfs solle dem Verkehrsminister ein entsprechender Verhandlungsspielraum bleiben. Die von Bundesminister Dr. Einem vorgetragene Position sei auch innerstaatlich vertretbar und für richtig zu erachten. Sie werde von der ÖVP ebenfalls unterstützt.

Bundesminister Dr. Caspar Einem führt zu den Gründen für den österreichischen Vorbehalt gegen die Einbeziehung der Selbständigen ergänzend aus, dass der soeben vom Abgeordneten Mag. Kukacka angesprochene Gesichtspunkt in den innerösterreichischen Diskussionen eine we­sentliche Rolle gespielt habe. Soweit es dabei um die Regelung der Arbeitszeit gehe, habe das dafür zuständige Ministerium stets die Auffassung vertreten, dass es keine Arbeits­zeit­re­gelung für Selbständige geben kann. Insofern habe es sich auch gegen eine Regelung ausge­sprochen, die Selbständige und Unselbständige gleich behandelt. Daher sei diese Vorgangs­weise im thematischen Zusammenhang nachvollziehbar und vertretbar.

Bundesminister Dr. Einem führt weiter aus, er habe jedoch, soweit es um die verkehrspolitische Frage geht, immer die andere Position vertreten. Wenn sich jetzt zeige, dass eine Richtlinie möglich ist, in welcher der Gesichtspunkt der Straßenverkehrssicherheit im Zentrum steht, gebe es auch eine gemeinsame Stellungnahme in der Richtung, dass nicht zwischen Selbständigen und Unselbständigen zu unterscheiden ist, sondern dass das Lenken der Anknüpfungspunkt der Regelung sein soll. Diese Sichtweise entspreche nunmehr der einheitlichen österreichischen Position.

Die Debatte, die darüber im Rahmen der bisherigen Bemühungen um eine derartige Richtlinie auch innerösterreichisch geführt wurde, sei ergiebig gewesen, sodass jetzt auf einer gemein­sa­men Linie folgender Standpunkt vertreten werden könne: Damit es gelingt, ein vernünftige, klare, eindeutige und wettbewerbsorientierte Richtlinie zustande zu bringen, die mehr Sicherheit brin­gen soll, müsse in dieser Frage am Aspekt des Lenkers und an nichts anderem angeknüpft werden.

Was den Gelegenheitsverkehr betrifft, stelle die 65-Stunden-Grenze internationalen Rechts­be­stand dar. National bestehe eine Grenze von 56 Stunden. In den Bemühungen um eine gemein­same EU-Richtlinie gehe es auch darum, dem österreichischen Standard näher zu kommen, weil es auch im Personenverkehr nicht schlechtere Standards als etwa im Güterverkehr geben dürfe. Um diese Position werde auch künftig noch zu ringen sein.

Eine Streichung von Artikel 7 könne man sich zwar wünschen, erforderlich sei aber eine Eini­gung im Rahmen von 15 Mitgliedstaaten. Über eine Streichung von Artikel 7 wäre kein Konsens er­ziel­bar. Zwar treffe es zu, dass Ausnahmeregelungen dieser Art die Regel insgesamt nicht ver­bessern, nicht zugestimmt werden könne aber der Auffassung der Abgeordneten Dr. Lich­ten­ber­ger, dass das Ganze damit wertlos sei. Denn es gelte trotzdem weiterhin das Territorialitäts­prinzip, und die Richtlinie sei, selbst wenn ein Land beschlösse, sie bei sich selbst nicht ordentlich anzuwenden, nichtsdestoweniger in den anderen Ländern anwendbar. Soweit die Richt­linie Verbesserungen mit sich bringe und beispielsweise Österreich keine Ausnahme verlan­ge, könne auf Basis dieser Richtlinie auch kontrolliert und könnten gegebenenfalls die not­wendigen Maßnahmen ergriffen werden.

Dies stelle immer noch eine Verbesserung dar, auch wenn eine Regelung ohne Ausnahme vor­zu­ziehen wäre. Österreich werde sich dafür einsetzen, möglichst keine Ausnahmen vorzusehen, werde damit jedoch aus heutiger Sicht nicht unbedingt zum Erfolg kommen. Bundesminister Dr. Einem stellt abschließend fest, er könne den Ausführungen des Abgeordneten Mag. Ku­kacka zu diesen Fragen in vollem Umfang zustimmen.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol schließt die Debatte und lässt die Abstimmung über den von der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger eingebrachten Antrag auf Stellungnahme ge­mäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Ar­beits­zeit des fahrenden Personals und der selbständigen Kraftfahrer im Straßenverkehr vor­neh­men.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Obmannstellvertreter Dr. Khol stellt fest, dass die Tagesordnung erschöpft ist, dankt den Anwe­senden und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 11.35 Uhr

 

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