IV-6 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 11. Juli 2000

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                     Dienstag, 11. Juli 2000

Tagesordnung

1. Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen ge­mäß Art. 49b B‑VG in Verbindung mit § 26 GOG‑NR auf Durchführung einer Volksbefra­gung gemäß Art. 49b B‑VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaf­fung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich (211/A)

2. Wahl eines Mitgliedes des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (53/HA)

3. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Bestim­mung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die unga­rische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird (Amts­sprachenverordnung-Ungarisch) (52/HA)

4. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Maßnahmen der Friedenssicherung im Rahmen der European Community Monitor Mission (ECMM); Fortsetzung der österreichischen Beteiligung (54/HA)

5. Bericht des Bundesministers für Inneres betreffend Verzeichnis der Zivildienstplätze 2001 (55/HA)

Beginn der Sitzung: 13.03 Uhr

(Nach Abwicklung des vorgezogenen Tagesordnungspunktes 2 beginnt die Beratung des Haupt­ausschusses zu EU-Angelegenheiten um 13.06 Uhr.)

1. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen ge­mäß Art. 49b B‑VG in Verbindung mit § 26 GOG‑NR auf Durchführung einer Volksbefra­gung gemäß Art. 49b B‑VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaf­fung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich (211/A)

Obmann Dr. Heinz Fischer erteilt dem Abgeordneten Dr. Feurstein zur Berichterstattung das Wort.

Berichterstatter Dr. Gottfried Feurstein stellt fest, dass in dem Antrag 211/A der Abgeordne­ten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen gemäß Artikel 49b B‑VG in Ver­bindung mit § 26 GOG‑NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Artikel 49b B‑VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechtes zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaup­teter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich sechs konkrete Fragen gestellt sind.

In diesem Antrag werde auch die Resolution der Landeshauptleutekonferenz vom 12. Mai 2000 bekräftigt. Dieser Resolution habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Sanktionen der 14 anderen EU-Mitgliedstaaten aufzulösen seien durch ein transparentes System gegenseitigen Verständnisses und Respekts, das für alle Mitgliedstaaten verbindlich gelten solle. Ferner gehe es darum, europaweit rasch einen Kodex zu entwickeln, der sauber und einleuchtend definiere, was es mit Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten auf sich habe und was sich daraus für die nationalen Parlamente und Regierungen, die Organe der Europäischen Union und die Bevölkerung ergebe.

Obmann Dr. Heinz Fischer legt den Vorschlag vor, die für diese Sitzung geladenen vier Experten Universitätsprofessor Dr. Haller, Universitätsprofessor Dr. Lang, Universitätsprofessor DDr. Mayer und Universitätsprofessor Dr. Öhlinger nunmehr beizuziehen.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) erklärt das grundsätzliche Einverständnis seiner Fraktion, diese Experten entsprechend einer vorangegangenen Vereinbarung beizuziehen, und schlägt hinsichtlich der Verfahrensweise in der heutigen Sitzung vor, zwei Stunden lang die Experten zu hören, daraufhin eine Sitzungsunterbrechung vorzunehmen und danach weiter zu beraten. Damit solle die Möglichkeit geschaffen werden, auf Grund der Auskünfte der Experten allenfalls erforderliche Veranlassungen zu treffen.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) teilt mit, dass er zwar in den Vorgesprächen auch für seine Fraktion grundsätzlich die Möglichkeit einer zeitlichen Befristung in Aussicht gestellt habe, dass aber auf diesen Vorschlag nicht eingegangen worden sei. Daher bestehe diesbezüglich keine Vereinbarung, eine solche sei nur in Bezug auf die Experten getroffen worden. Eine rigide Festlegung darauf, die Sitzung nach zwei Stunden zu unterbrechen, sei nicht sinnvoll.

Wenn die Regierungsfraktionen schon im Vorhinein darüber Bescheid wüssten, dass sie im Licht der Expertenmeinungen Überlegungsbedarf haben würden, so sage dies einiges über die Vorlage aus.

Obmann Dr. Heinz Fischer erläutert, er habe am Vortag dem Abgeordneten Dr. Khol als ÖVP-Klubobmann die Zusage gegeben, einem eventuellen Ersuchen auf Sitzungsunterbrechung stattzugeben. Diese Zusage gelte auch für andere Fraktionen, sofern sie nach dem Experten-Hearing den Wunsch hätten, die Sitzung auf angemessene Zeit zu unterbrechen, um Überle­gungen anstellen zu können.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) stimmt dieser Vorgangsweise zu und bringt den Antrag ein, gemäß § 39 Abs. 3 der Geschäftsordnung das Protokoll, das über diese Beratung erstellt wird, zu veröffentlichen.

Obmann Dr. Heinz Fischer bringt zur Kenntnis, dass eine auszugsweise Darstellung der Ver­handlungen bewilligt wurde und dass am Ende des 1. Tagesordnungspunktes der formale Be­schluss zu fassen sein wird, die auszugsweise Darstellung auch zu veröffentlichen.

Obmann Dr. Fischer bringt den Vorschlag, die genannten vier Experten zur Sitzung beizuziehen, zur Abstimmung.

Nachdem dies einstimmig beschlossen worden ist, nehmen die Experten ihre Plätze ein.

Obmann Dr. Fischer erteilt dem Abgeordneten Ing. Westenthaler als erstem Debattenredner das Wort.

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) stellt fest, es gehe bei dem vorliegenden Antrag zur Einleitung einer Volksbefragung um ein Thema, das seit Monaten die öffentliche Dis­kussion beherrsche und die Menschen in Österreich außerordentlich bewege.

Die Bundesregierung habe es sich zum Grundsatz gemacht, in wichtigen Entscheidungen – und zweifellos handle es sich jetzt um eine solche – die direkte Demokratie zu bevorzugen und die österreichische Bevölkerung in politische Entscheidungen mit einzubinden. Viele Umfragen und Erhebungen hätten ergeben, dass von der Bevölkerung mehr Mitbestimmung und mehr direkte Demokratie dezidiert gewünscht wird. Es sei ein ausdrücklicher Wunsch, auch von dem dritten der neben Volksabstimmung und Volksbegehren zur Verfügung stehenden Mittel, nämlich von der Volksbefragung Gebrauch zu machen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Repu­blik sei nun vorgesehen, dieses direktdemokratische Instrument zur Erhebung der Meinung der Bevölkerung über ein zentrales Thema anzuwenden.

Abgeordneter Ing. Westenthaler erläutert, er habe gemeinsam mit dem Abgeordneten Dr. Khol vier Fragen schriftlich ausgearbeitet, um sie den Experten in dieser Sitzung zur Beantwortung vorzulegen.

Diese Fragen lauten folgendermaßen:

“1. Sind Zielsetzungen der EU-Reform und die österreichische Mitwirkung dabei Fragen von gesamtösterreichischer und grundlegender Bedeutung?

2. Ist die Abgabe einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG eine ‚Angelegenheit, zu deren Erledigung der Bundesgesetzgeber zuständig ist‘?

3. Ist die Genehmigung eines Staatsvertrages nach Artikel 50, mit dem EU-Primärrecht als Ergebnis einer Regierungskonferenz der Europäischen Union geändert oder ergänzt wird, ‚eine Angelegenheit, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist‘?

4. Ist ein Beschluss des Nationalrates, womit ein allenfalls fehlerhafter Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung genehmigt wird, absolut nichtig, wenngleich das gesamte Verfahren ein­schließlich der Fragestellung nach Artikel 141 B‑VG vom Verfassungsgerichtshof überprüft und gegebenenfalls gerügt werden kann?”

Dies seien wesentliche und entscheidende Fragen in Bezug auf die erstmalige Einleitung einer Volksbefragung. Sie würden auch Voraussetzungen umfassen, um eine Volksbefragung geset­zeskonform und der Verfassung gemäß durchzuführen.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) stellt dem entgegen, dass die Fragestellung aus der Sicht seiner Fraktion auf eine breitere Basis zu stellen wäre. Er geht davon aus, das keiner der Anwesenden Einwendungen gegen die direkte Demokratie habe, und weist darauf hin, dass die SPÖ seinerzeit wesentlich dazu beigetragen habe, den Artikel 49b in die österreichische Bun­desverfassung einzufügen.

Im Hinblick auf die vorgesehene Volksbefragung sei jedoch fraglich, ob die dafür vorgesehenen Fragen den demokratischen Grundregeln sowie den spezifischen verfassungs- und einfachge­setzlichen Regeln entsprechen würden. Wie in jeder Wahlentscheidung, so gehe es auch in einer Volksbefragung grundsätzlich darum, dass der wahre Wählerwille zu einer Frage erforscht wird.

Seit wenigen Wochen liege in diesem Zusammenhang ein Fingerzeig des Verfassungsgerichts­hofes in Form des Grazer Erkenntnisses vor, wonach die in einer Volksbefragung gestellten Fragen bestimmten Kriterien zu entsprechen hätten, zum Beispiel nicht suggestiv sein dürften und leicht verständlich sein müssten. In diesem Erkenntnis habe der Verfassungsgerichtshof verdeutlicht, wie er direkte Demokratie behandelt wissen wolle.

Aus der Sicht der SPÖ stelle sich nun die Frage an die Experten, ob sie grundsätzlich der Meinung seien, dass die für die Volksbefragung vorgesehenen sechs Fragen mit einer einzigen alternativen Antwortmöglichkeit den Gesetzmäßigkeiten der Verfassung und des Volksbefra­gungsgesetzes – insbesondere im Lichte des erwähnten Grazer Erkenntnisses – entsprechend beantwortet werden können, ob darüber hinaus Sammelfragen möglich seien und ob es über­haupt denkbar sei, dass man sechs solche Fragen mit einem einzigen “Ja” oder “Nein” beant­worten kann.

Ferner sei zu fragen, ob es sich in dieser Hinsicht überhaupt um eine Bundesvollziehung im Sinne von Artikel 49 handle und ob mit einer derartigen Volksbefragung die gestellte Zielsetzung erreicht werden solle oder ob es nicht vielmehr das Ziel sei, bewusst nicht Bundesgesetzgebung vorzuformen und dazu den Wählerwillen zu erforschen, sodass es eigentlich um eine ganz andere, außerhalb des Regimes der Bundesverfassung bestehende Rechtssphäre, nämlich jene der Europäischen Union, ginge. Damit stelle sich in politischer Hinsicht die Frage, was nach einer solchen Volksbefragung zu geschehen hätte.

Im Übrigen sei eine Volksbefragung mit Kosten verbunden. Die SPÖ sage zwar ja zur Volksbe­fragung, aber der “Kosten-Nutzen-Aufwand” müsse ebenfalls beachtet werden. Die Kosten würden nicht unbeträchtlich sein, und es werde auch noch die Frage nach der geplanten Informationskampagne zu stellen sein.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) fragt in Bezug auf die für die Volksbefragung geplante Frage eins – “dass die von den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen Österreich ungerechtfertigt verhängten Sanktionen sofort aufgehoben werden” –, ob dies im Lichte des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes als eine Suggestivfrage zu betrachten wäre und ob das – wenn es so wäre – auch dann noch der Fall wäre, wenn das Wort “ungerechtfertigt” wegbliebe.

In Bezug auf den weiteren Text fragt Abgeordnete Dr. Lichtenberger, ob die Formulierung “freie demokratische Wahl seiner Regierung garantiert” vom österreichischen Rechtssystem her formal zulässig wäre oder ob sie eher als irreführend zu qualifizieren wäre.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) gibt unter Hinweis auf den geplanten Ablauf dieser Sitzung – nach der Beantwortung der Fragen durch die Experten werde eine allfällige Pause folgen und danach gegebenenfalls ein neu formulierter Antrag vorgelegt werden – bekannt, dass er nicht nur Fragen an die Experten richten, sondern Auskünfte über insgesamt vier Bereiche einholen möchte.

Der erste Bereich sei darauf bezogen, ob die Volksbefragung mit den derzeit geplanten Fragen produktiv oder kontraproduktiv sei und ob sie Österreich helfe. Zuständig für die Beantwortung dieser politischen Frage sei die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Zweitens gehe es um Fragen an das Bundeskanzleramt, und zwar im Hinblick darauf, ob der Verfassungsdienst einbezogen worden sei und ob im Zuge der Volksbefragung entsprechende Kampagnen geplant seien.

Drittens gehe es um Fragen nach den Kosten der Volksbefragung, die an den Innenminister gerichtet seien.

Viertens gehe es um den rechtlichen Bereich, und nur in dieser Hinsicht handle es sich um Fragen an die anwesenden Experten.

Abgeordneter Schieder fragt, auf welche Weise er vorgehen solle, da seine Fragen zu den drei zuerst genannten Bereichen nicht an die Experten, sondern an die jeweils zuständigen Regie­rungsmitglieder gerichtet seien.

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt, nachdem er darauf hingewiesen hat, dass die Frage nach den Kosten dem anwesenden Bundesminister für Inneres gestellt werden und die Frage nach dem Verfassungsdienst an den anwesenden Staatssekretär im Bundeskanzleramt gerichtet werden könne, seine Zustimmung dazu, dass Abgeordneter Schieder alle von ihm gewünschten Fragen stellt.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) fragt, ob eine Volksbefragung dieser Art Österreich dabei helfe, die Sanktionen wegzubringen, und welche Meinung in dieser Hinsicht die Bundesministe­rin für auswärtige Angelegenheiten auf Grund der Berichte und Reaktionen nach der entspre­chenden Ankündigung vertrete.

Der Vertreter des Bundeskanzleramtes möge darüber Auskunft geben, ob der Verfassungs­dienst zu der Volksbefragung eine Stellungnahme abgegeben habe, wie diese gegebenenfalls laute oder warum der Verfassungsdienst im Fall der Nichtkonsultierung dazu nicht befragt worden sei.

Ferner stelle sich im Hinblick auf eine Feststellung in einem Brief der Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten, wonach es sich nicht um eine von der Bundesregierung, sondern um eine von zwei politischen Parteien initiierte Volksbefragung handle, die Frage, welche Schritte die Regierung im Umfeld dieser Befragung vorhabe, ob sie fair vorgehen werde oder ob sie ein Eingreifen plane. Da die Entscheidung zur Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Volksbefra­gung bereits ein Mittel zur Meinungsäußerung darstelle, könnte allein die Werbung der Bundes­regierung für die Teilnahme von manchen als nicht fair angesehen werden. Das Verhalten auf Regierungsseite falle auch im Hinblick darauf ins Gewicht, dass alles darangesetzt werden müsse, ein derart wichtiges demokratisches Instrument wie die Befragung der Bevölkerung nicht denunzierbar zu machen.

Ohne jeden Unterton – Demokratie koste Geld, das gelte daher auch für eine Volksbefragung als demokratisches Instrument – sei die Frage an den Bundesminister für Inneres gemeint, wie viel diese Volksbefragung kosten werde.

An die Experten richtet Abgeordneter Schieder folgende Fragen: nach dem Gegenstand der Bundesgesetzgebung; nach der Aufteilung der für die Volksbefragung vorgesehenen Fragen – ob es möglich wäre, mehrere Fragen zu stellen, auf die jeweils mit “ja” oder “nein” geantwortet werden könnte, oder ob nur eine einzige entsprechende Frage gestellt werden dürfe, auch dann, wenn nur eine einzige Antwort zulässig wäre auf verschiedene Fragen, die überdies in mancher Hinsicht nicht klar wären –; nach den Anforderungen an die Klarheit der Fragen, insbesondere dann, wenn darin mehrere Dinge vermischt werden, zum Beispiel die Aufgabenteilung in den Mitgliedstaaten und die Aufwertung der Regionen; nach dem Verhalten von Befragungsteilneh­mern, die zum Teil mit “ja”, zum Teil mit “nein” antworten möchten; nach der Anwendbarkeit des kürzlich ergangenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über eine Grazer Volksbe­fragung.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) fragt in Ergänzung der bereits vom Abgeordneten Ing. Westenthaler vorgebrachten Fragen, welche Rechte zur Einflussnahme die Bundesregie­rung und der Bundespräsident hätten, nachdem der Nationalrat einen Beschluss gefasst hat: ob sie Abänderungen vornehmen könnten, ob ihnen ein Ermessen bei der Annahme zustehe und so weiter.

Weiters fragt Abgeordneter Dr. Khol, ob nur eine einzige Problemstellung den Gegenstand einer Volksbefragung bilden könne oder ob beispielsweise auch ein Gesetzentwurf zum Gegenstand gemacht werden könnte, in dem verschiedene Tatbestände enthalten sind. Auch eine Frage des Abgeordneten Schieder habe sich darauf bezogen, ob es sich immer nur um einen einzigen Problemkreis handeln dürfe.

Die Experten mögen auch eine Interpretation im Hinblick auf folgende auf Seite 18 des Ver­fassungsgerichtshoferkenntnisses V 103/99 zur Grazer Volksbefragung stehende Textstelle geben: Dieses verfassungsgerichtliche Verfahren ist indes nicht der Ort, allgemeine Erwägun­gen darüber anzustellen, welche Arten von Fragestellungen in welchen Konstellationen zulässig sein könnten.

Es sei ratsam, dieses Hearing in zwei Teile zu gliedern, nämlich zuerst die Experten zu Wort kommen zu lassen und danach die anderen Fragen zu stellen. Abgeordneter Dr. Khol spricht sich unter Hinweis darauf, dass es sich um einen Initiativantrag handelt, dafür aus, dass die Fragen statt an die Vertreter der Bundesregierung an die Antragsteller gerichtet werden. Er erwarte sich daher nicht, dass die Bundesregierung dies kommentieren wird.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche) fragt den Abgeordneten Schieder, welche der für die Volksbefragung geplanten sechs Unterfragen er mit “nein” beantworten würde. An seinem Diskussionsbeitrag sei beachtenswert gewesen, dass er zumindest in einem Punkt eine negative Haltung zum Ausdruck gebracht habe.

Abgeordneter Mag. Haupt fragt die Experten, ob sie ebenfalls die Meinung des Abgeordneten Dr. Kostelka verträten, dass das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes präjudizie­rend für die geplante Volksbefragung sei, oder ob ihrer Meinung nach dieses Erkenntnis nur auf den konkreten Fall zu beziehen sei und daher keine präjudizielle Wirkung für andere Volksbe­fragungen habe. Falls sie die Meinung Kostelkas teilten, mögen sie begründen, warum dieses Erkenntnis allgemeinen Inhalt habe und nicht auf den einzelnen Rechtsfall zu beschränken sei.

Ferner fragt Abgeordneter Mag. Haupt, ob nach Ansicht der Experten der Ausdruck “ungerecht­fertigte Sanktionen” eine Meinungsbildung unter den Befragten präjudizieren würde.

Abgeordneter Mag. Haupt erinnert an Artikel 20 der Charta der Vereinten Nationen vom Dezem­ber 1948 über die freie Regierungsbildung, an Artikel 6 des Amsterdamer Vertrages und an die Verfahren, die im Artikel 7 dieses Vertrages festgehalten sind, und verweist darauf, dass der damalige Präsident der Europäischen Union, Guterres, die Sanktionen gegenüber Österreich eindeutig und klar in dieser Eigenschaft – nicht etwa als Obmann der Sozialistischen Internatio­nale oder als portugiesischer Staatspräsident, sondern, wie in Veröffentlichungen vom 31. Jän­ner 2000 nachgelesen werde könne, expressis verbis als Präsident im Rahmen der EU-Präsi­dentschaft –, ausgesprochen habe, wodurch er in dieser Funktion das Rechtsprinzip “audiatur et altera pars”, das auch in der Europäischen Union festgeschrieben und eindeutig Bestandteil des Artikels 7 des Vertrages von Amsterdam sei, verletzt habe.

Unter dieser Voraussetzung stellt Abgeordneter Mag. Haupt die Frage, ob eine solche Vor­gangsweise die Verwendung des Ausdrucks “ungerechtfertigte Sanktionen” zumindest hinsicht­lich der Verletzung von Verfassungsrechten auf europäischer Ebene und auf der Ebene der Vereinten Nationen nicht nur rechtfertige, sondern verfassungsrechtlich sogar begründe.

Auch zwei juridische Fakultäten in Deutschland und der Schweiz hätten eine ähnliche Rechts­auffassung vertreten. Daher seien die Stellungnahmen der vier anwesenden Experten von höchstem Interesse, zumal zumindest zwei von ihnen in den österreichischen Medien eine andere Auffassung zum Ausdruck gebracht hätten.

Zur Beantwortung der Fragen erteilt Obmann Dr. Heinz Fischer als erstem Experten Univer­sitätsprofessor Dr. Haller das Wort.

Universitätsprofessor Dr. Herbert Haller beantwortet die erste der vier von den Abgeordneten Ing. Westenthaler und Dr. Khol schriftlich gestellten Fragen – ob Zielsetzungen der EU-Reform und die österreichische Mitwirkung dabei Fragen von gesamtösterreichischer und grundlegender Bedeutung seien – mit einem klaren Ja. Denn das Gewicht Österreichs in der Europäischen Union, die Veränderung durch Reformen, Fragen der Demokratisierung der Europäischen Union, die Frage, ob die EU sich eine Verfassung, einen Grundrechtskatalog geben solle, und die Voraussetzungen, die für die von ihm persönlich sehr begrüßte Osterweiterung bestehen würden – all dies sei sicherlich von entsprechender Bedeutung.

Auch die zweite und die dritte Frage – ob der Bundesgesetzgeber für die Erledigung bezie­hungsweise Regelung zuständig sei, wenn es darum gehe, eine Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG abzugeben beziehungsweise einen Staatsvertrag nach Artikel 50, mit dem EU-Primärrecht als Ergebnis einer Regierungskonferenz der Europäischen Union geändert oder ergänzt wird, zu genehmigen – beantwortet Universitätsprofessor Dr. Haller bejahend: Dies alles seien ohne Zweifel Agenden, die dem Bundesgesetzgeber obliegen.

Zweifel an der Fragestellung bestünden allerdings hinsichtlich der Formulierung der für die Volksbefragung vorgesehene Frage, die gemäß dem Antrag 211/A mit folgendem Wortlaut einzuleiten wäre: “Soll die Bundesregierung ... sicherstellen ...” Zwar sei einzuräumen, dass Ein­flüsse des Nationalrates auf die Bundesregierung bestehen, aber vorzuziehen wäre eine Frage­stellung, in welcher der Bundesgesetzgeber selbst genannt wird, etwa in der Weise: “Soll der Nationalrat ... mit allen Mitteln sicherstellen ...?”, denn eine Volksbefragung sei nur möglich für Regelungen, die dem Bundesgesetzgeber zustehen.

Universitätsprofessor Dr. Haller schlägt daher vor, die Fragestellung entsprechend zu ändern.

Hinsichtlich der vierten Frage – ob ein Beschluss des Nationalrates, womit ein allenfalls fehler­hafter Antrag auf Abhaltung einer Volksbefragung genehmigt wird, absolut nichtig wäre – stellt er fest, dass es zwar bei allen Akten eine absolute Nichtigkeit geben könne, auch bei solchen, die dem Verfassungsgerichtshof zur Nachprüfung gestellt seien – nämlich dann, wenn diese Akte offenkundig mit einem sehr schweren Fehler belastet seien. Würde etwa eine Volksbefragung darüber abgehalten werden, ob in ein gerichtliches Urteil eingegriffen werden solle, so läge absolute Nichtigkeit vor, und dann müsste der Bundespräsident dem Einhalt gebieten. Aber in allen anderen Fällen einer allfälligen Fehlerhaftigkeit – ob es sich um eine oder mehrere Fragen handle, ob die Fragen zu kompliziert oder suggestiv seien – sei lediglich eine Anfechtungsmög­lichkeit beim Verfassungsgerichtshof ersichtlich, wie sie auch bei anderen Akten vorgesehen sei.

Wenn nicht ein derart offenkundiger und grober Fehler vorliege, habe nach einem Beschluss des Nationalrates der Bundespräsident keine Möglichkeiten, demgegenüber politisch zu agieren, sondern er habe den Willen des Nationalrates zu vollziehen. Eine allfällige Anfechtung des Verfassungsgerichtshofes würde im Detail Klarheit schaffen können.

Auf die Frage, ob die Formulierung “ungerechtfertigte Sanktionen” manipulativ sei oder nicht, antwortet Universitätsprofessor Dr. Haller, dass eine Frage dann manipulativ wäre, wenn man sie etwa so formulieren würde: “Sie sind doch sicherlich auch gegen ungerechtfertigte Sanktio­nen ...” Wenn hingegen die Frage gestellt werde: “Sind Sie für diese ungerechtfertigten Sanktio­nen ...”, dann sei nicht zu erkennen, dass die Fragestellung manipulativ wäre. Denn wer die Sanktionen für gerechtfertigt halte, stimme dann eben mit “nein”.

Genauso gut könnte behauptet werden, schon das Wort “Sanktion” sei manipulativ. Denn es könnte auch die Frage aufgeworfen werden, ob es sich tatsächlich um Sanktionen der Euro­päischen Union oder nur um bilaterale Maßnahmen handle.

In der Verwendung des Wortes “ungerechtfertigt” sei daher keine Manipulation, die verfassungs­widrig wäre, zu erkennen. Dieses Wort könnte jedoch, ohne dass irgendetwas am Inhalt des Textes verändert würde, gestrichen werden, um solchen Bedenken Rechnung zu tragen.

Im Hinblick auf die Frage, wie kompliziert das, was dem Volk unterbreitet wird, sein dürfe, bezieht sich Universitätsprofessor Dr. Haller auf die Frage des Abgeordneten Schieder: Was ist, wenn jemand einem Teil der Frage zuneigt, dem anderen Teil aber nicht? – Dies komme im Leben laufend vor, diese Frage stelle sich schon angesichts von Entscheidungen wie zum Beispiel jener, ob als Verkehrsmittel für eine Reise die Eisenbahn oder das Automobil gewählt wird. Fragen hätten es also in sich, dass man nicht immer hundertprozentig mit ja oder nein ant­worten könne. Deshalb seien auch komplizierte Fragen zulässig, wenn der wesentliche Kern verständlich sei. Eine Frage sei durchaus auch dann zulässig, wenn sie eine gewisse Komplexi­tät habe.

Das vorliegende Konzept sei daher nicht für verfassungswidrig zu erachten. Darüber, ob es klug sei oder nicht, sei hier nicht zu befinden.

Dem Abgeordneten Dr. Khol antwortet Universitätsprofessor Dr. Haller, dass auch ein Gesetz­entwurf zu einer Beurteilung mit “ja” oder “nein” vorgelegt werden könnte. Auch darin wären unter Umständen mehrere Aspekte enthalten, und darüber wäre nicht anders zu urteilen als im Fall dieser Volksbefragung. Sowohl eine kompliziertere Frage als auch ein Gesetzentwurf wären zulässig.

Universitätsprofessor Dr. Michael Lang beantwortet Fragen nach der Zuständigkeit zunächst unter Hinweis auf Artikel 49b Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz: “Eine Volksbefragung über eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Rege­lung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, hat stattzufinden ...” Es müsse sich also um eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung handeln.

Wie auch den schriftlich vorgelegten Fragen zu entnehmen sei, gehe es um Angelegenheiten, die im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages Berücksichtigung finden sollten. Aus diesem Blickwinkel bestehe kein Zweifel daran, dass Fragen, die im Rahmen der Reform des EU-Vertrages berücksichtigt werden sollen, Fragen von grundsätzlicher und gesamtösterrei­chischer Bedeutung sind.

Eine weitere Voraussetzung gemäß Artikel 49b Abs. 1 bestehe darin, dass der Bundesgesetz­geber für die Regelung dieser Fragen zuständig ist. Es müsse daher zunächst ermittelt werden, was die Formulierung “der Bundesgesetzgeber” bedeutet. Der Verfassungstext weise dazu unterschiedliche Formulierungen auf. Zum Beispiel werde im Artikel 15 Abs. 6 B‑VG – betref­fend das Verhältnis zwischen Grundsatzgesetzgebung und Ausführungsgesetzen – ebenfalls der Begriff “Bundesgesetzgeber” verwendet. Hingegen habe an den meisten anderen Stellen der Verfassung das Wort “Bundesgesetz” Verwendung gefunden.

Im Zusammenhang mit der Volksbefragung würden sich Parallelen zu anderen plebiszitären Instrumenten aufdrängen. Der Text des Bundes-Verfassungsgesetzes laute im Artikel 41 folgen­dermaßen: “Das Volksbegehren muss eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen ...” Daran erweise sich, dass im Bundes-Verfassungsgesetz über diese zwei plebiszi­tären Instrumente in voneinander abweichenden Formulierungen gesprochen wird.

Jedenfalls deute dies darauf hin, dass der Begriff “Bundesgesetzgeber” eine weiter gehende Formulierung darstelle als die bloße Erwähnung des Bundesgesetzes. Daher würden sich auch keine Bedenken gegen die Auffassung ergeben, dass für Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG der Bundesgesetzgeber in dem weiteren Sinn zuständig ist.

Fraglich sei – und darüber werde in der Literatur kontrovers diskutiert –, ob sich Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG auch auf Änderungen von Primärrecht beziehen könnten oder ob davon nur Sekundärrecht betroffen wäre. In der Koja-Festschrift beispielsweise habe Rill die Auffassung vertreten, dass lediglich Änderungen des Sekundärrechtes zum Gegenstand derarti­ger Stellungnahmen werden könnten. Hingegen hätten andere Autoren, und zwar mit über­zeugenden Argumenten, die Ansicht vertreten, dass sich Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG auch auf Änderungen des Primärrechtes, also des EU-Vertrages selbst, beziehen könnten.

Welche Argumente dafür sprechen, liege klar auf der Hand. Wenn der Vertragstext einmal ver­einbart worden sei, habe der Bundesgesetzgeber nur noch die Möglichkeit, dem Vertrag zuzu­stimmen oder ihn abzulehnen. Hingegen könne der Nationalrat zu einem früheren Zeitpunkt durch Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG die Organe in gewisser Weise binden und insofern auf den Inhalt des Vertrages viel stärker Einfluss nehmen. Daher wäre es nicht einzu­sehen, dass derartige Stellungnahmen auf Änderungen des Sekundärrechtes beschränkt sein sollten.

Für eine weite Interpretation des Begriffes “Bundesgesetzgeber” spreche im Ergebnis auch fol­gende Überlegung. Es stelle sich für den Fall, dass es im Rahmen des Gipfeltreffens von Nizza zu einer Änderung des EU-Vertrages kommt, die Frage, wie Österreich diese Änderung um­setzen würde. Dies könnte beispielsweise in Form eines Staatsvertrages geschehen, es könnte aber auch – wie im Fall des Vertrages von Amsterdam – durch eine sonderverfassungsrecht­liche Ermächtigung geschehen. Somit würde sich eine derartige Volksbefragung auf eine Ange­legenheit beziehen, für die der Bundesgesetzgeber zuständig wäre, und zwar der Bundesver­fassungsgesetzgeber, der beispielsweise eine solche Ermächtigung im Verfassungsrang erlassen würde.

Es bestünden aber auch keine Bedenken dagegen, diese Sichtweise auf den Staatsvertrag nach Artikel 50 B‑VG zu beziehen. Denn auch in diesem Fall sei der Bundesgesetzgeber mitbefasst und mittätig.

Universitätsprofessor Dr. Lang widerspricht der Auffassung, dass sich die Formulierung “Bun­desgesetzgeber” im Artikel 49b Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz nur auf das einfache Bundesrecht und nicht auch auf Bundesverfassungsgesetze beziehen könne – diese Auffas­sung habe Universitätsprofessor DDr. Mayer an anderer Stelle vertreten –, und äußert sich zu­stimmend zu der Ansicht von Universitätsprofessor Dr. Öhlinger, dass sich eine Volksbefragung auch auf Angelegenheiten beziehen kann, für deren Regelung der Bundesverfassungsgesetz­geber zuständig ist.

In anderem Zusammenhang habe Universitätsprofessor DDr. Mayer selbst dargelegt, dass es sich bei den Ausdrücken “Bundesgesetz” und “Bundesgesetzgeber” um schillernde Begriffe handle. Im Verfassungstext sei in manchen Situationen der einfache Bundesgesetzgeber ge­meint; in anderen Situationen – zum Beispiel im Artikel 49 oder im Fall der Gesetzesprüfung nach Artikel 40 B‑VG – sei der Bundesverfassungsgesetzgeber mitgemeint.

Insgesamt könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich eine Volksbefragung auch auf Angelegenheiten beziehen kann, für deren Regelung der Bundesverfassungsgesetzgeber zuständig ist. Wenn zum Beispiel daran gedacht wäre, einen allfälligen Vertrag von Nizza ver­fassungsrechtlich in der Form umzusetzen, dass zunächst wieder – wie beim Vertrag von Amsterdam – eine verfassungsrechtliche Einzelermächtigung geschaffen würde, dann könne sich durchaus auch eine derartige Volksbefragung darauf beziehen.

Nach diesen Ausführungen zum Themenkomplex “Angelegenheiten, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist” kommt Universitätsprofessor Dr. Lang auf den für die Volksbefragung vorgesehenen Text zu sprechen.

Das Volksbefragungsgesetz spreche davon, dass eine Frage zu stellen ist. Für den Fall, dass mehrere Volksbefragungen gleichzeitig durchgeführt werden, sei im Volksbefragungsgesetz Vorsorge getroffen worden, beispielsweise damit, dass für diesen Fall verschiedenfarbige Stimmzettel vorzusehen sind. Auch im Artikel 49 B‑VG werde darauf hingewiesen, dass nur eine einzige Frage zulässig ist.

In dieser Hinsicht gelte es jedoch auch, die Rechtsentwicklung zu berücksichtigen. Universitäts­professor Dr. Lang erinnert daran, dass zum Zeitpunkt der entsprechenden Bundes-Verfas­sungsgesetz-Novelle 1988 in einzelnen Bundesländern schon Volksbefragungsgesetze bestan­den hatten. Als besonders vorbildlich sei im Schrifttum zum Beispiel das Steiermärkische Volks­rechtegesetz aus dem Jahr 1986 genannt worden. Darin seien differenzierende Regelungen vorgesehen, beispielsweise im § 156, wonach eine Gliederung der Frage in mehrere Unterfra­gen zulässig sei.

Eine derartige Möglichkeit sei im Volksbefragungsgesetz nicht vorgesehen. Demnach könne offenbar nur eine einzige Frage gestellt werden, und dies lasse darauf schließen, dass diese eine Frage auch eine ausführliche und komplexe Frage sein kann. Hingegen hätten es in der Steiermark die Gemeinden in der Hand, Unterfragen zu stellen und die Fragen entsprechend aufzuteilen. Da diese Möglichkeit aber gemäß Volksbefragungsgesetz nicht bestehe, müsse dem Nationalrat zugestanden werden, auch eine längere, komplexe Frage zu stellen.

Man könne geteilter Meinung darüber sein, ob es sich bei der im Antrag 211/A vorgesehenen Frage um eine einzige Frage handle. Der Begriff “Frage” laufe aber letztlich auf die gewählte Formulierung hinaus. Es sei vorstellbar, die jetzt vorgesehene Frage unter Beibehaltung des Inhalts so umzuformulieren, dass sie in eindeutig verfassungs- und gesetzeskonformer Weise bestehen kann. Jene Bestandteile, die jetzt als sechs Unterfragen verstanden werden könnten, könnten beispielsweise als einzelne Zielsetzungen formuliert werden.

Zwar sollten plebiszitäre Instrumente an sich möglichst einfach und verständlich formuliert wer­den. Allerdings seien für Volksabstimmungen und Volksbegehren ausdrücklich Gesetzestexte vorgesehen, und solche Texte könnten auch dadurch gekennzeichnet sein, dass darin sehr unterschiedliche Punkte mitbehandelt werden. Wenn es aber zulässig sei, gegebenenfalls sehr lange und auf viele Fragen bezogene Gesetzestexte zum Gegenstand von Volksabstimmungen und Volksbegehren zu machen, dann sei es auch denkbar, mehrere Punkte, die nicht notwen­digerweise miteinander zu tun haben, zum Gegenstand einer Volksbefragung zu machen.

Der Ausdruck “Suggestivfrage” habe in den letzten Tagen eine beherrschende Rolle in öffent­lichen Stellungnahmen zu dieser Volksbefragung eingenommen. Dieser Ausdruck werde offen­bar auch deshalb viel verwendet, weil ihn der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 2000 zum Steiermärkischen Volksrechtegesetz verwendet habe.

Allerdings sei zu bedenken, dass das Steiermärkische Volksrechtegesetz und dessen landes­verfassungsgesetzliche Grundlagen anders formuliert sind als Artikel 49b B‑VG. Im § 156 Abs. 2 Volksrechtegesetz sei eindeutig Folgendes festgelegt: “Der Gegenstand der Volksbefragung ist als Frage möglichst kurz und eindeutig zu formulieren. Eine Gliederung der Frage in mehrere Unterfragen ist zulässig.” Derartige Formulierungen kenne weder Artikel 49b B‑VG noch das Volksbefragungsgesetz. Daher könne man der Auffassung sein, dass die Gedanken, die der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 16. Juni 2000 entwickelt hat, nur für diesen spezifischen Fall zutreffend sind.

Es müsse darüber hinaus bedacht werden, dass der Verfassungsgerichtshof dort auch aus dem Wesen dieser Instrumente der demokratischen Mitbestimmung abgeleitet habe, dass Suggestiv­fragen nicht zulässig sind. Dies spreche für die Auffassung, dass Gleiches auch für die Rechts­lage auf dem Boden sowohl des Artikels 49b B‑VG als auch des Volksbefragungsgesetzes gelte.

Über die Frage, ob im Antrag 211/A wegen der Formulierung “ungerechtfertigt verhängte Sank­tionen” eine Suggestivfrage enthalten sei, könne man unterschiedlicher Meinung sein. Der Aus­druck “ungerechtfertigt” könne möglicherweise einen Leser gefühlsmäßig in eine bestimmte Richtung drängen. Allerdings sei es bei rationaler Betrachtung auch denkbar, dass jemand nicht der Auffassung ist, die Bundesregierung solle im Zuge der Reform des EU-Vertrages mit allen geeigneten Mitteln sicherstellen, dass die von den anderen Mitgliedstaaten gegen Österreich verhängten Sanktionen sofort aufgehoben werden. Denn man könne die Sanktionen zum Beispiel auch als ungerechtfertigt empfinden, aber als Bürger dennoch andere Prioritäten im Hinblick darauf haben, worüber die Bundesregierung oder die zuständigen Organe verhandeln sollen.

Universitätsprofessor Dr. Lang fügt hinzu, er sei sich nicht ganz sicher, ob man in diesem Fall im Sinne der Terminologie, die der Verfassungsgerichtshof geprägt habe, von einer Suggestivfrage sprechen könne. Von der Wertung her sei die in Graz in den Text der Volksbefragung aufge­nommene Formulierung eindeutig suggestiver gewesen. Wenn es aber darum gehe, auch letzte Zweifel zu beseitigen – dies sei jedenfalls zu empfehlen –, dann wäre es sinnvoll, das Wort “un­gerechtfertigt” aus dem vorgesehenen Text zu streichen und nur von “Sanktionen” zu sprechen.

Der Ausdruck “Sanktion” habe sich in der Alltagssprache und in der österreichischen Diskussion während der letzten Monate sehr stark eingeprägt, sodass in diesem Ausdruck allein nicht zwin­gend eine Wertung zu erblicken sei. Auch in der laufenden Sitzung sei dieser Ausdruck von unterschiedlichen Abgeordneten immer wieder verwendet worden.

Was die Frage der absoluten Nichtigkeit und die Möglichkeiten des Bundespräsidenten betrifft, weist Universitätsprofessor Dr. Lang zunächst darauf hin, dass gemäß Artikel 49b B‑VG Volks­befragungen unter sinngemäßer Anwendung von Artikel 45 und 46 durchzuführen sind. Nach Artikel 46 Abs. 3 ordnet der Bundespräsident die Volksabstimmung an. Bei sinngemäßer An­wendung bedeute dies, dass auch im Fall einer Volksbefragung der Bundespräsident die Anord­nung vorzunehmen hat. Eine andere Formulierung sei im Artikel 47 Abs. 1 vorzufinden, wonach der Bundespräsident das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze beurkun­det. Dies werfe die Frage auf, ob inhaltlich ein Unterschied bestehe und ob jeweils etwas anderes gemeint sei.

Um diese Frage zu beurteilen, müsse man sich vergegenwärtigen, welche Konsequenzen es beispielsweise hätte, würde der Bundespräsident zu dem Ergebnis kommen, die Volksbefra­gung nicht anzuordnen, und welche Möglichkeiten dem Nationalrat offen stünden, die Volksbe­fragung trotzdem durchzusetzen, würde er es für verfassungsgemäß erachten, eine derartige Volksbefragung anzuordnen. Die Möglichkeiten der Durchsetzung würden sich im Wesentlichen auf Artikel 142 B‑VG beschränken, wonach eine “Anklage ... gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung” erhoben werden kann. Auf diese Weise könnte letzt­lich die Anordnung der Volksbefragung durchgesetzt werden. Allerdings handle es sich dabei nicht nur um die Anwendung eines sehr starken Instruments, sondern es sei auch rein rechtlich nicht einfach, dieses Instrument zum Einsatz zu bringen, weil dafür die Bundesversammlung tätig werden und dort eine Mehrheit gefunden werden müsse.

Der Sachverhalt sei daher ähnlich dem der Beurkundung von Bundesgesetzen, und zwar trotz der abweichenden Formulierung, wonach der Bundespräsident in dem einen Fall lediglich eine Grobprüfung vornehmen könne. Bei evidenten und gravierenden Verfassungsverstößen werde der Bundespräsident die entsprechende Anordnung nicht vorzunehmen haben, aber in allen anderen Fällen werde er die Anordnung zu treffen haben. Das Ergebnis der Volksbefragung könne später nach Artikel 141 Abs. 3 B‑VG beziehungsweise nach § 16 Volksbefragungsgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Damit sei auch eine Kontrollmöglichkeit gegeben.

Aus diesem Grund könne die Auffassung von Universitätsprofessor DDr. Mayer, dass damit ein Fall einer absoluten Nichtigkeit vorliegen würde, nicht geteilt werden. Denn der Verfassungsge­richtshof habe die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu prüfen.

In Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens könne auch über den Zeitpunkt diskutiert wer­den, zu dem das Verfahren beginnt. Die Auffassung von Universitätsprofessor DDr. Mayer, dass das Verfahren erst mit der Anordnung des Bundespräsidenten beginne und alles Vorangegan­gene vom Verfassungsgerichtshof nicht geprüft werden könne, habe zwar Gründe für sich, wenn man das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union heranziehe – darin finde sich eine Formulierung, wonach das Verfahren erst von der Anordnung durch den Bundespräsidenten an geprüft worden sei –, aber im selben Zusammenhang habe der Verfassungsgerichtshof auch zum Ausdruck gebracht, er könne diese Auffassung vertreten, weil trotzdem keine Rechtsschutzlücke entstanden sei. Denn damals sei es um einen Gesetzesbeschluss gegangen. Ein Gesetz könne als solches auch später vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten oder durch ihn selbst geprüft werden.

Es sei daher nötig, den Begriff des Verfahrens weiter auszulegen und einen der Anordnung des Bundespräsidenten vorgelagerten Zeitraum einzubeziehen, um im Sinne der vom Verfassungs­gerichtshof verwendeten Terminologie davon sprechen zu können, dass eine Rechtsschutzlücke nicht entsteht.

Somit sei festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof über die Möglichkeit der Prüfung ver­fügt. Dies habe er auch in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 2000 zum Steiermärkischen Volks­rechtegesetz gezeigt, jenem Erkenntnis, in dem nach einer Prüfung die Gesetzwidrigkeit der seinerzeitigen Verordnung – damals habe es sich nach dem Steiermärkischen Volksrechte­gesetz eindeutig um eine Verordnung gehandelt – festgestellt wurde.

Auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten DDr. Niederwieser, ob er eine Umformulierung empfehle, antwortet Universitätsprofessor Dr. Lang, es solle vor der Volksbefragung eindeutig sichergestellt werden, dass es sich um keine Suggestivfrage handle. Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, den Begriff “ungerechtfertigt” zu entfernen.

Hinsichtlich des zweiten fraglichen Punktes – ob es sich tatsächlich nur um eine einzige Frage handle – könnte durch eine Umformulierung beispielsweise zum Ausdruck gebracht werden, dass die zuständigen Organe beauftragt werden, die im darauf folgenden Text genannten Punkte sicherzustellen. Eine solche Form wäre geeignet, klarzustellen, dass es sich um eine einzige Frage handelt und dass die Adressaten der Volksbefragung gefragt werden, ob sie der angesprochenen Auffassung zustimmen.

Universitätsprofessor DDr. Heinz Mayer beantwortet die Frage, ob die Zielsetzungen der EU-Reform und die österreichische Mitwirkung dabei Fragen von gesamtösterreichischer und grundlegender Bedeutung seien, vorbehaltlos mit ja.

Die Frage, ob die Abgabe einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG eine Angelegenheit sei, zu deren Erledigung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, sei mit nein zu beantworten. Denn die Abgabe einer solchen Stellungnahme setze eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers voraus.

Die Frage, ob die Genehmigung eines Staatsvertrages nach Artikel 50, mit dem EU-Primärrecht als Ergebnis einer Regierungskonferenz der Europäischen Union geändert oder ergänzt wird, eine Angelegenheit sei, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist, sei mit nein zu beantworten. Denn die Genehmigung des Abschlusses eines Staatsvertrages sei kein Akt der Bundesgesetzgebung, sondern ein Akt sui generis. Zum Abschluss sei der Bundespräsident zuständig. Der Gesetzgeber habe diese Befugnis nicht.

In Bezug auf die Frage “Ist ein Beschluss des Nationalrates, womit ein allenfalls fehlerhafter An­trag auf Abhaltung einer Volksbefragung genehmigt wird, absolut nichtig, wenngleich das ge­samte Verfahren einschließlich der Fragestellung nach Artikel 141 B‑VG vom Verfassungsge­richtshof überprüft und gegebenenfalls gerügt werden kann?” in der Meinung, dass der Bun­despräsident eine verfassungswidrige Volksabstimmung nicht anordnen dürfe, ist es nach Auffassung von Universitätsprofessor DDr. Mayer richtig, dass der Verfassungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des Verfahrens prüfen kann, ebenso richtig sei jedoch, dass im Artikel 46 der Bundesverfassung das Verfahren für die Volksbefragung – dies ergebe sich aus dem Verweis im Artikel 49b – durch Bundesgesetz geregelt wird. Daher könne der Verfassungsgerichtshof überprüfen, ob eingehalten worden sei, was im Volksbefragungsgesetz vorgeschrieben ist. Er könne aber nicht unmittelbar überprüfen, ob ein Beschluss des Nationalrates verfassungskon­form ist. Dies habe daher der Bundespräsident zu prüfen.

Mit der von Vorrednerseite vertretenen Auffassung, dass der Bundespräsident dies nicht zu prüfen habe, würde der Verfassung unterstellt werden, ihr gemäß müsse der Bundespräsident auch dann, wenn er zu dem Ergebnis komme, dass ein Beschluss des Nationalrates verfas­sungswidrig ist, diesen Akt vollziehen und somit eine verfassungswidrige Verordnung erlassen. Eine solche Auffassung sei nicht vertretbar, zumal ja die Einschaltung des Bundespräsidenten irgendeinen Sinn haben müsse. Überdies könne man nicht davon ausgehen, dass der Bundes­präsident zwar eingeschaltet werde, aber überhaupt nichts zu überprüfen habe.

Im Verfassungsrecht, zumindest im geschriebenen Verfassungsrecht, sei auch keinerlei An­haltspunkt für die Auffassung zu finden, dass der Bundespräsident differenziert – schwere Mängel müsse er wahrnehmen, leichte nicht – zu prüfen habe.

Dem Abgeordneten Mag. Haupt antwortet Universitätsprofessor DDr. Mayer, er halte die Sank­tionen der 14 anderen EU-Mitgliedstaaten gegenüber Österreich für einen groben politischen Fehler und für ungerechtfertigt. Etwas anderes freilich sei die Formulierung einer Frage für eine Volksbefragung. Es handle sich zweifellos um eine Suggestivfrage, wenn jemand die Auffas­sung vertrete, es sei etwas ungerechtfertigt, und einem Befragten dies in der Beantwortung unterstelle, indem er seine Wertung bereits in die Frage hineinlege. Die sei seine, Mayers, An­sicht, auch wenn Universitätsprofessor Dr. Lang mit unverkennbarem Aufwand versucht habe, das wegzudiskutieren.

Eine solche Suggestivfrage sei nicht dazu angetan, zum Vorschein zu bringen, was ein Befrag­ter wirklich sagen wolle. Denn jemand könne zum Beispiel die Meinung vertreten, die Sanktio­nen gegen Österreich seien zwar ursprünglich gerechtfertigt gewesen, mittlerweile jedoch unge­rechtfertigt und sollten daher beseitigt werden. Daher sei die in der Frage enthaltene Bewertung gänzlich überflüssig. Es solle dem Befragten überlassen bleiben, zu bewerten, ob die Sanktio­nen gerechtfertigt oder ungerechtfertigt seien.

Auf die Frage des Abgeordneten Schieder nach dem Gegenstand der Volksbefragung antwortet Universitätsprofessor DDr. Mayer, er halte diese Art der Volksbefragung für einen Missbrauch dieses Rechtsinstituts, und zwar deshalb, weil es offenkundig nicht darauf ankomme, ein not­wendiges Bundesgesetz vorzubereiten, sondern vielmehr darauf, Druck auf die Europäische Union oder auf die anderen 14 EU-Mitgliedstaaten zu erzeugen. Dies sei zwar verständlich, zumal deren Verhalten falsch und bedauerlich sei, aber gegen diese Art der Reaktion darauf müsse man sich wehren.

Die Volksbefragung sei ein wichtiges Instrument zur politischen Willensbildung im Vorfeld des Parlaments. Es gehe darum, in einer bestimmten Frage zu erfahren, was das Volk wolle. In diesem Fall aber werde etwas erfragt, was entweder ohnehin bereits geltendes EU-Recht sei, so etwa die Abgrenzung zwischen der europäischen Ebene und den Mitgliedstaaten – dass diese nicht klar sei und auch nicht so ohne weiteres an Klarheit gewinnen werde, sei ohnehin allge­mein bekannt, da es das Subsidiaritätsprinzip mit allen seinen Schwierigkeiten gebe – und die Aufforderung an die Europäische Union, sich an die Grundregeln des Rechtsschutzes und der Menschenrechte zu halten – dies stehe bereits im Artikel 6 des EU-Vertrages –, oder auf die Beantwortung einer Suggestivfrage hinauslaufe.

Die vorgesehen Art der Volksbefragung sei daher, auch wenn man sie unter Berücksichtigung des Spektrums juristischer Interpretationsmethoden – wie es in dieser Sitzung bereits sichtbar geworden sei – vielleicht als verfassungskonform bezeichnen könne, jedenfalls nicht im Sinne des Bundes-Verfassungsgesetzes. Sie habe auch bereits die Grenze zur Verfassungsmäßigkeit überschritten. Die Fragestellung sei für unzulässig zu erachten.

Die Frage, ob es zulässig sei, mehrere Fragen auf einmal zu stellen, beantwortet Universitäts­professor DDr. Mayer mit folgendem Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Der Verfassungsgerichtshof habe in einer bereits einige Jahre zurückliegenden Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Instrumente direkter Demokratie – auch Wahlen – dazu dienen sollen, den wahren Willen des Volkes zu zeigen, und dass Desinformationen unzulässig sein sollen. Infolge der Voraussetzung, dass die für diese Volksbefragung vorgesehenen Fragen nur mit “ja” oder “nein” beantwortet werden können, werde es unter Umständen viele Menschen geben, die weder “ja” noch “nein” sagen könnten. Denn man könne zum Beispiel dafür sein, dass die Sanktionen aufgehoben werden; hingegen sei die Beantwortung der Frage, ob sich die Einrichtungen der Europäischen Union an die Menschenrechte halten sollen, unmöglich, weil ihnen das ohnehin schon vorgeschrieben sei. Universitätsprofessor DDr. Mayer fügt hinzu, er halte dies für eine Frage, die er weder mit “ja” noch mit “nein” beantworten möchte.

Was die letzte Frage betrifft – ein rechtsstaatliches Verfahren bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Union in den EU-Vertrag aufzunehmen –, stellt Universitätsprofessor DDr. Mayer fest, dass er, solange niemand definiert habe, was diese Grundwerte seien, auch kein rechtsstaatliches Verfahren haben möchte, das deren Verletzung überprüfe. Denn solange nicht feststehe, was die Grundwerte seien, müsse die Stelle, welche die behauptete Verletzung überprüfe, gleichzeitig sagen, worin der Prüfungsmaßstab bestehe. Ein rechtsstaatliches Ver­fahren dafür sei nicht vorstellbar.

Die Frage des Abgeordneten Dr. Khol, ob auch ein Gesetzentwurf einer Volksbefragung unter­zogen werden könnte, beantwortet Universitätsprofessor DDr. Mayer damit, dass für diesen Zweck die Volksabstimmung vorgesehen sei. Eine Volksbefragung über einen Gesetzentwurf wäre dann nicht unzulässig, wenn dieser Gesetzentwurf einfach und klar genug wäre – indem er etwa nur eine Regelung enthielte –, um die Frage mit “ja” oder “nein” zu beantworten.

Unzulässig sei eine Volksbefragung jedoch dann, wenn es zur Vermischung verschiedener Dinge komme, zum Beispiel im Hinblick auf die Aufgabenteilung zwischen der europäischen Ebene und den Mitgliedstaaten sowie die Aufwertung der Regionen. Man könne für das eine oder das andere, für beides oder für nichts sein, aber es sei nicht möglich, diese Frage für sich allein zu beantworten. Dies könne nur im Verband mit allen anderen Fragen geschehen.

Was den Einfluss der Bundesregierung und des Bundespräsidenten auf den Beschluss des Nationalrates betrifft, müsse zunächst die Bundesregierung prüfen, ob ein Beschluss des Nationalrates vorliegt. Da dieser Beschluss von sonst niemandem unmittelbar überprüft werden könne, bedeute dies, dass schon die Bundesregierung überprüfen müsse, ob der Beschluss verfassungskonform ist.

Allerdings sei vorstellbar, folgenden Unterschied zwischen der Stellung der Bundesregierung und jener des Bundespräsidenten zu machen: Die Bundesregierung müsse den Teilakt des Vorschlags an den Bundespräsidenten jedenfalls setzen, der Bundespräsident jedoch müsse in vollem Umfang prüfen. Andernfalls würde, wie bereits festgestellt, der Verfassung unterstellt werden, sie verpflichte den Bundespräsidenten dazu, einen verfassungswidrigen Akt zu setzen. Dies sei unvereinbar mit der Stellung des Bundespräsidenten.

Universitätsprofessor DDr. Mayer merkt an, er habe nie für einen starken Bundespräsidenten plädiert, aber er plädiere auch nicht für einen Bundespräsidenten, der nur Akten weiterzuleiten und überhaupt nichts zu überprüfen habe. Denn immerhin sei der Bundespräsident in direkter Wahl gewählt. Er brauche nicht selbst Verfassungsexperte zu sein oder das entsprechende juristische Wissen zu haben. Aber so, wie zum Beispiel Sicherheitsbeamte Beurteilungen über Eingriffe in Grundrechte vorzunehmen hätten, ohne Juristen zu sein, werde auch der Bundes­präsident in der Lage sein, sich das entsprechende Wissen zu besorgen, nicht anders, als alle anderen Behörden dies im Notfall zu tun hätten.

Universitätsprofessor Dr. Theo Öhlinger stellt in Bezug auf die erste der schriftlich vorge­legten Fragen fest, es verstehe sich von selbst, dass Zielsetzungen der EU-Reform und die österreichische Mitwirkung dabei Fragen von gesamtösterreichischer und grundlegender Bedeu­tung seien. Es sei daher klar, dass diese Frage mit Ja zu beantworten sei.

Die Beantwortung der zweiten und dritten Frage fasse er zusammen, weil er in diesen Fragen kein kompetenzrechtliches Problem erblicke. Man brauche nicht auf Artikel 23e B‑VG allein einzugehen, sondern es gehe in der Formulierung, dass sich die Volksbefragung auf einen Gegenstand beziehen müsse, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig sei, primär um die Abgrenzung zur Landesgesetzgebung. Der gesamte Artikel mache dies deutlich.

Auswärtige Angelegenheiten seien Bundessache in Gesetzgebung, die Sanktionen seien eine Sache der auswärtigen Beziehungen und allein schon damit Bundessache in Gesetzgebung, und damit sei der Bundesgesetzgeber zuständig.

Was die Genehmigung eines Staatsvertrages anlangt, sei der Abschluss von Staatsverträgen eine Bundessache in Gesetzgebung. Die Auffassung, dass dies kein Akt des Bundesgesetz­gebers sei, könne nicht geteilt werden. Zwar handle es sich nicht um einen Akt der formellen Bundesgesetzgebung, aber der Text von Artikel 49 B‑VG spreche von der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, und dies sei der Nationalrat. Die Genehmigung von Staatsverträgen sei eine Sache des Nationalrates, wenn sie gesetz- oder gar verfassungsändernden Inhalt haben, und dies sei im vorliegenden Fall zweifellos gegeben.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger stellt fest, er beantworte die zweite und dritte Frage zu­sammenfassend damit, dass darin kein kompetenzrechtliches und kein wirkliches Problem zu erblicken ist.

Hinsichtlich der vierten Frage stimme er der zuvor geäußerten Meinung der Universitätsprofes­soren Dr. Haller und Dr. Lang zu, dass der Bundespräsident keine Prüfungsbefugnis hat, die über evidente Verfassungswidrigkeiten hinausgeht. Schon aus der systematischen Stellung im Kapitel über den Nationalrat heraus sei das Instrument der Volksbefragung als ein Instrument des Nationalrates zu verstehen. Im § 49b B‑VG heiße es dazu eindeutig: “Eine Volksbefra­gung ... hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies ... beschließt.” Der Bundespräsident sei daher verpflichtet, eine von der Mehrheit des Nationalrates beschlossene Volksbefragung anzu­ordnen. Zwar sei es eine berechtigte Frage, warum ein so hochrangiges Organ wie der Bundes­präsident zu einer primär exekutiven Aufgabe eingeschaltet werde, aber es sei dies ein Faktum.

Aus dem Faktum allein könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Bundespräsident der Korrektor des Nationalrates zu sein habe, und zwar vor allem auch deshalb, weil sich das Rechtsschutzproblem gerade dann erst stelle. Es gebe dann keine Möglichkeit, das Nicht­handeln des Bundespräsidenten irgendwo überprüfen zu lassen.

Die Volksbefragung könne angefochten werden. Dass dies erst möglich sei, nachdem sie be­reits stattgefunden habe, und dass man eine politisch höchst fragwürdige Volksbefragung damit nicht verhindern könne, ändere nichts an der Tatsache, dass es sich um ein Instrument des Nationalrates handle und dass eine Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof, auch wenn sie in politischer Hinsicht zu spät kommen könne, rechtlich möglich sei.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger plädiert daher für die Auffassung, dass der Bundespräsident eine Volksbefragung anzuordnen habe, wenn er festgestellt habe, dass eine Frage vorliege, auf die eine Antwort mit “ja” oder “nein” möglich sei – dies habe er selbstverständlich zu prüfen –, und dass eine Mehrheit des Nationalrates den Beschluss darüber gefasst habe. Universitätspro­fessor Dr. Öhlinger spricht sich dagegen aus, ein Instrument des Parlamentarismus zu verfäl­schen in ein Instrument, über das nicht mehr der Nationalrat verfügen würde. Dies gelte auch dann, wenn in einem konkreten Fall – hier würde er diese Meinung teilen – gravierende poli­tische Bedenken vorlägen.

Die vom Abgeordneten Dr. Kostelka aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen seien anhand des Textes der Bundesverfassung und anhand der Judikatur zu überprüfen. Zwar sei, wie vom Abgeordneten Mag. Haupt festgestellt, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Grazer Volksabstimmung auf diesen konkreten Fall bezogen, und jedes Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes sei rechtlich verbindlich nur für den jeweiligen konkreten Fall, aber es sei auch allen bewusst, dass solche Entscheidungen nicht beim nächsten Mal gleich wieder umge­stoßen werden. Gerade der österreichische Verfassungsgerichtshof gehe sehr stark von seiner jeweiligen Vorjudikatur aus. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Grazer Erkenntnis zwar vielleicht nicht in Details auf die jetzt geplante Volksbefragung anzuwenden sei; aber die grundsätzliche Aussage sei sehr wohl darauf anzuwenden.

Dies werde auch aus der Formulierung deutlich. Der Verfassungsgerichtshof habe wörtlich ausgeführt: “Gerade Einrichtungen der direkten Demokratie erfordern es, dass das Substrat dessen, was den Wahlberechtigten zur Entscheidung vorgelegt wird (sei es nun ein Gesetzes­antrag, ein Gesetzesbeschluss oder eine Frage), klar und eindeutig ist, damit Manipulationen hintangehalten und Missverständnisse soweit wie möglich ausgeschlossen werden können.”

Darin operiere der Verfassungsgerichtshof also mit – wie Universitätsprofessor Dr. Lang es ge­nannt habe – dem Wesen der direkten Demokratie. Er nenne als Beispiele Gesetzesanträge und Gesetzesbeschlüsse, die ein Gemeinderat nie fassen könnte, und mache damit deutlich, dass es um eine grundsätzliche Aussage zur direkten Demokratie geht. Diese Linie werde auch an der älteren Judikatur deutlich.

Wenn man die Kriterien von Artikel 49 B‑VG in Verbindung mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anlege, dann bedeute dies zunächst einmal, dass eine Frage vorliegen muss, die mit “nein” oder “ja” beantwortbar ist. In der Fragestellung des im Antrag 211/A enthaltenen Entwurfs, worin sechs verschiedene Fragen, zu denen man unter­schiedlicher Meinung sein könne, miteinander verquickt seien, liege keine Frage vor, die mit “nein” oder “ja” beantwortbar wäre.

Was eine eventuelle Aufteilung der Fragen betrifft, erachtet es Universitätsprofessor Dr. Öhlin­ger für zulässig, im Rahmen der Volksbefragung mehrere Fragen zu stellen, die jeweils mit “nein” oder “ja” beantwortbar wären. Die Beurteilung hänge davon ab, ob in der Formulierung im Artikel 49b B‑VG, die “Fragestellung ... hat entweder aus einer mit ‚ja‘ oder ‚nein‘ zu beantwor­tenden Frage” zu bestehen, das Wort “einer” als Zahlwort oder aber als unbestimmter Artikel aufgefasst wird. Universitätsprofessor Dr. Öhlinger spricht sich für die letztere Interpretation aus und weist darauf hin, dass es vor der Verfassungs-Novelle historische Beispiele für Volksbefra­gungen auf Länderebene gegeben habe, in denen jeweils verschiedene Fragen gestellt worden seien, etwa im Fall der Wiener Volksbefragung über eine Weltausstellung und ein Kraftwerk Freudenau. Wenn der Verfassungsgesetzgeber auf Bundesebene dies hätte ausschließen wollen, so hätte er deutlich auf eine solche Praxis reagiert.

Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Verfassungsgerichtshof dem Wort “einer” mehr Bedeutung als nur die eines unbestimmten Artikels zulegen könnte. Dies wäre jedoch nicht für richtig zu erachten. Mehrere voneinander getrennte Fragen seien zulässig. Nicht zulässig seien hingegen Fragen, die so verquickt wären, dass sie, wenn man dazu unterschied­liche Meinungen hätte, nicht mehr mit “ja” oder “nein” beantwortbar wären.

Bei dem Wort “Suggestivfrage” in dem Erkenntnis über die Grazer Volksbefragung handle es sich um eine Erfindung des Verfassungsgerichtshofes, dieses Wort stehe nicht im Text des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes. Es zeige sich daran, dass der Verfassungsgerichtshof nicht nur den Gesetzestext für sich interpretiere, sondern darüber hinaus aus dem Wesen der direkten Demokratie Anforderungen an die Fragen stelle und daraus ableite, dass Suggestiv­fragen nicht gestellt werden dürfen.

Genau dieselbe Überlegung sei denkbar für den Fall, dass es sich um Fragen handelt, die eigentlich nichts erfragen wollen. In dem zitierten Erkenntnis sowie auch in einer früheren Ent­scheidung habe der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass die Elemente der direkten Demokratie “der Erforschung des Willens” – im konkreten Fall jenes der Gemeindebürger – dienen. Die für die Volksbefragung geplante erste Frage werde aber sicherlich nicht gestellt, um etwas zu wissen, was man bisher nicht gewusst habe. Universitätsprofessor Dr. Öhlinger stellt fest, man wisse bereits, wie die Österreicher – ihn selbst eingeschlossen – in überwältigender Mehrheit über die Sanktionen dächten: dass sie ungerechtfertigt sind, dass sie rechtswidrig sind und so weiter. Daher handle es sich bei dieser Frage um eine Scheinfrage.

In Analogie zu dem zitierten Grazer Erkenntnis sei eine in sich konsistente Argumentation vor­stellbar, wonach solche Scheinfragen, die nicht den Willen des Volkes erfragen wollten, sondern etwas anderes intendierten, nämlich Druck auf andere Staaten auszuüben, nicht zulässig seien.

Der Verfassungsgerichtshof fordere auch, dass die Fragen “klar und eindeutig” sein müssen. Daran, welche Frage der Verfassungsgerichtshof bereits nicht mehr als klar und eindeutig ange­sehen habe, scheine sich zu erweisen, dass er von der Intelligenz der Staatsbürger nicht die allerhöchste Meinung habe. Eine doppelte Verneinung in einem Satz habe er für zu kompliziert erachtet. Universitätsprofessor Dr. Öhlinger fügt hinzu, vor dem Hintergrund der politischen Debatte würde er diese Entscheidung für problematisch halten. Aber sie sei der Maßstab, an dem auch die jetzt vorliegenden Fragen zu messen seien.

Unter Anlegung dieses Maßstabs seien alle weiteren Fragen zur ersten Frage – zu deren Ver­fassungswidrigkeit bereits Stellung bezogen worden sei – nicht einfach und eindeutig im Sinne der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, vielmehr seien sie komplex und missver­ständlich.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger merkt zu der Frage, ob “alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflichtet werden sollen, die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte der Bürger einzuhalten”, an, dass diese Frage insbesondere dann, wenn man über die Euro­päische Union ein wenig Bescheid wisse und nicht jener uninformierte Staatsbürger sei, den der Verfassungsgerichtshof vor Augen habe, besonders mehrdeutig sei. Es frage sich, ob damit gemeint sei, dass dieser Zustand derzeit nicht bestehe, oder ob gemeint sei, dass Österreich sich für eine Vertragsänderung einsetzen solle, damit dieser Zustand gewährleistet werde.

Dieses Ausmaß an Unklarheit gelte im Grunde genommen für alle Fragen. Sie könnten gerade dann, wenn man etwas über die Europäische Union wisse, in einer Weise inhaltlich mehrdeutig aufgeladen werden, dass die von der Judikatur angelegten Kriterien nicht mehr erfüllt seien. Daher sei es auch nicht möglich, eine Änderung zu erreichen mit dem Vorschlag, das Wort “ungerechtfertigt” zu streichen. Auch dann bleibe es eine Scheinfrage und werde nicht zu einer Frage, die dazu diene, den Willen des Wählers zu erforschen. Durch solche kosmetischen Operationen würde die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt werden. Stattdessen müssten ganz andere Fragen gestellt werden.

Was die Frage nach den Einflussmöglichkeiten der Bundesregierung betrifft, verweist Universi­tätsprofessor Dr. Öhlinger auf seine Antwort hinsichtlich der Möglichkeiten des Bundespräsiden­ten und auf eine entsprechende Sichtweise.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt den Experten für ihre Stellungnahmen und erteilt in der zweiten Fragerunde dem Abgeordneten Dr. Khol als Erstem das Wort.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) dankt den Experten für die klaren und deutlichen Aus­künfte. In einer ersten Zusammenfassung lasse sich feststellen, dass die vier schriftlich vorge­legten Fragen von drei der Experten – nur Universitätsprofessor DDr. Mayer ausgenommen – relativ einheitlich beantwortet worden seien.

Tatsächlich handle es sich bei “Zielsetzungen der EU-Reform und der österreichischen Mit­wirkung dabei” um Fragen von gesamtösterreichischer und grundlegender Bedeutung; es sei die Abgabe einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG eine “Angelegenheit, zu deren Erledigung der Bundesgesetzgeber zuständig ist”; auch die dritte Frage sei in diesem Sinn beantwortet worden; und die Auffassung, dass absolute Nichtigkeit vorliege, sei von Universitätsprofessor DDr. Mayer vertreten worden, hingegen hätten die drei anderen Experten dem Bundespräsiden­ten eine Grobprüfung zugebilligt, nicht jedoch jene weitgehende Prüfung, für die sich Univer­sitätsprofessor DDr. Mayer ausgesprochen habe.

Was die Formulierung der Fragen betrifft, hätten die Experten unterschiedliche Meinungen vertreten. Mit Bezug auf die Stellungnahmen der Universitätsprofessoren Dr. Öhlinger und DDr. Mayer weist Abgeordneter Dr. Khol darauf hin, dass in puncto Verständlichkeit beachtet werden müsse, wie die Frage tatsächlich lautete, die der Verfassungsgerichtshof in dem er­wähnten Erkenntnis für nicht verständlich erachtet hat. Es sei dies die folgende Frage gewesen: Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?

Dabei handle es sich um eine schwierige Frage, und der Verfassungsgerichtshof habe seine Beurteilung ausdrücklich in Relation zu den Anforderung an derartige Fragen im Steiermär­kischen Volksrechtegesetz gesetzt. Diese müssten daher einer Befragung auf Gemeindeebene angemessen sein.

Abgeordneter Dr. Khol erwidert Universitätsprofessor Dr. Öhlinger, dass im Fall der geplanten Volksbefragung nicht von einer Scheinfrage gesprochen werden könne, da sehr wohl die Alter­nativen gegeben seien: Soll die Bundesregierung aktiv gegen die Sanktionen auftreten oder soll sie sie erdulden? – Die Grünen und ihre Wähler zum Beispiel seien der Auffassung, dass die Sanktionen in Wirklichkeit keine Sanktionen seien und nur die Bundesregierung, nicht aber die Bevölkerung treffen würden, sodass nicht weiter darüber gesprochen werden solle. Daher stehe tatsächlich in Frage, ob die Bundesregierung aktiv dagegen auftreten solle oder nicht.

Abgeordneter Dr. Khol gibt Universitätsprofessor DDr. Mayer auch zu bedenken, dass mit der Frage danach, ob “alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflichtet werden sollen, die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte der Bürger einzuhalten”, eine ein­deutig formulierte Feststellung, die ins Herz der derzeitigen Verfassungsdebatte in Europa treffe, als Teil der für die Volksbefragung vorgesehenen Frage vorliege. Der Grundrechtskonvent, dem von österreichischer Seite die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Einem und Dr. Ofner, der Abgeordnete zum Europäischen Parlament Voggenhuber und der frühere Zweite Präsident des Nationalrates Dr. Neisser angehören, arbeite an einem Grundrechtskatalog, der zugleich ein Grundwertekatalog sei. Im Hauptausschuss seien die Formulierungen bis Artikel 30 bereits ein­mal besprochen worden, und im Lauf dieses Jahres würden die noch offenen Formulierungen ebenfalls besprochen werden.

Wie umstritten die Kernfragen derzeit seien, erweise sich etwa an der von Großbritannien und Frankreich vertretenen Ansicht, dass diese Grundrechtecharta entsprechend der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen eine unverbindliche Entschließung sein solle. Andere Länder – zu ihnen werde hoffentlich auch Österreich gehören, wenn es zu einer entsprechenden Festlegung gelangt sein werde – würden dafür eintreten, dass Europäische Kommission, Ministerrat und Europäisches Parlament konkret an diesen Grundwertekatalog gebunden werden und daher Organklage beim Europäischen Gerichtshof erheben können.

Auf einer solchen Grundlage hätte beispielsweise gegen EU-Präsident Guterres nach dessen Abgabe einer entsprechenden Stellungnahme als Vorsitzender des Europäischen Rates wegen Verletzung des Grundsatzes “audiatur et altera pars” Klage eingereicht werden können. Derzeit jedoch sei dies nicht möglich. Somit handle es sich um eine zur Entscheidung anstehende enorm wichtige Frage, die weit über die Tagesbedeutung hinausgehe. Mit dieser Frage werde die Europäische Union noch lange beschäftigt sein, so auch im Rahmen der Konferenz von Nizza.

Hinsichtlich der Frage nach einem “rechtsstaatlichen Verfahren bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Union mit richterlicher Kontrolle” habe Österreich einen Vorschlag unterbreitet, den der Hauptausschuss mit einer bindenden Stellungnahme der Bundesregierung zur Verwirk­lichung aufgetragen habe. Abgeordneter Dr. Khol bezeichnet es als Zwischenerfolg, dass dieses Anliegen offenbar in die Regierungskonferenz aufgenommen werden wird, sodass dort zur Debatte stehen werde, ob es ein solches Verfahren geben solle oder nicht.

Es sei dies ein umstrittenes Element der europäischen Grundwerteordnung, weil es Länder gebe, die in ihrem jeweiligen Bereich relativ viele Verletzungen der Grundwerte zu vertreten hätten. Dies habe sich auch am Beispiel des kürzlich erschienenen Berichtes des Europarates über Rassismus gezeigt. Die betroffenen Länder hätten kein Interesse daran, die Möglichkeit zu schaffen, dass solche Angelegenheiten vor dem Europäischen Gerichtshof releviert werden können.

Österreich habe versucht, das Subsidiaritätsprinzip im Sinne des Auftrages der Verfassung als Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Ebenen – europäischer Ebene, Landesebene, regio­naler Ebene – zu interpretieren. In dieser Hinsicht liege auch ein Beschluss des Deutschen Bun­desrates vor, der die deutsche Bundesregierung verpflichtet habe, diese Frage bei der nächsten Regierungskonferenz verbindlich vorzulegen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, Gabriel, habe bis vor kurzem die Zustimmung des Landes Niedersachsen zur Regierungskonferenz mit eben jener Frage, die wortwörtlich in den Beschlussprotokollen des Bundesrates enthalten sei, junktimiert.

Es gehe daher um konkrete Verfassungsfragen, die ins Herz der europäischen Verfassungsdis­kussion zielen würden. Dies gelte auch für die Frage der Grundwerte; sie seien mit diesen Maßnahmen ebenfalls angesprochen. Abgeordneter Dr. Khol ersucht Universitätsprofessor Dr. Öhlinger und Universitätsprofessor DDr. Mayer um Stellungnahmen zu diesen Fragen.

Dankbar äußert sich Abgeordneter Dr. Khol für die Anregungen hinsichtlich der Verwendung des Wortes “ungerechtfertigt” im Zusammenhang mit “Sanktionen” sowie für die Empfehlung, das Anliegen klarer als Frage zu formulieren und mit Zielsetzungen zu operieren, ohne in der Substanz etwas zu ändern.

Obmann Dr. Heinz Fischer äußert sich – bevor er auf seine eigenen Fragen als Mitglied des Hauptausschusses zu sprechen kommt – zustimmend zu dem Befund, dass es sich bei den für die Volksbefragung geplanten Fragen um wichtige Verfassungsfragen handelt, die in das Herz der europäischen Grundwertediskussion hineinreichen. Aber eben deshalb sei es nicht möglich, diese verschiedenen Verfassungsfragen mit einem Einheits-Ja oder ‑Nein zu beantworten.

Universitätsprofessor Dr. Haller habe die interessante Frage aufgeworfen, ob die Bundesregie­rung oder der Nationalrat jener Adressat sein solle, dem gegenüber gefordert werde, die Erfül­lung der Anliegen dieses Volksbegehrens sicherzustellen. Aber noch mehr von Interesse sei der Einschub, dass diese Sicherstellung “mit allen geeigneten Mitteln” erfolgen solle, denn es gebe große Auffassungsunterschiede darüber, was unter “allen geeigneten Mitteln” zu verstehen sei. Daher sei es nicht möglich, mit dieser Formulierung einen klaren Handlungsauftrag zu erteilen. Vielmehr werde nach Vorliegen des Ergebnisses dieser Volksbefragung erst recht in Frage stehen, was “alle geeigneten Mittel” seien. Dies sei eine entscheidende Frage, weil das Instru­ment der Volksbefragung eben dazu diene, eine Entscheidungshilfe zu geben.

Ferner habe Universitätsprofessor Dr. Haller in seiner Stellungnahme auf die Verwendung des Wortes “ungerechtfertigt” Bezug genommen und gemeint, dieses Wort könne sowohl entfallen als auch im Text stehen bleiben, denn wer die Sanktionen nicht für ungerechtfertigt halte, müsse eben mit “nein” stimmen. Das Problem bestehe aber darin, dass jemand, der die Sanktionen nicht für ungerechtfertigt hält, mit “nein” zu stimmen hätte, auch wenn er alle anderen Fragen gerne mit “ja” beantworten möchte.

Der Vergleich mit der Auswahl zwischen mehreren Verkehrsmitteln treffe nicht zu, weil der Ver­fassungsgesetzgeber und der Verfassungsgerichtshof eben von der Voraussetzung ausgehen würden, dass eine klare und einfache Entscheidung möglich ist.

Obmann Dr. Fischer weist darauf hin, dass er gemeinsam mit dem früheren Abgeordneten Dr. Graff im Dezember 1987 den Initiativantrag zu der angesprochenen Verfassungsänderung einbrachte. Er berichtet, dass damals nicht die Absicht bestanden habe, irgendwelche landesge­setzlichen Vorschriften auf die Bundesebene zu übertragen. Vielmehr sei damals beabsichtigt gewesen, das Problem zu lösen, dass in einer Reihe von sehr großen, zum Teil mit Gesetzge­bungsakten verbundenen Projekten – vom Allgemeinen Krankenhaus Wien bis hin zum Kraft­werksbau nahe Hainburg – die Bevölkerung erst am Schluss zur Entscheidung per Volksab­stimmung aufgerufen wurde, nachdem für diese Projekte bereits viel Geld ausgegeben worden war. Im schlechtesten Fall sei es zu einem “Nein” gekommen, nachdem bereits 12 Milliarden Schilling investiert worden waren.

Um dies zu vermeiden, sei damals die Schaffung eines Instruments in die Wege geleitet wor­den, das dazu geeignet ist, bereits in einem frühen Stadium vor einer politischen Entscheidung Zustimmung oder Ablehnung zu einer wichtigen Sache im Bereich der Bundesgesetzgebung klar festzustellen. Aus diesem Grund würden Klarheit und Eindeutigkeit eine große Rolle spielen.

In Bezug auf die zweite der von den Abgeordneten Ing. Westenthaler und Dr. Khol schriftlich vorgelegten Fragen – “Ist die Abgabe einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG eine ‚Ange­legenheit, zu deren Erledigung der Bundesgesetzgeber zuständig ist‘?” – stellt Obmann Dr. Fischer fest, diese Frage sei zwar mit ja zu beantworten, aber im Hinblick auf die fünfte der für die Volksbefragung vorgesehenen Teilfragen – dass “alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflichtet werden, die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte der Bürger einzuhalten” – sei die Frage zu stellen, ob es sich dabei um ein Vorhaben handle, “das durch Bundesgesetz umzusetzen ist oder das auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist”.

Obmann Dr. Fischer fügt hinzu, er lese diese Teilfrage so, dass keine neuen Regeln zu schaf­fen, sondern “die” – mit bestimmtem Artikel – “Grundregeln des Rechtsstaates und der Men­schenrechte der Bürger einzuhalten” sind. Dies wünsche er sich auch in Griechenland, Frank­reich, Irland und überall. Dabei stelle sich jedoch die Frage, ob es sich um ein Vorhaben im Sinne des Artikels 23e handeln könne und ob es gerechtfertigt wäre, diesen Punkt in die Volks­befragung aufzunehmen. Somit laute die Frage darauf, ob der österreichische Bundesgesetz­geber garantieren oder mit allen Mitteln darauf hinwirken könnte, dass die Grundrechte zum Bei­spiel in Irland einzuhalten sind. Die Experten mögen auch zu diesem Punkt Stellung beziehen.

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) dankt den Experten für die Klarstellungen. Die Aussagen der Universitätsprofessoren Dr. Haller, Dr. Lang und Dr. Öhlinger hinsichtlich der vier schriftlich vorgelegten Fragen seien in einem Ausmaß übereinstimmend gewesen, dass sich – von extrem rechtspositivistischen Bewertungen sowie von entsprechenden Differenzierungen wie etwa jener zwischen Bundesgesetzgeber und Verfassungsgesetzgeber abgesehen – ein klar abgerundetes Bild habe gewinnen lassen.

Insgesamt drei Punkte seien in Frage gestellt worden und einer näheren Analyse bedürftig. In Bezug darauf, dass Unsicherheit darüber bestehe, ob es sich um eine Suggestivfrage handle, sollte versucht werden, die Formulierung entsprechend zu verändern.

Abgeordneter Dr. Fasslabend stellt hinsichtlich der Frage nach der Rechtsstellung und den Mög­lichkeiten des Bundespräsidenten fest, er habe immer die Ansicht vertreten, dass der Bundes­präsident eine starke Rechtsstellung habe und haben sollte. Einzelbestimmungen dürften jedoch nicht isoliert, sondern müssten im Zusammenhang betrachtet werden. Denn die Kompetenzen des Bundespräsidenten im Bereich der Verfassung sowie auch die Schwergewichte seien inzwi­schen bereits relativ stark ausgewiesen. Die stärkste Stellung des Bundespräsidenten habe sich zuletzt in Bezug auf die Regierungsbildung gezeigt, auch nach dessen persönlicher Beurteilung, die weit über die Beurteilung früherer Bundespräsidenten hinausgegangen sei. Trotzdem habe er eine Bundesregierung angelobt, ohne dass diese in allen Facetten sein persönliches Ver­trauen habe gewinnen müssen. Daraus könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass im Hinblick auf die Position des Bundespräsidenten keine Überinterpretation vorgenommen werden sollte.

Am schwierigsten zu beantworten sei, wie in der Volksbefragung die Fragestellung zu lauten habe. Bei der ersten Frage handle es sich mit Sicherheit nicht um eine Scheinfrage. Würde dies behauptet werden, so müsste auch gesagt werden, dass Wahlen zu gesetzgebenden Körper­schaften überflüssig wären, sofern eine ausreichende Anzahl von Meinungsbefragungen vorläge.

Selbstverständlich sei diese Frage – wie auch alle anderen Fragen – nur Teil einer Gesamt­frage. Dahinter stehe, wie aus dem Text klar hervorgehe, der Wunsch eines kleinen Landes, dass seine Rechtsstellung jetzt und in Zukunft gewahrt bleibt und dass entsprechende Maßnah­men unternommen werden. Dies gehe aus jeder einzelnen Frage zielorientiert hervor.

Daher liege bei dieser Volksbefragung eine wesentlich höhere Homogenität vor, als dies etwa bei jeder einzelnen Wahlentscheidung der Fall sei. Denn es gebe wahrscheinlich niemanden, der zu allen Personen, allen Programmpunkten und jeglichem Handeln einer politischen Partei in sämtlichen Bereichen umfassend “ja” sagen würde.

Von der Fragestellung eine Minimierung zu verlangen, sodass lediglich ein ganz kleiner Teil ausgespart wäre, würde dem Instrument der Volksbefragung sogar zuwiderlaufen. Denn damit, dass der Bundespräsident die entsprechende Anordnung zu treffen hat und dadurch – wie von Universitätsprofessor Dr. Öhlinger festgestellt – eine besondere Wertigkeit gegeben ist, sei klargestellt, dass diese Wertigkeit auch entsprechend eingebracht werde. Diese Wertigkeit bringe es fast automatisch mit sich, dass hinter Einzelfragen komplexere Inhalte stehen, auch wenn Homogenität in der Grundfrage vorhanden sei.

Auch in anderen Bereichen, etwa im Fall der Eheschließung, seien Entscheidungen über komplexe Sachverhalte mit “ja” oder “nein” zu treffen. Dies reiche von Fragen des alltäglichen Zusammenlebens über Fragen der Wirtschaft bis hin zu jeder einzelnen politischen Entschei­dung im Sinne einer Wahl.

Daher sei hinsichtlich der geplanten Volksbefragung die Homogenität der Willensbildung oder der Absicht der Befragung eindeutig gegeben. Selbstverständlich seien die einzeln angeführten Fragen als Teile eines größeren Ganzen zu betrachten und zu bewerten.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) merkt einleitend an, die vier Fragen, die den Experten in dieser Sitzung schriftlich vorgelegt wurden, hätten ihn dem Duktus nach an die für die Volks­befragung vorgesehenen Fragen erinnert.

Es habe nie jemand in Frage gestellt, dass der Beschluss der 14 anderen EU-Mitgliedstaaten eine gesamtösterreichische Angelegenheit ist.

In der zweiten Frage gehe es in Wirklichkeit darum, ob es sich im Sinn von Artikel 49b – und nicht von Artikel 23e – um eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers handle. Denn Artikel 23e komme in dieser Hinsicht nicht wirklich zum Tragen.

Bisher sei noch nicht von einer systematischen Interpretation die Rede gewesen. In einer solchen Betrachtung wäre zu beachten, dass Artikel 49b vom Verfassungsgesetzgeber bewusst an das Ende von Abschnitt D der Bundesverfassung gestellt und im Abschnitt E nicht zitiert wurde. Die von drei der Experten geschlagene Brücke bestehe darin, dass es sich um eine Zu­ständigkeit zwar nicht der Bundesgesetzgebung, aber des Bundesgesetzgebers handle. Da jedoch im Artikel 50 bewusst nicht die Artikel 43 und 44 Abs. 3 zitiert werden – die direkt­demokratischen Instrumentarien, die mit der Bundesgesetzgebung verbunden seien –, stelle sich die Frage, warum man in diesem Zusammenhang das Fehlen von Artikel 49b einfach als vernachlässigungswürdig übergehe. Denn es wäre zu fragen, ob der Bundesverfassungsgesetz­geber in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich etwas habe aussagen wollen.

Der Bundesverfassungsgesetzgeber nehme ja – es sei eine andere Frage, ob dies heute noch in dieser Präzision gesehen werde – in aller Deutlichkeit eine Unterscheidung zwischen der Ge­setzgebung und dem Abschluss von Staatsverträgen vor. In dem einen Fall habe der Nationalrat volle konstitutive Verantwortung. In dem anderen Fall liege nicht einmal der Abschluss bei ihm, sondern habe er nur ein Genehmigungsrecht, ein Recht, das noch dazu systemwidrig nicht der Gesetzgebung, sondern – wie aus der Überschrift von Abschnitt E zu entnehmen sei – der Voll­ziehung des Bundes zugeordnet sei. Abgeordneter Dr. Kostelka qualifiziert dies als klare, sicher­lich auch aus historischer Sicht zu verstehende Unterscheidung zwischen Vollziehungszustän­digkeit und Gesetzgebungskompetenz des Nationalrates und erachtet es im jetzigen Zusam­menhang für wesentlich.

Was die für die Volksbefragung vorgesehenen Fragen betrifft, sei es im Grunde genommen außer Streit gestanden, dass diese Fragen am Maßstab des Grazer Erkenntnisses des Verfas­sungsgerichtshofes zu messen sind. Zwar sei davon nicht Wort für Wort anzuwenden, wohl aber komme es auf die grundsätzlichen Ausführungen an.

Hinsichtlich der Formulierung, dass “die von den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen Österreich ungerechtfertigt verhängten Sanktionen” sofort aufzuheben seien, be­stehe zwar auf jeden Fall politischer Konsens. Aber es sei die Frage zu stellen, ob mit dieser Zielsetzung nicht auch ein rechtliches Problem verbunden wäre.

Die Bundesregierung habe mit den rechtlichen Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang offensichtlich von Anfang an – seit 31. Jänner 2000 – massiv zu kämpfen gehabt. Einer der wesentlichsten Punkte des 17 Punkte umfassenden Aktionsprogramms der Bundesregierung bestehe darin, sich mit allen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln gegen diese Sanktionen zu wehren.

Aber bisher sei keine einzige Klage erhoben worden. Dazu sei es deshalb nicht gekommen, weil eine Klage einfach nicht möglich sei. Denn es gebe keine EU-rechtliche Bestimmung darüber, dass der eine Minister mit dem anderen zu reden habe. Dies sei zwar eine Selbstverständ­lichkeit, die dem Geist der Verträge entspreche, aber die Ebene, auf der miteinander zu reden wäre, oder die Unterstützung des einen Mitgliedstaats durch den oder die anderen sei positiv­rechtlich nicht einklagbar.

Daher sei nun die Frage zu stellen, auf welche Weise der erhobenen Forderung entsprochen werden sollte und wie etwas, zu dem der rechtliche Zugang nicht möglich sei, mit rechtlichem Instrumentarium bekämpft werden sollte.

Abgeordneter Dr. Kostelka erachtet es für nicht klar, ob die Fragesteller begriffen hätten, was sie mit der Formulierung in der zweiten der für die Volksbefragung vorgesehenen Fragen – dass “die Europäische Union als umfassende Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten allen Mit­gliedsländern die gleichen Rechte und Pflichten garantiert” – aussagen würden. Gemeint sei offensichtlich, dass es in dem Zusammenhang nicht zwei Klassen von EU-Mitgliedern geben soll.

Aber aus der Formulierung sei zu schließen, dass Österreich am Tag nach der Volksabstim­mung gegen das Schengener Übereinkommen und gegen den Euro anzutreten hätte. Denn im Grunde genommen gebe es in Europa nicht gleichberechtigte Staaten im Sinn des Wortlauts dieser Volksbefragung, weil einige Mitgliedstaaten dem Schengen- und dem Euro-Bereich angehören, andere aber nicht. Werde die Forderung der Volksbefragung wörtlich genommen – und dies werde der Fall sein müssen –, dann bedeute dies zumindest, es müsse der Rechts­bestand im Hinblick auf Schengen und den Euro bereinigt werden, und zwar in der Weise, dass alle oder keiner dem anzugehören hätten. (Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt um 15.02 Uhr den Vorsitz.)

Hinsichtlich der dritten Frage stellt Abgeordneter Dr. Kostelka fest, dass deren erster Teil zumin­dest missverständlich, wenn nicht irreführend sei, da in keinem der europäischen Staaten der Regierungschef in direkter Wahl gewählt werde. Es sei zu fragen, wie Rechte von politischen Parteien bejaht werden könnten, wenn diese nicht bekannt seien. Zwar könne ein Mindestbe­stand an demokratischen Rechten, also auch Rechte von politischen Parteien, formuliert wer­den. Aber wenn die erste Frage offensichtlich im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Situation in allen 15 Mitgliedstaaten formuliert werde, so stelle sich die Frage, was dann für den dritten Teil gelte.

Was die vierte Frage betrifft, gelte es in Betracht zu ziehen, dass seit dem Vertrag von Maastricht nicht nur eine Regelung im Primärrecht über die Zuständigkeit der Europäische Union und über die Zuständigkeit der einzelnen Staaten bestehe, sondern auch eine positiv­rechtliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EU-Recht in Kraft sei. Daher sei nicht zu verstehen, was mit der Frage nach einer klaren Aufgabenteilung gemeint sei. Gerade aus dieser Frage leuchte deutlich die Intention dieser Volksbefragung hervor, und diese deute in Richtung Suggestivfrage. Denn diese Frage wäre nur sinnvoll, würde man der Europäischen Union unter­stellen, sie entspreche nicht ihren eigenen Zielsetzungen, sodass sie mit der starken Hand des österreichischen Wählers auf den richtigen Weg zurückgeführt werden müsse. Dies sei für eine suggestive Fragestellung zu erachten.

Hinsichtlich der fünften Frage sei zu fragen, ob es nicht demokratiepolitisch problematisch wäre, eine mitten im Diskussionsprozess befindliche Charta, von der man weder die Rechtsqualität noch den Umfang kenne, einer solchen Fragestellung zu unterwerfen. Was noch keine Konturen angenommen habe, sei in einer Volksbefragung nicht abfragbar, weil darauf keine Antwort möglich sei.

Die sechste der vorgesehenen Fragen sei in diesem Zusammenhang wahrscheinlich noch die klarste.

Zusammenfassend hält Abgeordneter Dr. Kostelka fest, dass alle vier Experten aus nachvoll­ziehbaren Gründen Kritik an der geplanten Fragestellung geübt haben. Jeder einzelne von ihnen habe angeregt, Änderungen und Korrekturen vorzunehmen.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche) dankt den Experten für ihre Ausführungen. In drei der vertretenen Meinungen sei ein Grundkonsens feststellbar. Davon ausgenommen sei nur die Ansicht von Universitätsprofessor DDr. Mayer.

Dass in dessen Stellungnahme hinsichtlich der geplanten Volksbefragung von “Missbrauch” die Rede war, sei für eine gewagte These zu erachten. Denn als der Gesetzgeber im Jahr 1989 das Volksbefragungsgesetz beschloss, habe er sich dabei sicherlich etwas gedacht. Wenig abzuge­winnen sei daher einer Auffassung von Verfassungsrechtlern, wonach sich ein Thema, das Österreich seit Monaten bewegt habe, nicht für eine Volksbefragung eignen würde.

Abgeordneter Gaugg weist darauf hin, dass der Ausdruck “Druck gegenüber der EU” verwendet worden ist, und beantwortet dies mit der Anmerkung: “No na!” Um nicht die Sanktionen bis ans Ende der Tage über sich ergehen lassen zu müssen, ohne irgendwelche Maßnahmen zu ergrei­fen – in der Hoffnung, dass irgendwann irgendjemand irgendwo vielleicht doch noch “ein Ohr­waschl rühren” wird –, habe die politische Willensbildung in Richtung einer Volksbefragung akzeptiert zu werden.

Unter Bezugnahme auf die mehrfach verwendeten Worte “Menschenrechte” und “bestehende Gesetze” vertritt Abgeordneter Gaugg die Auffassung, dass sich die Europäische Union nicht an gegebenenfalls bestehende Gesetze über die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten hält. Sie verletze die Menschenrechte in der Form, dass allen anderen Mitgliedstaaten die bilateralen Beziehungen mit einem einzelnen Mitgliedstaat verboten werden, dass Bewerber aus diesem einzelnen Mitgliedstaat bei der Besetzung von internationale Positionen nicht unterstützt werden und dass aus diesem Staat kommende Mitglieder von Kommissionen abberufen werden.

Diese Maßnahmen seien ausreichend, um darüber eine Volksbefragung durchzuführen. Auch der Abgeordnete Dr. Kostelka habe in seinen Ausführungen letztlich eine Stellungnahme pro Volksbefragung abgegeben. Denn diese stelle eine Möglichkeit dar, um Druck auszuüben, damit die Sanktionen beendet werden.

Abgeordneter Gaugg fragt, welche anderen Möglichkeiten – wenn die Beschreitung des Klage­wegs nicht möglich sei – noch zur Verfügung stünden, als das Büßergewand anzuziehen und abzuwarten oder eventuell einen Austausch der Wähler vorzunehmen. Die Regierungsbildung sei ja immer wieder in Frage gestellt worden, und der Sanktionsbeschluss vom 31. Jänner 2000 ziele darauf ab, einer in einer Nationalratswahl demokratisch gewählten Partei die Regierungs­beteiligung zu verbieten.

Von dieser Ausgangslage her stellt Abgeordneter Gaugg die Frage, ob die Sanktionen durch be­stehende Gesetze gerechtfertigt seien und – wenn dies nicht der Fall sei – welche Alternativen zu einer Volksbefragung bestünden.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) stellt fest, es gebe offenbar vor allem zwei Problem­bereiche, die das Vorhaben Volksbefragung ernsthaft in Schwierigkeiten bringen könnten, näm­lich die Fragen selbst sowie die mögliche Rolle des Bundespräsidenten.

Es habe sich gezeigt, dass es nach Ansicht von “etwa dreieinviertel Experten” mit den Fragen in der vorgesehenen Form nicht gehen dürfte. Zwei hätten sich ablehnend geäußert, einer habe von einer unklaren Situation und von der Möglichkeit, dass es nicht gehen könnte, gesprochen, und einer habe einen Einwand gegen die Verwendung eines bestimmten Wortes geäußert, im Übrigen aber positiv Stellung bezogen. Dies stelle ein eindeutiges Votum dar.

Abgeordneter Dr. Pilz fragt, ob ein Teilnehmer der Volksbefragung, der Verständnis für die Maß­nahmen hätte, deshalb auch gegen gleichberechtigte Partnerschaft, gegen das Grundrecht auf freie Wahl der Regierung, gegen die Rechte demokratischer Parteien, gegen die Einrichtungen der direkten Demokratie, gegen die Einhaltung der Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte sowie gegen rechtsstaatliche Verfahren bei Verletzung von Grundwerten stimmen müsste. Diese heikle Frage ergebe sich daraus, dass die Antwort auf die Frage eins keine Wahlmöglichkeiten bei den anderen Fragen zulasse.

Abgeordneter Dr. Pilz fragt, welche Bedeutung es habe, wenn jene Minderheit von Bürgern, die nicht mit “ja” auf die Frage eins antworten wolle, gezwungen werde, gegen alle Grundwerte und Grundrechte nicht nur der Europäischen Union, sondern auch der Republik Österreich in der EU zu stimmen. Es stelle sich damit überdies die Frage, ob es überhaupt Absicht der Regie­rungsmehrheit sein könne, Menschen in eine derartige Situation zu zwingen.

Nicht wenige Menschen würden zudem ein großes politisches Problem damit haben, die zur Verfügung stehenden Mittel mit der bevorstehenden EU-Reform in Zusammenhang zu bringen und ein entsprechendes Junktim herzustellen. Selbst dann, wenn sie für die Aufhebung der Sanktionen wären, bestünde die Möglichkeit, dass sie zugleich gegen eine eindeutige Junktimie­rung dieses Ziels mit der EU-Reform wären. Dann wäre ihnen eine Zustimmung nicht möglich, weil sie ein Votum vermeiden wollten, mit dem der österreichischen Bundesregierung möglicher­weise ein Auftrag erteilt werden könnte, die Reform zu blockieren, wenn dem in der Fragestel­lung verwendeten Begriff “sofort” nicht Rechnung getragen würde.

Abgeordneter Dr. Pilz fragt, wie die Experten die Situation qualifizieren würden, dass jemand ge­zwungen wäre, zur Vermeidung eines Junktims mit “nein” zu stimmen und damit Stellung gegen die genannten Ziele zu beziehen.

Was die Position des Bundespräsidenten betrifft, sei nicht mehrheitlich die Meinung vertreten worden, bei Verdacht auf Verfassungswidrigkeit habe der Bundespräsident die Verpflichtung, die Volksbefragung nicht zustande kommen zu lassen.

Der Bundespräsident habe gemäß Bundesverfassung eine Reihe von Pflichten, unter anderem die Ernennung von Bundesministern nach Artikel 70 Abs. 1. Bis zur Bildung der jetzigen Bun­desregierung sei öffentlich unbestritten gewesen, dass der Bundespräsident einen vom Bundes­kanzler unterbreiteten Vorschlag auf Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung zur Kenntnis nimmt und damit gleichsam einen Beurkundungsakt setzt.

Der derzeit amtierende Bundespräsident habe mit dieser Auffassung gebrochen. Er habe die Bundesverfassung in der Weise interpretiert, dass Artikel 70 Abs. 1 ihm das Recht gebe, die Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung bei persönlichen, politischen oder sonstigen Bedenken zu verweigern. Er habe von diesem Recht, dass ihm nach seiner Meinung zusteht, auch Gebrauch gemacht und die Ernennung von zwei Mitgliedern der Bundesregierung trotz vorliegendem Vorschlag verweigert.

Somit sei der Bundespräsident nicht nur seiner Ankündigung, ein aktiver Bundespräsident zu sein, gefolgt, sondern er habe dies auch auf Grund der Unterstützung dieser Grundhaltung von Seiten jener beiden Parteien, die seine Wahl empfohlen haben, getan. Denn diese beiden Parteien hätten selbst die Forderung nach einem starken Bundespräsidenten erhoben und in Dr. Klestil einen dafür geeigneten Kandidaten gesehen.

Damit, dass Bundespräsident Dr. Klestil von seinem Recht nach Artikel 70 Abs. 1 zur der Ernen­nung von Mitgliedern der Bundesregierung Gebrauch gemacht hat, habe er klargemacht, dass es sich in diesem Fall um kein reines Beurkundungsrecht handelt. Gegen diese Amtsausübung seien keinerlei Maßnahmen ergriffen worden, vielmehr sei diese trotz politischer Proteste vom Nationalrat und von der Bundesregierung akzeptiert worden.

Damit stelle sich in Bezug auf § 2 Abs. 1 Volksbefragungsgesetz – darin laute die Formulierung nicht, wie im zuletzt erwähnten Fall, “hat zu ernennen”, sondern “ist anzuordnen” – die Frage, ob der Bundespräsident, analog zu seinem Verhalten als aktiver Bundespräsident bei der Regie­rungsbildung, auch da die Möglichkeit hätte, seine Rechte entsprechend wahrzunehmen. Der Bundespräsident könnte sich daher, wie von Universitätsprofessor DDr. Mayer ausgeführt, selbst die Frage stellen, ob er als Bundespräsident einen verfassungswidrigen Rechtsakt durch seine Unterschrift überhaupt zustande kommen lassen dürfte.

Wenn es den Experten nicht möglich wäre, diese Vorstellungen von einem aktiven Bundespräsi­denten – die Abgeordneter Dr. Pilz persönlich für nicht unproblematisch hält – zu teilen, stelle sich die Frage, welche Begründung sie dann für die völlig andere Interpretation des § 2 Abs. 1 des Volksbefragungsgesetzes im Vergleich zu Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz geben könnten.

Als Nächstes stelle sich die politische Frage, was in dem Fall geschähe, dass der aktive Bun­despräsident die Beurkundung nach § 2 Abs. 1 – was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei – verweigert. Abgeordneter Dr. Pilz fragt, was die für diese Volksbefragung Verantwortlichen dann zu tun gedächten: Würden sie die wenigen gegen den Bundespräsiden­ten und seine Amtsauffassung zur Verfügung stehenden Instrumente zum Einsatz bringen oder seien sie sich heute schon darüber klar, darauf verzichten zu wollen?

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) spricht sich dafür aus, jetzt nicht zu überlegen, was der Bundespräsident tun werde, sondern zu beurteilen, ob der Antrag 211/A der Abgeord­neten Dr. Khol und Ing. Westenthaler verfassungskonform sei und in dieser Sitzung beschlos­sen werden könne.

Die Antwort der Experten sei eindeutig ausgefallen: Keiner von ihnen habe den Antrag in der vorliegenden Form als akzeptabel bezeichnet. Vielmehr sei, was die Antragsteller vorgelegt haben, unbrauchbar und desaströs.

Die Experten hätten auch die Forderung erhoben, dass die Fragen klar und eindeutig sein sollen. Abgeordneter DDr. Niederwieser richtet an Universitätsprofessor Dr. Haller die Frage, was er unter den in der Frage eins angesprochenen Sanktionen verstehe: das, was Ende Jänner oder Anfang Februar beschlossen worden sei, oder das, was nach einer entsprechenden Weiterentwicklung heute vorliege.

Ferner stelle sich die Frage, was unter den in der Frage drei angesprochenen “einigen wenigen großen Staaten” konkret zu verstehen sei.

Im Hinblick darauf, dass “die Regionen aufgewertet werden” sollen, sei nicht klar, was darunter zu verstehen sei: ob etwa der Ausschuss der Regionen im Rahmen der europäischen Ver­fassung mehr Kompetenzen bekommen sollte oder ob vielleicht die jeweiligen Regionen in den Mitgliedstaaten – also in Österreich die Bundesländer und somit der Föderalismus – gestärkt werden sollten.

Mit Bezug auf die Formulierung “rechtsstaatliches Verfahren bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Union mit richterlicher Kontrolle” stellt Abgeordneter DDr. Niederwieser fest, er könne sich eine Verletzung von Grundwerten unter richterlicher Kontrolle nicht vorstellen. Ge­meint sei wohl ein Verfahren unter richterlicher Kontrolle, wenn Grundwerte verletzt werden. Die vorliegende Formulierung jedoch sei zweideutig und nicht einmal Deutsch. Somit sei zu fragen, wie jemand zu der Auffassung gelangen könne, dass in diesem Antrag klare und eindeutige Fragestellungen vorlägen.

Abgeordneter DDr. Niederwieser fügt hinzu, es sei zu erwarten, dass die Experten die von ihm gestellten Fragen einzeln beantworten werden. Schöner aber wäre es, würden sie einfach nur mit “ja” oder “nein” antworten.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) stellt einleitend fest, dass er seine Fragen nicht aus der Sicht eines Verfassungsrechtlers, sondern aus jener des einfachen Volkes stelle. Er weist darauf hin, dass von den 14 anderen EU-Mitgliedstaaten behauptet wird, die Sanktionen würden sich nur gegen die Regierung und nicht gegen das Volk richten, und führt dazu aus, er habe in den letzten Monaten von Abgeordneten aus Deutschland, Irland, Frankreich und Italien gehört, dass dort in den Medien vorwiegend die in Österreich stattfindenden Demonstrationen gezeigt würden. Dadurch entstehe dort der Eindruck, die jetzige Bundesregierung sei gegen den Willen des Volkes zustande gekommen.

Abgeordneter Schwarzenberger fragt, warum man angesichts dieser Situation nicht das Volk be­fragen dürfe, um sozusagen eine offizielle, nicht nur von Meinungsforschern erhobene Meinung des Volkes zu diesen Sanktionen festzustellen und das Ergebnis den anderen EU-Mitglied­staaten darzulegen.

Abgeordneter Schwarzenberger fragt weiters, ob überhaupt eine Möglichkeit bestehe, Sanktio­nen gegen die Regierung von solchen gegen das Volk zu trennen. Dazu nennt er zwei Beispiele. Wenn es in Bezug auf den Transitvertrag nicht möglich sei, bilaterale Verhandlungen mit Deutschland oder Italien zu führen, weil es keine solchen Gespräche zwischen den Ministern geben dürfe, oder wenn sich die tschechische Seite bei der Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Temelin darauf berufe, dass sie wegen der Sanktionen keine direkten Kontakte zu österrei­chischen Regierungsmitgliedern aufnehmen dürfe, so sei davon auch das Volk in Österreich betroffen, weil es Angelegenheit der Bundesregierung sei, dessen Interessen in Europa zu ver­treten und dessen Lage womöglich zu verbessern.

Was die Fragestellung betrifft, sei zu beachten, dass es sich auch im Fall der Volksabstimmung vor dem EU-Beitritt um eine Güterabwägung handelte und keine Möglichkeit der Abstimmung über einzelne Punkte bestand. Es habe damals sehr viele Teilnehmer gegeben, die im Fall der einzelnen Auflistung zu vielen Bereichen “nein”, zu manchen wiederum “ja” gesagt hätten. Mög­lich gewesen sei aber nur die insgesamt erfolgende Güterabwägung, eine politische Abwägung darüber, ob Österreich der Europäischen Union beitreten solle oder nicht.

Abgeordneter Schwarzenberger erinnert Universitätsprofessor DDr. Mayer daran, dass der frühere Bundespräsident Dr. Kirchschläger einst bei der Beschlussfassung über die Fristen­lösung öffentlich kundtat, er verstehe nicht, dass menschliches Leben bis zum 90. Tag keinen, vom 91. Tag an aber sehr wohl einen Schutz genießen darf, obwohl beim Übergang von dem einen zu dem anderen Tag keine große Veränderung stattfindet. Aber auch er habe als Bundes­präsident keine Möglichkeit gehabt, dieses Gesetz zu verhindern. Dies habe er damals in aller Öffentlichkeit erklärt.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) wirft den Regierungsparteien vor, sie würden sehr viel Zeit dafür benötigen, die Rechtstauglichkeit des für die Volksbefragung vorgesehenen Textes festzu­stellen. Dazu sei ein Experten-Hearing nötig, die Abgeordneten müssten stundenlang im Haupt­ausschuss darüber diskutieren – daran erweise sich, wie schwierig es für die beiden Parteien gewesen sei, überhaupt zu einem Text zu gelangen.

Es gehe über die legistische Klarheit des Textes hinaus auch um dessen inhaltliche Klarheit. Dem vorliegenden Text sei aber anzusehen, dass es sich um einen Kompromisstext zweier Par­teien handle, die den Versuch angestellt hätten, sich auf ein paar Punkte zu einigen. Dies sei überdies nur die freundliche Interpretation; die unfreundliche spräche von einer bewusst unkla­ren Formulierung, um möglichst viel an Carte blanche aus der Volksbefragung herauszuholen. Abgeordneter Dr. Cap fügt hinzu, genau dies sage er nicht, sondern er erblicke darin ein Ergeb­nis von Versuchen, einen entsprechenden Konsens herzustellen.

Mit besonderem Interesse habe er – als stiller, fast kulinarischer Beobachter – verfolgt, dass ein­gangs dieser Sitzung vier Fragen schriftlich vorgelegt wurden. Dies habe einen hohen Entmündi­gungsgrad gegenüber den Abgeordneten in den eigenen Fraktionen zum Ausdruck gebracht, sodass deren eigene Stellungnahmen nicht mehr von großer Bedeutung seien. Damit werde auch einiges über den Zustand der Regierungskoalition ausgesagt. Ein schärferes Klima sei dadurch entstanden, dass die Freiheitlichen auf eine in Umfragen erhobene Wählerzustimmung von mittlerweile 17 Prozent heruntergewirtschaftet wurden.

Abgeordneter Dr. Cap führt weiters aus, er habe mit großem Interesse die engagierten De­battenbeiträge der geladenen Experten angehört. Er vertrete nicht die Auffassung derjenigen, die sagen, sie würden zwar Analysen über die Rechtstauglichkeit abgeben, aber sie wollten sich der Aussagen über die Sinnhaftigkeit enthalten. Denn eine wertfreie, politikfreie Beurteilung sei nicht möglich. Wer sich mit solchen Fragen auseinander setze, müsse letztlich dazu auch Stellung beziehen.

Unter dieser Voraussetzung fragt Abgeordneter Dr. Cap alle vier Experten: Halten Sie die ge­plante Volksbefragung und diesen Volksbefragungstext für hilfreich, um die Sanktionen und Maßnahmen endlich wegzubekommen? – Denn auch die Experten seien Bürger und könnten in die Lage geraten, im Rahmen dieser Volksbefragung mit “ja” oder “nein” abstimmen zu müssen, sodass die Frage nach ihrer Meinung über die Sinnhaftigkeit legitim sei.

Die entscheidende Frage sei tatsächlich darin zu erblicken, ob das vorgesehene Instrumenta­rium jetzt hilfreich sei, um die Sanktionen wegzubekommen. Wenn der Text auf Grund der Kom­promissprobleme an Klarheit zu wünschen übrig lasse, wenn stundenlang darüber diskutiert werden müsse, ob die Rechtstauglichkeit überhaupt gegeben sei, und wenn die vielen kritischen Kommentare in der Öffentlichkeit sowie die Reaktionen in der Europäischen Union in Betracht gezogen würden, dann stelle sich immer stärker die Frage, ob dieses Instrumentarium hilfreich sei.

Bei allem glühenden Bekenntnis zum Instrument der parlamentarischen und direkten Demo­kratie sei festzuhalten: Letztlich würden alle gemeinsam das Ziel erreichen wollen, dass diese Sanktionen nicht mehr bestehen, und daher werde über Lösungsmöglichkeiten nachgedacht. Aber gerade der jetzige Zeitpunkt – da “drei Weise” gesucht werden – sei nicht günstig dafür, die Absicht zur Abhaltung einer Volksbefragung zu präsentieren; sofern dies überhaupt ein Instrumentarium darstellen könnte, das für Österreich hilfreich wäre.

In Bezug auf die vorgesehenen Fragen verweist Abgeordneter Dr. Cap auf einen kritischen Kommentar im neuesten “Format” unter dem Titel “Vom Musterschüler zum EU-Skeptiker” und stellt die Frage, was unter der Formulierung “geeignete Mittel” eigentlich zu verstehen sei. Denn eine Bundesregierung werde ohnehin dazu gewählt, mit geeigneten Mitteln Politik zu machen. Nunmehr würde die Bundesregierung mittels ihrer Regierungsparteien die Bevölkerung darüber befragen lassen, ob sie mit geeigneten Mitteln Politik machen solle. Daher sei diese Formulie­rung nicht ganz verständlich; es sei denn, die Regierung würde sich fragen, ob sie mit unge­eigneten Mitteln versuchen solle, dieses Problem zu lösen.

Daraus, dass statt von “Mitteln” von “geeigneten Mitteln” die Rede ist, lasse sich auch die Schlussfolgerung auf einen kontroversiellen Diskussionsprozess unter den Antragstellern über die Frage der anzuwendenden Mittel ziehen.

Kaum mehr um eine Frage, sondern eher um eine dezidierte Feststellung handle es sich an jener Stelle, an der von der “Vorherrschaft einiger weniger großer Staaten” die Rede ist. In die­ser Hinsicht wäre eine Definition dessen, was unter einem großen Staat zu verstehen sei, erfor­derlich. Es müsse auch beachtet werden, welche Konsequenzen es für die konkrete Umsetzung von Politik hätte, würde die geplante Volksbefragung mit einem entsprechenden Votum ausge­stattet werden. Abgeordneter Dr. Cap fragt, ob nach einem solchen Ergebnis beispielsweise Fraktionssitzungen der kleinen Staaten und die Umzingelung “einiger weniger großer Staaten” folgen würden.

Es frage sich auch, welcher Hintergedanke mit dieser Volksbefragung verbunden sei. Abgeord­neter Dr. Cap zitiert folgende Stelle aus dem bereits erwähnten “Format”-Beitrag, einer sehr tief schürfenden Analyse des Redakteurs: Bisher war Österreich immer Befürworter einer vertieften EU-Integration. Diese Frage markiert eine Wende in der Europapolitik Österreichs, vom Muster­schüler hin zum EU-Skeptiker. – Schließlich werde in diesem Beitrag bedauernd festgestellt, dass die Skepsis federführend von der Europapartei ÖVP formuliert werde.

Die Experten mögen in ihre Stellungnahmen auch diese Aspekte einbeziehen.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) erinnert daran, dass von Seiten der SPÖ bis­her zu hören war, eine Volksbefragung über die Sanktionen brauche Österreich nicht, denn wie diese ausginge, sei ohnehin bekannt. Jetzt liege ein konkreter Antrag vor, um das Volk über die Zielsetzung und die zu verfolgende Linie zu befragen. Dies sei neu für die SPÖ, weil sie sich mit dieser Substanz bisher offenbar noch nicht auseinander gesetzt habe. Auch Zwischenbemer­kungen aus den Reihen der SPÖ hätten den Eindruck hervorgerufen, dass diese Auseinander­setzung noch nicht weit fortgeschritten sei.

Den Bemerkungen des Abgeordneten Dr. Kostelka zur fünften der für die Volksbefragung ge­planten Zielsetzungen – dass “alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflichtet werden, die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte der Bürger einzuhalten” –, wonach es sich dabei um eine noch sehr schwammige Frage einer Europäischen Charta handle, hält Abgeordneter Dr. Spindelegger entgegen, dass im Hauptausschuss bereits über konkrete dies­bezügliche Textvorschläge beraten wurde. Darüber werde auch auf Ebene der Europäischen Union im Detail diskutiert, und dies finde bereits Eingang in die Regierungskonferenz, sodass die Ausdrücke “schwammig” und “ohne Konturen” unzutreffend seien.

Nicht nachvollziehbar sei ferner die Behauptung des Abgeordneten DDr. Niederwieser, die Ex­perten hätten von einem unbrauchbaren Entwurf gesprochen. Tatsächlich habe keiner von ihnen das Wort “unbrauchbarer Entwurf” verwendet. Auch an diesen Äußerungen des Abgeordneten DDr. Niederwieser zeige sich ein unverständlicher Zugang zu dieser Thematik.

Mit der Volksbefragung würde tatsächlich ein neues Instrument zum Einsatz kommen. Im Rah­men der letzten Regierungskonferenz der Europäischen Union sei das Volk nicht befragt worden. Aber jetzt gehe es nicht mehr um eine Frage wie die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments im Vergleich zum Rat, sondern nun handle es sich um grundlegend neue Fragestel­lungen, um eine Finalitätsdiskussion – eine Diskussion dessen, wohin Europa führt – und eine Grundrechtecharta. Angesichts dieser neuen Fragen seien die zuständigen Organe gut beraten, die Staatsbürger darüber zu befragen, wohin sie mit der Europäischen Union gelangen wollen.

Es sei falsch, im Fall der geplanten Volksbefragung von mehreren Fragen zu sprechen. In Wirk­lichkeit gehe es nur um die Frage, wie sich Österreich bei der Regierungskonferenz verhalten solle. Diese Frage habe verschiedene Facetten, von denen jede sehr wichtig sei. Die Finalitäts­diskussion, die Frage der Grundrechte oder die Frage eines neuen Verfahrens, um zu verhin­dern, dass – wie jetzt Österreich – ein Staat geächtet wird, ohne dass er die Gelegenheit be­kommt, sich dazu zu äußern: all das seien Grundfragen, die in einer Regierungskonferenz zu besprechen seien.

Da es sich für Österreich um entscheidende Fragestellungen handle, könne hier wohl niemand dagegen sein, einmal einen neuen Weg zu beschreiten und das Volk zu fragen, ob es einer bestimmten Linie zustimme. Manche hätten vielleicht Angst davor, nicht zu wissen, wie sie sich gegenüber ihrer eigenen Klientel verhalten sollten. Die Regierungsparteien hätten davor keine Angst, weil im Ergebnis eine von Österreich im Rahmen der Regierungskonferenz zu vertre­tende Linie herauskommen könne.

Die Gegner dieser Volksbefragung müssten sich eigentlich darüber freuen, dass diese gleich sechsmal die Möglichkeit böte, eine Zielsetzung zu verneinen und deshalb insgesamt mit “nein” zu stimmen.

Die Stellungnahmen der Experten hätten gezeigt, dass manches vielleicht noch geändert werden könnte. Abgeordneter Dr. Spindelegger stellt fest, dass seine Fraktion dem gegenüber offen sei. Denkbar seien beispielsweise Verbesserungen im Hinblick auf den Adressaten oder auf die Vermeidung von Suggestivfragen. Daher sei dieses Hearing sinnvoll.

Es sei nichts Schlechtes, das Volk danach zu fragen, welche Linie vertreten werden solle. Damit werde ein neuer Weg beschritten, den man auch begrüßen müsse.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) erachtet es für interessant, dass man gemäß den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Spindelegger eigentlich fragen wolle, wie sich Öster­reich bei der Regierungskonferenz verhalten solle, aber dafür nur die Antworten “ja” oder “nein” vorsehe.

Es sei absurd, nicht mehr Präzision in die Begrifflichkeit zu bringen, wenn es darum gehe, nach einer Linie zu fragen. Zu einer Befragung über einzelne Themen biete sich eher die Multiple-Choice-Methode an – denn jemand könne beispielsweise der Ansicht sein, dass die Regierung auf europäischer Ebene etwas gegen die Sanktionen unternehmen soll, dass dies aber nicht im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages geschehen soll –, um durch eine Trennung Klarheit für beide Teile zu garantieren.

Weitere Fragen würden sich aus unklaren Begriffen wie “mit allen geeigneten Mitteln” ergeben. Die Frage, ob auch das Veto inbegriffen sei, sei die in der Bevölkerung meistgestellte Frage. Da fehle es an Präzisierung, und es sei unseriös, diese nicht vorzunehmen, wenn das Anliegen tatsächlich darin bestünde, zu einer Positionierung im Hinblick auf die Regierungskonferenz zu gelangen.

Unklar seien auch die Begriffe “Region” oder “Rechte und Pflichten”. Es gehe aus diesem Text nicht hervor, was darunter zu verstehen sei.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger ersucht um ausführlichere Beantwortung der zweiten der vier schriftlich vorgelegten Fragen – betreffend Angelegenheiten, zu deren Erledigung der Bundes­gesetzgeber zuständig ist – und spricht damit insbesondere Universitätsprofessor DDr. Mayer an. Denn aus der Antwort auf diese Frage würden sich enorme Folgewirkungen für weitere Entscheidungen im Bereich der Volksbefragungen ergeben.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt zusammenfassend, ob die von ihr als unklar bezeichneten Begriffe hinreichend konkret seien, um damit Fragen zu verbinden, und ob die Möglichkeit zur Aufteilung in verschiedene Fragen bestehe, um herrschende Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) erwidert auf die Kritik des Abgeordneten Dr. Cap an diesem Hearing und an der von ihm konstatierten Unsicherheit der Regierungsparteien, dass erst kürzlich die SPÖ selbst den Einsatz von Experten und mehr Zeit verlangt habe, als es darum ging, das Militärbefugnisgesetz zu debattieren. Die SPÖ möge sich daher einmal selbst auf eine Linie einigen.

Es könne kein Fehler sein, in diesem Fall Experten zu befragen, weil damit auch abweichende Meinungen Beachtung finden könnten und Hilfe in Bezug auf die Formulierung des Textes geleistet werden könne. Wenn jedoch der Abgeordnete Dr. Cap den Experten die Frage stelle, ob die Volksbefragung hilfreich sei, so zeige sich genau jene Vorgangsweise, die einen Miss­brauch der Experten darstelle. Die Adressaten solcher Fragen seien die Staatsbürger, weil es dabei um persönliche Ansichten und nicht um verfassungsjuristische Auffassungen gehe. Es sei jedoch verständlich, dass die Abgeordneten Dr. Cap und DDr. Niederwieser immer wieder ver­suchen würden, vom eigentlichen Thema abzulenken.

In Bezug auf die Sanktionen gegen Österreich habe die Opposition bereits sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Diese Sanktionen seien in Stockholm ausgelöst oder herausgefordert worden, und daraufhin habe es geheißen, die Opposition habe dafür Verständnis. Später sei die Einschätzung erfolgt, die Sanktionen seien eigentlich überflüssig. Nunmehr werde argumentiert, dass die Sanktionen nicht gerade nützlich seien, die von den Regierungsparteien dagegen ge­planten Maßnahmen seien aber zumindest verfassungswidrig. Mit Sicherheit treffe auf die Sanktionen zu, dass sie für die Opposition nicht angenehm sind. Dies gebe immerhin Anlass zu dem Gedanken, dass die Regierungsparteien auf dem richtigen Weg seien.

Auch für einige EU-Mitgliedstaaten seien die Sanktionen nicht angenehm. Dies sollten sie auch nicht sein, sondern sie sollten dort zum Nachdenken anregen. Denn wenn etwas spürbar ge­macht werde, dann werde von Seiten der Europäischen Union auch etwas unternommen werden. Solange Österreich aber nur dulde – das habe es jetzt sehr lange Zeit und mit sehr großer Geduld getan –, geschehe nichts außer unendlichen Vertröstungen.

Österreich werde nun sehr maßvoll auch gegenüber der Europäischen Union klarmachen, dass es so nicht weitergehen kann. Dies sei nur mit Hilfe gezielter Schritte möglich. Dass in dieser Hinsicht die Formulierung “alle geeigneten Mittel” gewählt worden ist, sei gerade auf so spitzfin­dige Leute wie den Abgeordneten Dr. Cap zurückzuführen. Sonst könnten diese sich versucht sehen, nach einer Volksbefragung gegenüber der Bundesregierung die Forderung zu erheben, mit “allen Mitteln” gegen Brüssel vorzugehen. Deshalb sei die Einschränkung auf “alle geeigne­ten Mittel” vorgenommen worden. Die Bundesregierung werde darüber entscheiden, welche Mittel sie für geeignet erachtet. Es werde Sache der Verantwortlichen sein, denen mit diesem Beschluss über die Sanktionen das Pouvoir zum Handeln gegeben werde.

Die Sachlage sei jetzt relativ klar. Ein Vorschlag der Regierungsparteien liege vor, in dem nach Ansicht der Sachverständigen noch die eine oder andere Undeutlichkeit oder missverständliche Formulierung enthalten sei und in dem auch manche Straffung im Text vorteilhaft erschiene. Aber an den grundsätzlichen Punkten der Fragestellung und an der Richtigkeit der Vorgangs­weise bestehe kein Zweifel. Daher werde letzten Endes auch so vorgegangen werden.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn ersucht die Experten, nunmehr ihre Stel­lungnahmen abzugeben.

Universitätsprofessor Dr. Herbert Haller weist auf das Problem hin, angesichts der unter­schiedlichen Präferenzen von Menschen Fragen zu stellen, die für jedermann gleichermaßen relevant wären. Er stellt seinerseits die Frage, warum der Nationalrat nicht das solle fragen dürfen, was er gesamteuropäisch für wichtig halte und wovon er sich etwas verspreche. Bekanntlich gebe es immer wieder Fragen, bei deren Beantwortung man schwankend werde. Dies gelte bei einer Wahl genauso wie bei einem Gesetz. Ein hundertprozentiges Ja oder Nein werde man mit kaum einer Frage erreichen können. Allerdings seien dies verfassungsrechtlich irrelevante Umstände.

Interessanter sei die von Obmann Dr. Fischer gestellte direkte Frage gewesen, in deren Zusam­menhang er dargelegt habe, dass vor Jahrzehnten im Fall Zwentendorf zu spät gefragt wurde. Zwar könne ein spätes Fragen sinnvoll sein, wie sich auch damals im Zusammenhang mit Zwentendorf gezeigt habe, aber wenn man früh frage – und dies habe Obmann Dr. Fischer als ein Anliegen seines Vorschlages bezeichnet –, dann müsse man sagen, dass es in Zukunft sehr unterschiedliche Situationen geben werde und dass jeweils im Augenblick nicht alle Maßnah­men im Detail genannt werden könnten, da zum Zeitpunkt der Fragestellung noch nicht abseh­bar sein werde, ob sich Maßnahmen auch in Zukunft als gut erweisen würden. Daher werde es erforderlich sein, sich stärker auf Ziele festzulegen, und Ziele seien nun einmal ein bisschen vager.

Wenn sich der Verfassungsgesetzgeber dazu entscheide, zu einem frühen Zeitpunkt zu fragen, dann gehe es vielfach um die Frage nach den jeweiligen Zielen. Im vorliegenden Fall enthalte die Formulierung “geeignete Maßnahmen” eine Beschränkung derart, dass eben nicht mit allen, sondern nur mit geeigneten Maßnahmen vorzugehen sein werde. Universitätsprofessor Dr. Haller erinnert daran, dass vor Jahren selbst zu dem Zeitpunkt, als die Debatte zum Beitritts­gesetz bereits begonnen hatte, der entsprechende Vertragstext noch nicht vorhanden gewesen war. Erst eine Stunde vor Abschluss der Unterausschüsse seien die Texte in allen Sprachen eingetroffen. Diese frühe Diskussion sei damals ein Wagnis gewesen. Wer nicht ein gewisses Vertrauen dazu aufbringen könne, dass bestimmte Ziele mit geeigneten Maßnahmen erreichbar sein würden, werde eben mit “nein” stimmen müssen. Dies könne dann nicht verhindert werden.

Obmann Dr. Fischer habe nicht von mehreren Fragen gesprochen, sondern ausdrücklich von einer “Teilfrage” gesprochen. Die für die Volksbefragung geplanten Teilfragen würden im Großen und Ganzen einen Eindruck davon geben, worum es gehe. So sei etwa im Zusam­menhang damit, dass in der Volksbefragung von “einigen wenigen großen Staaten” die Rede ist, ja bekannt, dass Frankreich und Deutschland bereits bestimmte Initiativen gesetzt und Vorstel­lungen geäußert haben, die zum Beispiel Großbritannien für weniger geeignet halte. Auf jeden der Punkte treffe zu, dass sich der wesentliche Kern im Großen und Ganzen herausholen lasse. Wenn man zu einem frühen Zeitpunkt frage, könne man auch nicht mehr leisten.

Universitätsprofessor Dr. Haller betont, dass ihm der Datenschutz ein Anliegen sei, doch könne er in Beantwortung einer entsprechenden Frage des Abgeordneten Dr. Cap und angesichts dessen, dass er sich offen zur EU-Osterweiterung bekannt habe, feststellen, dass ihm gegen­über von tschechischen Beamten, die er zu schulen Gelegenheit gehabt habe, und auch von polnischer Seite Bedenken wegen der Sanktionen gegen Österreich, das dort als ein unabhän­giges Land, als ein Musterland und als ein Land, dem nachzustreben sei, gelte, geäußert worden seien und dass die Sanktionen als kontraproduktiv für eine vernünftige Osterweiterung angesehen würden.

Universitätsprofessor Dr. Michael Lang stellt einleitend fest, dass die zusätzlich gestellten Fragen nicht ausschließlich verfassungs- und rechtsdogmatisch gewesen sind, sondern zum Teil auch rechts- und verfassungspolitische Komponenten enthalten haben, und ersucht um Verständnis dafür, dass er auf Grund seiner Ladung als Experte für Rechtsdogmatik nur auf die rechtsdogmatischen Aspekte der Fragen und auf konkrete Fragen zur Auslegung der Bundes­verfassung oder des Volksbefragungsgesetzes, aber nicht auf rechtspolitische Fragen antwortet.

Wie er bereits angedeutet habe, komme es darauf an, die verschiedenen plebiszitären Instru­mente, die im Verfassungsrecht vorgesehen sind, nebeneinander und im Zusammenhang zu sehen. Im Falle von Volksbegehren und Volksabstimmungen bestehe die Möglichkeit, einen Normtext zum Gegenstand zu machen. Von den anwesenden Experten sei überwiegend bejaht worden, dass ein Normtext auch Gegenstand einer Volksbefragung sein kann.

Wenn diese Auffassung vertreten werde, lasse sich keine Differenzierung im Hinblick darauf treffen, wie lang dieser Normtext zu sein und wie viele Paragraphen er zu enthalten habe. Es könne dabei auch um sehr lange Normtexte gehen. Daher sei einzuräumen, dass auch ein Normtext, der sehr viele Punkte enthält, zum Gegenstand eines derartigen plebiszitären Instru­ments gemacht werden könne, und daher könne nach vielen Punkten, die Gegenstand dieses Gesetzes sein können, mit gefragt werden.

Wer diese Auffassung vertrete, müsse folgende Parallele ziehen: Wenn der Verfassungsgesetz­geber die Möglichkeit schaffe, nicht nur den Normtext vorzulegen, sondern auch Angelegenhei­ten abzufragen, die Gegenstand einer Regelung sein könnten, über die der Bundesgesetzgeber befindet, dann bestehe auch die Möglichkeit, nach vielen Punkten zu fragen, die nicht zwingend miteinander zusammenhängen.

Vor dem gleichen Problem stehe ein Stimmbürger, der im Rahmen einer Volksabstimmung bei­spielsweise darüber zu entscheiden habe, ob er dem vorgelegten Text zustimme oder nicht. Denn letztlich könnten in dem Text völlig unterschiedliche Punkte miteinander verwoben sein, und dennoch wären Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dazu aufgefordert, darauf eine pauschale Antwort zu geben.

Universitätsprofessor Dr. Lang wiederholt, dass er nicht auf rechtspolitische Fragen und Fragen der Zweckmäßigkeit eingehen wolle, da es sich dabei nicht um verfassungsdogmatische Fragen handle. Unabhängig davon glaube er, dass das Verfassungsrecht hierauf keine Antwort gebe und dass es weder vom Volksbefragungsgesetz noch vom Artikel 49b B‑VG her konkret verbo­ten wäre, mehrere Themenkomplexe entsprechend zusammenzufassen, noch dazu vor dem Hintergrund, dass gute Gründe für die Auffassung sprächen, es könne im Rahmen einer Volks­befragung nur eine einzige Frage ohne Unterfragen gestellt werden. Darin bestehe ein Unter­schied beispielsweise zum Steiermärkischen Volksrechtegesetz, und daraus ergebe sich ein Argument dafür, dass diese eine Frage auch mehrere materielle Punkte mit umfassen könne. Jenseits von Fragen der Rechtspolitik und der Zweckmäßigkeit könne daher festgestellt werden, dass es gegen eine derartige Vorgangsweise aus verfassungsdogmatischem Blickwinkel nichts einzuwenden gäbe.

Zwar stelle es ein Problem dar, dass einige der Formulierungen in der Fragestellung möglicher­weise der Präzisierung bedürften oder dass umgekehrt von den Befragten trotz jeweils unter­schiedlichem Verständnis der Formulierungen des Textes übereinstimmende Entscheidungen getroffen werden könnten. Aber dabei handle es sich nicht um ein verfassungsdogmatisches Problem und nicht um eine Besonderheit des vorliegenden Textes. In dieser Hinsicht werde man in Rechnung stellen müssen, dass vom Verfassungsgesetzgeber nicht verlangt werde, einen Gesetzestext vorzulegen, sondern dass letztlich eine politische Deklaration genüge. In dieser Hinsicht sei die Regelung für das Volksbegehren im Artikel 41 B‑VG sogar erweitert worden, mit der Intention, den Anwendungsbereich auszudehnen.

Wenn daher zugestanden werde, dass eine politische Deklaration Gegenstand einer Volksbe­fragung sein könne, so dürfe man hinsichtlich der Präzision nicht allzu hohe Ansprüche stellen. Zwar könne es dazu kommen, dass ein und dieselbe Formulierung unterschiedlich verstanden wird, aber letztlich träfe dies beispielsweise sogar dann zu, wenn verschiedene Menschen über ein Gesetzestext als Gegenstand einer Volksabstimmung dieselbe Entscheidung fällten, obwohl sie ihn unterschiedlich verstanden hätten. Darüber, wie der Normtext zu verstehen sei, werde schließlich von höchstgerichtlicher Seite entschieden.

Letztlich handle es sich bei Formulierung und Präzisierung des Textes um ein Problem und eine Frage, die der Nationalrat selbst abzuwägen und zu entscheiden habe. Was die Präzisierung betrifft, gelte es auch folgende Überlegung zu beachten: Je mehr der Text einer politischen Deklaration präzisiert werde und je mehr Definitionen in diesen Text aufgenommen werden, desto länger werde er; und darunter könne wiederum seine Verständlichkeit leiden.

Wie Universitätsprofessor Dr. Öhlinger bestätigt habe, sei aus dem Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes vom 16. Juni 2000 zum Steiermärkischen Volksrechtegesetz im Hinblick auf des Instrument der direkten Demokratie viel ablesen. Auf der anderen Seite jedoch müsse man stets auch den konkreten Fall bedenken. In diesem Fall habe der Verfassungsgerichtshof die Verordnung nicht zuletzt deshalb für gesetzwidrig erachtet, weil er selbst in der Lage gewesen sei, eine deutlich kürzere Alternativformulierung zu finden. Der Verfassungsgerichtshof selbst habe den Vergleich gezogen und – vereinfacht gesagt – festgestellt, dass die Streichung der doppelten Verneinung, eine positive Formulierung und die Entfernung der Suggestiv-Teilfrage nichts an der Bedeutung ändere. Somit bestehe der Maßstab darin, dass der Verfassungsge­richtshof gesagt habe: Wenn es eine Alternative gebe, die viel klarer und kürzer sei, stelle sich das Problem der Gesetzwidrigkeit der – in diesem Fall – Verordnung.

Genau jene Alternative – dass der Text präzisiert und gleichzeitig vielleicht auch noch gekürzt werden könnte – bestehe im Fall der geplanten Volksbefragung nicht. Eine Präzisierung wäre vielleicht dadurch zu erreichen, dass eine Reihe von Definitionen in den Text aufgenommen wird, aber dies würde zugleich dazu führen, dass er viel länger wird, und darunter würden Klar­heit und Verständlichkeit zu leiden haben.

Hinsichtlich der Frage, ob in Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG auch Änderungen des Primärrechtes, also des EU-Vertrages selbst, oder lediglich Änderungen des Sekundär­rechtes zum Gegenstand werden können, habe Obmann Dr. Fischer die Auffassung angespro­chen, die letztlich auch von Rill vertreten werde. Eine Reihe namhafter Autoren sei jedoch, wie gesagt, gegenteiliger Ansicht, und deren Argumente seien überzeugender vor dem Hintergrund, dass letztlich auch sehr bedeutende Regelungen Gegenstand des EU-Vertrages sein können.

Universitätsprofessor Dr. Lang weist darauf hin, dass dem Nationalrat Mitwirkungsmöglichkeiten beim Sekundärrecht gegeben sind, und gibt zu bedenken, wie der Sachverhalt wäre, wenn der Nationalrat im Hinblick auf Vertragsänderungen keine Mitwirkungsmöglichkeiten in Form von Stellungnahmen nach Artikel 23e Abs. 2 B‑VG hätte. Zwar bestünde dann immer noch die Möglichkeit der Mitwirkung im Zuge der Genehmigung des Vertrages, aber in diesem späten Stadium würde inhaltlich kaum mehr darauf Einfluss genommen werden können.

Die Frage, ob von Artikel 49b B‑VG auch Angelegenheiten, die in einem Staatsvertrag geregelt werden können, umfasst sein könnten, sei zu bejahen, und zwar deshalb, weil “Bundesge­setzgeber” diesbezüglich ein sehr weiter Begriff sei. Für diese Auffassung sei beispielsweise auch ins Treffen zu führen, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar sei, in welcher Form ein allfälliger Vertrag von Nizza zur Umsetzung gelangen würde. Dem Verfassungsgesetzgeber stünden dazu mehrere Möglichkeiten offen, beispielsweise die Form eines Staatsvertrages nach Artikel 50 B‑VG oder, wie im Fall des Vertrages von Amsterdam, eine sonderverfassungs­gesetzliche Ermächtigung. Die Rechtssatzform sei derzeit noch nicht klar – sie brauche das auch nicht zu sein –, und dies spreche dafür, dass letztlich auch Materien, die später vielleicht in Form eines Staatsvertrages, vielleicht aber auch in Form eines Bundesverfassungsgesetzes geregelt werden, zum Gegenstand einer Volksbefragung werden können.

Bereits aufgezeigt worden sei die Parallele zu Artikel 70 B‑VG. Welchen Spielraum der Bundes­präsident habe, sei eine Frage der Verfassungsinterpretation. Es hänge davon ab, inwieweit Artikel 49b B‑VG eher mit den Vorschriften verglichen werde, in denen der Bundespräsident ein­deutig einen sehr weiten Spielraum eingeräumt bekommt – wie eben Artikel 70 B‑VG –, oder eher mit Vorschriften wie beispielsweise jener für die Beurkundung von Gesetzesbeschlüssen, wonach er nur das verfassungsmäßige Zustandekommen zu überprüfen hat. Der letztere Ver­gleich sei naheliegender, weil die Anordnung einer Volksbefragung oder einer Volksabstimmung eher mit der Beurkundung von Gesetzen vergleichbar sei als mit den Maßnahmen, die im Artikel 70 hinsichtlich der Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung vorgesehen sind.

Universitätsprofessor Dr. Lang räumt ein, dass die von ihm sowie von den Universitätsprofes­soren Dr. Haller und Dr. Öhlinger vertretene Rechtsauffassung in Bezug auf die Möglichkeiten des Bundespräsidenten zur Folge haben könne, dass der Bundespräsident in die Lage gerät, eine Handlung zu setzen, die er persönlich für verfassungswidrig erachtet. Das sei zwar eine Konsequenz dieser Auffassung, es stelle aber kein Sonderproblem des Artikels 49b B‑VG dar. Vielmehr stelle sich dieses Problem in der Rechtsordnung sehr häufig. Auch im Fall der Beur­kundung von Bundesgesetzen könne es vorkommen, dass der Bundespräsident eher der Auf­fassung zuneigt, das zu beurkundende Bundesgesetz sei eigentlich verfassungswidrig. Trotz­dem nehme er aber die Beurkundung vor, um das Gesetz in Geltung erwachsen zu lassen und es damit der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zugänglich zu machen. In diesen Fällen liege der Schwerpunkt der Kontrollbefugnis beim Verfassungsgerichtshof.

Universitätsprofessor DDr. Heinz Mayer antwortet dem Abgeordneten Dr. Khol, er könne dessen Begeisterung für eine EU-Grundrechtecharta nicht teilen. Auch sei es ihm nicht möglich, einen solchen Zusammenhang mit der für die Volksbefragung geplanten fünften Frage herzu­stellen und daraus das herauszulesen, was der Abgeordnete Dr. Khol darunter verstanden habe. Im Übrigen sei der Forderung, dass “alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflich­tet werden, die Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte der Bürger einzuhal­ten”, entgegenzuhalten, dass die EU-Einrichtungen bereits jetzt dazu verpflichtet seien. Denn die Europäische Union sei eine Union des Rechtes, und ihre Organe hätten die Menschenrechts­konvention zu beachten. Die EU-Einrichtungen hätten bereits jetzt Artikel 6 des EU-Vertrages zu beachten.

Universitätsprofessor DDr. Mayer antwortet Obmann Dr. Fischer auf dessen Frage, was “alle geeigneten Mittel” seien, er verstehe darunter als Rechtspositivist alle Mittel, die rechtmäßig ziel­führend seien. Wer kein Rechtspositivist sei, könne unter “allen geeigneten Mitteln” unter Um­ständen auch rechtswidrige Mittel verstehen. Daher sei diese Art der Fragestellung zumindest fragwürdig. Es wäre ratsam, präziser zu sagen, welche Mittel hierfür eingesetzt werden sollten.

Der Abgeordnete Gaugg habe Einspruch gegen die Qualifikation dieser Volksbefragung als Missbrauch erhoben, er habe gesagt, dass die Europäische Union Menschenrechte verletze und dass es zulässig sein müsse, mit der Volksbefragung Druck auszuüben. Darauf erwidert Univer­sitätsprofessor DDr. Mayer, dass genau dies den Missbrauch darstelle. Denn eine Volksbefra­gung sei nicht dafür vorgesehen, politischen Druck nach außen zu erzeugen, sondern sie solle der Vorbereitung eines Bundesgesetzes dienen.

Es sei auch nicht erkennbar, dass gemäß Artikel 49b B‑VG eine Volksbefragung über eine poli­tische Deklaration zulässig sein soll. Mit einer solchen Interpretation werde die Einschränkung durch die Formulierung “zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist” wegdisku­tiert. Durch dieses Einschränkung solle ausgeschlossen werden, dass eine politische Absicht oder eine politische Deklaration zum Gegenstand einer Volksbefragung gemacht wird. Statt­dessen solle der Gegenstand eine konkrete Frage sein, deren Beantwortung Eingang in eine bundesgesetzliche Regelung finden könne.

Zwar könne die Forderung erhoben werden, ein Gesetz zu machen, das verfassungskonform wäre und in etwa die vorgesehenen Zielsetzungen verfolgte. Aber ein solches Gesetz wäre überflüssig, denn die Bundesregierung könne bereits jetzt all das tun, worauf der Auftrag lauten würde. Sie habe das auch bisher schon getan.

Da in diesem Zusammenhang Artikel 23e B‑VG zitiert worden sei, müsse festgestellt werden, dass darin Richtlinien für das Verhalten der Regierungsmitglieder in den europäischen Organen vorgesehen sind. Es habe aber nicht der Bundesgesetzgeber darüber zu bestimmen, wie sich ein Minister im Rat verhält, sondern dies komme in bestimmten Fällen dem jeweils zuständigen Ausschuss zu. Das sei daher keine Angelegenheit, die durch Bundesgesetz zu regeln wäre.

Universitätsprofessor DDr. Mayer führt aus, dass sich um die Kompetenz des Bundespräsi­denten Mythen ranken würden, die in Schlagworten wie “starker Bundespräsident”, “schwacher Bundespräsident”, “aktiver Bundespräsident”, “nicht aktiver Bundespräsident” oder “Staatsnotar” Ausdruck gefunden hätten. Einen solchen Mythos habe der Abgeordnete Dr. Pilz in Erinnerung gerufen, als er davon gesprochen habe, dass der Bundespräsident den vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Kandidaten zum Minister zu ernennen habe. Aber dies sei immer schon falsch gewesen. Tatsächlich habe der Bundespräsident die Möglichkeit, jemanden nicht zu ernennen.

Um etwas anderes handle es sich bei der Frage, welche Prüfungsbefugnis der Bundespräsident bei einem Beschluss des Nationalrates auf Durchführung einer Volksbefragung habe. Von vielen werde die Meinung vertreten, dass er prüfen könne. Aber dann wäre die Frage zu stellen, welches Ergebnis diese Prüfung nach sich zöge. Denn es hätte keinen Sinn, verfassungsrecht­liche Prüfungen vorzunehmen, wenn deren Ergebnis zu nichts führen könnte. Auch Universitäts­professor Dr. Öhlinger habe zugestanden, dass der Bundespräsident grobe Mängel allenfalls aufgreifen könnte – etwa dann, wenn gar keine Frage vorhanden wäre. Dies führe zu der Frage, wer eine Beurteilung darüber treffen könnte, auf welche Weise grobe und nicht grobe Mängel voneinander abzugrenzen wären.

Das häufig und auch von Universitätsprofessor Dr. Lang zitierte Beispiel der Beurkundung von Bundesgesetzen sei etwas ganz anderes, nämlich eine ausdrückliche Regelung, wonach der Bundespräsident das verfassungsmäßige Zustandekommen von Bundesgesetzen zu prüfen habe. Der frühere Bundespräsident Dr. Kirchschläger habe daher völlig richtig gehandelt, als er ein Gesetz unterfertigt habe, obwohl er es selbst für verfassungswidrig gehalten habe. Denn er habe dies tun müssen.

Im Fall der Volksbefragung bestehe aber eine andere Rechtslage. Dafür sei Artikel 46 heranzu­ziehen, worin es heißt: “Der Bundespräsident ordnet die Volksabstimmung an.” Und: “Das Verfahren ... wird durch Bundesgesetz geregelt.” Der Verfassungsgerichtshof habe dann zu prüfen, ob dieses Verfahren richtig abgelaufen ist, aber er habe nicht – oder nicht unmittelbar – den Beschluss des Nationalrates zu prüfen.

Universitätsprofessor DDr. Mayer stellt fest, es fehle ihm das Verständnis für eine Auffassung, die folgendermaßen charakterisiert werden könne: Der Bundespräsident hat eine verfassungs­widrige Volksbefragung anzuordnen, obwohl er sieht, dass sie gegen die Verfassung ist, und obwohl er ein Verfassungsorgan und auch demokratisch legitimiert ist; aber angeblich muss er sie anordnen, damit ein halbes Jahr später der Verfassungsgerichtshof sie prüfen kann.

Von dogmatischen Überlegungen abgesehen, sei auch der Sinn einer solchen Auffassung nicht erkennbar.

Universitätsprofessor DDr. Mayer ersucht die Abgeordnete Dr. Lichtenberger um Wiederholung ihrer Frage, da sie zuvor zu leise gesprochen habe.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) ersucht um eine nähere Begründung dafür, warum Universitätsprofessor DDr. Mayer die zweite der schriftlich gestellten Fragen – ob die Ab­gabe einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG eine Angelegenheit sei, zu deren Erledigung der Bundesgesetzgeber zuständig ist – in seiner ersten Antwort mit einem Nein beantwortet hat.

Universitätsprofessor DDr. Heinz Mayer antwortet, Artikel 23e B‑VG setze voraus, dass das, was beschlossen wird, eine Angelegenheit der Bundesgesetzgebung ist; aber man könne nicht aus dem Artikel 23e B‑VG in diesem Zusammenhang eine Angelegenheit der Bundesgesetz­gebung machen. Die Zitierung dieses Artikels führe nur zu einer Verschiebung der Frage.

Die Frage des Abgeordneten Dr. Cap, ob die Volksbefragung hilfreich sei, beantwortet Universi­tätsprofessor DDr. Mayer mit einem bildlichen Vergleich, der von einem Kommentator bereits verwendet worden sei. Demnach säßen die EU-Vierzehn auf einem Baum und wüssten nicht, wie sie herunterkommen könnten. Mit der Volksbefragung in der vorgesehenen Form würde an diesem Baum gerüttelt werden, aber dadurch würde es den oben Sitzenden nicht leichter gemacht werden, herunterzukommen. Vermutlich würde es auch nicht gelingen, sie herunterzu­schütteln.

Den Antragstellern müsse eine ernste politische Frage gestellt werden, die folgendermaßen laute: Was machen Sie, wenn Sie bei dieser Volksbefragung eine große Zustimmung bekom­men, aber bei den Sanktionen weiterhin nichts erreichen? Was kommt dann? – Es werde auch dann einen weiteren Weg geben müssen.

Universitätsprofessor Dr. Theo Öhlinger antwortet dem Abgeordneten Dr. Pilz auf dessen Frage nach der Rolle des Bundespräsidenten – die in einer sehr grundsätzlichen Weise aufge­worfen worden sei –, die Österreichische Bundesverfassung sei seit der Novelle von 1929 in der Frage des Verhältnisses zwischen parlamentarischem Regierungssystem und Staatsoberhaupt innerlich unklar und von einer tiefen Spannung geprägt. Dies sei das Ergebnis eines in jenem Jahr geschlossenen Kompromisses. Die Bundesregierung habe damals mit ihrer Initiative ein echtes Präsidialsystem erreichen wollen, aber im Parlament seien Zugeständnisse erforderlich gewesen. Auf diese Weise sei ein in Wahrheit nicht klares System entstanden.

Dass diese Spannungen bisher nicht wirklich aufgebrochen sind, liege an der Tatsache, dass die Bundespräsidenten bisher all das, was ihnen der Text der Verfassung an Möglichkeiten viel­leicht einräume, nie wirklich genutzt haben. Dadurch hätten sie zum Funktionieren des Verfas­sungssystems beigetragen. Würde der Bundespräsident all das tun, was Universitätsprofessor DDr. Mayer ihm zugeschrieben habe, so wäre in Österreich längst eine totale Verfassungskrise ausgebrochen. Österreich stünde dann dort, wo die Weimarer Republik hingekommen sei.

Als Verfassungsjurist spricht sich Universitätsprofessor Dr. Öhlinger in einer systematischen Interpretation für eine nach wie vor zurückhaltende Ausübung der Befugnisse des Bundespräsi­denten aus, und dies selbst dort, wo sie im konkreten Fall seiner eigenen politischen Überzeu­gung nahe stünden.

Im Zuge der letzten Regierungsbildung sei es ein echtes Präjudiz gewesen, einen vom Bundes­kanzler vorgeschlagenen Bundesminister nicht zu akzeptieren. Es sei nicht absehbar, wie eine Lösung hätte aussehen können, wenn in dieser Frage die Mehrheit des Nationalrates auf der Ernennung bestanden hätte.

Würden diese Dinge wirklich hochgespielt werden, so würde es unweigerlich zu einer Verfas­sungskrise kommen. Aber um dafür zu plädieren, sei die jetzt geplante Volksbefragung nicht entscheidend genug.

Was den Unterschied des Textes zwischen Artikel 70 und Artikel 49b B‑VG betrifft, weist Univer­sitätsprofessor Dr. Öhlinger darauf hin, dass es im Text von Artikel 49b ganz klar heißt: “Eine Volksbefragung ... hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies ... beschließt.” Auch wenn dem Bundespräsidenten nicht gefalle, was der Nationalrat beschließt, habe eine Volksbefragung stattzufinden. In diesem Fall sei der Bundespräsident ein Exekutivorgan des Nationalrates.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger fügt hinzu, er würde sich die Verfassungskrise nicht wün­schen, die entstünde, würde der Bundespräsident in dieser Angelegenheit nein sagen. Physisch könnte er dies zwar tun, und es würde ohne seine Zustimmung nicht zur Volksbefragung kommen können. Aber es bestünden schwere Zweifel daran, ob er dies tun dürfe.

Daher sei der Bundespräsident verpflichtet, eine Frage, die von der Mehrheit des Nationalrates beschlossen worden ist, dem Volk auch dann vorzulegen, wenn er selbst mit dieser Frage – und zwar aus guten Gründen – keine Freude habe.

Vom Abgeordneten Dr. Kostelka sei in diffizilen verfassungsdogmatischen Erwägungen letztlich in Frage gestellt worden, dass die Mitwirkung des Nationalrates am Zustandekommen von Staatsverträgen nicht in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fällt. Der Text der Verfas­sung sei in der Zwischenzeit so kompliziert geworden, dass zwar viele Details beantwortet, aber gerade durch die komplizierten Regelungen sehr oft grundsätzliche Fragen aufgeworfen würden.

So stehe den lapidaren Aussagen aus dem Urtext der Verfassung von 1920 über die Volks­abstimmung – die global, jedoch in diesem Sinne klar seien – die sehr kleinliche Regelung der Volksbefragung gegenüber, in der einerseits von der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers die Rede sei, aber andererseits auch gesagt werde, dass eine Entscheidung, die in die Zuständig­keit eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde falle, nicht zur Abstimmung gebracht werden dürfe. Durch die zweite, komplizierte Regelung werde die erste Frage wieder verunklart, daran erweise sich der Stil der österreichischen Verfassungsgebung. Daher könne man sich verfassungsdogmatisch auch darauf berufen, dass im Artikel 44 Abs. 3 B‑VG der Verweis auf die Volksbefragung über Staatsverträge fehle.

Letztlich bestehe daher sehr viel Unsicherheit, und es sei schwer vorauszusagen, wie der Ver­fassungsgerichtshof diese Fragen beurteilen würde. Universitätsprofessor Dr. Öhlinger stellt fest, er gehe von der bewusst naiven Meinung aus, dass der Sinn dieses Instruments darin besteht, dem Nationalrat die Möglichkeit zu geben, zu einer Angelegenheit, die in seinen Wir­kungsbereich fällt, eine öffentliche Diskussion zu initiieren und aus dieser Diskussion zu lernen, welche Meinung die Öffentlichkeit zu einem Problem hat, das zu entscheiden dem Nationalrat schwer fällt.

Am Beispiel Zwentendorf sei klar ersichtlich, dass man sich den sehr konstruierten Text des Gesetzes, über das damals abgestimmt wurde, hätte ersparen können, wenn es damals die Volksbefragung gegeben hätte. Dann hätte man ganz naiv fragen können: Will man ein Atomkraftwerk, das bereits fertig ist, in Betrieb setzen oder nicht?

Diese Überlegung gelte auch für den Fall, dass der Nationalrat gezwungen ist, zu Staatsver­trägen, zu völkerrechtlichen Verträgen – etwa über die Änderung der Europäischen Union – eine Entscheidung zu treffen.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger merkt an, er habe bei den jetzt vorgesehenen Fragen nach wie vor nicht das Gefühl, dass die Mehrheit der Nationalratsabgeordneten wirklich darüber un­sicher sei, was getan werden solle, und deshalb das Volk darüber befragen wolle. Solche Unsicherheit sei beispielsweise angesichts der Frage, ob auf die Wahrung der Grundfreiheiten in der Europäischen Union hingewirkt werden solle, schwer vorstellbar.

Unklar seien auch weitere Aspekte der vorgesehenen Fragen. Universitätsprofessor Dr. Öhlin­ger räumt ein, auch er habe, wie schon Universitätsprofessor DDr. Mayer, aus der Frage, ob alle Einrichtungen der Europäischen Union verpflichtet werden sollen, die Grundregeln des Rechts­staates und der Menschenrechte der Bürger einzuhalten, nicht herausgelesen, dass damit die – seines Erachtens berechtigte – Frage nach der Position Österreichs in der strittigen Frage, ob der Grundrechtskatalog der Union verbindlich sein oder eine politische Deklaration bleiben solle, gemeint sei.

Hinsichtlich der zweiten Frage wiederum wäre zu fragen, was unter einer “umfassenden Ge­meinschaft gleichberechtigter Staaten”, die gleiche Rechte und Pflichten garantiert haben sollten, zu verstehen sei. Es frage sich, ob das qualifizierte Wägen der Stimmen eine Ungleich­heit sei; formal sei es wohl eine Ungleichheit.

Jedenfalls handle es sich um derart komplexe Fragen, dass es leicht wäre, über jede von ihnen eine Viertelstunde lang zu referieren.

Die Formulierung “Vorherrschaft einiger weniger großer Staaten” sei ein Schlagwort, das dem deutschen Außenminister Fischer unterstellt werde. Es sei zu bezweifeln, dass dies wirklich so gemeint war. Denn die Frage der Integration mit verschiedenen Geschwindigkeiten, die man hier auch hineininterpretieren könne, sei von österreichischer Seite bisher klar beantwortet wor­den: Österreich wolle in der ersten Reihe – und daher auch beim Euro sowie beim Schengener Übereinkommen – dabei sein.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger fragt, ob es nunmehr zum Gegenstand von Fragen werden solle, ob Österreich dies auch in Zukunft so haben wolle. Denn dann würden keine völlig gleich­berechtigten Staaten vorliegen.

Schon die einzelnen Fragen der geplanten Volksbefragung seien zu komplex. Aber absolut sicher könne man darüber sein, dass die Verquickung dieser Fragen in einer einzigen Ja-Nein-Antwortmöglichkeit nicht der Forderung entspricht, eine Frage zu stellen, die mit “ja” oder “nein” beantwortbar ist. Es sei fast sicher, dass der Verfassungsgerichtshof diese Verquickung als ver­fassungswidrig beurteilen würde.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger erachtet es für möglich, eine Auflösung in Einzelfragen vor­zunehmen. Aber auch in dieser Hinsicht bestünden Zweifel – nämlich die zuvor genannten –, weil der Text der Verfassung in dieser Hinsicht wieder offen sei. Man befinde sich daher jetzt in einem echten circulus vitiosus, und noch sei nicht erkennbar, wie dem entkommen werden könnte.

Tatsächlich stelle sich nunmehr auch die Frage, was zu geschehen hätte, falls das Ergebnis der Volksbefragung zwar nicht eine hohe Beteiligung, aber eine große Zustimmung wäre. Würden die Fragen unverändert bleiben, so könnte, wer an der Volksbefragung teilnähme, nur mit “ja” antworten. Deshalb sei zu fragen, was geschehen würde, wenn es der Bundesregierung nicht gelänge, auch nur einen Bruchteil dieser Forderungen in einem künftigen Vertrag, beispiels­weise einem Vertrag von Nizza oder von Stockholm, erfüllt zu sehen.

Eines könne ohne Risiko prognostiziert werden: Die meisten dieser Dinge würden nicht Gegen­stand des nächsten Vertrages sein, weil sie viel zu komplex seien. Eine neue Kompetenz­verteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten könne ein ideales Ziel sein, sei jedoch nicht innerhalb weniger Monate verhandelbar.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger gibt seiner Ansicht Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten nicht das Verlangen nach einem präziseren Verfahren im Fall des Verdachtes einer Verletzung der europäischen Werte hätten. Jeder Staat werde vielmehr denken, er wolle in so etwas gar nicht involviert werden können.

Wenn von den Forderungen aber nur weniges in den Vertrag Eingang finden könnte, so würde sich die Frage stellen, ob die Bundesregierung in weiterer Konsequenz zur Institutionenreform – darauf werde sich der nächste Vertrag schon aus Zeitgründen beschränken müssen – nein sagen müsste. Es sei nicht vorstellbar, dass die Mehrheit der Abgeordneten Österreich wirklich als Verhinderer der kleinen Schritte sehen wolle, die in der nächsten Zeit erreichbar sein würden, die jedoch essenziell für die darauf folgenden Schritte sein würden.

Was die Frage des Abgeordneten Dr. Cap betrifft, könne man dazu tatsächlich nicht als Experte, sondern nur als Staatsbürger Stellung beziehen. Universitätsprofessor Dr. Öhlinger stellt fest, er glaube nicht, dass diese Volksbefragung hilfreich wäre, und zwar deshalb, weil er sich die so ge­nannten Sanktionen wegwünsche; nicht so sehr die offiziellen Sanktionen – betreffend Gruppen­fotos oder die Ebenen der jeweiligen Kontakte –, sondern deren “side effects”, nämlich die dis­kriminatorischen Verhaltensweisen gegenüber Österreich und gegenüber Österreichern, die es leider wirklich gebe und die beleidigend und kränkend seien. Sie kämen auch im wissenschaft­lichen Bereich immer wieder vor, beispielsweise in Form der Ablehnung von Einladungen nach Österreich.

Universitätsprofessor Dr. Öhlinger betont, er lebe nicht in einem Land, in dem Menschenrechte missachtet werden, und er lebe nicht in einem Nazi-Land. Daher finde er es beleidigend, wenn den Österreichern so etwas unterstellt werde. Aber gerade weil er dies tue, wünsche er sich diese Volksbefragung in Wirklichkeit nicht. Denn es sei zu befürchten, dass sie diese Situation verlängern, nicht aber auflösen wird.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) gibt seiner Ansicht Ausdruck, alle anwesenden Experten hätten unterstrichen, dass die geplante Volksbefragung der Orientierung diene. Es gehe darum, nicht das zu fragen, was man bereits wisse, sondern etwas, worüber man sich Sicherheit ver­schaffen wolle.

Abgeordneter Dr. Pilz fragt, warum in diesem Zusammenhang nicht etwa nach einem Ja oder Nein zur Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips in bestimmten Bereichen, nach einem Beitritt und nach Beitrittsleistungen zum Eurokorps, nach der Sinnhaftigkeit eines NATO-Beitritts, nach der Osterweiterung und nach dem Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefragt werde.

Diese Fragen seien offen und würden der Antworten bedürfen. Solche Fragen aber würden nicht gestellt werden, sondern stattdessen solche, die nicht offen seien und die hoffentlich keiner Antworten bedürften, mit Ausnahme der äußerst sonderbaren Frage eins.

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) führt aus, er könne – auch um jegliche Legendenbildung hintanzustellen – mit Zufriedenheit feststellen, dass die Experten in Bezug auf die vier schriftlich gestellten Fragen und vor allem hinsichtlich der Kompetenzen eine klare Handlungsanweisung gegeben und eine deutliche Positionierung vorgenommen hätten. Die Antwort auf die erste dieser Fragen habe überhaupt viermal ja gelautet, und in den anderen Fragen sei eine klare Mehrheitsmeinung im Verhältnis von drei zu eins ersichtlich geworden.

Abgeordneter Ing. Westenthaler fügt hinzu, es sei ihm angesichts der Antworten jenes Experten, der die Minderheitsmeinung vertreten hat, sehr schwer gefallen, zwischen dessen persönlicher politischer Wertung und Bewertung sowie einer fachlichen Expertise zu unterscheiden. Wenn ein Experte Kraftausdrücke wie zum Beispiel “Missbrauch” verwende, müsse man sich dagegen verwahren. Es sei nicht anzunehmen, dass es ein sinnvoller Gehalt einer Expertendiskussion sein könne, wenn derart stark polarisiert werde und Wertungen vorgenommen würden, auch in Fragen, in denen durchaus eine Minderheitsmeinung vertreten werde.

Ähnliches sei auch in anderen Fällen vorgekommen, etwa in der Debatte darüber, ob ein Minister zugleich Abgeordneter sein dürfe. Damals habe es denselben Vertreter einer Minder­heitsmeinung gegeben, auch da sei von Missbrauch gesprochen worden, und doch sei all dies letztlich nicht zutreffend gewesen. Es habe sich vielmehr um eine falsche Meinung gehandelt, die nicht entsprechend habe untermauert werden können.

In humoristischem Sinn könne dazu bemerkt werden: Wenn man eine derart weitläufige Ausle­gung vornehme, komme man nicht nur, was die Kompetenzen des Bundespräsidenten betrifft, zwangsläufig in die Verfassungskrise, die von einem der Experten angesprochen wurde, son­dern dann gelange man letztlich zu der Frage, ob eine große Zustimmung zu einer Volksbe­fragung überhaupt noch zulässig wäre. Wenn in derartigem Ausmaß polemisiert und politisch bewertet werde, werde man sich diese Frage – bei exzessiver Auslegung dieser Meinung – gefallen lassen müssen.

Es sei erfreulich, dass drei Experten Folgendes klargestellt haben: Eine Volksbefragung, die im Nationalrat mit Mehrheit beschlossen worden ist, habe stattzufinden, und der Bundespräsident habe sie anzuordnen.

Dass der amtierende Bundespräsident entsprechend handeln werde, gehe daraus hervor, dass er sich nicht erst während seiner Amtszeit sehr stark für die direkte Demokratie eingesetzt habe. Das habe er mehrmals in der Öffentlichkeit kundgetan, auch im Fall von direktdemokratischen Initiativen, bei denen er anderer Meinung gewesen sei, etwa bei dem Volksbegehren der Frei­heitlichen Partei Österreichs betreffend die Abschaffung des Schillings. Damals, im Jahr 1997, habe sich der Bundespräsident prononciert gegen den Inhalt geäußert, aber wiederholt klarge­stellt, dass Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen – und zwar jede und jedes, wie er betont habe – legitime und begrüßenswerte Mittel einer bürgernahen Politik und der direkten Demokratie seien.

Politisch bestehe daher kein Grund zu der Sorge, dass der amtierende Bundespräsident irgend­etwas gegen diese Volksbefragung einzuwenden hätte. Die laufende Debatte sei daher letztlich doch sehr rechtstheoretisch.

Der Dissens beziehungsweise der Handlungsbedarf konzentriere sich im Wesentlichen auf zwei Punkte. Es gelte zu hinterfragen, ob erstens etwas an der Fragestellung suggestiv sei – dies sei letztlich an dem Wort “ungerechtfertigte Sanktionen” dingfest zu machen – und ob es zweitens möglich sei, eine Verdeutlichung des Charakters der bisher vorgesehenen Fragestellung vorzu­nehmen, und zwar im Hinblick darauf, dass es sich um eine einzige Frage handelt, die zum Bei­spiel sechs Ziele zum Ausdruck bringt.

Abgeordneter Ing. Westenthaler schlägt zur Überprüfung dieser beiden Punkte eine Sitzungs­unterbrechung im Ausmaß von einer halben Stunde vor, um in Beratungen einen verbesserten Vorschlag ausarbeiten zu können.

Im Übrigen möge Abgeordneter Schieder dem Abgeordneten Mag. Haupt die Frage beantwor­ten, welche von den sechs Fragen – wenn es tatsächlich sechs Fragen wären – er mit “nein” beantworten würde.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn erachtet die vom Abgeordneten Ing. Wes­tenthaler vorgeschlagene Vorgangsweise für zweckdienlich.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) meldet sich zur Geschäftsordnung zu Wort und führt aus, ihm sei zugesichert worden, er werde nach den Stellungnahmen der Experten und vor der Sitzungsunterbrechung die Antworten der Regierungsmitglieder erhalten.

Nicht näher eingehen wolle er darauf, dass Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn dem Abge­ordneten Ing. Westenthaler erlaubt habe, eine unzulässige und falsche Zusammenfassung der gesamten Debatte zu geben.

Es sei wirklich arg, dass die Fragen nicht, wie angekündigt, vor der Sitzungsunterbrechung durch die Regierungsmitglieder beantwortet worden seien, sondern dass nunmehr die Sitzung ohne Beantwortung unterbrochen werden solle.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn weist darauf hin, dass diese Vereinbarung vor seiner Vorsitzübernahme getroffen wurde. Wenn dem so sei, wolle er dem nachkommen.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn erteilt Bundesminister Dr. Strasser zur Beantwortung der entsprechenden Fragen das Wort.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser stellt in Beantwortung der Frage nach den etwaigen Kosten einer Volksbefragung fest, dass die geplante Volksbefragung die erste über­haupt wäre, sodass die Kosten nur geschätzt werden könnten. Die Schätzungen würden unter Anlehnung an die Kosten der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vorgenommen werden.

Der Bund habe damals einen Anteil in Höhe von 38 Millionen Schilling zu tragen gehabt.

Es sei davon auszugehen, dass der Gemeindeanteil jetzt ungefähr in gleicher Höhe wie damals oder ein wenig darüber liegen werde, sodass die Gesamtkosten einer Volksbefragung, ge­schätzt nach den Kosten der Volksabstimmung von 1995, bei 90 Millionen Schilling liegen könnten.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak dankt dem Abgeordneten Schieder dafür, dass er an die Beantwortung erinnert hat, und teilt mit, dass der Verfassungsdienst mit dieser Materie nicht befasst wurde. Denn es handle sich bei dieser Volksbefragung nicht um ein Pro­jekt der Bundesregierung, sondern um eine parlamentarische Initiative.

Staatssekretär Morak teilt mit, dass das Procedere im Volksbefragungsgesetz BGBl. Nr. 356/1989 ausgeführt ist, und verweist darauf, dass Informationskampagnen und Wer­bung für diese Volksbefragung Sache der politischen Parteien im Rahmen ihrer Informations­tätigkeit sein werden. Die Bundesregierung sei – auch angesichts der budgetären Lage – selbst­verständlich bemüht, das Ausmaß ihrer Informationstätigkeit weit unter dem finanziellen Auf­wand zu halten, der bisher der Fall gewesen sei.

Vorstellbar sei, dass die Informationstätigkeit als Unterstützung der Wahrnehmung der demo­kratischen Rechte, wie im Bundesministeriengesetz vorgesehen, von der Bundesregierung wahrgenommen wird.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) meldet sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort, um eine Anregung gegenüber dem Vorsitzenden sowie einen Antrag vorzubringen.

Es sei nicht üblich, im Ausschuss Experten, die sich für ihre Stellungnahmen viel Zeit nähmen und hierfür ihr Wissen investierten, auf eigenartige Art und Weise zurechtzuweisen. Abgeord­neter Dr. Pilz ersucht Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn, ein Minimum an Fairness gegenüber den Experten walten zu lassen.

Zum Zweiten sei die Aussage von Staatssekretär Morak über die Nichtbefassung des Verfas­sungsdienstes für die Grünen überraschend gewesen. Abgeordneter Dr. Pilz stellt mit der Begründung, dass die Rechtsansicht des Verfassungsdienstes sehr wichtig sei und deren Einbeziehung in hohem Maße dem Verfahren und den Traditionen entspreche, den Antrag, die Sitzung zur Beischaffung der Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes zu unterbrechen.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) bezieht sich – nachdem er festgestellt hat, er kleide hiermit sein Vorbringen in einen Beitrag zur Geschäftsbehandlung – darauf, dass Bundes­minister Dr. Strasser die Höhe der Kosten dieser Volksbefragung für den Bund mit 38 Milliarden Schilling angegeben und zudem festgestellt hat, dass sich die Kosten für die Gemeinden auf den gleichen Betrag belaufen würden. Nach § 19 Abs. 1 Volksbefragungsgesetz hätten die Gemeinden zwei Drittel der Kosten zu tragen. Er könne sich daher nicht vorstellen, dass die Auskunft von Bundesminister Dr. Strasser rechtens sei.

Abgeordneter Dr. Kostelka ersucht Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn, dafür zu sorgen, dass sich der Hauptausschuss bezüglich der Kosten nicht mit einer Schätzung begnügen muss, sondern zu einer konkreten, dem Gesetz entsprechenden Auskunft gelangt.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn stellt fest, ihm liege ein Antrag des Abgeordneten Dr. Pilz auf Einholung einer schriftlichen Äußerung des Verfassungsdienstes vor.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) korrigiert, dass sein Antrag darauf lautet, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis eine Äußerung des Verfassungsdienstes zum vorliegenden Antrag eingeholt worden ist.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn gibt bekannt, dass er, nachdem er der dem Abgeordneten Schieder gegebenen Zusage zur Beantwortung von dessen Fragen durch die Regierungsseite vor Unterbrechung der Sitzung nachgekommen sei, jetzt auf den Antrag des Abgeordneten Ing. Westenthaler auf Sitzungsunterbrechung eingehen werde.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn unterbricht die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 16.46 Uhr unterbrochen und um 17.17 Uhr wieder aufgenommen.)

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend nimmt – den Vorsitz übernehmend – die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteilt dem Abgeordneten Ing. Westenthaler das Wort.

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) teilt mit, dass Beratungen der Fraktionen von Freiheitlichen und ÖVP stattgefunden haben, und bringt als deren Ergebnis einen Abän­derungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kollegen ein. Dieser Abän­derungsantrag enthalte im Wesentlichen den gleichen Text wie der vorliegende Antrag 211/A, weise jedoch drei Änderungen auf, nämlich

– die Ersetzung der Formulierung “Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen” durch “Aufhe­bung der Sanktionen” im ersten Absatz,

– die Ersetzung von “gegen Österreich ungerechtfertigt verhängten Sanktionen” durch “gegen Österreich verhängten Sanktionen” in der erstgenannten Zielsetzung und

– die Ersetzung der einleitenden Fragestellung, sodass es statt früher “Soll die Bundesregierung im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages mit allen geeigneten Mitteln sicherstel­len, dass ...” nunmehr heißt: “Soll der Bundesgesetzgeber im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages mit allen geeigneten Mitteln sicherstellen, dass die folgenden Zielsetzungen erreicht werden”.

Damit sei in zwei Fällen den Bedenken von Seiten der Verfassungsexperten Rechnung getragen worden, nämlich hinsichtlich der möglichen suggestiven Fragestellung und hinsichtlich der Beschränkung auf eine einzige Fragestellung, die im Wesentlichen mit sechs Zielsetzungen ver­bunden sei. Dadurch sei die verfassungsgemäße Eindeutigkeit im Charakter der Fragestellung gegeben.

Abgeordneter Ing. Westenthaler ersucht darum, diesen Abänderungsantrag zur Abstimmung zu bringen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen zum Antrag 211/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen gemäß Artikel 49b B‑VG in Verbindung mit § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Artikel 49b B‑VG

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

Der Antrag 211/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen gemäß Artikel 49b B‑VG auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Artikel 49b B‑VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demo­kratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der Sanktio­nen gegen Österreich hat wie folgt zu lauten:

“Gemäß Artikel 49b B‑VG wird eine Volksbefragung über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitglied­staaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der Sanktionen gegen Österreich mit nach­stehender Fragestellung durchgeführt:

Soll der Bundesgesetzgeber im Zuge der bevorstehenden Reform des EU-Vertrages mit allen geeigneten Mitteln sicherstellen, dass die folgenden Zielsetzungen erreicht werden:

– sofortige Aufhebung der von den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegen Österreich verhängten Sanktionen;

– Ausbau der Europäischen Union als umfassende Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten, die allen Mitgliedstaaten gleiche Rechte und Pflichten garantiert und nicht die Vorherrschaft einiger weniger großer Staaten über die anderen ermöglicht;

– Sicherstellung, dass die Europäische Union das Grundrecht jedes Landes, seine Regierung auf Basis freier demokratischer Wahlen selbst zu bestimmen, den freien Wettbewerb und die Rechte aller demokratischen Parteien sowie die Einrichtungen der direkten Demokratie achtet;

– klare Aufgabenteilung zwischen der europäischen Ebene und den Mitgliedstaaten sowie Auf­wertung der Regionen;

– Verpflichtung aller Einrichtungen der Europäischen Union zur Einhaltung der Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte;

– Aufnahme eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Union mit richterlicher Kontrolle in den EU-Vertrag?

o  Ja  o  Nein

*****

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass dieser Abänderungsantrag schriftlich vorgelegt worden ist und mit zur Verhandlung steht.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) stellt den Antrag, auf Grund des Experten-Hearings und der Beratungen folgende Ausschussfeststellung zu treffen:

“Der Hauptausschuss gelangt nach Anhörung von Experten zu folgenden Feststellungen:

1. Zu den Angelegenheiten, die zum Gegenstand einer Volksbefragung gemacht werden können, gehören auch jene Angelegenheiten, die Gegenstand einer Stellungnahme nach Artikel 23e B‑VG, eines Bundesverfassungsgesetzes, eines Staatsvertrages nach Artikel 50 B‑VG oder eines auf Grund einer Sonderverfassungsbestimmung (vergleiche zum Beispiel das Ermächtigungsgesetz zum Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I 1998/76) ergange­nen generellen Aktes sein können. Die nunmehr vorliegende Frage entspricht daher auch insoweit den Voraussetzungen des Artikels 49b B‑VG.

2. Die nunmehr vorliegende Fragestellung enthält keine Suggestivfrage und entspricht somit den Vorgaben, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 2000, V 103/99 zum Steiermärkischen Volksrechtegesetz entwickelt hat.

3. Bei der nunmehr vorliegenden Frage handelt es sich um eine einzige Frage, sodass sich auch aus diesem Blickwinkel keine Bedenken im Lichte des § 9 Volksbefragungsgesetz ergeben.”

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) erwidert, es entspreche weder der Abänderungsan­trag noch die Ausschussfeststellung diesem Hearing. Das Hearing habe eindeutig ergeben, dass schwerwiegende Mängel rechtlicher Natur vorliegen.

In politischer Hinsicht falle ins Gewicht, dass die Experten nach eingehendem Studium der Vor­lage mit klarer Mehrheit die Ansicht zum Ausdruck gebracht hätten, eine solche Volksbefragung sei politisch in keiner Weise dienlich und entspreche nicht den dafür gültigen Regelungen.

Die Ausschussfeststellung sei angesichts der Aussagen der Experten als blanker Hohn zu be­zeichnen. Der Abänderungsantrag wiederum bringe keine inhaltliche Änderung mit sich. Denn die Frage einer suggestiven Formulierung erhebe sich nicht allein angesichts des Wortes “unge­rechtfertigt”, sondern der Bereich suggestiver Äußerungen ergebe sich darüber hinaus in Ver­knüpfung mit anderen Fragen.

Die Klarheit der Fragestellung habe durch die Neuformulierung noch weiter gelitten. Klarheit der Frage im Sinne des Grazer Erkenntnisses sei nach wie vor nicht gegeben.

Nach wie vor offen sei die Frage der Kosten. Nach § 19 Volksbefragungsgesetz würden zwei Drittel der Kosten auf die Gemeinden entfallen; auf Grundlage der von Bundesminister Dr. Strasser genannten Zahlen ergäben sich Kosten in Höhe von weit über 100 Millionen Schilling.

Die wiederholt geäußerte Absicht der Bundesregierung, eine Informationskampagne durchzu­führen, stehe in Widerspruch zu der Aussage von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner, dass dieser Beschluss die Bundesregierung nichts angehe. Ein Berater des Bundeskanzlers habe davon gesprochen, dass eine Kampagne für diese Volksbefragung mindestens 100 Millionen bis 150 Millionen Schilling kosten müsse, wenn sie etwas Vernünftiges sein solle.

Insgesamt würden sich somit Kosten in Höhe von 250 Millionen Schilling ergeben. Abgeordneter Dr. Kostelka ersucht die anwesenden Regierungsvertreter, zu dieser Frage Stellung zu beziehen.

Weiters fragt Abgeordneter Dr. Kostelka, ob es in den letzten Monaten eine Frage sensibler Art gegeben habe, in der die Bundesregierung nicht die gutachtliche Meinung des Verfassungs­dienstes eingeholt habe. Er fragt, aus welchem Grund der Verfassungsdienst in dieser Ange­legenheit nicht befasst worden sei und ob es entsprechende Äußerungen des Völkerrechtsbüros gegeben habe.

Im Hinblick auf die politische Seite der Entscheidung seien nach wie vor die Äußerungen aus dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten von großem Interesse. Dort sei deut­lich gemacht worden, dass es gegen eine solche Volksbefragung starke Vorbehalte gebe und dass diese Vorgangsweise nicht hilfreich sein werde.

Abgeordneter Dr. Kostelka kündigt an, dass die SPÖ zu dieser Sitzung einen Minderheitsbericht erstatten und diesen dem Ausschussbericht beifügen wird.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) erklärt mit Bezug auf den Abänderungsantrag, der nach der Sitzungsunterbrechung vorgelegt worden ist, es sei nicht sonderlich überraschend, dass man in einer halben Stunde nicht mehr zustande bringe. Nicht allen Beteiligten traue er zu, dies in einer halben Stunde machen zu können, daher sei anzunehmen, dass dafür bereits entspre­chende Vorbereitungen getroffen worden seien. Keine der beiden Möglichkeiten sei übermäßig schmeichelhaft, weder die Ausarbeitung eines Dokuments im Vorhinein noch die Variante, dass nach all den vorgebrachten Einwänden in einer halben Stunde nicht mehr zustande gebracht wurde.

Folgendes sei festzuhalten:

Erstens seien die wesentlichen Einwände nicht entkräftet worden.

Zweitens bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Volksbefragung auch mit dem jetzigen Text nach wie vor verfassungswidrig wäre.

Drittens sei der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes nicht befasst worden. Dies sei für die Grünen eine neue Information gewesen. Ihrer Ansicht nach sei auch das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten nicht befasst worden, und von diesem Ressort stehe dem Hauptausschuss jetzt keine Auskunftsperson zur Verfügung.

Abgeordneter Dr. Pilz weist auf den von ihm zuvor eingebrachten Antrag beziehungsweise die Anregung hin, die Sitzung zu unterbrechen, bis eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes vorliegt. Dies wolle er ergänzen um die Anregung, zu warten, bis eine sachliche Stellungnahme des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vorliegt.

Es bestehe der Eindruck, dass sich die Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei von ihrem Koalitionspartner auch durch diesen Ausschuss würden durchtreiben lassen, wider alle unter ihnen durchaus vorhandenen politischen und persönlichen Bedenken. Dies gelte nicht nur für die Person der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Abgeordneter Dr. Pilz regt an, noch im Ausschuss zu überlegen, wie der Verfassungsdienst befasst werden könne und wie eine kompetente Stellungnahme des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten eingeholt werden könne. Falls die Mehrheit daran kein Interesse zeige, werde er zu einem späteren Zeitpunkt einen diesbezüglichen Antrag stellen.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend antwortet, dass über die Anregung des Abge­ordneten Dr. Pilz bereits vor der Sitzungsunterbrechung diskutiert wurde. In dieser Sitzung liege ein Initiativantrag vor. Über dieses Thema sei auch in der Präsidialkonferenz gesprochen worden. Es sei Einvernehmen darüber erzielt worden, dass Staatssekretär Morak als Vertreter der Bundesregierung zu diesem Tagesordnungspunkt an der Sitzung teilnehmen wird, um diese Initiative des Parlaments aufzunehmen und unter Umständen in Regierungsaktivitäten fortzu­setzen.

Einvernehmen sei auch darüber erzielt worden, nicht alle in irgendeiner Form mit diesem Thema befassten Minister zu befragen. Bundesminister Dr. Strasser sei unabhängig von dem kon­sensual gefassten Beschluss, dass Staatssekretär Morak die Bundesregierung vertreten wird, in dieser Sitzung anwesend. Er habe bereits sein Wissen zur Verfügung gestellt und sei dazu auch weiterhin bereit.

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend spricht sich dagegen aus, über diesen Rahmen hinaus­zugehen.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) weist – zur Geschäftsbehandlung – auf die Zuständigkeit der Außenministerin für weitere Tagesordnungspunkte dieser Ausschusssitzung hin.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend antwortet, dass Bundesminister Dr. Strasser zum 1. Tagesordnungspunkt nicht Vertreter der Außenministerin ist. Jetzt handle es sich um eine Initiative des Parlaments und nicht um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Es bestehe hinsichtlich der verschiedenen Tagesordnungspunkte die Möglichkeit einer differen­zierten Vorgangsweise.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) bezeichnet es in einer Stellungnahme zur Geschäfts­behandlung als nicht akzeptabel sowie als klaren Bruch jeglichen parlamentarischen Fairplays und aller parlamentarischen Usancen, dass ein Mitglied der Bundesregierung, das bereits im Saal anwesend ist, die Absicht habe, die Bundesministerin für auswärtigen Angelegenheiten in 20 Minuten vertreten, jetzt aber dazu noch nicht in der Lage sei. Entweder habe die Bundesre­gierung vertreten zu sein oder eben nicht. Aber sich auszusuchen, wofür es eine Vertretung gebe, sei schwer vorstellbar.

Wenn jetzt gesagt werde, dass das Außenamt nicht vertreten sei, müsse auch klar sein, dass dann über die Tagesordnungspunkte 3 und 4 nicht beraten werden könne.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend stellt klar, Bundesminister Dr. Strasser habe eindeutig erkennbar erklärt, dass er zum jetzigen Thema – auch weil es sich um einen Initiativ­antrag handelt – nicht die Vertretung der Außenministerin wahrnimmt.

Wenn er zu einem anderen Tagesordnungspunkt etwas anderes erkläre, so sei dies ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls zum Gegenstand der Diskussion zu machen.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) meldet sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort und stellt – da Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend dies nahezu provoziere – formal den Antrag auf Anwesenheit der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Er erwarte sich in einer derart unklaren Situation von der Vorsitzführung, die gehörige Vertretung zu überprüfen und nicht bloß etwas zu glauben, was gesagt worden sei.

Denn dabei handle es sich um eine Frage des anständigen Umgangs mit dem Parlament. Dass Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend dafür kein Verständnis habe, sei ziemlich klar.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend erteilt Bundesminister Dr. Strasser zu einer Klarstellung das Wort.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser erklärt, dass er zum Tagesordnungspunkt 1 als Bundesminister für Inneres in der Sitzung anwesend ist.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend erwidert auf einen Zwischenruf des Abgeordne­ten Dr. Kostelka – darauf lautend, dass Bundesminister Dr. Strasser die Frage damit nicht beantwortet habe –, die Antwort sei eindeutig gewesen. Er schreibe einem Mitglied der österrei­chischen Bundesregierung nicht vor, mit welchen Worten es seine Position zu beschreiben habe.

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend bringt den Antrag des Abgeordneten Dr. Kostelka auf Herbeischaffung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Abstimmung.

Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist abgelehnt.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) stellt fest, seinem Eindruck nach seien für diese Sitzung zwei Regierungsmitglieder gesucht worden, die sich zum Fragenkomplex Volksbefragung und Sanktionen bisher noch kaum geäußert hätten. Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner hingegen habe schon erkennen lassen, dass sie mit dieser Volksbefragung nicht glücklich wäre. Nur aus diesem Grund sei sie nicht in dieser Sitzung des Hauptausschusses zugegen. Sie müsste sonst hier zum Ausdruck bringen, dass sie sich darüber freuen würde, wenn diese Volksbefragung nicht zustande käme.

Es sei interessant gewesen, dass von den vier Experten – auch als Staatsbürger angespro­chen – nur ein einziger diese Volksbefragung für hilfreich zur Beseitigung der Sanktionen erachtet habe. Diese Meinung habe die wissenschaftliche Elite des Landes, eingeladen vom Hauptausschuss, geäußert. Dies gelte es deutlich festzustellen.

Nicht unwidersprochen bleiben dürfe die Aussage des Abgeordneten Dr. Spindelegger, in der er so getan habe, als würde diese Volksbefragung eigentlich die künftige Veränderung des EU-Vertrages, die EU-Reform, die Institutionenreform und so weiter zum Gegenstand haben. Wenn dem so wäre, würde sich die Frage stellen, warum dann die Volksbefragung nicht zum nächst­möglichen Zeitpunkt abgehalten werde und warum sie stattdessen aufgeschoben werde. Die dahinter stehende Logik sei nicht ganz zu verstehen.

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser antwortet dem Abgeordneten Dr. Kostelka, die zuvor genannte Zahl von insgesamt etwa 38 Millionen Schilling an Kosten für den Bund beziehe sich auf die Kosten der EU-Volksabstimmung. Da es bisher noch keine Volksbefragung gege­ben habe, sei man auf Schätzungen angewiesen. Wenn man die Gemeindeanteile berücksich­tige, komme schätzungsweise ein Betrag von ungefähr 90 Millionen Schilling an aufwärts zustande.

In Ergänzung dieser Aussage, die er vor der Sitzungsunterbrechung abgegeben hat, gibt Bundesminister Dr. Strasser nunmehr genaue Zahlen bekannt. Der Bundesanteil habe 34 276 867,21 S betragen, hinzugekommen seien die Druckkosten des Bundes von insgesamt 3 749 504,40 S. Der geschätzte Gemeindeanteil habe sich auf 54 842 000 S belaufen. Daher habe sich für die EU-Volksabstimmung ein Gesamtbetrag im Ausmaß von – schätzungsweise, da ein genauer Überblick über die Gemeindeanteile nicht möglich sei – 92 869 000 S ergeben.

Es sei daher zu betonen, dass die zuerst dargelegten ungefähren Angaben in Übereinstimmung mit den detaillierten Informationen stehen.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) legt dagegen Protest ein, dass er nicht – entsprechend der vor der Sitzungsunterbrechung bestehenden Rednerliste und gemäß einer Zusage von Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn – gleich nach der Pause das Wort bekom­men hat.

Er lege Wert auf die Feststellung, dass die vom Abgeordneten Ing. Westenthaler gegebene Zusammenfassung in keiner Weise dem Ergebnis der Äußerungen der Fachleute entsprochen habe. Das mathematische Zusammenzählen in Bezug auf die schriftlich eingereichten vier Fragen sei wenig sinnvoll, weil diese Fragen nicht den Text des Antrags beträfen.

Einem zentralen Punkt, in dem alle Experten Bedenken geäußert hätten, nämlich ob es sich tat­sächlich um eine einzige Frage handle und ob der Text ausreichend klar und unmissverständlich formuliert sei, werde in dem Abänderungsantrag in keiner Weise Rechnung getragen.

Einleitend habe der Berichterstatter zu diesem Antrag, Abgeordneter Dr. Feurstein, selbst erklärt, er berichte über einen Antrag, der sechs konkrete Fragen enthalte. Obwohl also der Berichterstatter von sechs konkreten Fragen gesprochen habe, werde in der Ausschussfest­stellung jetzt so getan, als ob es sich doch nur um eine Frage handle. Es sei jedoch unschwer feststellbar, dass in dem Antrag tatsächlich sechs Fragen enthalten seien.

Auch hinsichtlich der Zielsetzung seien die Auffassungen völlig unterschiedlich gewesen. Dem Abgeordneten Gaugg sei es darauf angekommen, Druck auszuüben. Für den Abgeordneten Dr. Spindelegger sei es um eine Festlegung gegangen, wie es mit der Reform der Europäischen Union weitergehen sollte. Für den Abgeordneten Dr. Fasslabend seien dies einzelne Teile einer Gesamtfrage gewesen, hinter welcher der Wunsch eines kleinen Landes stecke, aus dieser Situation herauszukommen. Somit sei die Zielsetzung von den Regierungsparteien selbst völlig unterschiedlich dargestellt worden. Dies könne auch mit einer Ausschussfeststellung nicht wieder zusammengeflickt werden.

Außerdem sei eine entscheidende Veränderung vorgenommen worden. Gemäß dem Abände­rungsantrag werde nicht mehr, wie im ursprünglichen Antrag, die Bundesregierung beauftragt, sondern der Bundesgesetzgeber. Daher müsse nun die Frage gestellt werden, wie der Bundes­gesetzgeber in den künftigen Verhandlungen mit der Europäischen Union – betreffend die Stimmengewichtungen, die Stimmenverteilung im Rat und dergleichen – vorgehen werde, um diese Ziele zu erreichen.

In dem Wissen, dass die vorangegangene Fragestellung verfassungsrechtlich völlig unzulässig gewesen sei, hätten die Regierungsparteien jetzt einen neuen schwerwiegenden Fehler ge­macht. Die Fachleute jedoch hätten jetzt keine Möglichkeit mehr, dazu Stellung zu nehmen. Mit den Experten sei daher über einen Antrag gesprochen worden, der in diesem substanziellen Punkt völlig anders gelautet habe. Es wäre auch höchst an der Zeit, ein Gutachten des Verfas­sungsdienstes zu erstellen.

Von der SPÖ könne nicht die Zustimmung zu diesem Antrag erwartet werden.

Substanziell bleibe etwas bestehen, worauf Bundesminister Dr. Strasser hingewiesen habe, nämlich dass die Kosten für diese Volksbefragung rund 100 Millionen Schilling betragen würden. Dabei handle es sich um hinausgeworfenes Geld, weil der Zweck damit nicht erreicht werde. Es gehe um eine Menge Geld angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel einzelne Zivildiener um 40 oder 50 S am Tag kämpfen müssten.

Übrig bleibe daher, dass der anerkannte Verfassungsrechtler und frühere Zweite Nationalrats­präsident Dr. Neisser von einen “frivolen Umgang” mit dem Instrument der direkten Demokratie gesprochen hat. Dem sei nichts hinzuzufügen.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) stellt zusammenfassend fest, dass kein Regierungsmit­glied bereit gewesen sei zur Beantwortung seiner außenpolitischen Frage, ob diese Volksbe­fragung geeignet wäre, die Sanktionen zu beseitigen, oder ob sie für diese Bestrebungen eher schädlich wäre.

In dem jetzigen Abänderungsantrag werde nicht auf die Sorgen der Opposition und der Experten eingegangen. Dieser Antrag habe die Problematik eher noch verschärft.

Die an sich schon teure Volksbefragung werde der Republik und den Steuerzahlern noch teurer kommen, weil auch die Bundesregierung eine Kampagne durchführen werde, obwohl die Regie­rung in Briefen zum Ausdruck gebracht habe, dass sie mit dieser Volksbefragung nichts zu tun habe und dass dies Sache des Parlaments sei.

Im Hauptausschuss sei die Regierung wiederum nicht zur Gänze mit den zuständigen Ministern vertreten, weil sie sich darauf berufe, dass es sich um einen Initiativantrag handle. Bei der Kampagne und beim Zahlen werde die Volksbefragung dann aber doch Sache der Regierung sein.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) stellt klar, dem Antrag sei eindeutig zu entnehmen, dass es sich um eine Frage und nicht um mehrere Fragen handelt.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) antwortet dem Abgeordneten Ing. Westenthaler, seine Ausführungen seien bewusst missverstanden worden. Denn mit der Frage, wie in dieser Volks­befragung derjenige zu antworten hätte, der in einem Punkt zur Hälfte dagegen wäre, habe er eine Problematik dargestellt, aber nicht eine Ankündigung über seinen eigenen Standpunkt abgegeben.

Abgeordneter Schieder fügt hinzu, er selbst halte von der gesamten Volksbefragung nichts. Wie er sich verhalten werde, wenn er hingehe, unterliege dem so genannten Wahlgeheimnis.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) führt aus, dass die anwesenden Vertreter der Bun­desregierung – auch wenn deren Zuständigkeit nicht ganz klar sei – auf jeden Fall zur Beantwortung der Frage, ob es eine Informationskampagne der Bundesregierung geben werde, zuständig sein sollten. Dies gelte jedenfalls für den Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Zumindest wäre dies Aufgabe des Bundespressedienstes, und eine Zuständigkeit dafür könne auch nach striktester Interpretation nicht abgeleugnet werden.

Auskunft möge auch über die Position des Verfassungsdienstes gegeben werden.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak ruft mit der Feststellung, dass die Bundesregierung die Gewaltentrennung zwischen Parlament und Regierung sehr ernst nimmt, Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen hervor.

Staatssekretär Morak führt weiter aus, er stelle es deshalb den Abgeordneten – auch dem Abgeordneten Dr. Pilz – anheim, in dieser Frage den Rechts- und Legislativdienst des Parla­ments in Anspruch zu nehmen. Denn es handle sich um einen Initiativantrag des Parlaments. Deshalb sei der Verfassungsdienst nicht befasst worden.

Die Bundesregierung sei bemüht, das Ausmaß ihrer Informationstätigkeit mit Sicherheit weit unter dem finanziellen Aufwand früherer Befragungen – beziehungsweise unter dem Aufwand während der Tätigkeit des Abgeordneten Dr. Kostelka als Staatssekretär im Bundeskanzler­amt – zu halten. Es werde daher eine normale Informationstätigkeit der Bundesregierung geben.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) merkt an, man habe von Staatssekretär Morak zu dessen Zeit als Schauspieler mehr Auskünfte bekommen, und erinnert daran, dass es ein Aktionspro­gramm der Bundesregierung gibt, in dem die Volksbefragung aufscheint; dort werde auch auf die Voraussetzungen dieser Volksbefragung hingewiesen. Es sei traurig, dass man einen Staatssekretär darüber informieren müsse. Im Hauptausschuss gehe es so jedenfalls nicht, dies sei nicht das Burgtheater.

Wenn eine Frage darüber gestellt werde, wie hoch die Kosten für die publizistische Begleitung der geplanten Volksbefragung oder für die Werbung im Rahmen des Bundespressedienstes ge­schätzt würden, reiche eine Antwort nicht aus, wonach die Kosten wesentlich darunter liegen würden. Denn um solche Vergleiche ziehen zu können, müsse Staatssekretär Morak bereits über die Kosten Bescheid wissen. Wenn er das aber bereits wisse, möge er Auskunft darüber geben, wie hoch die Kosten früher gewesen seien und um wie viel sie jetzt darunter lägen. Die Grünen könnten nach Angabe dieser Informationen selbst ausrechnen – falls Staatssekretär Morak dazu nicht in der Lage sei –, welche Kosten entstünden.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) erwidert – da er direkt angesprochen worden sei –, dass der Staatssekretär im Bundeskanzleramt der Jahre 1990 bis 1994 keine einzige Informa­tionskampagne gestartet und getragen hat.

Bundesminister Dr. Strasser habe sich, konfrontiert mit direkten Fragen, bemüht, die Kosten­schätzung seiner Beamten und seines Apparates dem Hauptausschuss nahezu auf den Schil­ling genau mitzuteilen. Bei Staatssekretär Morak hingegen lasse sich feststellen, dass sowohl der Sprachduktus als auch der Informationsgehalt der Aussage stockender werde.

Abgeordneter Dr. Kostelka fragt, ob unter “normaler Informationstätigkeit” eine Informationskam­pagne unter Verwendung von Steuergeld zu verstehen sei. Es stehe zu erwarten, dass die Bundesregierung im kommenden Herbst die Volksbefragung entdecken werde, mit der sie noch vor dem Sommer ein wenig Kindesweglegung betrieben habe.

Abgeordneter Dr. Kostelka fragt außerdem, ob es zum jetzigen Zeitpunkt bereits Vorgespräche, Gespräche oder Verhandlungen mit Unternehmungen gebe, die solche Kampagnen konzipieren oder durchführen, ob bereits entsprechende Angebote vorlägen, ob der Berater des Bundes­kanzlers mit seiner öffentlich abgegebenen Erklärung, dass die anständige Durchführung eines solchen Vorhabens 100 Millionen bis 150 Millionen Schilling kosten würde, etwas Zutreffendes gesagt habe, oder ob es im Herbst 2000 – die Vorlaufzeiten solcher Aktionen von zwei bis vier Monaten seien bekannt – Plakate, Broschüren, an die Haushalte versandtes Informationsmate­rial, Direct Mailing, Telefonaktionen – oder was auch immer in der Art möglich sei – der Bundes­regierung in diesem Zusammenhang geben werde.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass keine weitere Wortmeldung vorliegt, und erklärt die Debatte für geschlossen.

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) stellt – zur Geschäftsbehandlung – die Frage, ob Staatssekretär Morak eine Beantwortung abgelehnt habe.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend weist darauf hin, dass er die Debatte bereits geschlossen hat – Staatssekretär Morak habe bereits Stellung genommen –, und regt zu einem persönlichen Gespräch über dieses Thema nach Abschluss dieses Tagesordnungspunktes an.

Er ersucht den Abgeordneten Dr. Pilz auf dessen Zwischenruf hin, dass dies eine wirklich letztklassige Vorstellung sei, von einer derartigen Wortwahl Abstand zu nehmen. Tatsächlich habe sich nach der Feststellung, dass keine Wortmeldung mehr vorlag, auch niemand mehr gemeldet, weder unter den Abgeordneten noch auf der Regierungsbank. Erst daraufhin sei der Schluss der Debatte erklärt worden. Im Nachhinein auftauchende Wünsche nach Auskünften seien zwar legitim, aber dies mögen dann im persönlichen Gespräch durchgeführt werden.

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend leitet über zur Abstimmung.

Er lässt zunächst über den Antrag 211/A in der Fassung des Abänderungsantrags der Abge­ordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Kollegen abstimmen. – Der Antrag erhält die Stimmenmehrheit und ist angenommen. (Abg. Dr. Pilz: Die Mehrheit von Verfassungs­brechern! – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend ersucht um Konzentration auf den Abstimmungsvorgang und bringt die Aufnahme der Ausschussfeststellung in den Ausschussbericht, entsprechend dem Antrag des Abgeordneten Dr. Khol, zur Abstimmung. – Das wird mit Mehrheit ange­nommen.

Als Nächstes bringt Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend den Vorschlag zur Abstimmung, in dieser Angelegenheit den Abgeordneten Dr. Feurstein zum Berichterstatter im Plenum zu ernennen. – Das wird mit Mehrheit angenommen.

Schließlich lässt Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend abstimmen über den Antrag des Abge­ordneten Dr. Khol auf Veröffentlichung der Verhandlungsschrift zu diesem Tagesordnungspunkt gemäß § 39 Abs. 3 Geschäftsordnungsgesetz. – Dieser Antrag wird einstimmig angenommen.

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend erklärt den 1. Tagesordnungspunkt für abgeschlossen.

(Es folgen nach einer kurzen Debatte zur Geschäftsbehandlung die Beratungen zu den Tages­ordnungspunkten 3 bis 5.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 18 Uhr

 

 

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