IV-9 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 21. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                  Mittwoch, 21. März 2001

Tagesordnung

1. Europäischer Rat Stockholm

KOM (01) 79 endg.
Mitteilung der Kommission
Das ganze Potenzial der Union ausschöpfen: Konsolidierung und Ergänzung der Lissabonner Strategie. Beitrag der Europäischen Kommission zur Frühjahrestagung des Europäischen Rates Stockholm, 23. und 24. März 2001 (27302/EU XXI. GP)

KOM (01) 79 endg.
Mitteilung der Kommission
Das ganze Potenzial der Union ausschöpfen: Konsolidierung und Ergänzung der Lissabonner Strategie. Beitrag der Europäischen Kommission zur Frühjahrestagung des Europäischen Rates Stockholm, 23. und 24. März 2001
Strukturindikatoren. Anhang 2 zum Bericht für Stockholm
(27303/EU XXI. GP)

RAT 5907/01 ECOFIN 25 SOC 41 MI 11
Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates in Stockholm (22./23. März)
– Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2001
(28232/EU XXI. GP)

2. Bericht der Bundesregierung gemäß § 11 des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984 im Finanzjahr 2000 (87/HA)

3. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Ver­ordnung über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer geändert wird (88/HA)

4. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Be­freiung der internationalen Organisationen mit Sitz in Österreich von der Werbeabgabe (90/HA)

5. Unterrichtung über die Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes im Ausschuss der Regionen (91/HA)

6. Unterrichtung über die Nominierung eines Mitgliedes im Ausschuss der Regionen (92/HA)

7. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend vorübergehende Entsendung eines zweiten Planungsoffiziers zum regionalen Verifikations- und Unterstützungszentrum zur Implementierung von Rüstungs­kontrollabkommen in Südosteuropa (RACVIAC) (93/HA)

8. Reassümierung des Beschlusses des Hauptausschusses vom 2. März 2001 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Universitätsreform“

Beginn der Sitzung: 15.04 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden, insbesondere Bundeskanzler Dr. Schüssel und Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ferrero-Waldner.

Vor Eingang in die Beratungen wird eine Umstellung der Tagesordnung vorgeschlagen und, da keine Einwendung dagegen erfolgt, durchgeführt. Diese Umstellung erfolgt derart, dass die bis­herigen Punkte 3, 4 und 7 vorgereiht und zu den neuen Tagesordnungspunkten 2, 3 und 4 werden. Der bisherige Punkt 2 wird zum neuen Punkt 5, aus bisher 5. wird 6., und aus bisher 6. wird 7. Unverändert bestehen bleiben nur die Tagesordnungspunkte 1 und 8.

1. Punkt

Europäischer Rat Stockholm

KOM (01) 79 endg.
Mitteilung der Kommission
Das ganze Potenzial der Union ausschöpfen: Konsolidierung und Ergänzung der Lissabonner Strategie. Beitrag der Europäischen Kommission zur Frühjahrestagung des Europäischen Rates Stockholm, 23. und 24. März 2001 (27302/EU XXI. GP)

KOM (01) 79 endg.
Mitteilung der Kommission
Das ganze Potenzial der Union ausschöpfen: Konsolidierung und Ergänzung der Lissabonner Strategie. Beitrag der Europäischen Kommission zur Frühjahrestagung des Europäischen Rates Stockholm, 23. und 24. März 2001
Strukturindikatoren. Anhang 2 zum Bericht für Stockholm
(27303/EU XXI. GP)

RAT 5907/01 ECOFIN 25 SOC 41 MI 11
Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates in Stockholm (22./23. März)
– Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik 2001
(28232/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer weist auf einige erst in den letzten Stunden eingetroffene und zur Verteilung gelangte Dokumente hin. Er stellt fest, dass für diese Sitzung des Hauptausschusses ein zeitlicher Rahmen von zweieinhalb bis drei Stunden vorgesehen ist – ohne dass explizit eine Vereinbarung über die Redezeiten getroffen worden wäre – und dass der Bundeskanzler seine Anwesenheit bis 16.30 Uhr zugesagt hat.

Gegen diese Vorgangsweise werden keine Einwendungen erhoben.

Nunmehr erteilt Obmann Dr. Fischer zu einer einleitenden Stellungnahme Bundeskanzler Dr. Schüssel das Wort.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel weist darauf hin, dass der „Hirtenbrief“ der schwe­dischen Präsidentschaft dem Ausschuss zugegangen ist; darin werde auf die für den Euro­päischen Rat von Stockholm vorgesehenen drei Arbeitssitzungen Bezug genommen.

Am Vormittag des 23. März werde über allgemeine makroökonomische Politik gesprochen werden, insbesondere über Finanzmärkte und den Lamfalussy-Bericht, neue Technologien und Forschungspolitik, das sechste Rahmenprogramm und besondere Wünsche mancher Mitglied­staaten in puncto Biotechnik sowie die Frage der „Enterprise Policy“, auch mit Bezug auf ein vom IRT – Industrialists’ Round Table – vorgelegtes Dokument.

Nach einem Treffen mit dem russischen Staatspräsidenten Putin werde am Nachmittag eine zweite Arbeitssitzung folgen, die den gravierenden demographischen Veränderungen – inner­halb der nächsten Jahrzehnte werde in Europa die Erwerbsbevölkerung drastisch zurück­gehen – gewidmet sein werde. Dabei werde es etwa um das europäische Sozialmodell und eine Pensionsfonds-Richtlinie der EU gehen. Diese Richtlinie werde erstmals entsprechende Stan­dards schaffen; dazu gehöre zum Beispiel auch eine europäische Pensionskasse, welche die Mitnahme von Ansprüchen möglich machen werde. Als weitere Themen seien unter anderem vorgesehen: Fragen der sozialen Inklusion, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Beschäftigungsfähigkeit einzelner Bevölkerungsgruppen.

Das Thema Außenpolitik stehe für den Nachmittag auf der Tagesordnung. Dabei werde insbe­sondere über die aktuelle Mazedonien-Krise, aber auch über den Nahen Osten und über Korea gesprochen werden.

Die dritte Sitzung am Samstag Vormittag werde den Konklusionen gewidmet sein.

In Stockholm werde eine Bewertung der in Lissabon erzielten Erfolge zu erfolgen haben, auch seien neue Weichenstellungen vorgesehen. Über Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, das Funktionieren des Binnenmarktes, das europäische Sozialmodell oder auch die Budgetkonsoli­dierung werde jeweils im Zusammenhang mit den anderen Bereichen beraten werden.

Als neues Thema sei etwa das umfassende Binnenmarktkonzept vorgesehen; davon betroffen seien die Gas- und Strommärkte – im Hinblick auf deren volle Liberalisierung –, die Postdienste und das Eisenbahnmonopol. Zur Diskussion stehen würden auch Fragen des Kapitalmarktes und der Wertpapiermärkte, das Thema europäischer Luftraum und das Gemeinschaftspatent.

Österreich vertrete in fast allen Bereichen die gleiche Linie wie die Europäische Kommission und wolle – entsprechend seiner Position als Vorreiter in vielen Bereichen – gegenüber den anderen Mitgliedstaaten stärker darauf dringen, dass verbindliche Ziele für die Öffnung von deren Märk­ten zugesagt werden.

Von entscheidender Bedeutung werde eine kohärente Gesamtstrategie sein, um die einzelnen Prozesse, die derzeit in einzelnen Fachräten abgehandelt werden, stärker zu verzahnen und ein klares Benchmarking zu schaffen, damit man sich jeweils an den Besten orientieren könne.

Österreich habe sich zwar dafür verwendet, die dem Hauptausschuss soeben vorgelegte Liste der Strukturindikatoren möglichst umfassend zu gestalten, aber es seien darin nicht alle Daten enthalten. In Bezug auf Österreich weise diese Liste Stärken und Schwächen aus. In allen Daten über den Arbeitsmarkt – auch hinsichtlich der Beschäftigungsquote der Frauen und Männer – nehme Österreich eine sehr gute Position ein. Ein deutlicher Rückstand Österreichs zeige sich hingegen in Bezug auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, und zwar wegen des hohen Anteils an Frühpensionisten.

Hinsichtlich der Finanzindikatoren – vor allem betreffend die Budgetpolitik – sei Österreich im Jahr 2000 immer noch Schlusslicht gewesen. Der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo Österreichs sei im Jahr 1999 der schlechteste in der gesamten Europäischen Union gewesen.

Was hingegen die Höhe der öffentlichen Bildungsausgaben betrifft, stehe Österreich im europa­weiten Vergleich an dritter Stelle der Statistik, und hinsichtlich der Unternehmensinvestitionen nehme Österreich sogar die erste Position ein.

Günstig liege Österreich auch beim Internet-Zugang an den Schulen; an den höheren Schulen betrage dieser Wert bereits 100 Prozent. Beim privaten Internet-Zugang habe Österreich den größten Sprung geschafft und sei mit einer Steigerung von 16 Prozent auf 40 Prozent innerhalb von sechs Monaten von Platz zehn auf Rang sechs vorgerückt. Österreich vertrete in dieser Hin­sicht offensiv die Meinung, dass auch für Universitäten und Schulen ein Benchmarking und ein Rating vorgesehen werden sollten, um europaweite Leistungsvergleiche zu gewährleisten.

Österreich werde in Stockholm die Diskussion über das wichtige Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch dazu nützen, das österreichische Modell der Kinderbetreuung, des Kin­dergeldes, einer Kindergeld-Betreuungszeit von bis zu drei Jahren zu thematisieren. In dieser Hinsicht sei Österreich „um Lichtjahre“ besser als alle anderen europäischen Länder, daher würden diese Vorschläge auf großes Interesse stoßen.

Das Thema Biotechnik sei aus österreichischer Sicht zwar wichtig, sollte jedoch nicht – wie es dem Wunsch Großbritanniens und der Niederlande entspräche – das einzige prioritäre For­schungsthema sein. Österreich wolle auch die Themen Umwelt und „non nuclear research priorities“ vertreten sehen.

In großem Umfang werde über den Aktionsplan E-Europe und über E-Government diskutiert werden.

Bundeskanzler Dr. Schüssel weist darauf hin, dass er im Hinblick auf das Thema Biotechnik die Einrichtung einer Ethik-Kommission als Beraterstab beim Bundeskanzleramt angeregt hat. In den nächsten Wochen werde es zur konkreten Implementierung kommen.

Nicht auf der Tagesordnung für Stockholm stehe eine Diskussion über Landwirtschaftsfragen. Dies werde von der schwedischen Präsidentschaft nicht gewünscht. Freilich sei nicht auszu­schließen, dass dieses Thema in den Diskussionen am Rande behandelt werden könnte. Falls es angesprochen werde, werde Österreich im Sinn seiner jüngsten Initiative im Agrarministerrat noch einmal nachdrücklich ein Verbot der Tiermehlverfütterung auf Dauer anregen. Eine Mehr­heit der Mitgliedstaaten habe bereits Unterstützung für diesen Vorschlag zu erkennen gegeben. Jetzt müsse noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission abgewartet werden.

Österreich werde auch darauf dringen, dass der Beschluss über die Lebensmittelagentur mög­lichst bald – günstigstenfalls bereits in Stockholm – gefasst wird. Die Vorarbeiten dafür seien aber noch nicht weit gediehen.

Die Europäische Kommission habe am Vortag eine „Orientierungsdiskussion“ – dieses Wort stelle innerhalb der Kommission einen neuen Begriff dar – über die EU-Erweiterung, insbeson­dere die Frage der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, durchgeführt. Ein diesbezügliches Gespräch von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner mit Kommissär Verheugen sei sehr wichtig dafür gewesen, dass sich die Kommission nicht festgelegt habe, sondern offen geblieben sei.

Dies stimme mit der österreichischen Priorität überein, nämlich einer Übergangsfrist von tentativ sieben Jahren, die einvernehmlich auch verkürzt werden könnte. Die Betonung liege dabei auf „einvernehmlich“; Österreich lehne es ab, dass andere die Entscheidung darüber treffen, und wolle nicht von einem entsprechenden Vorschlag der Kommission abhängig sein. In diesem Fall wäre eine gewisse Flexibilität in beiden Richtungen möglich, dann könnte mit Schutzklauseln oder der einvernehmlichen Verkürzung von Fristen operiert werden.

Allerdings sei auch dieses Thema für Stockholm nicht vorgesehen; es könne aber wiederum nicht ausgeschlossen werden, dass es am Rande zur Sprache kommen wird.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) erachtet das „Follow-up“ zu den inhaltlich sehr weit­reichend ausgestalteten Beschlüssen von Lissabon für eine umfassende Aufgabe des Euro­päischen Rates in Stockholm. Die Ziele, dass die Europäische Union zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt gemacht werden soll, dass es zu stetigem Wachstum und zur Zu­nahme sowie Verbesserung von Arbeitsplätzen kommen soll, könne die SPÖ in vollem Umfang unterstützen.

Allerdings werde eine Reihe von Maßnahmen in diesem Kontext noch zu diskutieren sein. Aus dem von der Bundesregierung vorgelegten Dokument „Österreichische Prioritäten für den Euro­päischen Rat von Stockholm“ seien solche Prioritäten in Wirklichkeit aber nicht ersichtlich, obwohl es sich dabei um eine Liste im Umfang von 15 Seiten handle. Eine Schwerpunktsetzung sei darin nicht erkennbar.

Die SPÖ vermisse unter den Punkten, die hinsichtlich der makroökonomischen Politik angeführt werden, das Thema Geldpolitik. In jüngster Zeit erst habe sich neuerlich gezeigt, in welchem Umfang etwa in den USA die Geldpolitik als Instrument der Konjunktursteuerung eingesetzt werde. Auf dieses Mittel der Beeinflussung werde in der Europäischen Union gänzlich verzichtet. Abgeordneter Dr. Einem fragt, ob Bundeskanzler Dr. Schüssel diesen Aspekt in Stockholm an­sprechen werde. Es komme darauf an, deutlich zu machen, dass über die reine Inflationsbe­grenzungspolitik hinaus der aktive Einsatz der Instrumente der Europäischen Zentralbank zum Zweck der Unterstützung eines entsprechenden Wirtschaftswachstums oder der Vermeidung eines Wirtschaftsabschwungs erforderlich sein werde. (Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend übernimmt um 15.20 Uhr den Vorsitz.)

Eines der wesentlichen Ziele im Rahmen der Lissabon-Strategie bestehe darin, die Pensions­systeme durch eine Ausweitung der Beschäftigung, insbesondere eine Erhöhung der Erwerbs­quote, besser zu sichern. Zugleich sei geplant, einer Reihe von Gruppen verbesserte Chancen auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu geben, Gruppen wie jener der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie jener der Frauen. Diese Zielsetzung finde keine Entsprechung in den österreichischen Bemühungen und habe auch nicht Eingang in dieses Dokument über die öster­reichischen Prioritäten gefunden. Abgeordneter Dr. Einem fragt, in welcher Richtung Bundes­kanzler Dr. Schüssel in dieser Hinsicht argumentieren werde.

Hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung von Frauen seien die meisten Hoffnungen damit verbunden, dass etwa die Attraktivität der Arbeitsangebote für Frauen erhöht wird, dass die Diskriminierung von Frauen – nicht nur betreffend den Lohn – überwunden wird und dass Möglichkeiten für Eltern geschaffen werden, Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander zu vereinen. Die österreichische Prioritätenbestimmung weise zwar eine Aufzählung von Herausforderungen auf, enthalte aber keine einzige Aussage über die diesbezüglichen Absichten der Bundesregierung. Abgeordneter Dr. Einem fragt, welche Prioritäten Bundeskanzler Dr. Schüssel in diesem Kontext sehe.

Der österreichische Finanzminister habe kürzlich in einem Interview auch die Struktur- und Kohäsionsfonds der Europäischen Union angesprochen und dabei verlangt, es solle zu einer Änderung der Stimmgewichte zwischen den Nettozahlern und ‑empfängern kommen. Abgeord­neter Dr. Einem fragt, ob diese Aussage von der Bundesregierung übereinstimmend vertreten werde oder ob es sich dabei nur um die Äußerung einer Einzelmeinung im Rahmen des Wahl­kampfs in Wien gehandelt habe.

Ferner habe Bundesminister Mag. Grasser im gleichen Gespräch angedeutet, Österreich könnte, weil hierzulande kein BSE-Fall aufgetreten ist, in diesem Zusammenhang „Rückforde­rungsansprüche“ an die Europäische Union richten. Abgeordneter Dr. Einem fragt, ob es sich dabei um einen Standpunkt der Bundesregierung handle oder um eine persönliche Auffassung eines Staatsbürgers, der zufällig auch Finanzminister sei.

Zwar stehe die Personenfreizügigkeit im Kontext der EU-Erweiterung nicht auf der Tagesord­nung für Stockholm, aber Bundeskanzler Dr. Schüssel möge darüber Auskunft geben, ob er vor­habe, über dieses Thema mit dem deutschen Bundeskanzler als Vertreter des zweiten davon am meisten betroffenen Landes zu sprechen.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) widerspricht der Einschätzung des Abgeordneten Dr. Einem betreffend das Prioritäten-Dokument, indem er feststellt, er erkenne darin sehr wohl die Prioritäten der österreichischen Bundesregierung, insbesondere auch hinsichtlich des „Follow-up“ in der Evaluierung der Gesamtstrategie von Lissabon, die auf Wirtschaftswachstum, Arbeitsplatzqualität und größere soziale Kohäsion abgestellt sei.

Zur Unterstützung der österreichischen Prioritäten werde von der ÖVP und den Freiheitlichen folgender Antrag eingebracht:

Antrag

auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer und Kollegen betreffend Frühjahrstagung des Europäischen Rates Stock­holm, 23. und 24. März 2001

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG folgende Stellungnahme:

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, beim Europäischen Rat in Stockholm

– die österreichische Strategie einer offensiven Familienpolitik, wie sie zuletzt mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes dokumentiert wurde, im Hinblick auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Erhöhung der Erwerbsquote, die demographische Entwicklung und die Sicherung des Sozialsystems,

– den von Österreich eingeschlagenen Kurs eines ausgeglichenen Staatshaushaltes zur Schaffung finanziellen Freiraumes für die Zukunft,

– die von Österreich erfolgreich betriebene Politik der Vollbeschäftigung („Vollbeschäftigung ohne neue Schulden“) als Grundlage für die Sicherung der Finanzierung des Sozialsystems,

– die von Österreich betriebene Reform der Pensions- und Gesundheitssysteme zur langfristi­gen Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit

in die Evaluierung der Lissabon-Strategie und in die Beratung der weiteren Vorgangsweise ein­zubringen, wobei auch weiterhin die strikte Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips eingefordert werden soll.“

Dieses Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union ist durch Bundesgesetz oder Bundesver­fassungsgesetz umzusetzen oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechts­aktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wären.

*****

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass dieser Antrag auf Stellung­nahme ordnungsgemäß eingebracht ist und mit in Verhandlung steht.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) kündigt an, sie werde einige Fragen zur Kon­kretisierung der im Dokument über die österreichischen Prioritäten aufscheinenden Punkte stellen.

Vor dem Hintergrund der auf der vierten Seite dieses Dokuments begrüßten beschleunigten Liberalisierung der Energiemärkte, die weit über das für die Richtlinie vorgesehene Ausmaß hinausgehe, komme der Frage des Atomstroms immer größere Brisanz zu. Es müsse auf euro­päischer Ebene zu einem Thema werden, dass es wegen der sich in dieser Hinsicht abzeich­nenden Unternehmenskonstruktionen und des daraus entstehenden Drucks auf manche Länder immer schwieriger werde, die Politik einer konsequenten Ablehnung des Atomstroms beizube­halten. Wenn es in großem Umfang zur Stilllegung von Kernkraftwerken kommen werde, dann würden schlichtweg alle für die Produktion von Atomstrom zu bezahlen haben.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, welche Argumentationslinie Österreich in dieser Hinsicht verfolgen werde. Es sei zwiespältig, auf der einen Seite einer gar noch beschleunigten Liberali­sierung um jeden Preis das Wort zu reden und auf der anderen Seite doch noch die konse­quente österreichische Haltung in Bezug auf Atomstromimporte beizubehalten.

Was die ebenfalls auf der vierten Seite des Dokuments angesprochene Richtlinie zum „Single European Sky“ und die Einführung einer Euro-Control als Ersatz für Dienste wie zum Beispiel Austro-Control betrifft, sehe Österreich eine Priorität darin gegeben, „zu einer sachgerechten Regelung der zivilen und militärischen Kompetenzen zu kommen“. Abgeordnete Dr. Lichten­berger fragt nach dem österreichischen Standpunkt hinsichtlich des Verhältnisses zwischen mili­tärischer und ziviler Luftfahrt sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf die Austro-Control-Systeme. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Zusammenführung der Kontrollvorrichtungen letzten Endes zugunsten einer fast schon militärisch dominierten Kontrolle der Zivilluftfahrt aus­wirken könnte.

Hinsichtlich der Eisenbahn und der Richtlinie zur Trassenkapazitäts-Zuweisung stelle sich die Frage, ob die Bundesregierung wirklich für eine Bevorzugung des Güterverkehrs gegenüber dem Personenverkehr auf den europäischen Schienennetzen eintreten wolle. Eine solche Prioritätensetzung würde insbesondere in den großstädtischen Räumen mit ihren großen Ver­kehrsströmen zu enormen Problemen führen.

Die auf Seite 15 des Dokuments aufscheinende Zusammenfassung der Aspekte einer umwelt­verträglichen Verkehrspolitik sei für recht positiv zu erachten. Auch im Lichte der Alpenkonven­tion sei es von zentraler Bedeutung, die Haltung zugunsten einer Berücksichtigung von sen­siblen Zonen – wie etwa dem Alpenraum – nicht immer nur aus dem Verkehrsministerium ver­lauten zu lassen, sondern auch einmal vom Außenamt her wesentlich deutlicher zum Ausdruck zu bringen.

Es komme jetzt darauf an, über den Alpenbogen hinweg Lösungen für die Probleme zu finden. In jeder Verkehrsdebatte müsse insbesondere das Faktum in Betracht gezogen werden, dass der Transitvertrag im Auslaufen begriffen ist. Österreich werde wieder eine Vorreiterrolle einneh­men müssen auf der Suche nach Bündnispartnern im Alpenraum, sowohl unter Beitrittsstaaten wie Slowenien als auch unter Nicht-EU-Mitgliedern wie der Schweiz.

Im Zuge des Beitritts von mittel- und osteuropäischen Staaten werde die Verkehrsfrage von zen­traler Bedeutung sein. Derzeit seien unter den Mitgliedstaaten gröbste Koordinationsmängel im Hinblick auf die Transeuropäischen Netze festzustellen.

Was den Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Schweitzer betrifft, erachtet es Abgeordnete Dr. Lichtenberger für problematisch, die österreichische Strategie der Familienpolitik, deren kritische, wichtige und zentrale Details noch nicht einmal bekannt seien, als ein Marketing-Instrument in Stockholm zu verwenden.

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche) vertritt demgegenüber die Meinung, dass das Kinder­geld sehr wohl „herzeigbar“ sei. Österreich sei federführend in Europa mit diesem Ausmaß an Unterstützung für Familien, diesem klaren Bekenntnis zu Familie und Kind sowie dieser rück­haltlosen Unterstützung von Frauen, insbesondere allein stehenden Frauen, die damit in die Lage versetzt würden, nicht nur die wichtigen ersten Jahre beim Kind zu verbringen, sondern danach auch den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu finden. Dies brauche nicht verschwiegen zu werden.

Der vorgelegte Synthesebericht räume der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik großen Raum ein, wogegen die Sozialpolitik nur in verschwindendem Maße Erwähnung finde. Auch daran zeige sich wieder, wie wichtig der österreichische Schritt zur Einführung des Kinderbetreuungs­geldes gewesen sei. Die anderen Mitgliedstaaten seien offenbar noch nicht im selben Maß in der Lage, mit entsprechenden Modellen aufzuwarten.

Es mangle in dem Synthesebericht an einem eigenen Kapitel über die Förderung der sozialen Integration. Dem würde eine Schlussfolgerung des Europäischen Rates von Nizza entsprechen, wonach die Mitgliedstaaten zur Vorlage von Nationalen Aktionsplänen zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut bis Juni 2001 aufgerufen seien.

Stärkere Berücksichtigung sollten auch Aspekte der Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie das Problem der Erwerbsbenachteiligung von Frauen finden.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ) spricht sich dafür aus, dass im Zuge der EU-Erweiterung die Freizügigkeit der Arbeitskräfte durch bestimmte Maßnahmen im Dienstleis­tungsbereich ergänzt wird. Dies sei wichtig, um zu verhindern, dass die verschiedenen Regelun­gen einander beeinträchtigen und einige Maßnahmen unwirksam werden.

Entgegen der Tagesordnung werde in Stockholm auch die Landwirtschaft zu einem Thema werden, allerdings nicht nur im Hinblick auf die zuvor angesprochene Dauerlösung betreffend Tiermehl. Erforderlich sei jetzt eine grundsätzliche Debatte darüber, welche Art von Landwirt­schaft in der Europäischen Union betrieben werden solle und in welchen Bereichen sie nachhal­tig zu gestalten wäre. Einzelne Maßnahmen allein wären unzureichend, sondern es müsse jetzt ein Gesamtbild der künftigen EU-Landwirtschaft gezeichnet werden.

Das von der Bundesregierung vorgelegte Dokument über die österreichischen Prioritäten lasse in dieser 15‑seitigen Aufzählung eine wirkliche Prioritätensetzung vermissen. Zwar bringe zum Beispiel der Wirtschaftsbereich mit den genannten Zielen – wie Wirtschaftswachstum und Sen­kung der Arbeitslosigkeit – auch den SPÖ-Ansatz zum Ausdruck, aber es fehle beispielsweise völlig eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Wettbewerbsregeln in Zukunft gelten sollen. Zu den wesentlichsten Punkten gehöre dabei die Harmonisierung des Steuerrechts und die Frage der Gerechtigkeit von Besteuerung.

Nach wie vor sei zum Beispiel keine Vereinheitlichung in Vermögensteuerbelangen zustande ge­bracht worden, sodass weiterhin im Wesentlichen all das, was nicht mobil ist, besteuert werde, und alles, was die Möglichkeit zum Ausweichen hat, nicht erfasst werde. Ein solches System sei wettbewerbsverzerrend und könne daher so nicht hingenommen werden. Die Frage der Gestaltung des Wirtschaftsraums sei daher wesentlich mit der Frage der Wettbewerbsregeln verbunden, und deren Ausbau sei wiederum notwendig für mehr Gerechtigkeit.

Die heutige Verabsolutierung der Maastricht-Kriterien hinsichtlich der Budgetpolitik sei in Wirk­lichkeit volkswirtschaftlich nicht abgesichert und diene eher den politischen Vorstellungen be­stimmter Richtungen.

In Bezug auf die geplante Umgestaltung der Postdienste bis 2006 stelle sich die Frage nach der Realisierbarkeit dieses Vorhabens. Was die Bevorzugung des Güterverkehrs gegenüber dem Personenverkehr im Eisenbahnbereich betrifft, sei die Vorrangigkeit zwar wichtig, doch müsse daneben auch ein Weiteres aufgebaut werden. Der Personenverkehr stehe heute schon an der Grenze zur Nicht-Abwicklungsmöglichkeit, oder es komme zumindest zu einer starken Häufung der Verspätungen. Da könne nicht so getan werden, als wäre es möglich, mit dem vorhandenen Schienennetz das Auslangen zu finden. Vielmehr müssten neue Initiativen ergriffen werden.

Im Bereich der Forschung habe Österreich – im Unterschied zu anderen Ländern – viele priori­täre Themen aufgegriffen. Es sei aber nicht klar, ob es sich dabei um ein ambitioniertes Pro­gramm oder um eine reine Aufzählung handle, wenn etwa die Absicht zur umfassenden Teil­nahme an Programmen wie jenen für Biotechnologie und Nanotechnologie geäußert werde. Abgeordneter Dr. Bauer fragt, welche Forderungen Österreich konkret erhebe, um diese For­schungsaktivitäten auch umsetzen zu können.

Hinsichtlich der Infrastruktur für das Großforschungsprojekt AUSTRON stelle sich die Frage nach der Suche von Partnern zur Verwirklichung dieses Konzepts.

Offenbar noch nicht richtig vorbereitet sei die Europäische Union auf das Älterwerden der Bevöl­kerung. Es sei rein demographisch nicht zwingend so, dass der Zusammenhang zwischen dem Älterwerden und den damit verbundenen Kosten aus den bisherigen Sozialsystemen ableitbar wäre, vor allem nicht aus dem derzeit vorhandenen Wissen über soziale Zusammenhänge. Gegenwärtig liege nur eine lineare Einschätzung des bisherigen Systems und des bisherigen Verlaufs von Alterungsvorgängen vor. Es wäre eine Aufgabe der Zukunftsforschung, herauszu­finden, in welchem Ausmaß es zu Verschiebungen kommen wird. Dies werde auch Verschie­bungen in den Kosteneinschätzungen zur Folge haben.

Es sei wichtig, diese Herausforderungen wirklich ernst zu nehmen und sie unter einem dynami­scheren Konzept zu betrachten, um zu vermeiden, dass falsche Rückschlüsse gezogen werden.

Im Sinn einer sachgerechten und vernünftigen Lösung des Transitproblems werde zu beachten sein, dass dieses Problem nicht nur den Alpenraum betrifft, sondern auch die Einbindung der Ostregion in ein Transitsystem umfasst.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ) spricht die österreichische Prioritätensetzung im Hinblick auf Frauenerwerbsquote und Gleichstellungspolitik im Allgemeinen an und richtet an Bundeskanzler Dr. Schüssel die Frage, ob er sich Benchmarking- und Best-Practice-Initiativen der anderen europäischen Staaten und die diesbezüglichen statistischen Zahlen angesehen habe. Darin zeige sich nämlich ein nach wie vor vorhandener Aufholbedarf Österreichs. Bei­spielsweise in Bezug auf die Anzahl der in den Erwerbsprozess eingebundenen Mütter sei Österreich bis heute Schlusslicht geblieben, und dieses Problem werde sich mit dem Kinder­betreuungsgeld noch verschärfen.

Österreich habe nunmehr eine ganz andere Richtung als andere europäische Staaten einge­schlagen, was sich beispielsweise auch auf Heranziehung der Väter zu den Versorgungsleistun­gen auswirke. Mit den nunmehr gesetzten Schritten werde die Anhebung der Frauenerwerbs­quote eine reine Illusion bleiben. Die Wert- und Welthaltung der Bundesregierung in Sachen Familie lasse sich kaum zusammenfügen mit den Intentionen, die auf europäischer Ebene vor­gegeben seien.

Mütter mit Kindern unter zwei Jahren stünden in Österreich nur zu 9 Prozent im Erwerbspro­zess; in Deutschland seien es 34 Prozent, in Frankreich 60 und in Schweden 75 Prozent. Bei Müttern mit Kindern zwischen drei und neun Jahren betrage der Unterschied Österreichs zu Frankreich und Schweden immer noch nahezu 10 Prozent.

Es könne die Strategie der Europäischen Union nicht wegdiskutiert werden, dass nur mit einer hohen Erwerbsbeteiligung die Lissabon-Ziele auch erreicht werden könnten; es sei denn, in der Diskussion würde behauptet werden, dass dies für Österreich kein relevanter Punkt wäre.

Abgeordnete Mag. Prammer erachtet andere Schwerpunktsetzungen für erforderlich. Nicht ein­mal das europäische Recht in Sachen Gleichstellung sei – trotz Ablauf der Fristen im Vorjahr – bisher in Österreich umgesetzt worden. Die einzig konkreten Angaben in den Prioritätensetzun­gen habe die Bundesregierung an die Adresse der Sozialpartner gerichtet. Bisher sei auch noch nicht beispielsweise darauf Bezug genommen worden, dass nach langen Unterbrechungszeiten viel Engagement für den Wiedereinstieg notwendig sei und dieser wahrscheinlich auch sehr viel Geld koste. Männer fänden dabei überdies fast keine Berücksichtigung.

Dass die Bundesregierung die Gleichstellungspolitik generell unter dem Titel „Familie“ abhandle, stelle eine Themenverfehlung dar, weil damit eine andere als die in der Europäischen Union vor einem Jahr vorgegebene Richtung eingeschlagen werde.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) leitet seine Ausführungen zu dem Dokument „Die österreichischen Prioritäten für den Europäischen Rat von Stockholm“ und zu dem von den Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Schweitzer eingebrachten Antrag auf Stellungnahme mit der An­merkung ein, es sei verständlich, dass der Schwerpunkt einer offensiven Familienpolitik am Bei­spiel des Kinderbetreuungsgeldes in dem Prioritäten-Dokument nicht aufscheine.

Im Fall der Annahme des vorliegenden Antrags auf Stellungnahme und der dementsprechenden Vertretung dieses Standpunkts durch die Bundesregierung in Stockholm bestehe die Gefahr, dass Österreich auf eine zweifache Mogelpackung hingewiesen werden könnte, und zwar aus folgendem Grund.

Die in dem Dokument verwendete Formulierung „wie sie zuletzt mit der Einführung des Kinder­betreuungsgeldes dokumentiert wurde“ treffe nicht zu, weil das Parlament dazu weder eine Vorlage erhalten noch einen Beschluss gefasst habe. Somit sei diese Formulierung übrigens auch in demokratiepolitischer Hinsicht für „etwas verwegen“ zu erachten. Zum Zweiten sei – auch im Sinn der bereits in großer Fülle vorliegenden einschlägigen Dokumente von Seiten der Europäischen Union – zu bezweifeln, dass nach Art der österreichischen Vorgangsweise wirk­lich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erzielt werden könnte.

Würde die Bundesregierung in Stockholm diesen Antrag auf Stellungnahme tatsächlich erfüllen, so ginge sie das Risiko ein, im Rat gefragt zu werden, ob diese Regelung bereits bestehe und ob das vorgegebene Ziel damit erreicht werden könne. Darauf würden dann keine positiven Ant­worten möglich sein.

An den vorgelegten Unterlagen über die Strukturindikatoren sei auffallend, dass dort Bildung als eigenständiger Wert offensichtlich nicht mehr vorkomme. Dies sei bedauerlich, weil es im Zu­sammenhang mit Innovation und Forschung nahe liegend gewesen wäre, auch den Bereich Bil­dung anzusprechen. So aber stelle es ein bestimmtes Signal dar, wenn Bildung nur noch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit oder des Aufholens in puncto informations- und kommunikationstechnologische Strategien betrachtet werde, nicht jedoch als gesellschaftliches Gut oder als etwas, was mit Wertevermittlung zu tun hat, hervorgehoben werde.

Abgeordneter Dr. Niederwieser fragt, ob angesichts der real stagnierenden Ausgaben im Be­reich von Bildung und Forschung die in dem Dokument angesprochene Umgestaltung der Struk­tur der öffentlichen Budgets in Richtung zukunftsorientierter Ausgaben tatsächlich als Priorität angesehen werden könne.

In einem Widerspruch zu den auf Seite 6 angesprochenen prioritären europäischen For­schungsthemen, bei denen sich Österreich mit zusätzlichen Themen einbringen wolle, stehe die von Österreich bisher vertretene Auffassung, es müssten vor Entscheidungen über die Schwer­punkte die diesbezüglichen Festlegungen des neuen Rates für Forschung und Entwicklung abgewartet werden.

Ähnliches gelte hinsichtlich des Projekts AUSTRON. In der Beantwortung einer parlamenta­rischen Anfrage, die vor ein paar Tagen übermittelt wurde, sei eine Festlegung unter Hinweis auf ausständige Entscheidungen im Forschungsrat abgelehnt worden; in dem Prioriäten-Dokument hingegen scheine AUSTRON bereits auf. Bundeskanzler Dr. Schüssel möge auch darüber nähere Auskunft geben.

In Bezug auf die Frage des lebensbegleitenden Lernens habe Österreich mit der seit drei Jahren bestehenden Einrichtung der Bildungskarenz ein Best-Practice-Modell vorzuweisen, das nicht vielen Ländern bekannt sei. Es werde eine forcierte Förderung nötig sein, um dieses Instrument in größerem Umfang einzusetzen und Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, tatsächlich die Möglichkeit zu geben, nach einer bestimmten Zahl von Jahren Bildungsmaßnahmen in An­spruch zu nehmen. Auf dieses österreichische Modell sollte in verstärktem Maße hingewiesen werden.

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche) weist die Aussage der Abgeordneten Mag. Prammer über einen Rückstand Österreichs in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurück. Es sei nämlich der Grund für diese Entwicklung in Österreich verschwiegen worden, und der bestehe darin, dass die bisherige Karenzgeldregelung de facto ein Berufsverbot enthalten habe, wie es dieses auf europäischer Ebene nicht gebe. Eine Frau könne nicht Familie und Beruf vereinen, wenn ein Berufsverbot für sie bestehe.

In dieser Hinsicht werde erst das Kinderbetreuungsgeld eine Verbesserung bewirken. Darüber, ob es sinnvoll sei, Mütter von Kindern unter zwei Jahren in den Beruf zu drängen oder nicht, könne noch von den unterschiedlichen ideologischen Standpunkten her diskutiert werden, nun­mehr aber werde es darauf ankommen, den Müttern die Wahlmöglichkeit zu geben. Für diesen Zweck sei das Kinderbetreuungsgeld absolut die richtige Maßnahme.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) stellt fest, die Auflistung der österreichischen Positionen enthalte keine Aussage zu der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Freizügigkeit für IT-Fachkräfte, und fragt Bundeskanzler Dr. Schüssel, welchen Standpunkt er in dieser Hinsicht vertreten werde. Es wäre weltfremd und angesichts der Entwicklung im EDV-Sektor völlig unzureichend, sich auf eine Position wie: Wir werden unsere Volksschulklassen mit Laptop-Geräten ausrüsten, dann löst sich das Problem von selbst! zurückzuziehen.

Hinsichtlich der im Dokument enthaltenen Forderung eines raschen Abschlusses bei der Ener­giebesteuerung auf europäischer Ebene stelle sich die Frage, welche Art von Abschluss damit gemeint sei, insbesondere im Hinblick darauf, dass zum Beispiel Wirtschaftsminister Dr. Barten­stein jeglicher Energiebesteuerung sehr misstrauisch bis ablehnend gegenüberstehe.

Bei dem prioritären Forschungsthema Biotechnologie handle es sich auch auf europäischer Ebene um eine Strategie, über die zwar viel geredet werde, die aber in der Umsetzung wegen der Wirtschaftsstrukturen auf diesem Sektor – des Konzentrationsprozesses in den USA und der Abhängigkeit europäischer Firmen – in einem ganz anderen Licht zu sehen sei.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, welche der beiden folgenden Alternativen tatsächlich im Vordergrund stehen werde: dieses prioritäre Forschungsthema beizubehalten und nur durch Einbeziehung einer Ethik-Kommission zu ergänzen, oder sich im Sinn einer umfassenden Bil­dung – darin habe immer die Erfolgsgeschichte von Österreicherinnen und Österreichern bei deren internationalen Karrieren bestanden – nicht mehr nur auf den High-Tech-Prozess zu kon­zentrieren, sondern auch den menschlichen Fähigkeiten und Qualitäten im Bildungsprozess weiterhin ihren Stellenwert zu geben.

In vielen Schulen sei wegen der kurzfristigen Ablaufdaten von EDV-Ausstattungen die Finanzie­rung aller anderen Bildungsbereiche – die nicht nur Angelegenheit einer humanistisch-idealen Vorstellung seien – auf der Strecke geblieben. Da die umfassende Bildung früher auch sehr stark zu österreichischen Erfolgen im internationalen Bereich beigetragen habe, weil diese Bil­dung die einzige Garantie für Qualität darstelle, wäre es wünschenswert, in Österreich ein bisschen bedachtsamer vorzugehen und nicht bloß auf den Zug der Biotechnologie aufzu­springen. Eine Ethik-Kommission wäre zwar notwendig, aber nicht hinreichend, daher wäre es keinesfalls ausreichend, allein diesen Punkt zum Forschungsschwerpunkt zu deklarieren.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger erachtet es für sicher, dass das Thema Landwirtschaft aus der Diskussion in Stockholm nicht wird ausgeschlossen werden können. Sie erwarte auch eine in­tensive Diskussion über das Problem Mazedonien und lege daher Wert auf eine klare Stellung­nahme betreffend die österreichische Position auf Basis der inzwischen erfolgten Reaktionen.

Der Antrag auf Stellungnahme, den die Abgeordneten Dr. Khol, Mag. Schweitzer eingebracht haben, erscheine beim zweiten und dritten Lesen in einem noch fragwürdigeren Licht. Es sei nun nicht mehr klar erkennbar, was im Fall der Annahme dieses Antrags gültig sein werde. Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, ob die Prioritäten des Antrags, bei denen man sich nur auf ein noch nicht ausformuliertes Kindergeld beziehe und letzten Endes eine Art Selbstdarstellung sozusagen „wahlkampfkompatibel“ mache, die vorangegangene Prioritätenfestlegung in den Hintergrund drängen und alle anderen Sachthemen hinter dem Thema Kindergeld anreihen solle. Wenn es so wäre, dann gäbe es noch stärkere Gründe, diesen Antrag abzulehnen. (Ob­mann Dr. Fischer übernimmt um 16.03 Uhr den Vorsitz.)

Eine vom Hauptausschuss beschlossene Stellungnahme könnte zum Ausdruck bringen, dass die in dem Antrag aufgelisteten Punkte nunmehr über die zuvor festgelegten Prioritäten zu gehen hätten. Es wäre aber wünschenswert, dass Österreich in Stockholm nicht nur mit Propa­ganda für eher überkommene Familienmodelle vertreten wäre, sondern dass die zentralen Prioritäten zu den Herausforderungen der Zukunft erhalten blieben.

Es handle sich also hierbei um eine „seltsame Vorgangsweise“. Wäre nicht beabsichtigt, dass die Punkte des Antrags auf Stellungnahme die frühere Prioritätensetzung „overrulen“ sollen, dann hätte eine Stellungnahme letztlich keinen Sinn mehr. So stelle sich etwa die Frage, was zu geschehen hätte, falls die Vorgabe eines ausgeglichenen Staatshaushalts für die Zukunft nicht zu halten wäre. Nicht logisch scheine es zu sein, die Reform der Pensions- und Gesundheits­systeme nach den vorangegangenen Beschlussproblemen und Einsprüchen derart in den Vor­dergrund zu stellen.

All diese Gründe würden dagegen sprechen, dem Antrag zuzustimmen.

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche) zitiert zunächst von Seite 4 des Dokuments „Österreichische Prioritäten für den Europäischen Rat von Stockholm“ folgende Textstelle: „Das Ziel des Europäischen Rates von Lissabon, die EU zum stärksten und dynamischsten Wirt­schaftsraum der Welt zu machen, hat eine allgemeine Aufbruchsstimmung und eine Einsicht in die Notwendigkeit einer umfassenden Forschungs- und Innovationspolitik bewirkt.“

Im Hinblick auf den Sicherheitsaspekt in der Forschungspolitik verweist Abgeordneter Egghart auf eine – aus einer APA-Meldung vom 8. März 2001 über eine Aussendung des Gewerbe­vereins hervorgehende – Information des Europäischen Parlaments darüber, dass der Wirt­schaft der europäischen Staaten über das Abhörsystem Echelon seit 1993 Schaden in der Höhe von 2 100 Milliarden Schilling zugefügt wurde. Jede relevante Information, die über elektronische Medien geleitet wird, werde von der NSA – National Security Agency – gesammelt und an interessierte US-Konzerne weitergegeben. Der Leiter der EU-Kommission-Verschlüsselungs­dienste habe dem im vergangenen Jahr eingesetzten Echelon-Spionageausschuss des Euro­päischen Parlaments mitgeteilt, dass die NSA regelmäßig die Chiffriersysteme auf Funktions­tüchtigkeit überprüfe.

Einem Bericht ehemals daran Beteiligter zufolge hätten die USA dank Echelon bei den letzten GATT-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels mehrfach von den Positionen der Europäischen Union gewusst, noch bevor die jeweilige Information EU-intern zirkuliert sei.

Abgeordneter Egghart fragt, welche Maßnahmen Bundeskanzler Dr. Schüssel zur Sprache brin­gen werde, um die europäischen Forschungsergebnisse abzusichern.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) stellt gegenüber Abgeordneter Dr. Lichtenberger fest, im operativen Teil des Antrags auf Stellungnahme sei klargestellt, dass die angesprochenen Punkte in die Evaluierung der Lissabon-Strategie und in die Beratung einzubringen wären.

Die Schlussfolgerung, dass der Antrag und das Prioritäten-Dokument in einem Gegensatz zu­einander stünden, treffe nicht zu.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel hebt hervor, dass die Bundesregierung mit dem Doku­ment über die österreichischen Prioritäten die Absicht verbindet, ein detailliertes Programm vor­zulegen, das tatsächlich zur Bereicherung der Diskussion dient. Seitens des schwedischen Ratsvorsitzes sei zum Teil bereits sehr positiv darauf reagiert worden. Dem Einwand, dass manches darin zu ausführlich beschrieben sei, stellt Bundeskanzler Dr. Schüssel den Hinweis auf den Vorteil einer präziseren Darlegung der österreichischen Position gegenüber.

Manche Punkte seien tatsächlich sehr pointiert zum Ausdruck gebracht worden, so etwa im Hin­blick auf das Forschungsprojekt AUSTRON. Zwar treffe es zu, dass weitere Schritte erst nach Vorliegen der Empfehlungen des Rates für Forschung und Technologie erfolgen werden, jedoch wäre es ein Fehler gewesen, AUSTRON nicht aufzulisten, weil eben darüber noch keine Be­schlüsse vorliegen. Denn es handle sich dabei immerhin um das einzige Großforschungs­projekt, das seinen Sitz in Österreich bekommen könnte. Diese Chance gelte es zu wahren. Beim nächsten Mal werde nämlich keine koordinierte Forschungsstrategie vorgelegt werden.

Was die Frage der Geldpolitik betrifft, spricht sich Bundeskanzler Dr. Schüssel dafür aus, beide Instrumente nebeneinander zum Einsatz zu bringen, das heißt, sowohl Geld- und Stabilitätsziele vorzugeben als auch Konjunkturpolitik zu betreiben. So habe es bereits die Oesterreichische Nationalbank gehalten, und so werde auch die Europäische Zentralbank verfahren. Es müsse jedoch abgewartet werden, bis es zu einer Stabilisierung der neuen Währung, des Euro, gekom­men sein wird. Für die Zeit danach sei selbstverständlich vorgesehen, dass im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen Ordnung auch geld- und zinspolitische Schritte gesetzt werden.

Hinsichtlich der Frage der Pensionen stehe Österreich in vorderster Front der europäischen Ent­wicklung. Als Gesamttrend lasse sich feststellen, dass die Bevölkerung älter wird und die Zahl der erwerbsfähigen und erwerbstätigen Personen zurückgeht. Es werde in allen einschlägigen Studien die Empfehlung ausgesprochen, das Pensionsantrittsalter anzuheben, und genau das habe Österreich bereits getan. Es werde künftig darauf ankommen, dauerhaft das Drei-Säulen-Modell mit einer gut ausgestatteten, aber auch in ihrer Finanzierung gesicherten ersten, staat­lichen Säule, einer sich neu entwickelnden zweiten Säule – da gehe die Diskussion auch in die Richtung europäischer Pensionsfonds und der Wertpapieraufsicht – und einer Eigenvorsorge als dritter Säule zu etablieren.

Das Veranlagungspotential für die europäischen Pensionsfonds liege mittlerweile bereits bei 3 000 Milliarden Euro, sodass damit ein „absolut spannendes“ Thema angesprochen sei. Über eine Abfertigungsreform in Österreich hätten bereits vorbereitende Gespräche mit den Sozial­partnern stattgefunden, in dieser Hinsicht sei Österreich „gut unterwegs“.

Weit voran liege Österreich auch mit der Regelung betreffend die Versicherungszeiten von Frauen, die wegen Kinderbetreuung in ihrer Karriere aussetzen müssen. Kein anderes europäi­sches Land habe etwas damit Vergleichbares vorzuweisen, dass für Kinderbetreuung tatsäch­lich Pensionsbeiträge aus dem Familienfonds gezahlt werden. Damit werde in Österreich ein ge­waltiger Impuls von 10 Milliarden Schilling pro Jahr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben. Dass die Einführung ab 2002 erfolgen wird, sei hinreichend deutlich gemacht worden.

Würde Abgeordnete Mag. Prammer ernsthaft die These vertreten, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht ungünstig wäre, wenn Mütter mit Kindern unter zwei Jahren nicht berufstätig sind, so hätte sie auch einzuräumen, dass diejenigen Länder die sozialste und wirtschaftlich fortschritt­lichste Gesellschaft aufzuweisen hätten, in denen es keinen Mutterschutz, kein Karenzgeld und keine Art von sozialer Absicherung gäbe, sodass Mütter mit Kleinstkindern arbeiten gehen müssten. Es könne doch nicht ernsthaft in der Verlängerung der Karenzzeit für eine allein erzie­hende Mutter von 18 auf 30 Monate eine soziale Benachteiligung gesehen werden.

Österreich gehöre zu den Trägern der fortschrittlichsten Entwicklung im Bereich der Vereinbar­keit von Beruf und Familie. Hier werde nicht nur das Kindergeld eingeführt, sondern es sei auch zu beachten, dass 70 Prozent der Frauen Beratung und Weiterbildungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen. 50 Prozent aller Geldmittel und aller Programme in diesem Bereich seien den Frauen gewidmet. Zusätzlich werde in 15 000 Fällen ärmeren Familien Kinderbetreuung zur Verfügung gestellt, und es werde überdies eine Reihe von Kinder­betreuungshilfen im Gegenwert von 115 Millionen Schilling pro Jahr bereitgestellt. Die Verein­barkeit von Beruf und Familie befinde sich in Österreich auf einem Niveau, um das es von allen anderen Länder in Europa beneidet werden könne. Bundeskanzler Dr. Schüssel fügt hinzu, er werde in Stockholm stolz darauf hinweisen können.

Aus allen Armutsstudien lasse sich ablesen, dass Armut und Kinderreichtum etwas miteinander zu tun haben. Armut könne am besten etwa dadurch bekämpft werden, dass jungen Familien mit Kindern die materielle Lage erleichtert wird. Ein Armutsbekämpfungsprogramm im Ausmaß von mehreren Milliarden Schilling sei von großer Bedeutung auch zur Bekämpfung der sozialen Exklusion.

Im Rahmen der institutionellen Reformen, die im Europäischen Rat von Nizza beschlossen wurden, habe Österreich – entgegen den ursprünglichen Planungen – eine Verbesserung seiner Stimmgewichte erreichen können.

Gespräche über eine gemeinsame Strategie Österreichs und Deutschlands im Rahmen der EU-Erweiterung hätten bereits in Berlin und in Nizza stattgefunden; ein Ergebnis dessen sei die von Österreich nachhaltig unterstützte Forderung nach einer siebenjährigen Übergangsfrist ge­wesen. In dieser Angelegenheit werde auch weiterhin das Gespräch gesucht werden.

Im Zusammenhang mit der Liberalisierung in der Energiewirtschaft liege – wie auch in anderen Bereichen – das Initiativrecht bei der Europäischen Kommission. Im jetzigen Fall stehe einzig das Datum zur Diskussion, zu dem in Kraft treten soll, was von der Kommission ausgearbeitet wird; es gehe dabei nicht um die inhaltliche Gestaltung der Vorschläge.

Eine Diskussion über die Richtlinie zum „Single European Sky“ stehe für Stockholm nicht auf der Tagesordnung. Spanien und Großbritannien seien bisher noch nicht zu einer Klärung in der Frage der Überflugsrechte für Gibraltar gelangt; möglicherweise wolle Spanien auch die Ansied­lung einer Kontrolleinrichtung im eigenen Land mit vertreten.

In puncto Eisenbahn trete Österreich selbstverständlich für entsprechende Investitionen ein. Ein Standpunkt, wonach der Güterverkehr auf der Bahn weniger wichtig als der Personenverkehr wäre, könne nicht geteilt werden. Hinsichtlich der sensiblen Zonen und des Transitvertrags habe sich die Situation insofern geändert, als Österreich jetzt nicht die Verlängerung eines Sonderver­trags bekommen könne, sondern ein Gesamtdauerrecht neu verhandeln müsse. Die Gespräche darüber seien im Gang.

Was die Übergangsregelungen im Zuge der EU-Erweiterung betrifft, befinde sich Österreich mit der Forderung nach Fristen für die Freizügigkeit im Dienstleistungsbereich und entsprechender Verzahnung mit der Personenfreizügigkeit in einer schwachen Position und finde dabei wenig Unterstützung. Bundeskanzler Dr. Schüssel erinnert daran, dass nach dem Beitritt Spaniens und Portugals nur eine siebenjährige Frist für Personenfreizügigkeit gewährt wurde.

Im Hinblick auf das Thema Biotechnik sei es vor allem wichtig, dass es nunmehr zum ersten Mal zu einer entsprechenden Diskussion auf europäischer Spitzenebene kommen werde. Dieses Thema bedeute ja einen tiefen Eingriff in die menschliche Identität. Würden die damit einher­gehenden Fragen nicht auf dieser Ebene aufgeworfen werden, so könnte eine Fülle von Markt­nischen entstehen; es könnte etwas in manchen Mitgliedstaaten erlaubt sein und daher jeweils dort durchgeführt werden, was in anderen verboten wäre. Derzeit verfahre Österreich – mit gutem Grund, und im Übrigen ebenso wie Deutschland – in dieser Hinsicht restriktiver als zum Beispiel Großbritannien oder die Niederlande.

Bundeskanzler Dr. Schüssel berichtet, er habe sich im Wiener Allgemeinen Krankenhaus selbst über einige der in diesem Zusammenhang laufenden Forschungsprojekte kundig gemacht. Da­bei habe sich wieder einmal gezeigt, dass die Bewertung nach eigenem Augenschein etwas differenzierter ausfalle. In dieser Technik sei auch enormes Potential für wirkliche Heilkraft vor­handen, sodass es schwierig wäre, aus der Sicht eines Laien Dinge zu erlauben oder zu ver­bieten.

Die Einrichtung einer Ethik-Kommission werde zwar sicherlich nicht ausreichend sein, aber da­bei handle es sich um einen notwendigen ersten Schritt. Kommissionspräsident Prodi habe eine sehr ähnliche Initiative ergriffen, und zwar unter Einbeziehung einer österreichischen Medizine­rin. Es wäre begrüßenswert, sich zum einen über dieses Thema hier im Parlament abseits des Parteiendisputs zu beraten und zum anderen die entsprechenden Repräsentanten im Parlament selbst zu Wort kommen zu lassen.

Nicht zutreffend sei der Vorwurf, wegen der Sparsamkeit würden zu wenige Impulse gesetzt werden. Trotz des Einfrierens sämtlicher Ausgaben seien für Forschungsprojekte während der nächsten zwei Jahre insgesamt 7 Milliarden Schilling außerbudgetär zur Verfügung gestellt worden. 1 Milliarde davon sei bereits ausgegeben worden, 6 Milliarden Schilling würden noch für den Rat und für den Reformdialog zur Verfügung stehen. Für Universitäten und Schulen seien 8 Milliarden Schilling zusätzlich aufgebracht worden. Hinzu komme ferner die Dotierung der Restitutions- und Versöhnungsfonds. All dies sei außerbudgetär finanziert worden.

Die Bundesregierung habe auch vor, die Zahl der Universitätsabsolventen aus dem Bereich Informationstechnologie in den nächsten zwei Jahren von 800 auf 4 200 zu erhöhen. Weiters bestehe die Absicht, die Zahl der Absolventen mit IT-Ausbildung in berufsbildenden Schulen von 20 000 auf 30 000 zu steigern. Die Zahl der Lehrlinge würde den Planungen nach sogar ver­doppelt werden. Ein weiteres Zeichen der enormen Anstrengungen in diesem Bereich sei die Einrichtung von zusätzlich 40 IT-Klassen. Ein Lehrstuhl für eine solche Studienrichtung sei bereits vom Jahr 2000 an vorgesehen. Das Ziel all dieser Bildungsangebote bestehe darin, die jungen Menschen optimal auszubilden, und dies sei bereits wirklich gut gelungen.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ) erwidert, wirklich notwendig wäre es jetzt, die Frauen in eine Lage zu versetzen, dass sie so wenig wie möglich aus dem Erwerbsleben aus­steigen und die Arbeitszeit reduzieren müssen. Dies wäre eine der sinnvollsten Maßnahmen in Richtung einer durchgängigen Erwerbstätigkeit.

Die Möglichkeit der Teilzeitkarenz bestehe zwar schon seit Jahren, sie werde aber nicht genützt, weil ein Rechtsanspruch darauf fehle. Die Debatte darüber sei bisher ergebnislos geblieben. Deutschland habe sich mit 1. Jänner 2001 dazu entschlossen, diesen Rechtsanspruch auf Teil­zeit den jungen Müttern und Vätern in eingeschränktem Ausmaß zu ermöglichen.

Bisher sei die Teilzeitkarenz in Österreich nicht wirklich anwendbar gewesen, weil den Eltern die rechtliche Möglichkeit gefehlt habe, sie auch in Anspruch zu nehmen. Es habe sich bei den entsprechenden Versuchen immer nur um Bittgänge gehandelt, deren Ergebnis vom jeweiligen Entgegenkommen abhängig gewesen sei.

Dies in der angesprochenen Weise zu verändern, wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewe­sen. Aber genau das sei jetzt mit der Einführung des Kindergeldes nicht vorgesehen. Es werde nicht möglich sein, das Kindergeld zu splitten, damit beide Elternteile die Möglichkeit hätten, ihre berufliche Tätigkeit zu reduzieren. So komme es dazu, dass die bestehenden fortschrittlichen Maßnahmen, statt dass sie gesetzlich ergänzt worden wären, letztlich abgeschafft würden. Dies müsse der Bundesregierung angekreidet werden, damit lege sie Zeugnis von einer nicht vorhan­denen fortschrittlichen Gleichstellungspolitik ab.

Die niedrige Rate von 9 Prozent an im Erwerbsprozess stehenden Müttern sei darauf zurückzu­führen, dass die Teilzeitkarenz nie wirklich habe angewendet werden können.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel nennt als einen der Gründe dafür, dass fast alle jungen Mütter und Väter in der Karenzzeit jeweils zur Gänze beim Kind geblieben sind, dass de facto ein Berufsverbot bestanden habe. Es habe praktisch keine Möglichkeit bestanden, etwas hinzuzuverdienen.

Auf Grund der nunmehr eingeführten Zuverdienstgrenze von bis zu 200 000 S werde künftig Wahlfreiheit bestehen. Auch aus diesem Grund werde es schwierig sein, Gründe zu finden, die gegen die neue Regelung sprechen könnten. Vielmehr werde man eine Fülle von sehr guten Ideen darin vorfinden. Diese würden nunmehr auch in Stockholm präsentiert werden.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt Bundeskanzler Dr. Schüssel für die Stellungnahmen. (Bun­deskanzler Dr. Schüssel verlässt um 16.30 Uhr die Sitzung.)

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner leitet ihre Ausführungen zum Thema Maze­donien mit dem Hinweis ein, dass derzeit die außenpolitische Debatte davon beherrscht werde. Das habe sich auch in der letzten Sitzung des Rates für allgemeine Angelegenheiten gezeigt.

Eine relativ starke Präsenz der mazedonischen Armee sei derzeit in der Region Tetovo zu ver­zeichnen. Dort hätten sich die Aufständischen in höhere Geländelagen zurückgezogen, nach­dem die Armee gegen ihre Stellungen vorgegangen sei. Am Vortag habe die mazedonische Regierung den Extremisten und Radikalen ein Ultimatum dafür gestellt, die Waffen abzuliefern. Den Ankündigungen zufolge würde nach Wiederherstellung der Ruhe allenfalls auch auf ge­wisse legitime Forderungen eingegangen werden. Die Radikalen hätten diesen Vorschlag abge­lehnt, daher bestehe jetzt die Möglichkeit einer Verschärfung des Konfliktes.

Bei den Extremisten handle es sich mutmaßlich um eine kleinere Gruppe, aber die große Frage bestehe nun darin, wie viele Menschen, vor allem Jugendliche – es werde derzeit von ungefähr 40 Prozent an arbeitslosen albanischen Jugendlichen gesprochen –, sich den radikalen Gruppen anschließen könnten. Zwar hätten all diejenigen Angehörigen der albanischen Bevöl­kerungsgruppe in Mazedonien, die etwas besitzen, eine moderate Gesinnung und würden Wert darauf legen, dass Ruhe herrscht, aber hauptsächlich die Jugendlichen würden dies anders sehen. In der Möglichkeit einer Solidarisierung mit den Aufständischen sei derzeit die Hauptge­fahr für die weitere Entwicklung zu erblicken.

Der Rat für allgemeine Angelegenheiten habe darüber eine sehr lange und ausführliche Diskus­sion geführt und schließlich den Außenrepräsentanten der Europäischen Union, Javier Solana, damit beauftragt, sofort nach Skopje zu reisen. Dieser habe dort zusammen mit dem maze­donischen Außenminister Kerim versucht, die Regierung, die moderaten Kräfte zu stützen und gleichzeitig mit allen moderaten albanischen Kräften zu sprechen. Damit habe erreicht werden können, dass diese Gruppe der Albaner eine Erklärung abgegeben hat. Darin hätten sowohl der Vorsitzende der in der Regierung vertretenen Demokratischen Partei der Albaner – DPA –, Xhaferie, als auch der Chef der Albaner-Partei PDP, Imeri, dazu aufgerufen, dass die Extremis­ten ihre Waffen niederlegen mögen und dass keine Gewalt zur Durchsetzung der Forderungen angewendet werden möge. Außerdem werde man, sobald wieder Ruhe eingekehrt sein wird, die legitimen Anliegen besprechen.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner fügt hinzu, ihr sei als früherer OSZE-Vorsitzender klar, dass dort legitime Anliegen vorhanden sind. Die OSZE habe sich dieser Fragen immer intensiv angenommen, zum Beispiel der Probleme, dass die Volksgruppe der Albaner in den staatlichen Strukturen, etwa der Exekutive, nicht vertreten sei oder keine eigene Universität habe. Der Min­derheitenvertreter in der OSZE habe im Vorjahr erreichen können, dass eine eigene Südost­europa-Universität in Tetovo errichtet werden wird; mit deren Bau sei eben erst begonnen worden. Für deren Finanzierung werde die Europäische Kommission künftig mehr Geld zur Ver­fügung stellen; bedauerlicherweise sei dies jetzt erst möglich geworden.

Die politische Stoßrichtung bestehe derzeit also darin, die Extremisten klar zu verurteilen, Druck auf die Albaner-Führung in Mazedonien auszuüben, damit diese sich von den Extremisten distanziert, und die mazedonische Regierung zu unterstützen. Allerdings sei die mazedonische Armee sehr schwach. Es werde darauf ankommen, ob sie es zustande bringen kann, selbst mit den Radikalen sozusagen fertig zu werden.

Im Rat für allgemeine Angelegenheiten sei – in Anwesenheit von NATO-Generalsekretär Robertson – überdies beschlossen worden, dass die KFOR eine Verstärkung an der Grenze vornehmen werde. Es handle sich dort um eine äußerst „löchrige“ Grenze, um bewaldetes, steiles Gelände. Dort habe der Waffennachschub bisher nicht unterbunden werden können.

Gerade Österreich habe in den Balkanländern wesentlich größere Erfahrung. Der Generalsekre­tär des Außenministeriums, Dr. Rohan, ein wirklicher Balkan-Spezialist, habe dieses Gebiet kürzlich besucht, auch er habe die soeben skizzierte Einschätzung geteilt. Es bleibe zu hoffen, dass die jetzt beschlossenen Maßnahmen genügen werden.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner weist darauf hin, dass sie in der Ratssitzung auch dazu angeregt hat, den UN-Sicherheitsrat zusammentreten zu lassen und ihn allfällig eine Ausweitung des KFOR-Mandates zumindest besprechen zu lassen. Griechenland habe diesen Vorschlag unterstützt, und Großbritannien habe am Vortag in einer regulären Sitzung des UN-Sicherheits­rates einen Entwurf für eine Sicherheitsratsresolution eingebracht, die in diesen Stunden ange­nommen werden und der sich auch Frankreich anschließen könnte.

Dies bedeute noch nicht, die Richtung zu einer Militärintervention einzuschlagen. Aber daran, dass dieses Thema im UN-Sicherheitsrat zur Sprache gebracht wurde, habe sich gezeigt, dass es sich wieder um einen Konflikt handle, der die Stabilität des gesamten Balkans gefährde und der damit auch in die Nähe Österreichs rücke. Aus Sicht der österreichischen Außenministerin sei es durchaus angebracht, ein derartiges Vorgehen „anzudenken“, unabhängig davon, ob der deutsche Außenminister Fischer die Sache anders sehe oder nicht.

In Bezug auf Echelon teilt Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner mit, man wolle jetzt versuchen, jegliche Spionageangriffe abzuwehren. Dafür sei im Europäischen Parlament ein Unter­suchungsausschuss eingesetzt worden. Ein für die Sitzung des Rates für allgemeine Angele­genheiten geplanter Bericht des französischen Außenministers zu diesem Thema sei dort nicht zustande gekommen. In dieser Angelegenheit sei aber die Europäische Union mittlerweile „auf­gewacht“, und sie versuche jetzt auch, etwas dagegen zu unternehmen.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass keine weitere Wortmeldung vorliegt, schließt die Debatte und leitet über zur Abstimmung über den von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Mag. Karl Schweitzer eingebrachten Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG betreffend Frühjahrstagung des Europäischen Rates in Stockholm am 23. und 24. März 2001.

Der Antrag wird mit Mehrheit angenommen.

Damit ist der 1. Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 8.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 16.37 Uhr

                                Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH   721 251