IV-10 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 13. Juni 2001

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 13. Juni 2001

Tagesordnung

1. Europäischer Rat Göteborg
RAT 9482/01 POLGEN 11
Vorbereitung des Europäischen Rates Göteborg (15./16. Juni 2001)
(33375/EU XXI. GP)
und

KOM (01) 264 endg.
Mitteilung der Kommission
Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung
(33376/EU XXI. GP)

2. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von österreichischen Experten im Rahmen der OSZE-Mission im Kosovo (OSCE MIK) (108/HA)

3. Antrag des Bundesministers für Justiz auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Festsetzung eines Zuschlags zu den im Rechtsanwaltstarifgesetz angeführten festen Beträ­gen (109/HA)

4. Reassümierung des Beschlusses des Hauptausschusses vom 23. Mai 2001 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Zur Zukunft der Europäischen Union – Reformen nach dem Vertrag von Nizza“

Beginn der Sitzung: 10.03 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung und begrüßt alle Anwesenden, insbesondere Bundeskanzler Dr. Schüssel und Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner, sehr herzlich.

Zur vorliegenden Tagesordnung verweist Obmann Dr. Fischer vor allem auf den 4. Punkt, Re­assümierung eines Beschlusses des Hauptausschusses auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete, was deshalb notwendig sei, weil der dazu eingeladene Abgeordnete zum Europäi­schen Parlament, Giorgio Napolitano, verhindert sei und an seiner Stelle voraussichtlich David Martin eingeladen werden solle.

1. Punkt

Europäischer Rat Göteborg

RAT 9482/01 POLGEN 11

Vorbereitung des Europäischen Rates Göteborg (15./16. Juni 2001)

(33375/EU XXI. GP)

und

KOM (01) 264 endg.

Mitteilung der Kommission

Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung

(33376/EU XXI. GP)

Obmann Dr. Heinz Fischer erklärt, dass nach den einleitenden Statements des Bundeskanz­lers und der Außenministerin eine Dis­kussion geplant sei, für die eine Redezeit von zwei „Wiener Stunden“ ein Richtmaß darstellen solle.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung bemängelt Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne), dass von der Stabsstelle des Bundeskanzleramtes, wenn er nicht völlig falsch infor­miert worden sei, zur Tagung dieses Hauptausschusses bloß zwei Dokumente zum Gipfel in Göteborg zugeleitet worden seien, weitere Zuleitungen seien ihm persönlich nicht bekannt.

Obmann Dr. Heinz Fischer hingegen nennt die Titel von fünf Dokumenten, die am Vortag ein­gelangt und auch verteilt worden seien.

Zu der von Abgeordnetem Peter Schieder (SPÖ) geäußerten Kritik, dass sich das Parlament im Gegensatz zu diversen anderen Institutionen nicht im engeren Verteilerkreis befinde, an den von der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU Dokumente gesendet würden, sondern die Stabsstelle im Bundeskanzleramt dazwischengeschaltet sei, meint Abgeordneter Dr. Wer­ner Fasslabend (ÖVP), dass es sich wahrscheinlich um ein Missverständnis handle. Er weist auf eine Aufstellung hin, aus der hervorgehe, dass das Parlament im gleichen Verteilerkreis aufscheine wie die von Abgeordnetem Schieder genannten Organisationen, allerdings erst auf der zweiten Seite.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) nimmt zur Kenntnis, dass die Dokumente offensichtlich doppelt einlangten und von der Parlamentsdirektion so zusammengefasst würden, dass man das nicht mehr erkennen könne.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) sieht darin nur ein Beispiel, wieso es dazu komme, dass zur Vorbereitung von Hauptausschuss-Sitzungen die Zeit immer relativ knapp sei. Er ersucht, zu prüfen, ob es nicht eine andere, schnellere Möglichkeit der Zuleitung von Papieren aus der EU an den Hauptausschuss gebe, etwa indem man die Stabsstelle des Bundeskanzleramtes ausnahmsweise auslasse.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt für die Anregung. Man werde das prüfen, zu bedenken sei aber, dass aus geschäftsordnungsmäßigen und verfassungsrechtlichen Gründen eine Zuleitung durch die Regierung vorgeschrieben sei, da Vorlagen, die im Nationalrat verhandelt würden, von der Verfassung her entweder Anträge seiner Mitglieder, Vorlagen der Bundesregierung, Volksbegehren oder Anträge des Bundesrates sein müssten. Zusendungen direkt aus Brüssel seien keine Verhandlungsgegenstände im Nationalrat.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel verweist darauf, dass die Schwerpunkte des Europäi­schen Rates von Göteborg aus den Unterlagen bekannt seien. Im Prinzip würden keine wesent­lichen Beschlüsse gefasst werden. Es solle die gut vorbereitete EU-Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet werden. Darüber hinaus liege zur Erweiterung ein Bericht der Präsidentschaft vor.

An dieser Stelle dankt Bundeskanzler Dr. Schüssel der Frau Außenministerin und ihrem gesam­ten Team auch herzlich für den Durchbruch, der ihr im ersten großen Verhandlungsblock betref­fend Freizügigkeit der Arbeitskräfte und der Dienstleistungen respektive Kapitalverkehr und Grundverkehr gelungen sei. In beiden Fällen würde von Seiten der EU-15 nun die österrei­chische Position, nämlich Übergangsfristen bis maximal sieben Jahre, akzeptiert, die Probleme mit Spanien seien bereinigt, und am Vortag hätte es auch schon die ersten Zustimmungen von den Beitrittskandidaten gegeben. Man sehe auch, dass die Kandidaten jetzt ihre Anstrengungen deutlich beschleunigten.

Es werde einen Bericht der Präsidentschaft über den Stand der Diskussion zur Zukunft Europas geben. Der schwedische Premierminister Persson habe allerdings durchblicken lassen, dass er in Göteborg noch keine besondere inhaltliche Diskussion wünsche, weil die Beschäftigung mit diesem Thema in manchen Ländern noch nicht einmal richtig begonnen habe. Eingehend sollte darüber eher erst unter belgischem Vorsitz diskutiert werden.

Zu den außenpolitischen Themen werde der Hohe Vertreter Solana vor allem über den Nahen Osten, über den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel und die Situation am West­balkan berichten. Durch den Besuch von US-Präsident George W. Bush werde das Thema der Beziehungen zu den USA natürlich auch im Vordergrund stehen.

Das Ergebnis des Irland-Referendums werde insofern ein Thema sein, als Premierminister Bertie Ahern eine Erklärung und eine Stellungnahme angekündigt habe. Man werde sich anhö­ren, wie sich die irische Seite die Lösung ihrer Fragen vorstelle, und es sei sehr zu hoffen, dass eine Lösung gefunden werden könne, die sowohl den irischen Sensibilitäten Rechnung trage als auch die zügige Ratifizierung des Vertrages von Nizza und vor allem auch die planmäßige Vorbereitung der Union auf die Erweiterung nicht behindere.

Der Europäische Rat selbst werde drei Arbeitssitzungen abhalten. Die erste diene den Fragen der Erweiterung – auch die Regierungschefs und Außenminister der Kandidatenländer würden nach Göteborg kommen –, die zweite werde wirtschaftlichen und sozialen Fragen gewidmet sein. Es sei anzunehmen, dass dabei auch die Fragen der Konjunkturbewertung in der Euro­zone und in der EU-Zone eine Rolle spielen werden. Der Zwischenbericht zur Entwicklung der Pensionssysteme liege vor, und einzelne Themen, die in Lissabon beziehungsweise Stockholm offen geblieben seien, würden sicherlich noch einmal angesprochen werden. Für die Open-Sky-Frage sei derzeit keine wirkliche Lösung in Sicht. Daneben gebe es noch eine ganze Reihe von Fragen wie etwa jene der Energienetze und des Europapatents. Ob es da substantielle Fort­schritte geben werde, sei nicht abschätzbar.

Die dritte Arbeitssitzung werde dem zentralen Thema des Europäischen Rates, nämlich der EU-Nachhaltigkeitsstrategie, gewidmet sein. Hier habe der schwedische Vorsitz die Arbeiten auch sehr nachhaltig vorangetrieben, und nun sollen die Thesen verabschiedet werden. Dies sei besonders wichtig, ja geradezu ein Meilenstein in der Weiterentwicklung der Union. Österreich unterstütze dieses breit und integrativ angelegte Konzept, auf das sämtliche Politikbereiche ausgerichtet sein sollen. Der Schlüsselbereich für Österreich sei natürlich die Verkehrspolitik. Deshalb habe man sich in den letzten Wochen vehement dafür eingesetzt, die Entwicklung einer nachhaltigen Verkehrspolitik zu einem vorrangigen Ziel auf europäischer Ebene zu machen und in diese Strategie einzubauen.

Ursprünglich habe die Präsidentschaft hier lediglich die Stauproblematik eingebunden, was wesentlich zu kurz gegriffen sei. Vielmehr wolle man sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass im Rahmen der Strategie der stetigen Zunahme des Straßenverkehrs mit ehrgeizigen und kon­kreten Zielsetzungen in zeitlicher und quantitativer Hinsicht entgegengewirkt werde.

Sowohl in den Dokumenten der Kommission als auch der Präsidentschaft sei ein Abkoppeln von Verkehrswirtschaft und Verkehrswachstum vom Wirtschaftswachstum verankert. Dies hält Bundeskanzler Dr. Schüssel persönlich für einen zentralen Punkt und eine operative Umset­zung dieses Zieles sei extrem wichtig.

Ein weiterer Schlüsselbereich sei die verstärkte Nutzung von sauberer Energie. Darin liege ein besonders wichtiges und positives Potential. In diesem Zusammenhang werde leider noch immer die Nuklearenergie genannt, die jedoch keine nachhaltige Lösung zur Befriedigung des Energiebedarfes sein könne.

Zur Sicherstellung der operativen Umsetzung der Gesamtstrategie werde es auch notwendig sein, einfache und überschaubare Überprüfungsmodalitäten festzusetzen.

Vor fünf Jahren hätten sich die UNO-Staaten dazu verpflichtet, bis zum Gipfel in Johannesburg ihre nationalen Strategien vorzulegen. Österreich habe ein Grünbuch einer solchen Strategie mit dem Titel „Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“ vorgelegt, das unter Einbeziehung der wichtigsten Ministerien und Sozialpartner erarbeitet wurde. Es definiere drei Bereiche – Umwelt, Wirtschaft, Sozialpolitik – und enthalte ganz konkrete Kapitel wie Lebensqualität in Österreich, Wirtschaftskraft, Erfolg durch Innovation und Vernetzung sowie die Lebensräume Österreichs, Schutz von Vielfalt und Qualität.

Österreich werde noch zu erreichen versuchen, dass das Thema Grenzregionen in die Diskus­sion aufgenommen werde, was derzeit noch nicht vorgesehen sei. Die Kommission habe noch keinen konkreten Vorschlag vorgelegt, sondern werde dies angeblich im Juli tun.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner gibt eben­falls ihrer Freude Ausdruck, dass die Verhandlungen über die sensible Materie der Freizügigkeit des Personen- und Dienstleistungsverkehrs gut abgeschlossen werden konnten. Dass Ungarn als erstes Land der Beitrittskandidaten diesen Vorschlag akzeptiert habe, sei sehr wichtig, weil sich damit auch eine Dynamik für die anderen Beitrittskandidaten ergeben werde.

Insgesamt zeichne sich am Ende der schwedischen Präsidentschaft ab, dass wirklich ein ambi­tioniertes Ziel verfolgt und auch erreicht werden konnte, indem eben dieser politische Durch­bruch gelungen sei. Aber auch in anderen Bereichen konnten bemerkenswerte Fortschritte er­zielt werden, so stehe man zum Beispiel kurz davor, mit der Slowakei, mit Lettland und Litauen alle Verhandlungskapitel zu eröffnen. Zu anderen wichtigen Kapiteln wie Umwelt oder Unter­nehmensrecht konnten die Verhandlungen in den letzten Wochen und Monaten vorübergehend ebenfalls abgeschlossen werden.

Der Rat habe am Montag Schlussfolgerungen zur Erweiterung verabschiedet, in denen die Ver­handlungsfortschritte der letzten Monate begrüßt wurden und unter anderem gefordert wurde, diesen dynamischen Verhandlungsrhythmus beizubehalten. So habe der Rat zum Beispiel die Kommission ersucht, Vorschläge für die Einbeziehung der Kandidatenländer in den Lissabon­ner Prozess zu unterbreiten.

Angesichts der Unsicherheit, die durch das irische Referendum bei den Beitrittskandidatenlän­dern ausgelöst wurde, werde es in Göteborg wichtig sein, sowohl den Kandidaten als auch der EU-Bevölkerung klare und positive Signale über die Ernsthaftigkeit des Verhandlungsprozesses zu geben. Die österreichische Bundesregierung unterstütze daher diese Absicht der schwedi­schen Präsidentschaft. Die Kandidaten sollten in bestimmterer Form als jetzt Angaben über den weiteren Verlauf der Verhandlungen erhalten, wobei auf der vorhandenen Wegskizze aufgebaut werden solle. Sie sollten eine klare Botschaft erhalten, dass es an ihnen liege, die reale Chance zu einem Abschluss der Verhandlungen bis spätestens Ende nächsten Jahres zu ergreifen. Mit einer derartigen Aussage wäre dem Prinzip einer Balance zwischen Qualität und Geschwindig­keit Rechnung getragen. Außerdem würde dem ständigen Wettlauf zwischen den Beitrittskandi­daten ein Riegel vorgeschoben werden, weil klar wäre, dass die Union vor Ende 2002 keine formalen Schritte in Richtung Aufnahme neuer Mitglieder setzen werde.

Hinsichtlich der übrigen außenpolitischen Themen betont Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner, dass die transatlantischen Beziehungen in eine neue Phase getreten seien. Es werde für die Staats- und Regierungschefs die Gelegenheit geben, zum ersten Mal mit Präsident Bush, für die Außenminister mir Colin Powell zusammenzutreffen. Es solle eine Reform der transatlan­tischen Beziehungen stattfinden, bei der die Effizienz in der Weise erhöht werde, dass man strategische Themen herausgreife und sich darauf konzentriere, aber auch die Kontakte auf allen Ebenen, nicht nur jener der Regierungsfunktionäre pflege. Ob es gelingen könne, darüber hinaus weitere Instrumente zu finden, werde man sehen.

Die zwei heikelsten Themen im außenpolitischen Bereich seien sicher der Westbalkan und der Nahe Osten. Zum Westbalkan habe Solana beim letzten Rat für Auswärtige Angelegenheiten in Luxemburg einen Bericht geliefert, in dem er darauf hingewiesen habe, dass sich die Situation in Mazedonien verschärft habe, und zwar sowohl die militärische als auch die Situation im politisch-diplomatischen Bereich.

Im politisch-diplomatischen Bereich sei unter der Führung Solanas die Regierung in Maze­donien übereingekommen, sich zu einer Art Klausur nach Ochrid zurückzuziehen und dort zu versuchen, gewisse Verbesserungen in der Verfassung zu erreichen beziehungsweise auch die Frage der albanischen Sprache anzusprechen. Man gehe aber eigentlich nicht davon aus, dass es zu einer Einigung kommen werde, und Solana habe auf jeden Fall vorgeschlagen, dass zum nächsten Rat am 25. Juni die gesamte Führung noch einmal nach Luxemburg oder Brüssel kommen solle, um mit der EU zu diskutieren. Sollten diese Fragen zu keiner positiven Einigung geführt werden, dann müsse man sich allenfalls eine Zusatzstrategie überlegen. Auf jeden Fall habe Solana betont, dass es jetzt Zeit sei, auch die diversen Versorgungskanäle für die Guerillakämpfer der NLA zu kappen, denn nur so sei eine Möglichkeit gegeben, wirklich zu einem friedlichen Dialog zu kommen. Auf der anderen Seite sei die militärische Situation nicht gut. Dies werde beim heute stattfindenden NATO-Rat besprochen werden.

Bezüglich Albanien habe man sich ganz besonders für eine klare und konstruktive Haltung ein­gesetzt und auch dafür, dass möglichst noch vor Jahresende ein Entwurf für ein Verhandlungs­mandat für ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen vorliegen solle. Dazu habe es viele unterschiedliche Meinungen von anderen Kollegen gegeben, die auf Grund der Lage in Maze­donien einfach enttäuscht darüber seien, dass man dort schon ein Stabilisations- und Assozia­tionsabkommen unterzeichnet habe.

Im Kosovo gehe es darum, die Wahlen gut vorzubereiten, und in Südserbien habe man die Situation trotz gewisser Rückschläge derzeit eigentlich als ermutigend zu bezeichnen.

Die fünf Nachfolgestaaten der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien haben Ende Mai in Wien Verhandlungen geführt, deren Ergebnisse am 29. Juni ebenfalls in Wien zu einer Unter­zeichnung gelangen werden, was die Außenministerin für gut hält.

Der Reformprozess, den die Regierung in Belgrad unternommen habe, solle durch die Geber­konferenz, die ebenfalls für 29. Juni anberaumt ist, unterstützt werden, wobei Österreich für die Jahre 2001 und 2002 einen Solidaritätsbetrag von je 50 Millionen Schilling vorsehe.

Zur Lage in Nahost sei zu sagen, dass eigentlich beide Seiten, obwohl natürlich viele Unter­schiedlichkeiten in ihrer Einschätzung bestünden, darauf hingewiesen hätten, dass der einzig mögliche Prozess einer Friedensanbahnung auf dem Mitchell-Report beruhe. Diese Woche werde eine ganz entscheidende dahin gehend sein, ob dieser Friedensprozess in gewisser Weise wieder in Gang kommen könne, indem man auch hier versuche, zusammen mit den Amerikanern auf der Basis des Mitchell-Reports vorzugehen, wobei auf der palästinensischen Seite die Gewalt eingedämmt, auf der israelischen Seite die Blockadepolitik beendet werden müsse und vor allem in einem nächsten Stadium – dies sei ein Etappenplan – auch die Sied­lungspolitik eingeengt werden solle.

Zur gemeinsamen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik habe es eine kurze Diskussion gegeben, in Göteborg werde es ebenfalls nur einen kurzen Fortschrittsbericht geben, der zeige, dass das inzwischen zum fixen Bestandteil der EU-Arbeit geworden sei. Die Schweden hätten sich vor allem auf die zivilen Bereiche konzentriert. Es gebe eine Festlegung von Zielvorgaben in den Bereichen Rechtsdurchsetzung, Zivilverwaltung, Zivilschutz und natür­lich zur Frage der Polizei. Des Weiteren werde von den Schweden eine gute Zusammenarbeit mit UNO, OSZE und Europarat forciert.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner für die Fortsetzung des Berichtes des Bundeskanzlers, gibt bekannt, dass die Fraktionen sich darauf geeinigt hätten, dass die nun folgende Diskussion nicht länger als zwei Stunden dauern solle, wobei der SPÖ eine Redezeit von 39 Minuten, den Freiheitlichen und der ÖVP je 29 Minuten, den Grünen 23 Minuten zur Verfügung stünden, und erteilt als erstem Redner Abgeordnetem Dr. Einem das Wort.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) dankt zunächst für die Berichte und möchte zu fünf Punkten einige Anmerkungen machen.

Erster Punkt: Das für alle in Europa etwas überraschende Ergebnis der Volksabstimmung in Irland werde natürlich auch den Gipfel in Göteborg überschatten und mitbestimmen. Abseits davon sei für ihn aber ein direkter Zusammenhang zwischen den Ergebnissen und den Gründen, die dort hingeführt haben, und der Debatte über die Zukunft Europas erkennbar.

Seiner Ansicht nach müssten aus dem irischen Volksentscheid Konsequenzen der Art gezogen werden, dass man künftig stärker berücksichtige, dass es eine Reihe von Sensibilitäten bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt – in Irland bis zu einem gewissen Grad zum Beispiel Sorgen in Richtung Militarisierung der Union oder auch die Kritik der europäischen Finanzminister an der irischen Budget- und Steuerpolitik –, und die Schlussfolgerung, die man insgesamt daraus ziehen könne, sei, dass man auch bei den Maßnahmen, die für Österreich relevant seien und in Österreich gestaltet werden können, wesentlich stärker auf die Frage der Akzeptanz durch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger Rücksicht nehmen müsse.

Es sei daher erfreulich und positiv, dass man sich in einem Gespräch zwischen den vier Par­teien darauf verständigt habe, zur Vorbereitung eines guten Erweiterungsprozesses und der Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger in Österreich noch eine ganze Reihe von Maß­nahmen zu verhandeln und allenfalls zu vereinbaren, weil es wichtig sei, dass die Politik den Bürgern deutlich mache, dass sie deren Sorgen oder Interessen auch wirklich ernst nimmt. Man werde mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass etwa die Frage der institutionellen Weiterentwicklung der Europäische Union – so wichtig sie auch sei, um gerade diese Sorgen der Bürger dauerhaft zu berücksichtigen – an den Interessen der Bürger zunächst einmal vor­beigehe.

Zweiter Punkt: Aus dem Bericht des Allgemeinen Rates von Montag sei ersichtlich, dass es dort auch eine Diskussion über die weitere Vorgangsweise zur Vorbereitung der nächsten Regie­rungskonferenz gegeben und man überlegt habe, ob man sich bereits in Göteborg über einen Konvent verständigen solle oder nicht. Die Tendenz in Richtung Konvent scheine relativ stark gegeben zu sein, auch wenn einige noch nicht zu weit gehen wollten.

Abgeordneter Dr. Einem meint, er habe den Eindruck gehabt, dass man einander bei dem Ge­spräch in den Redoutensälen zum Prozess der weiteren Entwicklung der Europäischen Union schon recht nahe gekommen sei, was es daher rechtfertigen würde, sich auch heute und hier über diese Frage zu verständigen, ohne dass er aber gleich einen Antrag stellen wolle.

Dritter Punkt: Zum Thema Erweiterung und Grenzregionen habe Bundeskanzler Dr. Schüssel den Wunsch Österreichs und auch Deutschlands angesprochen, dass es zu konkreten Vor­schlägen der Kommission kommen möge, wie und durch wen besondere Fördermaßnahmen in den Grenzregionen stattfinden können.

In diesem Begehren habe der Bundeskanzler auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion, wobei von dieser „Grenzregion“ in einem größeren Sinn verstanden wird. Man müsse sehen, dass Österreich durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, dass die wesentlichen wirt­schaftlichen Zentren des Landes alle in einer Entfernung von weniger als 100 Kilometern von den Kandidatenländern entfernt sind. Um allenfalls wirtschaftliche Verwerfungen oder Verwer­fungen auf dem Arbeitsmarkt zu vermeiden, seien integrierende Maßnahmen notwendig, die einen – auch geographisch – hinreichend großen Rahmen ziehen, um sicherzustellen, dass nicht in einem schmalem Grenzstreifen eine florierende Wachstumszone entstehe, dahinter in den bisherigen Zentren jedoch Probleme entstünden. Es gelte nun, auch die Kommission für eine solche Sichtweise zu gewinnen, die der österreichischen Realität Rechnung trägt, und ent­sprechende Lösungen vorzuschlagen.

Vierter Punkt: Nachhaltigkeit. In den beim Allgemeinen Rat von der Frau Außenministerin ange­sprochenen Fragen stimmten die Sozialdemokraten vollinhaltlich überein, weshalb sie heute auch gemeinsam mit den Grünen einen Antrag auf Stellungnahme eingebracht hätten, der diese ihre Position unterstützen und weiter festigen solle, um ein Signal zu geben, dass hier das Parlament auf der gleichen Linie liege.

Anscheinend sei man sich in der europapolitischen Dimension in Fragen der Verkehrspolitik wirklich einig. Das sei nicht selbstverständlich, aber eine gute Voraussetzung, um dort auch gut verhandeln zu können. Um zu zeigen, dass es Österreich ernst sei und nicht nur darum gehe, einen moralisch anspruchsvollen, der Nachhaltigkeit verpflichteten Standpunkt in Europa zu ver­treten, wäre es allerdings auch ein gutes Signal, innerösterreichisch, innerstaatlich Maßnahmen zu ergreifen und beispielsweise die fahrleistungsabhängige Maut oder das Road Pricing auf Autobahnen für LKW endlich einzuführen. Zugleich hätte man dadurch auch Mittel zur Verfü­gung, innerösterreichisch einen Teil der Probleme zu lösen.

Ein letzter Punkt: Mazedonien. Da sei es trotz der schwierigen Verhältnisse und trotz der eher kritischen Situation immerhin erfreulich, dass es in dieser Frage endlich zu gelingen scheine, dass Europa eine gemeinsame, friedensorientierte Strategie aus einem Guss liefert. Dies sei ein bedeutender Fortschritt, wenn man die letzten zehn Jahre vor Augen habe, und die Voraus­setzung für einen Erfolg in Mazedonien, wenn auch noch nicht die Garantie dafür.

Es sei anzuerkennen, dass es schrittweise doch zu einer konsistenten europäischen Außenpoli­tik zu kommen scheine, was wichtig sei, um in Prozessen dieser Art auch entsprechend eine Stimme erheben zu können.

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) beginnt beim aktuellsten Ereignis, dem Volks­entscheid in Irland, der offensichtlich nicht ganz so überraschend gekommen sei, als es sich jetzt für eine breite Öffentlichkeit darstelle. Bereits bei einem Besuch in Irland, den er gemein­sam mit Präsident Fischer und Präsident Prinzhorn vor wenigen Wochen absolviert habe, habe sich angekündigt, dass es aus einer ganzen Reihe von Gründen – etwa Steuerpolitik, aber auch die Abtreibungsfrage und andere komplexe Zusammenhänge – erhebliche Probleme geben könnte.

Durch den Entscheid Irlands sei das Bemühen der Kommission, den Weg zum Bürger zu ver­kürzen und einen umfassenden Dialog zu starten, auf eine ganz drastische Art aktualisiert worden. Das habe allen noch viel stärker bewusst gemacht, wie wichtig es ist, dem Bürger die Inhalte näher zu bringen. Nicht institutionelle Fragen interessierten ihn, sondern tatsächlich In­halte.

Ein Schritt in diese Richtung sei das jetzt vorliegende Nachhaltigkeitspapier, womit zum ersten Mal ein sehr starker Akzent Europas auf das Gebiet des Umweltschutzes gesetzt und eine lang­fristige Strategie vorgelegt würde, die wirklich umfassend sei. Dies sei ein ganz wesentlicher Schritt, da es gerade auf diesem Gebiet keine nationale Souveränität geben könne und eine Grenzüberschreitung geradezu zwingend sei. Österreich sollte diesen Prozess, der tatsächlich zum Schlüsselereignis in Göteborg werden sollte, unterstützen – unabhängig von allen anderen durchaus auch aktuellen Themen.

Eines dieser Themen sei das österreichische Bestreben, der Verkehrspolitik einen wesentlich höheren Stellenwert zu geben. Das sei auch im Interesse der österreichischen Bevölkerung, denn das sei eine der großen Sorgen, und man müsse versuchen, Antworten zu finden.

Hinsichtlich der außenpolitischen Situation gebe es wenig Anlass für Optimismus, doch die Initiative der EU – durch Solana, Kommissar Patten und andere – sei absolut positiv, und zwar nicht nur am Westbalkan, sondern insbesondere auch im Nahen Osten, weil das natürlich Be­reiche seien, die die europäische Politik direkt und indirekt unmittelbar beeinflussen.

Was den Westbalkan betreffe, sei das sicherlich nicht Sache einer Institution, sondern nur ein gemeinsames Vorgehen verschiedener Organisationen – EU, NATO und UNO – werde dazu führen, zu Ergebnissen zu kommen.

Für sehr positiv hält Abgeordneter Dr. Fasslabend den Vorstoß des Bundeskanzlers hinsichtlich der Grenzregionen. Äußerst positiv sei es auch, dass es gelungen sei, sogar noch vor Göteborg in der Frage der Freizügigkeit des Personenverkehrs bereits mit einem konkreten Ergebnis auf­zuwarten. Dass Ungarn einer Übergangsfrist von sieben Jahren zugestimmt habe, sei als großer Erfolg der österreichischen Außenpolitik zu werten, weil damit klar werde, dass dies kein ein­seitiges Begehren ist, sondern dass zwischen der EU und den Beitrittsländern ein Prozess vor sich gehen müsse, der eben einen nahtlosen Übergang schafft.

Abschließend gibt Abgeordneter Dr. Fasslabend bekannt, dass man sich auf einen Fahrplan ge­einigt habe, auch vom Parlament her einige Aktivitäten zu setzen. So sollen im Frühherbst eine weitere Enquete abgehalten und zumindest die Nachbarländer Österreichs, vielleicht auch alle anderen Beitrittsländer zu einem gemeinsamen Treffen eingeladen werden.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) dankt zum Ersten insbesondere der Frau Außenministe­rin für die Zusammenfassung dessen, was in den letzten Tagen den wichtigsten Tageszeitun­gen zu entnehmen war, und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie detaillierter, besser und über die brisanten Fragen auch genauer informiert sei, als sie das dem Hauptausschuss mitge­teilt habe.

Er erwarte sich von Vertretern der österreichischen Bundesregierung in einer kritischen Situa­tion der Entwicklung der Europäischen Union eine präzise Analyse etwa des Problems Irland, aber auch eine präzise Analyse der Folgen für die österreichische Politik. Außerdem erwarte er sich eine genaue Information des österreichischen Nationalrates über die geplanten österreichi­schen Initiativen, insbesondere in den Bereichen der Sicherheitspolitik und der Demokratie­politik.

Zu Irland äußert er sich dahin gehend, dass Informationen zufolge von den Sachthemen her die Frage der Neutralität dort eine überragende Rolle gespielt habe. Abgeordneter Dr. Pilz hätte daher gerne eine Antwort auf die Frage, ob es, um den Post-Nizza-Prozess nicht unterbrechen zu müssen, in den weiteren Verhandlungen möglich scheine, dass es zu einer Art Protokoll­an­mer­kung über den sicherheitspolitischen Status der Republik Irland und auch über den Um­stand, dass es sich bei der Europäische Union um kein militärisches Bündnis handle, kommen werde. Welche Haltung zu einer eventuellen Protokolleintragung dieser Art würden die Vertreter der österreichischen Bundesregierung einnehmen? Würden sie das unterstützen, ablehnen oder andere Vorschläge machen?

Für den Fall, dass es zu einer Protokolleintragung dieser Art oder zu einer ähnlichen Art der Anmerkung im Anhang des Nizza-Vertrages käme, hätte Abgeordneter Dr. Pilz auch gerne eine Information darüber, was das für den sicherheitspolitischen und neutralitätspolitischen Status der Republik Österreich bedeute und welche Konsequenzen die Bundesregierung – insbeson­dere der Bundeskanzler – bereit sei, daraus zu ziehen. Denn wenn es zu einer Protokollein­tragung über den Neutralitätsstatus eines einzigen Mitgliedes der Europäischen Union komme, dann werde das ja wohl auch irgendwelche Konsequenzen für die anderen neutralen Mitglieder der Europäischen Union haben.

Wenn Lehren aus dem irischen Referendum zu ziehen seien, dann hätten diese sicherlich auch – nicht ausschließlich – mit Sicherheitspolitik und dem Umgang mit sicherheitspolitischen Interessen und Einstellungen zu tun. Es erscheine durchaus möglich, dass sich auf Grund der Taktik der österreichischen Bundesregierung und der beiden Regierungsparteien die österrei­chische Politik durchaus auf etwas Ähnliches wie eine Irlandfalle zubewege.

In der ganzen Debatte um die Sicherheitspolitik gebe es einen Hintergrund und dieser laute: Es ist nicht mehr klar, welche sicherheitspolitische und auch bündnispolitische Position diese Bun­desregierung vertritt. So etwa habe der Bundeskanzler öffentlich eine Beistandspflicht angeregt und eingemahnt. Da nicht davon auszugehen sei, dass dies eine rein innenpolitisch und tak­tisch motivierte Diskussion gewesen sein soll, sei es offensichtlich die Ankündigung einer euro­päischen Initiative gewesen, denn eine Beistandspflicht ohne Partner, die einem beistehen wollen oder denen Österreich mit allen militärischen Ressourcen beistehen soll, werde es wohl auch innerhalb der Europäischen Union nicht geben.

Österreich bringe hier offensichtlich etwas vollkommen Neues ein, denn nirgends in den wäh­rend der französischen und der schwedischen Präsidentschaft regelmäßig spät oder zu spät zugeleiteten Dokumenten zur Sicherheitspolitik finde sich das Wort „Beistandspflicht“. Deshalb stelle sich die Frage, welche Initiative die österreichische Bundesregierung und der Bundes­kanzler in Göteborg oder danach auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der angekün­digten Beistandspflicht plane und ob dieses Thema in Göteborg in die Diskussion eingebracht werde.

Offenkundig sei, dass es keine gemeinsame sicherheitspolitische Position der Bundesregierung mehr gebe, was aber überhaupt nichts mit Sicherheitspolitik, sondern ausschließlich mit dem Wiener Wahlergebnis zu tun habe. Bis dahin habe es eine gemeinsame Position gegeben, dass man in die NATO wolle. Am 4. Mai jedoch habe Verteidigungsminister Scheibner im Landesver­teidigungsausschuss darüber informiert, dass die NATO nicht die aktuelle Option sei, und am 10. Mai habe der Sicherheitssprecher der Freiheitlichen Partei im Plenum des Nationalrates erklärt, dass die Freiheitliche Partei ihre Haltung zur NATO geändert habe. Alles, was früher zur NATO gesagt worden sei, gelte auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre nun nicht mehr. Das sei aber nichts Neues auf der taktischen Ebene. Manchmal werde eine Position gewech­selt, wenn die Wahlergebnisse und die Meinungsumfragen nicht stimmen.

Gerade auch vor diesem Hintergrund wäre es interessant zu erfahren, was diese Initiative be­züglich Beistandspflicht bedeute und an welches System, welches Bündnis dabei gedacht sei, oder ob es sich rein um einen Versuch handle, etwas zu kitten, was nicht mehr zu kitten sei.

Klubobmann Khol habe in der „Pressestunde“ sinnvollerweise das Angebot gemacht, dass über Optionen wie Beistandspflicht eine Volksbefragung oder Volksabstimmung durchgeführt werden könne. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus Irland hielte es Abgeordneter Dr. Pilz daher für sehr sinnvoll, die Frage, wie es die Republik Österreich mit der Neutralität und mit anderen sicherheitspolitischen Optionen halte, so schnell wie möglich – nämlich noch vor der Ratifizierung des Nizza-Vertrages – durch ein Votum der österreichischen Bevölkerung klären zu lassen. Es gebe dafür keine rechtlichen Hindernisse, weil es sich um einen Gegenstand von gesamtösterreichischer Bedeutung handle und weil das in die Kompetenz des Bundesgesetz­gebers falle. Die Grünen würden deshalb eine Initiative in diese Richtung starten.

Schließlich ersucht Abgeordneter Dr. Pilz die Frau Außenministerin um Aufklärung darüber, was ihre kurze Anmerkung zu den Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa „es liege jetzt an den Beitrittskandidaten“ zu bedeuten hätte. Er hätte gerne eine Präzisierung, ob es nicht auch an denen liege, die offensichtlich drauf und dran seien, den Beitrittskandidaten neue Hürden dadurch in den Weg zu legen, dass sie während des Beitrittsprozesses und des Verhandlungs­prozesses die Spielregeln änderten.

Zwar habe es eindeutige Stellungnahmen des Bundeskanzlers und auch anderer gegeben, wichtig wäre aber eine Information darüber, ob das jetzt eine gemeinsame Position der öster­reichischen Bundesregierung sei oder ob die Bundesregierung in der Frage der Osterweiterung und eventueller Referenden über Nizza und Beitrittskandidaten und so weiter weiterhin öffent­lich mit zwei unterschiedlichen Stimmen sprechen werde.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) stellt einleitend fest, dass es offensichtlich sehr unterschiedliche Einschätzungen betreffend das Referendum in Irland gebe. Er glaube nicht, dass die Frage der Neutralität das Wesentliche war, das dieses Referendum beeinflusst habe, vor allem deshalb nicht, weil mehr als zwei Drittel der irischen Bevölkerung dieser Abstimmung ferngeblieben seien. Es sei also vielmehr die Frage zu stellen, warum zwei Drittel der irischen Wahlberechtigten dieser Abstimmung ferngeblieben seien, und darauf gebe es wahrscheinlich zwei Antworten: Zum einen habe es keine umfassende Information darüber gegeben, worüber abgestimmt wird, oder diese umfassende Information sei nicht bis zu den Wahlberechtigten durchgedrungen. Zum Zweiten gelinge es den Verantwortlichen auf euro­päischer Ebene augen­scheinlich immer weniger, das, was in Brüssel und in Straßburg ent­schieden werde, wirklich zu erklären und Begründungen dafür zu liefern. Vor allem blieben auch die Fragen um die Auswir­kungen auf den Einzelnen offen, und zwar Auswirkungen in jeder Hin­sicht. Deshalb werde es in Hinkunft wichtig sein, nicht nur umfassend zu informieren, sondern auch zu erklären, welche Auswirkungen das auf den Einzelnen habe.

In puncto Erweiterung sieht es Abgeordneter Mag. Schweitzer als seine Aufgabe an, diese aus österreichischer Sicht und auch aus der Sicht eines Grenzlandbewohners zu kommentie­ren. Seiner Ansicht nach werde es dabei notwendig sein, auf die Einhaltung der festgelegten Kriterien ganz großen Wert zu legen, denn dies erwarte sich der Bürger. Man dürfe diese Kriterien nicht mit der Bemerkung „Hauptsache, die Richtung stimmt“ außer Acht lassen. Es müsse auch laufend eine umfassende Information über den Stand der Verhandlungen geben. Insbesondere müssten aber auch Antworten für die direkt und stark Betroffenen gegeben werden, wenn sich diesbezüglich spezifische Fragen ergeben.

Damit kommt der Abgeordnete zu den in Nizza ebenfalls angesprochenen besonderen Maß­nahmen für die Grenzregionen. Da fehle nach einer vollmundigen Ankündigung seitens der Europäischen Union die konkrete Ausformulierung dessen, was versprochen wurde: Wie sehe dieses Grenzlandförderungsprogramm aus? Wie und in welchem Ausmaß werde es finanziert?

Abgeordneter Mag. Schweitzer stimmt mit Kollegem Einem darin überein, dass man es schaffen müsse, rechtzeitig zu erkennen, welche Probleme sich für wen ergeben und wie diesen zum Beispiel durch Höherqualifizierungsmaßnahmen oder Umschulungsmaßnahmen begegnet werden könne. Dazu bedürfe es sicherlich einer gemeinsame Vorgangsweise.

Nicht zuletzt werde auch die Frage der Gesamtfinanzierung einer Erweiterung umfassend erläu­tert und beantwortet werden müssen. Allein der Finanzierungsbedarf für die Erreichung der Um­weltstandards und für eine Angleichung an den Umwelt-Acquis belaufe sich für die Beitrittskan­didatenländer laut einer offiziellen Information seitens der Europäischen Union auf die enorme Summe von etwa 200 Milliarden j. Da müsse man wirklich wissen, wie und von wem das finan­ziert werden soll.

Die Finanzierungsfrage sei sicherlich eine der wesentlichen Fragen, und festgestellt werden müsse auch, dass der österreichischen Bevölkerung eine weitere Belastung nicht zugemutet werden könne.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) merkt im Hinblick auf die Aussagen des Abge­ordneten Schweitzer an, dass ihm auffalle, dass eine eigenartige Rollenverteilung im Gange sei: Die FPÖ weise darauf hin, dass die Bürger Fragen stellen, und verlange, dass die Volkspartei, die SPÖ und vielleicht auch die Grünen die Antworten geben sollten. Kollege Schweitzer gehöre einer Regierungspartei an. Er als Person und seine Partei seien aufgefordert, Antworten zu geben und nicht laufend nur Fragen zu stellen, wie das in letzter Zeit permanent praktiziert worden sei. Die Freiheitlichen müssten sich endlich ihrer Verantwortung in dieser europapoli­tischen Frage bewusst werden.

Bezüglich des Referendums in Irland kann sich Abgeordneter Dr. Niederwieser nur schwer vor­stellen, dass man gar nicht darauf reagiere, sondern darauf hoffe, dass die Iren irgendwann auch zustimmen würden. Es werde der irischen Regierung ein Angebot gemacht werden müssen, und es sei die Frage, in welche Richtung Überlegungen im Gange seien.

Zum Zweiten wäre es interessant zu erfahren, was etwa die Frau Außenministerin oder der Herr Bundeskanzler antworten würden, wenn sie von Kollegen und Kolleginnen in Göteborg gefragt würden, wie es denn in Österreich mit Überlegungen für einen Volksentscheid aussieht.

Was das Nachhaltigkeitspapier anlangt, ist Abgeordneter Dr. Niederwieser nicht der Ansicht, dass das ein großer Fortschritt sei. Wenn zur Frage der Kostenwahrheit im Verkehrsbereich nun von der Kommission ein Vorschlag vorgelegt werden solle, müsse man sich daran erinnern, dass Verkehrskommissar Kinnock bereits vor vielen Jahren ein Grünbuch über die fairen Kosten im Verkehrsbereich vorgelegt habe. Man bewege sich also auf dem Stand von vor in etwa sechs Jahren, aber die Mitgliedstaaten seien nicht wirklich bereit, solche Vorschläge auch aufzugreifen und zu akzeptieren.

Eingehend auf einige Seiten des ursprünglichen Entwurfes zur nachhaltigen Entwicklung bemängelt Abgeordneter Dr. Niederwieser, dass zwar auf Seite 4 die Verkehrsüberlastungen allgemein genannt werden, nicht jedoch auf besonders sensible Räume, etwa die Alpenräume, eingegangen werde.

Verwundert zeigt er sich über eine Passage in diesem Papier, in der explizit angeführt ist, dass man politische Führungspersönlichkeiten mit Weitblick brauche. Das sei ohnehin logisch.

Zu hinterfragen sei, ob es wirklich sinnvoll sei, Zukunftsinvestitionen in Technologie und For­schung alleine auf Schwerpunkte der Nachhaltigkeit einzuschränken, ohne auf andere Be­reiche, beispielsweise Lebenshilfe für ältere Menschen, Gesundheitsfragen und so weiter, ein­zugehen.

Interessant wäre auch zu erfahren, was mit der auf Seite 9 genannten „Schaffung einer europäi­schen Kapazität für die globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung bis 2008“ gemeint sei und ob geplant sei, ein eigenes Amt oder eine eigene Stelle dafür zu errichten.

Weiters kritisiert Abgeordneter Dr. Niederwieser die auf derselben Seite befindliche Formulie­rung: „Es besteht die Befürchtung, dass die politischen Entscheidungen eher von engstirnigen Interessen bestimmter Bereiche beeinflusst wurden als ...“ Dies klinge nach Verschwörungs­theorien, niemand wisse, wer diese „bestimmten Bereiche“ seien, aber so etwas stehe eigen­artigerweise in einem offiziellen Dokument der Europäischen Union.

Auffallend sei, dass Vorschläge, die die Wirtschaft betreffen, sehr vorsichtig formuliert seien – „die Wirtschaft wird ermutigt, verstärkt soziale Verantwortung wahrzunehmen“ oder „ermuntert in Richtung Nachhaltigkeit“ –, aber vielleicht sei das auch der kleinste gemeinsame Nenner, der auf EU-Ebene zu erreichen war.

Bei den Verkehrsmaßnahmen sind nach Ansicht von Abgeordnetem Dr. Niederwieser einige Haken enthalten. So zum Beispiel im zweiten Punkt: „Förderung des weiteren technologischen Fortschritts, der die Einführung von Straßenbenützungsgebühren ermöglicht“. Diese Dinge gebe es schon. In der Schweiz sei so etwas bereits flächendeckend eingeführt worden. Worauf warte die Europäische Union also noch? Es sei nicht notwendig, wieder neue Techniken zu erfor­schen. Man müsse nur wollen, solle aber nicht so tun, als ob man hier noch Forschungsbedarf habe.

Zuletzt zu den Leitlinien für die Transeuropäischen Verkehrsnetze. Da habe sich Ministerin Forstinger noch immer nicht klar geäußert, was sie hinsichtlich des Ausbaues der Brenner-Achse definitiv zu tun gedenke. Sie habe das vor einem halben Jahr in Frage gestellt und wollte sich das noch einmal überlegen. Über diese Frage müsse man aber auch Bescheid wissen, ehe man das in so ein Papier hineinschreibe.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) stimmt Abgeordnetem Niederwieser zu, dass die Osterweiterung der EU für alle ein gemeinsames Anliegen sein müsse und dass man gemein­sam an entsprechenden Lösungen arbeiten und auch bezüglich Aufklärung eine gemeinsame Haltung einnehmen müsse.

Hinsichtlich der Strategie der Europäischen Union zur nachhaltigen Entwicklung sind für Abge­ordneten Dr. Feurstein besonders die Bereiche Soziales, Wirtschaft und vor allem Armutsbe­kämpfung wichtig. Im Vorschlag der Kommission, der sicherlich noch zu diskutieren sein werde, werde zwar im Analyseteil darauf hingewiesen, dass Familien in besonderer Weise armutsge­fährdet seien, in den konkreten Zielvorstellungen und Maßnahmen komme dieser Gesichts­punkt der Familie aber nicht entsprechend zum Ausdruck. Diese Problematik könne man nicht allein mit Beschäftigungsmaßnahmen bewältigen. Von österreichischer Seite solle daher darauf hingewiesen werden, dass mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes bei den familienpoli­tischen Maßnahmen ein ganz spezifischer und wichtiger Weg beschritten werde, um die Pro­bleme der Armut, insbesondere in den Familien, zu bewältigen.

Neben der Beschäftigungsinitiative und der Bildungsinitiative, die in dem Vorschlag der Kom­mission auch enthalten seien, solle von Österreich aber auf noch einen Punkt hingewiesen wer­den, nämlich auf die Mindesteinkommenssicherung für Menschen im Alter. Hier habe Österreich ein ganz großartiges System aufzuweisen, und es sei anzunehmen, dass kein anderer Staat in der EU ein ähnlich funktionierendes System habe, das jenem Österreichs gleiche.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) kommt nochmals auf das irische Abstim­mungsergebnis zurück und meint – ähnlich wie Abgeordneter Dr. Fasslabend –, dass das Ergebnis abzusehen gewesen wäre. Neben der Frage der Neutralität, die schon hinreichend besprochen worden sei, stelle die Abstimmung aber auch ein sehr dominantes Signal dafür dar, dass die Menschen nicht käuflich seien. Nicht automatisch würden dort, wohin die meisten Sub­ventionen fließen, die besten Pro-EU-Abstimmungen erzielt. Also offensichtlich entkopple sich das im Geist der Menschen oder das Geld komme nicht bei den Leuten an, die abstimmen gingen. Das müsse man sich vielleicht auch einmal im Detail ansehen. Das heißt, Korruptions­bekämpfung und Prüfen der Finanzflüsse auf europäischer Ebene müssten ein prioritäres Ziel sein.

In dem Bericht, der dem Parlament noch zugegangen sei, werde in dem neuen Punkt „Irisches Referendum über den Vertrag von Nizza“ angesprochen, dass Irland zum Entwurf der Schluss­folgerungen des Außenpolitischen Rates noch eine Ergänzung des ersten Satzes vorgeschla­gen habe. Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, ob dieser Entwurf vorliege und ob er eingese­hen werden könne, denn das wären die interessanten Dinge, die auch für die weitere Debatte mehr als spannend seien. Der Entwurf müsse auch dem Parlament zur Verfügung gestellt werden; bei ihr sei er jedenfalls bis gestern nicht eingetroffen.

Bei der Nachhaltigkeitsstrategie falle als Erstes auf, dass in diesem Dokument im Bereich der nachhaltigen Energiepolitik nach wie vor eine vollkommen falsche Bewertung der Atomenergie vorliege. Es müsse das Anliegen Österreichs sein, diese Einschätzung zu verändern, da sonst das gesamte Geld für Forschung und Entwicklung vom Bereich Atom quasi aufgefressen würde und für jenen Bereich, der tatsächlich als nachhaltige Energiepolitik zu bezeichnen sei, kein Geld übrig bliebe.

Anknüpfend an die Worte des Abgeordneten Dr. Feurstein verleiht auch Abgeordnete Dr. Lich­tenberger ihrer Unzufriedenheit betreffend das Kapitel Armutsbekämpfung Ausdruck. Da fehle es an Konkretisierung, da fehle es an wirklicher Nachhaltigkeit. Absurd sei allerdings die Fest­stellung des Abgeordneten Dr. Feurstein, dass man diese Problematik allein mit dem Kinder­geld lösen könne. Die Absurdität dieser Feststellung werde sich schon in fünf bis sechs Jahren dokumentieren, wenn die ersten Folgewirkungen dieser Politik sichtbar würden. Darüber hinaus seien nicht nur kinderreiche Familien armutsbedroht, sondern auch andere Personengruppen, und für alle müsse ein breites Spektrum an Maßnahmen gesetzt werden.

Zum Bereich nachhaltige Entwicklung im Verkehr: In den Dokumenten sei sehr deutlich auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Verkehrspolitik hingewiesen, was nicht nur für den Beitritts­prozess, sondern angesichts des Auslaufens des Transitvertrages und der zukünftigen Entwick­lungen eines der wichtigsten Dinge sei. Aus den Dokumenten der Kommission gehe hervor, dass eine Problemanalyse vorliege; dort, wo es aber in den Bereich der Maßnahmen hinein­gehe, werde es relativ diffus oder sogar kontraproduktiv.

Man spreche etwa von verstärkter Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel, aber es werde nicht näher ausgeführt, was das zum Beispiel für die Haushalte auf nationaler und internatio­naler Ebene bedeute und was unverzichtbar sei.

Es werde die Frage der Energiesteuer zwar angesprochen, aber viel zu wenig konkret auf deren notwendige Höhe und auf die Steuerungseffekte eingegangen. Es sei zum Beispiel nicht er­wähnt, wie es in der Frage der Besteuerung von Flugbenzin weitergehen solle, was schon wegen des Grundsatzes der Gerechtigkeit anzustreben wäre.

Es werde auch die Kostenwahrheit angesprochen, aber unverständlicherweise behauptet, man müsse erst technische Möglichkeiten prüfen, ehe man Kostenwahrheit im Sinne eines Road Pricing für LKW umsetzen könne. Es gebe technische Erfahrungen, aber leider sei auf europäi­scher Ebene die gleiche Verzögerungstaktik festzustellen, wie sie auch innerösterreichisch zu erleben sei.

Deswegen hätten die Grünen auch einen Antrag auf Stellungnahme entworfen, der genau die Initiativen der Frau Ministerin aufgreife und sie auch in konkrete Forderungen auf europäischer Ebene fasse.

Brisant – und deshalb werde diese Stellungnahme heute eingebracht – sei das Ganze auch deswegen, weil im Sommer das so genannte Weißbuch für eine überarbeitete Strategie für eine EU-Verkehrspolitik erscheinen soll. Abgeordnete Dr. Lichtenberger hält fest, dass sie sich leider nur die französische Fassung besorgen habe können, aus der einige Besorgnis erregende, zum Teil absurde Punkte zu entnehmen seien. Zum Beispiel wolle man die „Durchlässigkeit von Ge­birgsketten“ erhöhen und die „Flaschenhälse“ im hochrangigen Verkehrsnetz beseitigen. Zudem setze man in erster Linie auf Hochgeschwindigkeitszüge, obwohl sich diese in Frankreich und in Deutschland nicht als der Königsweg in der Verkehrspolitik erwiesen hätten.

Die Stellungnahme sei auch als Unterstützung für eine offensive Haltung in der Verkehrspolitik gedacht, und es sei zu hoffen, dass Österreich nicht nur im Allgemeinen bleibt, sondern sehr konkrete Maßnahmen vorschlägt. Mit dieser Stellungnahme solle dokumentiert werden, dass der Hauptausschuss geschlossen hinter den darin enthaltenen Aussagen stehe.

Der Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel. 23e Abs. 2 B-VG hat folgenden Wortlaut:

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger und Dr. Caspar Einem betreffend Mitteilung der Kom­mission „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ [Kom(2001)264endg.] (33376/EU XXI. GP)

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung mögen bei den Verhandlungen zur Mitteilung der Kommission „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Euro­päischen Kommission für die nachhaltige Entwicklung“ sowie zum Weißbuch Verkehrspolitik dringend und mit Nachdruck vertreten, dass

diese dem bereits in zahlreichen EU-Dokumenten festgeschriebenen Grundsatz der Kosten­wahrheit endlich zur Durchsetzung verhelfen;

diese eine Neufassung der Wegekosten-Richtlinie in einer Form zulassen und befördern, die den Erfordernissen der nachhaltigen Entwicklung und des Alpenschutzes durch eine fahr­leistungsabhängige, regional differenzierte, die Querfinanzierung zwischen Verkehrsträgern zulassende, in sensiblen Zonen wie den Alpen deutlich höhere Bemautung gerecht wird;

diese einer zumindest gleichwertigen Nachfolgeregelung zum geltenden Transitübereinkom­men/Ökopunktesystem einschließlich einer absoluten Fahrtenzahlbegrenzung im LKW-Transit nicht im Wege stehen;

dass die auch für die EU verpflichtenden Festlegungen der Alpenkonvention für Verkehr und nachhaltige Entwicklung aufgegriffen und umgesetzt werden;

dass im Sinne der insbesondere sozialen Nachhaltigkeit und der Binnenmarktverträglichkeit konsequente Anti-Dumping-Maßnahmen im Straßengüterverkehr, insbesondere im Sozialbe­reich, verankert und umgesetzt werden.

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bezie­hungsweise auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.

*****

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche) befasst sich in seinem Debattenbeitrag ebenfalls mit der Nachhaltigkeitsstrategie und meint, ihm fehle bei der Aufzählung der größten Gefahren für die nachhaltige Entwicklung ein Bereich gänzlich, der seiner Meinung nach gerade für Österreich sehr wesentlich sei, nämlich der Bereich Verlust wichtiger hochwertiger, klein­räumiger Strukturen im ländlichen Raum. Er spreche in diesem Zusammenhang von Nahversor­gung, vom Gesundheitswesen, von Bildung, von öffentlichen Dienstleistungen und letztendlich von Arbeitsplätzen. Es sei wichtig, zumindest die Güter des täglichen Bedarfs in der Nähe ver­fügbar zu halten. Schon heute gebe es in sehr vielen Gemeinden keinen Nahversorger mehr, weshalb die Raumordnung eine wesentliche Rolle spielen werde, aber auch die Verteilung der Gelder zwischen Stadt und Land.

Es sei erforderlich, dass nicht nur vom Staat, sondern letztlich auch von der Europäischen Union Weichenstellungen in Richtung Förderung für Regionalentwicklungsstrategien vorgenom­men werden. Eine derartige Weichenstellung werde wesentliche Einflüsse auf Energiever­brauch, Klimabelastung, Wertschöpfung und Kaufkraft für den ländlichen Raum haben und könne somit auch wesentliche soziale Aspekte – zum Beispiel Armutsbekämpfung – erfüllen.

Ein wichtiger Bereich sei auch jener der gefährlichen Atomkraftwerke in den Mitgliedstaaten und in den Staaten der Beitrittskandidaten. Hier müsse die Europäische Union engagierter auftreten und verbindliche Ausstiegsszenarien formulieren und auch umsetzen. Innerhalb dieser Nachhal­tigkeitsstrategie sollten daher Anstrengungen unternommen werden, entsprechende Standards für Atomkraftsicherheit in Europa zu entwickeln.

In dem ganzen Papier seien kaum konkrete Maßnahmen angesprochen, sondern bestenfalls die Formulierung neuer Ziele vorgenommen worden, weshalb Abgeordneter Ing. Fallent den Bundeskanzler und die Außenministerin ersucht, darauf einzuwirken, dass dieses Papier in dieser Richtung qualitativ verbessert wird.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel beginnt mit einem Punkt, der ihn sehr betroffen macht, den er aber auch empörend findet. Im Wissen um die zu Beginn der Hauptausschuss­sitzung stattgefundene sehr offene und konstruktive Diskussion zur Geschäftsordnung, in der klargestellt wurde, wie die Dokumente ausgeteilt werden, habe Abgeordneter Dr. Pilz in einer Presseaussendung um 10.50 Uhr eine Aussage getätigt, in der es wörtlich heißt: „Scharfe Kritik übte er in Sachen ,Nicht-Information‘ an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: Dieser ,verbirgt in seinem Aktenschrank vor dem Parlament‘ wichtige Unterlagen wie jetzt vor dem Gipfel von Göteborg den schwedischen Bericht zur Sicherheitspolitik.“

Bundeskanzler Dr. Schüssel fordert Abgeordneten Dr. Pilz auf, diese Aussage öffentlich zurück­zunehmen, denn dieser Stil sei diesem Haus, diesem Ausschuss und der konstruktiven Diskus­sion nicht angemessen. Dies müsse einmal sehr deutlich gesagt werden. Außerdem wolle er die Beamten in Schutz nehmen, die versuchten, jedem Abgeordneten des Hauses sofort alle notwendigen Informationen zu geben.

Zur Sache selbst: Klarerweise hätten einige der Ereignisse auf europäischer Ebene Fragen auf­geworfen, und es sei legitim, diese auch zu stellen. Bundeskanzler Dr. Schüssel stellt fest, dass es wahrscheinlich „part of the job“ sei, zu versuchen, auf heikle Fragen auch Antworten zu geben. Mangels Kenntnis der inneren Vorgänge in Irland traue er sich jedoch nicht, im Hinblick auf das irische Referendum eine ausreichende und erschöpfende Antwort zu geben, jedenfalls nicht, bevor er die irischen Kollegen selbst gehört habe.

Das Hauptereignis war – damit hätte Abgeordneter Schweitzer völlig Recht –, dass mehr als zwei Drittel der Iren nicht zur Abstimmung gegangen seien. Deshalb müsse man darüber nachdenken, ob nicht die Art und Weise, wie über Europa diskutiert werde – nämlich prinzipiell konfliktär, prinzipiell in Dissonanzen –, und auch die Art und Weise der Berichterstattung über europäische Angelegenheiten die Bürger abschrecke.

Die Texte seien unverständlich, und auch jemand wie er, Bundeskanzler Dr. Schüssel, der sich schon sehr lange damit beschäftige, müsse sich immer wieder kundig machen und brauche immer wieder den Rat der besten Köpfe, um sie ordentlich interpretieren zu können.

Man müsse auch auf europäischer Ebene lernen, einander zu verstehen und nicht jede unter­schiedliche nationale Position, wie sie bei 15 EU-Ländern natürlich gegeben sei, und jeden Kompromiss, der gefunden werden müsse, als Scheitern zu interpretieren. Und tatsächlich gebe es heute in manchen Bereichen mehr Fragen als Antworten.

Neben der geringen Wahlbeteiligung in Irland sei noch eine Besonderheit für das Ergebnis der Abstimmung zum Tragen gekommen: Auf Grund eines ganz bestimmten Rechtsaktes dürfe die Regierung – auch wenn dies absurd sei – nicht für eine bestimmte Position werben. Sie solle zwar verhandeln, ihre Position mit Verve und mit Feuer vertreten, habe dann aber keine Mög­lichkeit, darüber zu informieren. Dies sei etwas seltsam. Propaganda sei abzulehnen, aber Sachinformation müsse möglich sein, sei geradezu lebenswichtig, wenn man Verständnis für die europäische Agenda erreichen wolle.

Aus dem irischen Referendum seien die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man solle nicht ein irisches Problem zu einem österreichischen Problem machen. Keineswegs bestehe ein Grund dafür, jetzt eine Volksbefragung oder ein Referendum über die österreichische Neutralität abzu­halten, denn das stehe weder nun in Göteborg auf der Tagesordnung, noch werde es in abseh­barer Zeit auf der Tagesordnung stehen, es sei denn, man einige sich vorher auf eine ganz bestimmte Änderung der österreichischen Politik.

Komisch findet es Bundeskanzler Dr. Schüssel auch, dass Leute, die bei der Diskussion über Europa gar nicht dabei gewesen seien, interpretierten, was er dort gesagt habe. Einige der hier Anwesenden seien dabei gewesen, und die wüssten, dass er dort eine Frage gestellt habe, und zwar eine für die Zukunft Europas wichtige Frage, nämlich ob es denkbar sei, dass eine Weiter­entwicklung der Union hin zu einer kohärenten Politik auch zu einer Integration der jetzt ausge­lagerten Beistandsverpflichtung gemäß Artikel 5 der WEU führen könnte. Ihm jetzt zu unterstel­len, er hätte dort eine Beistandspflicht eingemahnt oder eine Aktion gestartet, um das Parla­ment quasi in einem Handstreich mit der Sicherheitsdoktrin zu überfahren, lasse in ihm das Ge­fühl entstehen, dass da Menschen mit einem Verfolgungswahn unterwegs seien. Ehrlicher und offener könne man diese Dinge überhaupt nicht diskutieren, als eine Frage zu stellen, eine Ant­wort in einer offenen Debatte anzuhören und daraus mögliche Schlussfolgerungen zu ziehen.

Ganz deutlich sei auch herauszustreichen, dass es in der Frage der Erweiterung eine klare ge­meinsame Position der Bundesregierung gebe. Die Bundesregierung sei dafür, wenn die Bedin­gungen, die im Vertrag enthalten seien – politische, wirtschaftliche Kriterien, die Übernahme des Acquis –, erfüllt würden und wenn bestimmte Sensitivitäten, die bilateral mit den Kandida­ten zu diskutieren seien, einigermaßen befriedigend gelöst werden könnten. Das sei der Weg, das habe man gemeinsam akzeptiert, und es sei sehr zu hoffen, dass es auch zu einer gemeinsamen Beschlussfassung oder einer Weiterführung in diesem Sinn komme.

Der Bundeskanzler betont, dass er mit Zähnen und Klauen dafür kämpfen werde, dass in Öster­reich eine Diskussion darüber möglich sei. Dies solle man aber nicht in eine bestimmte Rich­tung drehen. Und weil die Frage gefallen sei, was er seinen Kollegen in Göteborg sagen werde: Er werde ihnen berichten müssen, dass es in der Vergangenheit und in der Gegenwart einige Vorstöße für eine Volksbefragung oder -abstimmung zur Erweiterung gegeben habe. Günter Verheugen habe so etwas am 2. September 2000 vorgeschlagen und sei dabei nicht auf rasende Resonanz in Österreich und Europa gestoßen. Es habe einen Vorstoß der Freiheit­lichen Partei zunächst in Richtung Volksbefragung, dann Volksabstimmung gegeben, jedoch nicht jetzt, sondern irgendwann nach Abschluss der Verhandlungen. Auch der Vorsitzende der Grünen Van der Bellen habe gesagt, er könne sich das alles vorstellen. Und während etwa der Europasprecher der SPÖ klar gesagt habe, eine Volksbefragung komme nicht in Frage, sei zu registrieren, dass der SPÖ-Vorsitzende sich so etwas vorstellen könne, wenn auf europäischer Ebene über eine solche Frage abgestimmt werde.

Er, Schüssel, und seine Freunde seien immer sehr dafür gewesen, dass jedes Land, wenn es erforderlich sei, über sein eigenes Schicksal abstimme, aber er sei strikt dagegen, dass jemand über das Schicksal eines anderen Volkes abstimme. Deshalb vertrete er die Meinung, dass über das Schicksal der Tschechen, der Ungarn, der Slowenen, der Polen nur diese selbst zu entscheiden hätten. Das sei eine Position, die man argumentieren könne, aber er respektiere, dass es auch andere Positionen gebe. Das sei eben Demokratie. Die Erweite­rung sei erwünscht, gerade sei ein erster sehr wichtiger Abschnitt positiv beendet worden, und man wolle auch dieses Projekt zu einem guten Abschluss führen.

Zur Finanzierung: Dass die Erweiterung Geld koste, sei nie bestritten worden, sie fordere aber auch auf der Seite der Kandidaten enorme Anstrengungen, die nicht unterschätzt werden dürf­ten. So habe zum Beispiel Polen einige Hunderttausend Arbeitskräfte von Staats wegen oder über den Markt abbauen müssen, um die Kriterien erfüllen zu können, die die Union vor­schreibe.

Primär sei es natürlich Aufgabe der Erweiterungskandidaten, die erforderlichen Aufwendungen selbst zu tätigen, aber es gebe im Rahmen der Vorbeitrittshilfe und später dann im Beitrittspro­zess sehr ambitiöse bereits fixierte Programme, die ihnen bei der Erfüllung dieser Aufgabe helfen sollen. Dazu kämen noch die EBRD, die EIB und andere Finanzinstitutionen.

Das Geheimnis, wie sich das Ganze finanziere, bestehe darin, dass alle Zolleinnahmen sowieso der Gemeinschaft gehörten. Dazu komme eine Eigenmittellösung von maximal 1,27 Prozent. Solange der Beitritt nicht stattfinde, sinke dieser Prozentsatz, wie in Berlin verein­bart, Jahr für Jahr. Im Moment halte man bei 1,09 oder 1,06 Prozent. Dadurch bekäme man Luft, um die Erweiterung finanzieren zu können. Kritisch werde es – das müsse auch offen gesagt werden –, wenn zutreffen sollte, was Studien besagen, nämlich dass die Erweiterung mehr als diese 1,27 Prozent kostet. Dann müsse man – und das sei hoffentlich auch eine gemeinsame Posi­tion – eine Überprüfung der Ausgaben vornehmen.

Deswegen mache es, wie im Integrationsrat diskutiert, Sinn, mehr Kofinanzierungsmodelle – auch in der Agrarpolitik – anzustreben. Es könne auch keine Garantie für die heutigen Ko­häsions-Empfängerländer geben, auf Zeit und Ewigkeit alles zu bekommen. Die Erweiterung müsse innerhalb der 1,27 Prozent finanzierbar sein. Das müsse gemeinsame Absicht sein. Aber 1,27 Prozent koste es, das müsse jeder wissen, das sei in Berlin vereinbart und auch nach Berlin gesagt worden, und so sei auch das Paket hier im österreichischen Nationalrat ratifiziert und akzeptiert worden. Das müsse klarerweise auch als übergreifender Parteienkonsens gelten.

Die Grenzregionen seien ein sehr wichtiges Thema. Dafür habe man sich zum ersten Mal schon in Berlin sehr eingesetzt und immerhin die nicht unbeträchtliche Summe von fünfmal 50 Millio­nen j, für die Periode 2000 bis 2006 also in Summe 350 Millionen j, nicht ganz 5 Milliarden Schilling, zugestanden bekommen. Zum Teil werde das noch kofinanziert. Der überwiegende Anteil dieser Projekte werde im INTERREG-Programm abgewickelt werden. Ein beträchtlicher Teil davon sei für das Ziel-1-Gebiet Burgenland zweckgewidmet, 4 Milliarden Schilling seien je­doch für die MOEL-Grenzregionen im Rahmen von Ziel-2-Gebieten gewidmet, rund 1,8 Mil­liarden Schil­ling werden für die INTERREG-III-Programme mit den MOEL aufgewendet und 200 bis 400 Mil­lionen Schilling sind im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative LEADER vorgesehen.

Jetzt kämpfe man darum – hoffentlich auch mit Hilfe der Deutschen, deswegen sei auch der Besuch Schröders so wichtig gewesen –, von der Kommission zusätzlich die Möglichkeit zuge­standen zu bekommen, das Beihilfen-Regime zu lockern, damit die PHARE-Programme auf der Seite der Kandidaten und die INTERREG-Programme in Österreich harmonisiert und damit möglicherweise auch grenzüberschreitende Projekte finanziert werden können. Darüber hinaus werde er, Schüssel, versuchen, zumindest bei nicht ausgeschöpften Krediten noch zusätzlich zu diesen 350 Millionen j Geld zu bekommen. Eine Garantie dafür gebe es nicht, aber das werde man sich jetzt eben gemeinsam vornehmen müssen. Die Kommission müsse auch ent­sprechende Vorschläge, was das Beihilfen-Regime und so weiter betrifft, machen.

Im Bereich Verkehr bezögen sich alle Themen, die hier diskutiert worden seien, auf das Kom­missions-Papier. Dieses sei aber keine Handlungsanweisung, weil viele der Dinge, die darin enthalten seien, in die nationale Kompetenz fielen. Vieles von dem, was darin angeregt werde, sei von der Kommission, da kein Gemeinschaftsrecht, nicht umsetzbar, sondern sei quasi eine kooperative Empfehlung an die Mitgliedstaaten, sich im Rahmen dieser Strategie zu entwickeln.

Es habe einige kritische Worte zum Bereich Forschung und Beschleunigung von Aufträgen ge­geben, die Bundeskanzler Dr. Schüssel nur voll unterstützen könne. Road Pricing zum Beispiel sei ausdrücklich im Regierungsprogramm enthalten, sei angestrebt, die Absurdität der EU-Richtlinien sei jedoch jene, dass das durch den Zwang, drei Phasen der Ausschreibung durch­lau­fen zu müssen, um mindestens ein Jahr länger dauere. Das sei die Katastrophe und eigent­lich auch nicht im Sinne einer von der Union angestrebten Nachhaltigkeitsstrategie.

Mit Billigung des Hauptausschusses werde Bundeskanzler Dr. Schüssel daher in Göteborg die Anregung machen, dass manche Themen, die prioritär seien, mit kürzeren Fristen umgesetzt werden können.

Der Transitvertrag sei natürlich ein Thema. Es werde in diesem Sinne auch Anfang Juli ein sehr wichtiges Gipfeltreffen in Brüssel stattfinden, wo dies angesprochen werden solle. Bezüglich der anderen Fragen wie Nachhaltigkeit, Kindergeld, Armutsbekämpfung, Nahversorgung im ländli­chen Raum, AKW-Sicherheit sagt Bundeskanzler Dr. Schüssel zu, diese in Göteborg gerne vorzubringen.

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner merkt hinsichtlich des Entwurfes von Schluss­folgerungen des Rates an, dass dieser am selben Tag gemeldet werde, am nächsten Tag werde dann die allenfalls um Tippfehler korrigierte Version ausgegeben. Sie nimmt an, dass Ab­geordnete Dr. Lichtenberger den Entwurf von Schlussfolgerungen in Händen habe, was diese verneint. Da der Entwurf hier vorliege, könne sie der Abgeordneten eine Kopie zukommen lassen.

Die wesentlichen Punkte in diesem Entwurf seien, dass Nachverhandlungen über den Text von Nizza ausgeschlossen seien, der Ratifikationsprozess auf der Grundlage des Textes und entsprechend dem Zeitplan fortgesetzt werde sowie dass die Minister zur Kenntnis genommen hätten, dass sich die irische Regierung weiterhin entschieden und nachdrücklich für die Union und die Ratifikation des Vertrages einsetze. Man werde ihr bei der Suche von Lösungen helfen, aber Nachverhandlungen würden vermieden.

Bezüglich des von der Abgeordneten Dr. Lichtenberger erwähnten Weißbuches sei festzustel­len, dass es dieses überhaupt noch nicht gebe. Es müsse im Kollegium der Kommission erst angenommen werden und werde wahrscheinlich Ende Juni herauskommen. Was die Abgeord­nete habe, könne allenfalls irgendein Vorentwurf sein, der aber nicht als Basis diene.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ergänzt zur Konventfrage, die Abgeordneter Einem gestellt hat, dass Göran Persson in einem Vieraugengespräch die Bitte geäußert habe, keine substantielle Diskussion zu führen, weil dieses Thema noch relativ kontroversiell sei. Seiner Meinung nach wäre es daher klug, das jetzt nicht zu stark zuzuspitzen, weil man damit der gemeinsamen Sache – da gebe es ja keinen Unterschied zwischen den politischen Parteien in Österreich – keinen guten Dienst erweisen würde.

Er selbst werde aus Überzeugung für ein möglichst offenes, flexibles Konventmodell eintreten, sei aber dafür, den Zeitplan ein wenig zu verändern und damit nicht erst 2004 in eine Regie­rungskonferenz zu gehen, da dann die Wahlen zum Europäischen Parlament und die Neube­stellung der Kommission alles überschatten würde. Dadurch würde sich das Ganze entweder noch um ein Jahr verschieben, oder aber man hätte keine Gesprächspartner.

Damit es zu einer vernünftigen Einbindung dieser wichtigen Institutionen komme, sei es das Ge­scheiteste, die Regierungskonferenz schon in der zweiten Hälfte des Jahres 2003 abzuhalten. Dies müsse aber eine voll aktionsfähige Regierungskonferenz und nicht bloß eine formelle sein, da dies dann auch zu einer nationalen Diskussion mit den Parlamenten, mit den zuständigen Ländern, die großes Interesse daran hätten, weil Subsidiaritätsfragen berührt sind, führen solle.

Natürlich habe es Gewicht, wenn ein Konvent etwas vorschlägt. Wenn man sich in manchen Punkten einstimmig auf ein Ziel einigen könne, habe das mehr Gewicht, wenn es mehrere Optionen gebe, dann werde man natürlich auch über diese Optionen reden müssen.

Hier gebe es ein klares Commitment von Seiten der Bundesregierung. Sollte es erforderlich oder möglich sein, werde der Bundeskanzler auch diese Position in Göteborg vertreten. Wenn die Schweden dies aber eher auf die belgische Präsidentschaft verschoben haben möchten, würde er einem solchen Rat auch folgen, um das Projekt und seine Chancen zu verbessern.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) steht nicht an, festzustellen, dass die Abgeordneten durch die Beantwortungen in vielen Fällen wirklich zusätzlich informiert worden seien und er mit dem meisten auch übereinstimme. In zwei Bereichen sollte seiner Meinung nach die Beantwor­tung allerdings etwas pointierter sein.

Das sei zunächst die Frage Irland: Es sei richtig, dass es erstens schwierig, zweitens falsch sei, die Gründe von außen im Detail analysieren zu wollen, drittens neige man auch immer dazu, das, was einem selbst wichtig ist, als Ursache hineinzuinterpretieren. Auch solle man ein irisches Problem nicht zu einem österreichischen machen, aber das Ganze in der Reaktion der Gemeinschaft nur als eine Angelegenheit Irlands zu sehen, greife auch zu kurz und gehe auf eine Frage nicht ein, nämlich auf die Frage Neutrale innerhalb der EU.

Entsprechend der anfänglichen Argumentation sollte es für Neutrale keine Extrawürste in der EU geben, doch alle Kommentatoren seien sich darin einig, dass eine der möglichen Reaktio­nen auf die Entscheidung in Irland sein könnte, dass ein neutrales Land einen gewissen größe­ren Spielraum, gewisse Ausnahmemöglichkeiten erhalte. Und wenn es so etwas für Irland gebe, das auf Grund seiner Verfassungslage weniger darauf drängen müsste als Österreich, sofern es sein Neutralitätsgesetz ernst nimmt, stelle sich unweigerlich die Frage: Was tut Österreich in so einem Fall? Werde Österreich sich so verhalten, wie es sich verfassungskonform verhalten müsste, und zumindest eine gleiche Regelung, wie sie Irland zugestanden werde, auch für Österreich beanspruchen? Oder werde die Regierung, weil sie sich in dieser Frage so verhält, als wäre Österreich von der Neutralität quasi wie von Tisch und Bett getrennt, diese Sache gar nicht anrühren und nichts unternehmen?

Der Zeitpunkt, zu dem die Regierung eine Entscheidung treffen müsse, ob sie die Neutralität noch beibehalten oder los sein wolle, könne nicht mehr so weit hinausgeschoben werden. Eine Entscheidung falle auch dann, wenn die Regierung nach Irland nichts entscheide, falls es zu so einer Reaktion komme.

Der zweite Bereich, bei dem Abgeordneter Schieder ein bisschen nachhaken möchte, ist jener der Beitrittswerber. Abgeordneter Schweitzer habe auch heute wieder die Kostenfrage ange­schnitten, und es scheine sich diesbezüglich eine Linie der FPÖ und damit vielleicht auch der freiheitlichen Regierungsmitglieder zu manifestieren, nämlich ein endgültiges Ja zur Erwei­terung erst dann, wenn die Kostenfrage geklärt ist. Ähnliche Andeutungen, wenn auch nicht heute, habe es bezüglich der Beneš- und AVNOJ-Dekrete gegeben.

Es wäre wünschenswert, dass sowohl der Herr Bundeskanzler als auch die Frau Außenministe­rin sich zu diesen beiden Fragen klar festlegten, ob sie für den Beitritt relevant seien oder ob die Regierung einem Beitritt dieser Länder dennoch ohne Wenn und Aber zustimme. Oder sei es so, dass die Regierung sich das noch offen halte, um es weder den Beitrittsländern noch der FPÖ sagen zu müssen?

Im Sinne auch eines einschätzbaren Österreichs wäre es eine redliche Haltung und von Bedeu­tung, sich in diesen Fragen klar festzulegen – auch wenn es vielleicht unangenehm sei. Erfreu­licherweise sei in der Frage der Grenzblockaden wegen Kernkraftwerken klar gesagt worden, dass dies kein Mittel sei. Auch in diesen Fragen wäre ein klares Wort, auch wenn es nicht so einfach sei in der Regierung, von Vorteil für Österreich.

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche) spricht, auf die Verkehrsfrage zurückkommend, konkret das Protokoll Nr. 9 des EU-Beitrittsvertrages an, in dem zwischen Österreich und der Gemeinschaft ausverhandelt wurde, dass es eine nachhaltige und dauerhafte Reduktion des Transitverkehrs geben werde. Mit dem Transitvertrag habe man dieses Ziel nicht erreicht bezie­hungsweise sei man an eine Grenze gestoßen. Jedenfalls werde, wenn es zur Osterweiterung komme, dieser Vertrag hinfällig sein. Man müsse mit einer wahrscheinlichen Verkehrssteige­rung von 70 Prozent rechnen, und die Problematik, die jetzt schon in Tirol vorherrsche, wäre dann auf ganz Österreich ausgedehnt. (Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend übernimmt den Vor­sitz.)

Die Bevölkerung sei sehr beunruhigt, deshalb die konkrete Frage des Abgeordneten Wattaul, ob Österreich auf die Einhaltung des Vertrages im Protokoll Nr. 9 pochen werde, denn man müsse darauf achten, dass es die Lösungen dafür schon gibt, bevor es zu einer Erweiterung komme.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) stellt eingangs fest, dass es relativ selten vorkomme, dass der Bundeskanzler Mitgliedern des Hauptausschusses unterstelle, sie litten an Verfol­gungswahn. Er wolle sich jede anderweitige Qualifikation ersparen, jedoch darauf hinweisen, dass er die Sitzung des Hauptausschusses von Beginn an verfolgt habe und sein Doppelgänger Urlaub habe und deswegen nicht in der Lage gewesen sei, um 10.50 Uhr eine Pressekonferenz zu geben. Wahr sei allerdings, dass er sich von keinem Bundeskanzler der Welt verbieten lasse, vor der Sitzung des Hauptausschusses eine Pressekonferenz durchzuführen. Das könne der Bundeskanzler auch gleich seinem Kollegen, dem Justizminister, sagen. Die Grünen würden Pressekonferenzen auch in Zukunft wo, wann und wie sie es wollten abhalten, aber sicherlich nicht während der Tagungszeit des Hauptausschusses.

Darüber hinaus fordert Abgeordneter Dr. Pilz den Bundeskanzler ein letztes Mal in aller Form auf, er möge dafür sorgen, dass die Grünen die Unterlagen, die zur Vorbereitung dieses Aus­schusses und der Debatten gebraucht würden, rechtzeitig bekämen. Dazu gehöre auch die von der Abgeordneten Dr. Lichtenberger eingemahnte Unterlage der Frau Außenministerin, und es sei zu hoffen, dass man noch während der Sitzung eine Kopie dieser Unterlage zur Verfügung gestellt bekomme.

Im Übrigen sei die Zuleitung des Berichtes über die Europäische Sicherheits- und Verteidi­gungspolitik, der noch während des französischen Vorsitzes verfasst wurde, offiziell bis heute nicht erfolgt. – All das müsse man einmal klar festhalten.

In der schriftlichen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage habe der Bundeskanzler unter Auslassung dieses Papiers darauf hingewiesen, er hätte den Grünen andere Papiere zu­gewiesen und übermittelt. Das sei Faktum. Diese Anfragebeantwortung werde bei anderer Gele­genheit im Nationalrat noch ein weiteres Mal mit dem Bundeskanzler besprochen werden, deshalb erspare er sich das jetzt.

Es sei auch nicht akzeptabel, dass auf präzis gestellte Fragen schlicht und einfach keine Ant­worten kämen. Eine der Fragen sei gewesen, in welcher Art und Weise der Bundeskanzler seinen inhaltlichen Vorstoß zur Einführung einer militärischen Beistandspflicht in der Europäi­schen Union in die Debatte der Gremien der EU einbringen werde. Diese Frage wurde nicht beantwortet, stattdessen kam nur der etwas seltsame Hinweis, dass damit der Doktrinendiskus­sion ein Anstoß gegeben werden sollte.

Als Mitglied des Doktrinenunterausschusses könne Abgeordneter Dr. Pilz darauf hinweisen, dass dieser Ausschuss seine Arbeit aufgenommen habe und der Anstöße des Bundeskanzlers nicht bedürfe. Der Anstoß sei ein von Experten vorgelegtes Analysepapier. Daran werde man arbeiten, man werde schauen, worauf es ankomme und worauf man sich einigen könne.

Weiters wiederholt Abgeordneter Dr. Pilz die nach wie vor unbeantwortete Frage, in welcher Art und Weise der Bundeskanzler seinen Vorschlag zur Einführung einer militärischen Beistands­pflicht in die Gremien der Europäischen Union einbringen werde. Nach wie vor gehe er davon aus, dass das nicht nur eine taktische Initiative war, sondern dass es zur Beistandspflicht auch anderer bedürfe. Werde das in Göteborg sein oder später erfolgen? Wo und wann werde dies stattfinden?

Eine weitere Frage sei, wie Österreich nach dem Fall Irland mit seiner Neutralität umgehe. Auch die Kollegen der SPÖ hätten zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zeit dränge. Es gehe nicht darum, durch eine Volksbefragung über Neutralität oder Beistandspflicht noch vor der Nizza-Ratifizierung irische Verhältnisse in Österreich zu schaffen, sondern es gelte zu verhindern, dass man durch einen schlampigen Umgang mit der Neutralität politisch in eine mit Irland ver­gleichbare Situation komme. Da gebe es Gefahren, über die man rechtzeitig reden müsse, da­mit man vorbeugen könne. Niemand hätte etwas davon, wenn durch Nachlässigkeiten dieser Art von österreichischer Seite früher oder später Schwierigkeiten beim europäischen Einigungs- und Erweiterungsprozess entstünden.

Was passiere, wenn es tatsächlich zu einer Protokollanmerkung oder einem ähnlichen Vorgang von Seiten der Republik Irland im Anhang zum Vertrag von Nizza komme? Diese Frage richte sich an die Außenministerin, die sicher über bessere Informationen verfüge. Wie gedenke man seitens der österreichischen Bundesregierung, damit umzugehen? Es sei nicht irrelevant, wenn es möglicherweise zu solchen Anmerkungen im Anhang zu Nizza käme, wonach ein neutraler Status anerkannt und festgehalten werde, dass die Europäische Union kein Bündnis sei, denn das ändere dann doch einiges.

Daraus ergebe sich die weitere Frage, in welcher Art und Weise man das im Zusammenhang mit dem Vertrag von Nizza auch für Österreich und den neutralen Status Österreichs kläre. Werde von Seiten der Bundesregierung darauf verzichtet, eine ähnliche Eintragung auch zur Klärung der Situation Österreichs vorzunehmen, oder sei dies eine Variante, die durchaus zur Überlegung stehe? Wenn ja, wann werde darüber befunden, wann werde das politisch geklärt? Wann erhielten die Mitglieder im Hauptausschuss die Möglichkeit, darüber auch einmal gut vor­bereitet zu diskutieren?

Der nächste Punkt sei die nur von Abgeordneten Einem ganz am Anfang angesprochene Frage des Konvents. Abgeordneter Pilz hätte sich neben einer ökologischen und einer vernünftigen sicherheitspolitischen Initiative auch eine demokratiepolitische Initiative der österreichischen Bundesregierung rund um Göteborg erwartet. Da gebe es den Vorschlag bezüglich des Kon­vents, da gebe es quer durch die Parteien und quer durch die Nationalstaaten immer mehr Stimmen, die die Idee eines Europäischen Konvents aufgegriffen und vorgeschlagen hätten, jetzt endlich ernsthaft einen verfassungsgebenden Prozess zu verfolgen und damit dem Post-Nizza-Prozess demokratiepolitisch einen Sinn zu geben.

Die offene Frage sei, welche Haltung die österreichische Bundesregierung, der Bundeskanzler und die Außenministerin zur Idee eines Konvents einnehmen, und zwar nicht des offenen Kon­vents, sondern eines Konvents, wie er vom Europäischen Parlament beschrieben worden sei. Seien die Vertreter der österreichischen Bundesregierung bereit, das auch zum Kern ihrer demokratiepolitischen Initiativen zu machen?

Das sei eine ganz wichtige Frage, weil irgendwann entschieden werden müsse, ob der euro­päische Einigungsweg weiterhin sehr stark über Regierungskonferenzen gegangen werde, mit all den nationalen Vorbehalten, die es dazu gibt, oder ob er durch ein von der Qualität her stärker europäisches Forum wie etwa den Europäischen Konvent ersetzt werde.

Daher nochmals die Frage: Unterstützt die österreichische Bundesregierung demokratiepoli­tische Initiativen rund um die Idee des Konvents und des verfassungsgebenden Prozesses, steht sie dem ablehnend oder skeptisch gegenüber, oder ist es ihr schlicht und einfach egal? Die Nichtantworten deuteten eher darauf hin, dass die Antwort in diesem dritten Bereich zu suchen sei.

Abschließend gibt Abgeordneter Dr. Pilz seiner Hoffnung Ausdruck, dass es in diesem Haupt­ausschuss reiche, Fragen gut verständlich zweimal zu stellen. Rein aus zeitlichen Gründen werde es ihm wahrscheinlich verwehrt bleiben, sie ein drittes Mal zu stellen.

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP) geht einleitend auf die Worte des Abgeordneten Dr. Pilz ein und meint, diesem bleibe es unbenommen, Pressekonferenzen abzuhalten, wann er wolle. Man dürfe aber erwarten, dass seine Aussagen sachlich blieben und er Aktionen wie die eben stattgefundene in Zukunft nach Tunlichkeit unterlässt. Sie seien wahrlich nicht hilfreich und dienten nicht der sachlichen Aufarbeitung dieses wichtigen Themas.

Der Bundeskanzler habe mehrmals davon gesprochen, dass es innerhalb der EU-15 sehr unter­schiedliche Auffassungen zu verschiedenen Fragen gebe. In der Diskussion mit Bürgern merke man, dass es allgemein sehr große Wissens- und Bewusstseinsdefizite gebe, deshalb bringe er folgenden Vorschlag ein: Wäre nicht daran zu denken, ein EU-weites Projekt zu starten, wo vor allem in den schulischen und berufsschulischen Ausbildungen mehr über Europapolitik und Europarecht mitgeteilt und auch gelehrt wird? Dies sei nach Ansicht des Abgeordneten Dona­bauer ganz wichtig für die Weiterentwicklung Europas überhaupt, aber gerade auch im Hinblick auf die Osterweiterung. Große Defizite gebe es da auch hinsichtlich der sprachlichen Aus- und Weiterbildung. Es müsse gerade für Österreich ein Anliegen sein, sich im Bereich des Erlernens slawischer Sprachen verstärkt zu engagieren.

Zweiter Punkt: Sehr viele kleine Staaten hätten Sorge und oft auch Angst, ihre Rechte im Kon­text der EU-15 nicht in jener Qualität „rüberzubringen“, wie sie es für wünschenswert halten. Das sei nicht nur die Meinung einiger politischer Verhandlungsträger, sondern auch vieler Bür­ger. Diese Frage müsse daher viel nachhaltiger diskutiert und transportiert werden.

Schließlich fragt Abgeordneter Donabauer den Bundeskanzler, wie er die Position der Europäi­schen Union im Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten sehe. Der Besuch von Präsident Bush und die mediale Vorausbotschaft lassen erkennen, dass Präsident Bush eine ganz neue Linie in der Kommunikation zwischen Europa und den USA andenke. Die Entwicklung dieser Beziehungen in der nächsten Zeit werde von ganz wesentlicher Bedeutung für den weiteren europäischen Prozess insgesamt sein.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche) möchte sich auf zwei Themen, nämlich auf das demokratische Verständnis in Europa und den Bereich Volksbefragung, Volksabstim­mung beschränken.

Beim Volksentscheid in Irland habe sich sehr deutlich der Unterschied zwischen den europäi­schen Regierungen und der jeweiligen Bevölkerung in puncto Einschätzung der europäischen Entwicklung für die Zukunft gezeigt. Es wäre völlig falsch, würden die Regierungen darauf so antworten, wie es seitens einer deutschen Kommissarin in einer Fernsehdiskussion angeklun­gen sei, nämlich dass man so weitermachen werde wie bisher und dass man sich von einem solchen demokratischen Votum nicht beirren lassen wolle. Das wäre ein völlig falsche Signal, vielmehr wäre es an der Zeit, auch direktdemokratische Instrumente einzusetzen.

Es sei erfreulich, dass man in Österreich rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergriffen habe, um die Bevölkerung wirklich umfassend zu informieren. Dazu diene auch die Österreich-Plattform, mittels der man in den Dialog mit der Bevölkerung eintreten könne.

Des Weiteren vertritt Abgeordneter Dr. Kurzmann die Ansicht, dass Österreich im Falle einer EU-Erweiterung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen sein werde, diese Erweiterung einer Volksabstimmung zu unterwerfen, denn durch die Erweiterung der Europäi­schen Union werde die europäische Verfassungswirklichkeit so stark verändert, dass das einer Gesamtveränderung der österreichischen Bundesverfassung entspreche, und eine solche Ände­rung der Bundesverfassung sei zwingend einer Volksabstimmung zu unterwerfen. Er könne sich nichts anderes vorstellen, als dass sich jede politische Partei in Österreich selbstver­ständlich an Verfassungsbedingungen hält.

Zwei Dinge haben Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) zu einer weiteren Wort­meldung bewogen. Zum Ersten habe er es verabsäumt, die Zustimmung Ungarns zu den Über­gangsfristen als großen Erfolg der österreichischen Außenpolitik anerkennend zu nennen. Dies hole er jetzt nach.

Zum Zweiten sei es – dies in Richtung des Abgeordneten Schieder – einfach notwendig, eine Diskussion über die Finanzierung zu führen, weil eine Ausweitung der bisherigen Agrarpolitik, der Strukturpolitik und der Dotierung der diversen Fonds nicht möglich sei, wenn nun durch die Bank Nettoempfänger beitreten. Deshalb sei die Frage zu stellen, wie Reformen aussehen müssen, damit mit den vorhandenen finanziellen Mitteln das Auslangen gefunden werden könne.

Komme man zur Ansicht, dass Reformen im nötigen Ausmaß nicht möglich seien, sondern zu­sätzliche Finanzierungsmaßnahmen notwendig seien, dann müsse man einmal deren Ausmaß feststellen. Es sei nicht anzunehmen – dafür gebe es genügend Studien –, dass mit 1,27 Pro­zent das Auslangen gefunden werden könne. Außerdem müsse man feststellen, wie die Belas­tung für Österreich aussehe.

Des Weiteren stelle sich auch die Frage, wie die Oppositionsparteien mit einer allfälligen zu­sätzlichen Belastung Österreichs umgehen. Deren Vorgangsweise bei der dringend notwendi­gen Finanzierung des Staatshaushaltes sei nicht seriös gewesen. Deshalb sei es wichtig, diese Diskussion, wie die SPÖ unter Umständen damit umgehe, dass aus einer Erweiterung eine zu­sätzliche finanzielle Belastung Österreichs resultiere, im Vorfeld zu führen. Die SPÖ sei ein­geladen, im Vorfeld eine Antwort zu geben, auf die man sie dann auch immer aufmerksam machen könne, wenn es so weit sei. Kollege Einem werde sich verschmitzt lächelnd der Ant­wort enthalten und sagen, das sei ein Problem der Regierung, aber so einfach gehe das nicht, denn man habe sich darauf geeinigt, das außer Streit zu stellen und sehr sachlich darüber zu diskutieren.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) hält als Verfassungsrechtler dem Abgeordneten Dr. Kurzmann entgegen, dass ihm die These, dass die Erweiterung der Europäischen Union um weitere Mitgliedsländer ein Strukturprinzip der österreichischen Verfassung berühre, nicht ge­läufig sei. Wenn man sich Materialien zum Artikel 44 der Bundesverfassung, aber auch die Materialien des Unterausschusses und Ausschusses, der den Beitritt Österreichs zur Europäi­schen Union 1994 vorbereitet hat, ansehe, werde man, wenn man das wolle, einen Konsens erreichen. Er schließe aber aus, dass dieser Artikel 44 durch den Beitritt zur Europäischen Union betroffen sei.

Abgeordneter Dr. Khol zeigt sich merkwürdig berührt durch die Aggressivität, mit der hier im Hauptausschuss von einer Seite, nämlich von Seiten des Abgeordneten Dr. Pilz, die Diskussion geführt werde.

Hier würden wissentlich Unwahrheiten gesagt, und Abgeordneter Dr. Khol ist froh darüber, dass die Öffentlichkeit der Diskussion folgen könne, denn dies diene dem Schutz vor Legendenbil­dung. Die Informationen seien vollinhaltlich und nach bestem Wissen und Gewissen verfas­sungskonform gegeben worden. Gestern habe man die letzte EU-Vorlage bekommen, und diese trage die Aktenziffer 33 500. Und das alles in dieser Gesetzgebungsperiode von 14, 15 Monaten!

Abgeordneter Dr. Khol teilt mit, dass er ein Benchmarking mit Kollegen aus anderen Parlamen­ten durchgeführt habe. Dieses habe ergeben, dass es kein anderes Parlament gebe, das solche Informationsrechte habe, und auch kein Parlament, in dem im Vorlauf zu großen euro­päischen Ereignissen der Regierungschef und die Außenministerin die Diskussion führten und wirklich rückhaltlos informierten.

Anerkennend sei festzuhalten, dass die Abgeordneten Dr. Einem und Schieder die Diskussion so führten, wie man sich das erwartet habe, als man diese Regel eingeführt habe. Bei Abgeord­netem Dr. Pilz habe man hingegen den Eindruck, dass Fragen für ihn so lange nicht ausrei­chend beantwortet seien, so lange die Gehirnwäsche nicht perfekt funktioniert habe und die Ge­genüberseite genau die Meinung des Abgeordneten Pilz vertrete. Es müsse aber schon noch die Möglichkeit geben, auf Fragen zu antworten und nicht die Meinung des Kollegen Pilz zu vertreten.

Wie ernsthaft die Diskussion hier geführt werde, zeige auch die Presseaussendung von 10.50 Uhr. Abgeordneter Pilz habe darin bereits die Ergebnisse der Diskussion – und zwar vor Beginn der Sitzung, denn er habe diesen Raum nicht verlassen – vorweggenommen. Inzwi­schen habe der Herr Bundeskanzler voll aufgeklärt, aber „die Kugel war aus dem Lauf“. Diese Vorgangsweise sei wirklich nicht fair und nicht anständig, aber Abgeordneter Pilz werde sich damit nicht profilieren können.

Abschließend meint Abgeordneter Dr. Khol, er sitze schon lange am Bach dieses Ausschusses und habe schon viele Bundeskanzler, viele Minister vorbeischwimmen gesehen, aber er habe noch keinen Bundeskanzler erlebt, der knapp vor einem Gipfel länger als eine Stunde in diesem Hauptausschuss gesessen wäre, anstatt sich durch einen Staatssekretär vertreten zu lassen und sich auf den Gipfel vorzubereiten. Das sollte auch einmal anerkennend gesagt werden.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) stellt fest, dass er den Abgeordneten Schweitzer ent­täuschen müsse in dessen Erwartung, dass er nur verschmitzt lächeln und sich der Aussage enthalten werde. Der eine Punkt sei, dass in der Frage der Kostenerweiterung überhaupt keine Differenz bestehe zu dem, was der Herr Bundeskanzler in seiner Antwort gesagt habe. Er habe die Lage wiedergegeben, wie sie ist, von der alle Kenntnis hätten, die gemeinsam zur Kenntnis genommen und sogar in diesem Haus beschlossen worden sei. Das sei die Haltung, die auch die Sozialdemokraten einnehmen, und zu dieser Haltung stünden sie auch.

Abgeordneter Dr. Einem verbindet damit aber die Frage an den Bundeskanzler, ob dieser aus­schließen könne, dass innerhalb der Regierung einzelne Mitglieder von dieser Haltung abwei­chen werden, wenn das Ganze zur Beschlussfassung komme, oder ob er davon ausgehe, dass die Regierung insgesamt diese Haltung auch so vertreten werde, wie sie soeben wiederge­geben wurde. Jede andere Linie wäre – zumindest politisch – überraschend, um dies vorsichtig auszudrücken.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel geht zunächst auf die Frage Irland ein und stellt dazu fest, dass zuerst die Iren von sich aus eine Analyse liefern müssten. Aufgefallen sei, dass Irland als einziges Land eine Ratifikation des Vertrages von Nizza von einer Volksabstimmung abhän­gig gemacht habe, wobei jedoch – und dies sei auch juristisch ein nicht unbedeutender Punkt – nicht über den Vertrag von Nizza abgestimmt worden sei – daher sei dieser auch nicht abge­lehnt worden –, sondern über ein Verfassungsgesetz, das es ermöglichen soll, den Vertrag zu ratifizieren. Dies könne gleichzeitig auch die Brücke für eine zukünftige Vorgangsweise sein.

Mit ausschlaggebend für den Ausgang des Referendums in Irland sei vielleicht auch die Tat­sache gewesen, dass die Kommission das kleine Irland im Februar, also nach Nizza, wegen seiner Wirtschaftspolitik heftig kritisiert habe, obwohl gerade Irland das Land sei, das als Musterbeispiel für einen Aufhol- und Überholprozess gelten könne. Makaber sei in diesem Zu­sammenhang, dass nun die OECD mit der Länderprüfung komme und in deren Bericht genau das Gegenteil dessen stünde, was einige Monate vorher an Kritik auf das kleine Irland heruntergeprasselt sei.

Da müsse man sich schon fragen, wie es mit der Sensibilität aussieht, wenn man im Wissen um diese auch für Europa wichtige irische Abstimmung unausgegorene Ideen über die Finalität Europas – europäischer Bundesstaat, die Europäische Kommission wird eine europäische Regierung, der Europäische Rat und die Räte werden rückgestuft zu einer Art zweiten Kammer des Europäischen Parlaments – publiziere. Man dürfe sich dann nämlich nicht wundern, dass viele einer solchen oft sehr theoretischen Diskussion mit Unverständnis gegenüberstünden. Ein bisschen mehr Behutsamkeit in solchen Fragen wäre jedenfalls kein Fehler.

Eine Protokollanmerkung hielte Bundeskanzler Dr. Schüssel jedoch nicht nur für völlig überflüs­sig, sondern auch nicht für die richtige Lösung, denn das, was Abgeordneter Schieder ange­deutet habe, stehe ja jetzt schon im Vertrag, und manchmal sei es gut, sich den Vertrag anzusehen. So enthalte dieser heute schon eine volle Solidaritäts- und damit eine implizite Beistandsver­pflichtung der 15 jetzigen und auch der kommenden EU-Mitgliedsländer, denn es heiße darin: „Die Mitgliedstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbe­haltlos im Geist der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität.“ – Das bedeute doch, dass man dann, wenn sich ein Mitgliedsland in einer kritischen Situation befinde, natürlich nicht neutral sein könne, sondern voll solidarisch sein müsse. Damit sei noch lange nichts Militä­risches gemeint, aber es sei zunächst einmal ein im Vertrag enthaltenes ganz klares, von allen mitbe­schlossenes Bekenntnis zur Solidarität.

Zweitens stehe im Artikel 17: „Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ – und das seien ja zugleich auch die Beistandsfragen et cetera – „umfasst sämtliche Fragen, welche die Sicher­heit der Union betreffen, wozu auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidi­gungspolitik gehört, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Euro­päische Rat dies beschließt.“ Und er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen sol­chen Beschluss gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen.

Dies sei eine sehr weitgehende Formulierung, weil damit verfassungsrechtlich auch schon die Übernahme einer Beistandsverpflichtung gemäß Artikel 5 angesprochen sei. Dies setze natür­lich einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates voraus, und ein solcher einstimmi­ger Beschluss des Europäischen Rates müsse jeweils gemäß den nationalen verfassungsmäßi­gen Besonderheiten erfolgen. Das sei völlig klar. Aber die Intention, sozusagen die Finalität, sei hier bereits hineingeschrieben. Dies sei daher ein Thema, das man in einer Diskussion über die Zukunft Europas zumindest ehrlich andiskutieren müsse.

Gleichzeitig sei im Vertrag auch festgeschrieben – deswegen müsse eine solche Anmerkung nicht notwendigerweise verankert werden –: „Die Politik der Union berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten.“

Das alles sei eigentlich jetzt schon Teil der Verträge. Nichts sei automatisch – dies müsse auch klar gesagt werden –, aber es sei intentional die Möglichkeit beschrieben, und daher müsse die Möglichkeit zumindest national andiskutiert werden können. Es sei keine Initiative von österrei­chischer Seite geplant, aber es sei ein Thema, das möglicherweise im Zusammenhang mit der Zukunft Europa thematisiert werden könne.

Zu der Frage der Kosten der Erweiterung gebe es ganz klaren Konsens darüber, dass die Erwei­terung innerhalb dieser 1,27 Prozent erfolgen solle. Dies sei der Plan der Kommission, die in Berlin nachgewiesen habe, dass in diesen 1,27 Prozent die gewaltige Summe von 1000 Milli­arden Schilling sowohl für Vorbeitrittshilfen als auch für die Beitrittshilfen selbst vorgesehen seien und dass sogar ein gewisser Spielraum vorhanden sei, weil man angenommen habe, dass ab dem Jahr 2002 die ersten Beitritte erfolgen könnten.

Nicht alle zwölf oder gar 13 Kandidaten würden auf einen Schlag beitreten, sondern es werde zu einem schrittweisen Beitritt kommen, daher sei anzunehmen, dass zumindest in der Anfangs­phase selbst bei skeptischer Betrachtung diese 1,27 Prozent unbestritten seien. Man wolle also das ge­samte Erweiterungsprojekt für zwölf Beitrittsländer – ohne die Türkei, denn die sei ein Sonder­fall – in diesen 1,27 Prozent unterbringen. Sollte das nicht möglich sein – man müsse auch auf die Skeptiker hören und deren Bedenken nicht einfach wegwischen –, dann müsse die Kommis­sion ihre Bewertung dazu abgeben und dann müsse man wahrscheinlich auch zur einer Reform der Ausgaben übergehen. Dies könne nach Ansicht des Bundeskanzlers eine gemeinsame Position von allen sein.

Übrigens sei davon auszugehen, dass einige der Kandidaten – zumindest Slowenien und mög­licherweise auch das eine oder andere baltische Land – auf Sicht gesehen Nettozahler sein werden.

Was die Beneš- und AVNOJ-Dekrete anbelangt, sieht Bundeskanzler Dr. Schüssel dies nicht nur als eine Regierungsaufgabe, sondern fühlt sich an eine mit überwältigender Mehrheit im Nationalrat beschlossene Entschließung gebunden, wonach in einem bilateralen Prozess sichergestellt werden solle, dass mit dem Beitritt der Tschechischen Republik oder Sloweniens zur Europäischen Union diese Unrechtsdekrete der Vergangenheit angehören. Er finde es sehr gut, dass die Frau Außenminister einen sehr intensiven Dialog mit Historikern und mit Völker­rechtlern begonnen hätte, um einen Weg zu finden, diese Entschließung des Nationalrates bilateral mit Leben zu erfüllen.

Der Bundeskanzler betont, dass er nicht bis zum Jahre 2004 oder 2005 warten wolle, sondern daran interessiert sei, diese Frage möglichst rasch in einer positiven Art und Weise zu lösen. Genauso wie die Verbrechen der nationalsozialistischen Ära sei die Vertreibung von Magyaren oder von deutsch sprechenden Minderheiten in diesen Ländern menschenrechtswidrig gewe­sen, und die meisten vernünftigen Leute in der Tschechischen Republik, in der Slowakei oder in Slowenien sähen das heute durchaus genauso. Die Frage sei, wie man das juristisch so formu­lieren könne, damit daraus nicht die Infragestellung einer Souveränitätsentscheidung oder einer konsekutiven Staatssouveränität entstehe. Dazu brauche man auch das Parlament, denn eine solche gemeinsame Erklärung solle letztlich auch auf der Ebene der Parlamente sichergestellt werden.

Die Frage Transitvertrag werde in Göteborg kein vorrangiges Thema sein. Man müsse zuerst einmal mit der Kommission ins Reine kommen und darauf dringen, dass diese einen Vorschlag unterbreite, wie das Problem der Verkehrsströme generell, aber vor allem für sensible Zonen, gelöst werden könne. Österreich brauche hier Bündnispartner, und es sei zu hoffen, dass es gelingt, mit den Italienern, den Deutschen und den Franzosen eine Achse der Alpenländer zu bilden, um von den anderen eine besondere Sensibilität mit einfordern zu können.

Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit für eine Volksabstimmung wegen Gesamtänderung sieht Bundeskanzler Dr. Schüssel nicht gegeben. Dies schon deswegen, weil alle verfassungs­rechtlichen Voraussetzungen heute schon in der Verfassung enthalten seien. Zudem müssten die Kandidaten mit dem Beitritt den Acquis communautaire, wie er bereits bestehe, überneh­men. Wenn es vom Hauptausschuss gewünscht werde, könne jedoch der Verfassungsdienst ersucht werden, dazu eine substantielle Stellungnahme ausarbeiten zu lassen.

Zuletzt spricht Bundeskanzler Dr. Schüssel noch einen Dank aus, und zwar nicht nur an die österreichischen Verhandler, sondern vor allem auch an die Ungarn. Das Verhalten der Ungarn zeige bereits, dass das österreichische Konzept der regionalen Partnerschaft in Mitteleuropa wirklich gut funktioniere.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) fragt, da der Bundeskanzler nun „Solidarität“ auf „Beistandspflicht“ eingeengt habe, zwecks Präzisierung noch einmal nach, ob er dagegen auftreten werde, dass die Iren möglicherweise eine Protokollerklärung zur Frage der Neutralität oder zu anderen Fragen, die im irischen Referendum aufgeworfen wurden, machen wollen. Dies sei für sie die zentrale und interessante Frage, und ihrer Meinung nach sei es wichtig, dass der Hauptausschuss das vorher erfahre.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel betont, dass er versucht habe, das zu beantworten. Er könne aber über eine Protokollanmerkung der Iren, die er nicht kenne, die noch nicht einmal angedacht worden sei, keine Antwort geben.

Auf einen Zwischenruf der Abgeordneten Dr. Lichtenberger eingehend, meint der Bundes­kanzler, dass die Ergänzung des ersten Satzes „while respecting the will of the Irish people“ laute, und wenn die Iren eine solche Protokollanmerkung in Göteborg haben wollten, werde er dem gerne zustimmen. Das sei kein Problem für ihn. Aber das, was von Abgeordneten Schieder völlig zu Recht gefragt worden sei, sei Teil des Vertrages, und das sei eigentlich vollkommen ausreichend.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner geht auf die Anregung des Abgeordneten Donabauer zur Europapolitik und zum Europarecht ein und meint, dass es zweckmäßig wäre, in Zukunft überhaupt das Fach Europarecht und Europapolitik ein­zuführen, weil es zu der für alle so wichtigen Bewusstseinsbildung beitragen könnte.

Was die Sprachen anlangt, so habe sie in ihrem eigenen Haus bereits eingeführt, das Kollegen, die bereit seien, Nachbarsprachen zu lernen, gefördert würden. Wünschenswert wäre eine gute Sprachenausbildung natürlich auch in den österreichischen Schulen.

Was die Beziehungen EU – USA anlangt, habe es anfangs tatsächlich Andeutungen gegeben, dass die neue Administration einen anderen Weg, einen eher isolationistischeren Weg gehen würde. Nach der Festigung der amerikanischen Administration könne man nun aber sehen, dass in konkreten Bereichen durchaus eine ähnliche Haltung eingenommen werde wie in den Jahren davor. Vor allem sehe man das im Nahen Osten und am Balkan. Zum Balkan habe Colin Powell selbst gemeint: „Together in, together out!“, und was den Nahost-Friedensprozess betrifft, seien nun zwei Sonderberater – ein CIA-Mann und Ambassador Burns – nominiert worden, und das zeige, dass die Amerikaner auch hier auf eine aktivere Politik einschwenkten.

Dies werde in erster Linie mit Präsident Bush besprochen werden, aber natürlich werde auch das Kyoto-Protokoll zur Sprache kommen. Dazu hätten die Amerikaner derzeit noch eine andere Position, aber vielleicht könne sich etwas bewegen, da sie diesbezüglich starker Kritik aller Europäer ausgesetzt wären.

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend schließt, da keine weitere Wortmeldung vorliegt, die De­batte und leitet über zur Abstimmung über den Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger und Dr. Caspar Einem betreffend Mittei­lung der Kommission „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“.

Der genannte Antrag auf Stellungnahme bleibt in der Minderheit und ist somit abgelehnt.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 geschlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4.)

Schluss der Beratungen zu Tagesordnungspunkt 1: 12.45 Uhr

 

 

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