IV-14 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 12. März 2002

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                  Dienstag, 12. März 2002

Tagesordnung

1. KOM SEK (02) 29 RAT 5654/02 ADD 1 REV 1 ECOFIN 36 SOC 35 AG 2 MI 9 IND 4 RECH 18 EDUC 14 ENER 19 ENV 37

Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zur Unterstützung des Berichts der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates in Barcelona

Die Lissabonner Strategie – den Wandel herbeiführen

(48668/EU XXI. GP)

RAT SN 4876/01 REV 2

Programm der spanischen EU-Präsidentschaft:

„More Europe

Programme of the Spanish Presidency of the EU

First Half of 2002“

(47863/EU XXI. GP)

2. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung über die erste Aktualisierung des Übungs- und Ausbildungsplanes für das Jahr 2002 auf Grund des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (153/HA)

3. Bericht des Bundesministers für Finanzen über das Ausmaß der auf Grund des Ausfuhrförde­rungsgesetzes 1981 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2001 (4. Quartal 2001) (154/HA)

4. Bericht der Bundesregierung gemäß § 11 des Bundesgesetzes über die Förderung politi­scher Bildungsarbeit und Publizistik 1984 im Finanzjahr 2001 (155/HA)

 

Beginn der Sitzung: 15.07 Uhr

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesen­den, insbesondere Bundeskanzler Dr. Schüssel und Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten Dr. Ferrero-Waldner.

Vor Eingang in die Beratungen wird auf Grund eines Verlangens der Grünen nach einer aktuel­len Aussprache – aus Anlass eines unter Verdacht einer strafbaren Handlung stehenden und aus dem Kosovo zurückgeholten österreichischen UN-Polizisten – eine Umstellung der Tages­ordnung vorgeschlagen und, da keine Einwendung dagegen erfolgt, durchgeführt. Diese Aus­sprache wird als neuer Punkt 2 in die Tagesordnung aufgenommen. Die bisherigen Tagesord­nungspunkte 2, 3 und 4 werden zu den neuen Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5.

Obmannstellvertreter Dr. Fasslabend verweist auf ein vorliegendes Schreiben des Bundes­minis­ters für Landesverteidigung betreffend einen in der letzten Hauptausschusssitzung ange­kündig­ten Bericht über die Ausbildung von ABC-Abwehrkräften in der Tschechischen Republik. Der Hauptausschuss sieht keine Dringlichkeit zur Behandlung dieses Themas, daher wird ein­ver­nehmlich keine Erweiterung der Tagesordnung um diesen Punkt vorgenommen.

1. Punkt

KOM SEK (02) 29 RAT 5654/02 ADD 1 REV 1 ECOFIN 36 SOC 35 AG 2 MI 9 IND 4 RECH 18 EDUC 14 ENER 19 ENV 37

Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zur Unterstützung des Berichts der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates in Barcelona

Die Lissabonner Strategie – den Wandel herbeiführen

(48668/EU XXI. GP)

RAT SN 4876/01 REV 2

Programm der spanischen EU-Präsidentschaft:

„More Europe

Programme of the Spanish Presidency of the EU

First Half of 2002“

(47863/EU XXI. GP)

Obmannstellvertreter Dr. Werner Fasslabend stellt fest, dass für die Beratung zum ersten Tagesordnungspunkt ein zeitlicher Rahmen von zwei „Wiener Stunden“ – abgesehen von der Redezeit für Stellungnahmen von Regierungsmitgliedern – vorgesehen ist.

Er erteilt Bundeskanzler Dr. Schüssel das Wort zu einer einleitenden Stellungnahme.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel berichtet, dass er von der spanischen Präsidentschaft telefonisch über den geplanten Verlauf des Europäischen Rates in Barcelona informiert worden ist.

Am Abend des 14. März werde eine Sitzung des ECOFIN stattfinden. Für den darauf folgenden Tag sei die erste Arbeitssitzung des Europäischen Rates zur Lissabonner Strategie vorgese­hen, dieses Thema – und nicht die Beitrittsstrategie – sei auch für die erste Aussprache mit den Ver­tretern der Beitrittskandidatenländer während des anschließenden Mittagessens geplant. Gleich­zeitig werde ein Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten mit ihren Amtskollegen aus den Kandidatenländern stattfinden, und die Finanzminister würden es ihnen gleichtun.

Die zweite Arbeitssitzung des Europäischen Rates zum Lissabon-Prozess sei für den Nach­mittag des 15. März vorgesehen. Am Abend werde während eines gemeinsamen Abendessens der Regierungschefs und der Außenminister vor allem über die Lage im Nahen Osten und den Solana-Bericht über die Ratsreform gesprochen werden. Für Samstag, den 16. März, seien wie üblich die Schlussfolgerungen geplant.

Im Mittelpunkt des Gipfeltreffens würden Wirtschafts- und Sozialthemen stehen, und zwar vor dem Hintergrund erster, noch vorsichtig positiver Signale hinsichtlich der Konjunkturentwick­lung, ausgehend insbesondere von den USA. An den Börsen sei nach den massiven Rück­schlägen im Gefolge der Ereignisse vom 11. September 2001 bereits eine beachtliche Erholung zu ver­zeichnen. Insgesamt zeichne sich für den Beginn des Jahres 2003 eine deutliche kon­junkturelle Erholung ab.

In Barcelona werde eine Review über die Lage der Europäischen Union insbesondere im Ver­gleich mit den konkurrierenden Wirtschaftsräumen darüber Aufschluss geben, wo Verbesserun­gen erforderlich seien. Entsprechende Vorschläge seien von den Regierungschefs bereits brief­lich dem Ratsvorsitzenden übermittelt worden. Bundeskanzler Dr. Schüssel nennt als seine ent­sprechenden Themenschwerpunkte die Wettbewerbspolitik und die Lage der Klein- und Mittel­betriebe, denen von den Basel-II-Vereinbarungen – betreffend den Entwurf des Baseler Aus­schusses für Bankenaufsicht zur Eigenkapitalausstattung von Banken und Wertpapierfirmen – eine massive Verschlechterung der Finanzierungs- und Refinanzierungsbedingungen drohe. Außerdem habe er sich in seinem Schreiben insbesondere den Themen eines europäischen Raumes für Verkehr und Kommunikation sowie der Forschungsstrategie – im Bereich Biotech­nologie sei es zuletzt gelungen, wichtige Investitionen gegen härtesten internationalen Wettbe­werb für Österreich zu gewinnen – gewidmet.

In der europäischen Beschäftigungsstrategie sei eine Modifizierung erforderlich, weil sich vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einem besonderen Themenschwerpunkt ent­wickle. Zum größten Teil würden Maßnahmen in diesem Bereich in nationaler Verantwortung bleiben – es solle hier keineswegs zu einer Veränderung der nationalen und europäischen Kom­petenzlage kommen –, und der Sinn einer solchen Aussprache bestehe darin, Vergleiche anzu­stellen, von den Besten zu lernen und eine gemeinsame europäische Strategie zu entwickeln.

Im beschäftigungspolitischen Bereich sei gemäß der Lissabonner Strategie eine Anhebung der Erwerbsquote auf 70 Prozent vorgesehen. Zu diesem Zweck müssten in ganz Europa ungefähr 20 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Österreich stehe in Bezug auf die Be­schäfti­gungs-Zwischenziele sehr gut da; es sei selbst in einer konjunkturell schwachen Zeit ge­lungen, im Jahresvergleich gute Werte zu erzielen. So sei es im Bereich der Frauenbeschäfti­gung vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 zu einem Zuwachs von 24 000 Arbeitsplätzen gekom­men. Im Jänner 2002 sei im Jahresvergleich eine Verbesserung um 13 000, im Feber 2002 eine Erhöhung um 15 000 Arbeitsplätze zu verzeichnen gewesen. Österreich habe insbesondere im Bereich der Frauenbeschäftigung deutlich aufholen können.

Im Zuge der letzten Konjunkturabschwächung habe sich Europa gegenüber der internationalen Entwicklung verletzlicher gezeigt, als dies zuvor die Optimisten in der Europäischen Kommis­sion, in der Europäischen Zentralbank, aber auch im Rat hinsichtlich der Stärke des Binnen­marktes und der erfolgreich etablierten Währungsunion erwartet hätten. Europa habe noch nicht jene Bedeutung gewonnen, die in Lissabon ins Auge gefasst worden sei, nämlich eine eigen­ständige Konjunkturlokomotive zu werden, die sogar in der Lage sein könnte, in einer wirtschaft­lich schwierigeren Zeit die US-amerikanische oder die japanische Wirtschaft mitzuziehen. Diese Erkenntnis werde in Barcelona ebenfalls anzusprechen sein.

Eindeutige Fortschritte gegenüber Lissabon seien in den Bereichen Telekommunikation, Euro­päische Aktiengesellschaft, „eEurope“, offene Koordinierung im Bildungswesen und Liberalisie­rung des Postwesens zu verzeichnen. Hingegen befänden sich andere wichtige Reformen nicht im Zeitplan, zum Beispiel ein einheitlicher Markt für Risikokapital, das Gemeinschaftspatent, ein neuer Rahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge und die völlige Liberalisierung der Elektrizi­täts- und Gasmärkte. Im letztgenannten Bereich sei Österreich dem Zeitplan der Europäischen Union voraus, da die volle Liberalisierung bereits mit dem Jahr 2002 erreicht werde.

Über die Entwicklung des Satelliten-Navigationssystems „Galileo“, das auch als inhaltliches Ge­gengewicht oder „Parallelgewicht“ zu den USA zu betrachten sei, sei noch kein Beschluss ge­fasst worden. Der einheitliche Markt für alle Finanzdienstleistungen sei nach wie vor ausständig.

Österreich werde sich in Barcelona dafür einsetzen, dass Beschlüsse über grundlegende wirt­schaftliche Reformen, die in Lissabon prinzipiell angesprochen worden waren, deren Umset­zung aber hinter dem Zeitplan zurückliege, noch im laufenden Jahr implementiert werden. Diese Ab­sicht bestehe auch seitens der spanischen Präsidentschaft, allerdings werde dies bei heiklen Themen wie dem Gemeinschaftspatent oder der Energiemarkt-Liberalisierung von wichtigen Mitgliedstaaten verzögert.

Trotz Konjunkturabschwächung sei zum ersten Mal eine sehr positive Darstellung der weiteren Verbesserung der Struktur der öffentlichen Haushalte zu verzeichnen. In Deutschland verlaufe die Entwicklung zwar deutlich in die Gegenrichtung, aber die meisten anderen Länder hätten die Ziele nicht nur eingehalten, sondern sich sogar verbessern können. Mittel- und längerfristig sei eine Senkung der Einnahmen- und Abgabenquote anzustreben, und dies werde nur unter Aus­schöpfung der Rationalisierungspotenziale in den öffentlichen Verwaltungen möglich sein.

Problematisch gestalte sich die demographische Entwicklung wegen der Bevölkerungsalterung und der längeren Lebenserwartung bei sinkenden Geburtenraten. Dies wirke sich sehr nachtei­lig auf die Finanzierbarkeit der Pensionssysteme aus. Von Seiten der Europäischen Kommis­sion werde daher Druck auf alle Mitgliedstaaten ausgeübt, sich dieses Themas anzunehmen, die Sozialsysteme schrittweise umzubauen und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Österreich habe diesbezüglich in den letzten beiden Jahren wichtige Schritte einge­leitet, dazu zähle auch die zuletzt in Angriff genommene Umwandlung der Abfertigung alter Form zu einer Mitarbeitervorsorge neuer Art bei voller Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer.

Im Herbst würden die Mitgliedstaaten Berichte über die Nachhaltigkeit der Pensionen vorlegen. Diese Aspekte würden auch bei den künftigen Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen zu be­rücksichtigen sein.

Als Zwischenziel auf dem Weg zu der angestrebten Beschäftigungsquote von 70 Prozent im Jahr 2010 seien 67 Prozent für das Jahr 2005 vorgesehen. Für die Frauenbeschäftigung lägen die Quoten bei 57 Prozent für 2005 und bei 60 Prozent für das Jahr 2010. Als durchschnittliche EU-Beschäftigungsquote für ältere Arbeitnehmer seien 50 Prozent im Jahr 2010 vorgesehen. Österreich habe bereits im Jahr 2001 mit 68,2 Prozent bei den Männern und 59,9 Prozent bei den Frauen die europäischen Zielvorgaben für 2010 so gut wie erreicht. Handlungsbedarf be­stehe hinsichtlich der älteren Arbeitnehmer, da liege Österreich mit einer Quote von 34 Prozent derzeit nur an 11. Stelle im EU-Raum.

In Bezug auf die anstehenden Wirtschaftsreformen werde es darum gehen, vor allem für die Be­reiche Marktmissbrauch, Finanzsicherheit, internationale Rechnungslegungsgrundsätze, Fi­nanz­konglomerate und Pensionsfonds noch in diesem Jahr eine Einigung zu erzielen. Öster­reich werde auch in diesem Zusammenhang das Thema Basel II ansprechen. Es dürfe nicht unter dem Druck der USA dazu kommen, dass Mittel- und Kleinbetrieben künftig von ihren Kreditge­bern schlechtere Darlehenskonditionen wegen höherer Anforderungen in Bezug auf Risikobe­wertung und Eigenmittelausstattung eingeräumt werden. Eine Anre­gung Österreichs an die Europäische Kommission werde darauf lauten, ein Grünbuch zu den Themen För­derung der Eigenkapitalbildung zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze und Förderung der Risiko­kapital­bil­dung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze herauszubringen.

Die rasche Vollendung des Energie-Binnenmarktes sei inzwischen zu einem Indikator für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union geworden. In Österreich stehe nach der Liberalisie­rung in der Elektrizitätswirtschaft per 1. Oktober 2001 bereits der 1. Oktober 2002 als Datum der vollständigen Liberalisierung der Gaswirtschaft fest. Somit werde in Österreich schon heuer die vollständige Öffnung des Energiemarktes – wie sie in der Europäischen Union für 2005 ange­strebt werde, worüber aber noch kein Konsens hergestellt worden sei – erreicht werden. Die Fortschritte in der EU-weiten Umsetzung dieser Richtlinien seien absolut unzureichend, sodass wegen des ungleichen Ausmaßes der Öffnung in den einzelnen Mitgliedstaaten derzeit für die Energieversorgungsunternehmen ungleiche Voraussetzungen bestünden, verbunden mit Vor­tei­len für die Unternehmen in den noch nicht liberalisierten Märkten. Österreich unterstütze den Zeitplan der Kommission für eine vollständige Öffnung der Strom- und Gasmärkte bis 2005, und zwar in der Abfolge, für Geschäftskunden die Elektrizitätsmärkte bis 2003 und die Gas­märkte bis 2004 zu liberalisieren sowie im Jahr 2005 beide Märkte auch für Privatkunden zu öffnen.

In Bezug auf den europäischen Raum für Verkehr und Kommunikation werde von der EU-Kom­mission bis zum Jahr 2010 eine Steigerung des Güterverkehrs der Gemeinschaft um 38 Pro­zent und des Personenverkehrs um 24 Prozent prognostiziert. Wenn keine Maßnahmen ergrif­fen werden, um eine ausgeglichenere Aufteilung auf Schiene und Straße zu erreichen, so werde der Schwerverkehr auf der Straße bis dahin um 50 Prozent zunehmen. Dabei sei zu beachten, dass der Verkehr die Hauptquelle der Emission von Treibhausgasen ist. Ohne umfassende euro­päische Maßnahmen werde das im Kyoto-Protokoll festgelegte Ziel einer Kohlendioxidreduktion nicht erreicht werden; vielmehr käme es bei einer unveränderten Weiter­entwicklung zu einer Zunahme der Emissionen um 25 Prozent bis 2010.

Vor diesem Hintergrund teile Österreich in vollem Umfang die Auffassung der spanischen Präsi­dentschaft, dass die Eisenbahn sowohl hinsichtlich des Ausbaus der Infrastruktur – Österreich habe die Investitionen in die Bahn bereits um 50 Prozent gesteigert – als auch hinsichtlich der Maßnahmen zur Öffnung und Liberalisierung des Personen- und Güterverkehrs immer stärkere Bedeutung gewinne. Allerdings stelle der Schienengüterverkehr noch immer eine der lang­samsten Transportmöglichkeiten dar. Auf der Bahn erfolge der Gütertransport im Durchschnitt mit 18 Stundenkilometern, im LKW auf der Autobahn mit 48 Stundenkilometern. Daher werde von zahlreichen Industrieunternehmen bereits die Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene zurück auf die Straße erwogen. Die niedrige Geschwindigkeit auf der Bahn sei vor allem auf lange Stand- und Verschiebezeiten sowie auf Mängel in der Kooperation zwischen den Eisenbahngesellschaften und in der Harmonisierung der Bahnsysteme zurückzuführen. In diesem Sinn sei das Eisenbahnpaket 2, gestützt auf das Weißbuch „Verkehr“ der EU-Kommis­sion, besonders vordringlich. Erforderlich seien auch weitere Impulse für transeuropäische Ver­kehrsnetze bis 2004, eine baldige Unterbreitung des Kommissionsvorschlags über die EU-Wegekostenrichtlinie und eine Verbesserung der bestehenden Transeuropäischen Netze.

Zur Stärkung der Wissensbasis in der Europäischen Union sei es notwendig, den Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität zügig umzusetzen. Kritisch habe sich die Europäische Kommis­sion über die zu geringen Forschungsaufwendungen der Unternehmen im EU-Bereich ge­äußert. Österreich habe ein wichtiges Ziel damit erreicht, dass nunmehr die Schulen und Hoch­schulen zu 100 Prozent mit Internet-Anschlüssen versehen seien. Mit den Möglichkeiten des e-Govern­ments sei Österreich in vielen Bereichen in die Spitzengruppe Europas vorgestoßen.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner macht ein­leitend auf die Unterscheidung eines internen und eines externen Aspekts im Themenbe­reich Umwelt und nachhaltige Entwicklung aufmerksam. Beim Europäischen Rat in Stockholm sei der Umweltaspekt der nachhaltigen Ent­wicklung zur Lissabonner Strategie hinzugefügt worden. Der Synthesebericht der Europäischen Kommission enthalte erstmals sieben umwelt­bezogene Indi­katoren zur nachhaltigen Entwick­lung. Österreich nehme bei dem Indikator „Anteil erneuerbarer Energie“ im Elektrizitätsbereich den ersten Rang ein und liege bei dem Indikator „Energie­intensität“ hinter Dänemark an zweiter Stelle.

Was den externen Aspekt der nachhaltigen Entwicklung betrifft, weist Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner darauf hin, dass die Erweiterung der internen Strategie durch eine externe Dimension auf dem Europäischen Rat in Göteborg beschlossen wurde. Die von der EU-Kom­mission vorgelegte Mitteilung „Auf dem Weg zu einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ werde in den kommenden Wochen intensiv diskutiert werden, und zwar im Hin­blick darauf, sie beim Europäischen Rat von Sevilla annehmen zu können.

Mit dem jetzt vorliegenden Papier werde von der Europäischen Union zum ersten Mal die Nach­haltigkeit als Konzept anerkannt, das auf Grund der globalen Bestandsaufnahme entwickelt worden sei. Beschrieben werde zum Beispiel das Anliegen der positiven Interdependenz zwi­schen Produktion und Konsum, zwischen Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch sowie zwi­schen den Lebenszielen und Lebensrealitäten des Menschen. Es sei klar, dass diese Katego­rien im heutigen globalen Zeitalter nicht vor den nationalen Grenzen Halt machen. Daher wür­den der Lebensstandard, die Wirtschaftskraft und die Umwelt nur dann die Chance einer nach­hal­tigen Entwicklung haben, wenn Österreichs nahe und ferne Nachbarn dasselbe Ziel anstreb­ten.

So wichtig es sei, globale Lösungen für diese Themen zu finden, so sehr müsse auch das ernsthafte Problem der Global Governance erkannt werden. Es stehe jedoch kein integriertes Instrumentarium zur Verfügung, um die nachhaltige Entwicklung wirksam voranzutreiben. Daher werde auf dem von den Vereinten Nationen einberufenen Weltgipfeltreffen über nachhaltige Ent­wicklung in Johannesburg – vom 26. August bis 4. September 2002 – versucht werden müssen, stärkere internationale Netzwerke und Partnerschaften zu schaffen.

Weltkonferenzen könnten dafür aber nicht das alleinige Mittel sein. Als wichtige Schritte auf diesem Weg seien auch die Vereinbarungen von Marrakesch zum Klimawandel, die voran­schreitende Ratifikation des Kyoto-Protokolls und die „Entwicklungsagenda von Doha“ zu werten. An diesem gemeinsamen Anliegen müssten sich die globalen Marktkräfte ebenso betei­ligen wie die Regierungen, die supranationalen Organisationen wie zum Beispiel die Euro­päische Union und die Bürger und Bürgerinnen schlechthin.

Die Europäische Kommission habe dazu bereits einige Schwerpunkte genannt. So solle etwa der Handel dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung untergeordnet werden. Armutsbe­kämpfung und Förderung der sozialen Entwicklung sollten vorangetrieben werden. Weiters werde es auf nachhaltiges Management natürlicher und ökologischer Ressourcen, bessere Governance auf allen Ebenen – international, national, regional und lokal – und die Sicherstel­lung der Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung ankommen.

Um das Engagement der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung verwirklichen zu können, bedürfe es einiger Aktionen wie etwa der Förderung eines nachhaltigen Produktions- und Konsumverhaltens dadurch, dass das Wirtschaftswachstum von der Umweltverschlechte­rung mittels Rahmenbedingungen entkoppelt werde, welche die Ökoeffizienz fördern und den Kapazitätenaufbau vorantreiben.

Weitere Maßnahmen seien die Integration der Entwicklungsländer in das Weltwirtschaftssystem durch die Umsetzung der „Entwicklungsagenda von Doha“, die Förderung von Partnerschaften mit internationalen Organisationen, Regierungen und der Zivilgesellschaft, bestimmte EU-Initia­tiven wie zum Beispiel Partnerschaften im Bereich von Trinkwasserversorgung, Abwasserbe­handlung und nachhaltigem Wasserressourcen-Management, außerdem Energie für Armutsbe­kämpfung und nachhaltige Entwicklung – insbesondere unter Berücksichtigung verbesserter Energiesuffizienz, sauberer Technologien und erneuerbarer Energien. Außergewöhnlich wichtig seien eine besondere Förderung Afrikas einschließlich der Unterstützung afrikanischer Initiati­ven und die Ratifikation von internationalen Übereinkommen in Bezug auf Klimafragen, Bio­safety und so weiter.

Ohne größere Kohärenz in den einzelnen Politikbereichen der Mitgliedstaaten und der Europäi­schen Union werde dieses sehr hoch gesteckte Ziel nicht erreicht werden können. Daher werde es auf die volle Einbindung der Umweltaspekte in den Lissabon-Prozess ankommen. Aus der Sicht der globalen Nachhaltigkeit werde insbesondere die Einbindung der gesamte Entwick­lungszusammenarbeit anzustreben sein.

Das wichtigste außenpolitische Thema auf der Tagesordnung des Europäischen Rates in Barce­lona werde die Lage im Nahen Osten sein, wobei eine Erklärung verabschiedet werden soll. Unter den politisch-diplomatisch neuen Elementen zur Lösung dieses Problems sei vor allem die vom saudi-arabischen Kronprinzen Abdullah ergriffene Initiative zu nennen, weil damit das hohe Prestige Saudi-Arabiens in der arabischen Welt besonders herausgestrichen werde. Es handle sich dabei auch um eine sehr wichtige Initiative im Vorfeld des Gipfeltreffens der Arabischen Liga in Beirut.

Zuletzt habe der israelische Regierungschef Sharon die Bereitschaft gezeigt, von der Bedin­gung einer siebentägigen Gewaltfreiheit vor dem Eintritt in Verhandlungen abzurücken. Außer­dem zeige sich an der bevorstehenden Vermittlungsreise des US-Sonderemissärs Zinni eine gewisse Kehrtwendung in der Politik der Vereinigten Staaten, die eine Annäherung an die Position der Europäischen Union bedeute. In der am Vortag abgehaltenen Diskussion im Rat Allgemeine Angelegenheiten seien sich alle Mitgliedstaaten in der Zustimmung zur EU-Strategie erstmals einig gewesen; bis dahin sei unter dem Einfluss einer von Israel und den USA vertre­tenen anderen Position bei manchen Mitgliedstaaten eine gewisse Distanz zur EU-Position erkennbar gewesen.

Die Realität im Nahen Osten sei derzeit angesichts der Tatsache, dass dort täglich so viele Tote wie nie zuvor zu beklagen sind, furchtbar. Es sei nicht sicher, ob es mit der jetzigen diploma­tisch-politischen Aktivität gelingen werde, die Gewalt einzudämmen.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) dankt den Regierungsmitgliedern für die ausführliche Berichterstattung und äußert sich zustimmend zu der Vorgangsweise der Bundesregierung, den europäischen Raum für Verkehr und Kommunikation in den Vordergrund ihrer Bemühungen zu stellen.

Er bittet Bundeskanzler Dr. Schüssel darum, darüber Auskunft geben, wann mit der – für Tirol besonders wichtigen – Wegekostenrichtlinie gerechnet werden könne und ob die diskutierte Verlängerung des Transitvertrags um drei Jahre bereits ausverhandelt worden sei.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) fragt, was sich EU-Bürgerinnen und -Bürger, wenn sie an dieser Besprechung im Hauptausschuss teilnähmen, wohl bei dem vorangegangenen Bericht der Regierungsmitglieder im Hinblick darauf gedacht hätten, worauf denn nun in Barce­lona tat­sächlich der Akzent gesetzt werden solle.

Die Lissabonner Strategie habe insofern einen Schritt vorwärts bedeutet, als ein Ziel definiert wurde, das in zehn Jahren zu erreichen wäre, wobei gleichzeitig Elemente aus dem Luxem­burg-Prozess einbezogen wurden, indem Beschäftigungsziele für die unterschiedlichen Grup­pen auf dem Arbeitsmarkt – Männer, Frauen, Ältere – erstmals klar verankert wurden und das Ziel einer Verbesserung der Qualität der Arbeit in Europa formuliert wurde. Auch im Zuge einer Evaluie­rung dieser Strategie in Barcelona werde es um ernsthafte Maßnahmen zur Verbesse­rung der Beschäftigung in Europa gehen. Die Koordinierung der verschiedenen Bereiche der Wirtschafts­politik werde im Zusammenhang mit der Sozialpolitik und der Beschäftigungspolitik diskutiert werden müssen, um einen Weg zu finden, dass die Wirtschaftspolitik im Rahmen der Europäi­schen Union – wie dies auch in den USA immer wieder der Fall sei – nicht nur auf die Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch auf das Ziel der Optimierung der Beschäf­tigung ausgerichtet werde. In Barcelona werde es auch wichtig sein, den sozialen Dialog zu intensivie­ren und die Sozialpartner stärker als bisher in diese Bestrebungen einzubeziehen.

Zwar habe der Prozess der offenen Koordinierung im Rahmen der Lissabonner Strategie den Vorteil ebendieser Offenheit, wodurch das System des Vergleichs mit anderen zur Methode ge­macht werde, allerdings bestehe Grund zur Sorge im Hinblick auf eine mangelnde Verbind­lichkeit dieses Prozesses. Es müsste auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger liegen, durch Maßnahmen, um eine höhere Beschäftigungsbeteiligung der unterschiedlichen Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen, ein Mindestmaß an Verbindlichkeit in diesen Prozess hinein­zubringen. Bundeskanzler Dr. Schüssel möge Auskunft darüber geben, ob er in dieser Hinsicht Vorschläge, Forderungen und Gespräche plane.

Es stelle sich auch die Frage, warum zwar von Bundeskanzler Dr. Schüssel, nicht aber von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner die Bereiche Forschung und Biotechnologie als für Österreich wichtige Akzente genannt wurden.

Überraschend an dem eingangs von der Regierungsseite mündlich erstatteten Bericht sei auch die Information über den Grad der Durchdringung der Schulen mit Internet-Anschlüssen gewe­sen. Die von Bundeskanzler Dr. Schüssel mitgeteilten 100 Prozent stünden im Gegensatz zu der Information in einer vorliegenden schriftlichen Zusammenfassung, in der von einem Aus­maß von erst 72 Prozent die Rede sei.

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche) hebt hervor, der Basel-II-Entwurf zur Sicherstellung der Chancengleichheit im Wettbewerb der Kreditinstitute dürfe zu keiner Benachteiligung der Klein- und Mittelbetriebe führen. Bundeskanzler Dr. Schüssel möge darüber Auskunft geben, wie er die Chancen dafür einschätze, im Basel-II-Ausschuss den österreichischen Wunsch durchzubringen, dass es bei Krediten an Unternehmungen und Private bis zu einer Höhe von 5 Millionen € zu keiner Zinsenerhöhung kommen darf.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) erneuert einleitend ihre schon in früheren Ausschusssitzungen ausgesprochene Bitte, die Bundesregierung möge die bei einem EU-Gipfeltreffen vertretenen österreichischen Positionen dem Hauptausschuss vorher schriftlich mitteilen. Sie weist auf eine ihr vorliegende Punktation betreffend die österreichischen Prioritä­ten für den Europäischen Rat in Barcelona hin, woraus sich einige Fragen an die Regierungs­mitglieder ergäben.

Wenn Österreich den Intentionen des Lissabon-Prozesses tatsächlich gerecht werden wolle, so habe es in erster Linie die Aufgabe zu erledigen, die Sozialpolitik hinreichend zu berücksichti­gen. Mit der Forderung, der Vorrang der Wirtschaftspolitik müsse erhalten bleiben und nicht das Ziel der sozialen Sicherheit in den Mittelpunkt gestellt werden, zeige Österreich keine Intention, in der Sozialpolitik zukunftsgerichtet und nachhaltig zu verfahren. Auf diese Weise könne keine Rede davon sein, das europäische Sozialmodell als europäische Positionierung konzentriert einbringen zu wollen.

Aus Sicht der Grünen müsse der soziale Zusammenhalt – dabei gehe es um die Festlegung von europäischen Mindeststandards – auch für Österreich Priorität haben. Es brauche nicht an das im Frächtergewerbe betriebene Sozialdumping oder die skandalösen Zustände bei der Donau­schifffahrt erinnert zu werden, um deutlich zu machen, dass mittlerweile in vielen Branchen ein Wettbewerb nach unten hin stattfinde. Daran dürfe sich Österreich nicht beteili­gen, sondern es müsse vielmehr darauf dringen, dass sich die Europäische Union als Sozial­union positioniert.

Was die Frage der Frauenbeschäftigung, der Frauenquote und der Notwendigkeit der Verein­barkeit von Beruf und Familie betrifft, erinnert Abgeordnete Dr. Lichtenberger an die Aufforde­rung der Europäische Kommission gegenüber Österreich anlässlich des Beschäftigungs­pakets 2001, auf allen Ebenen Maßnahmen zur Verminderung des geschlechtsspezifischen Beschäfti­gungsgefälles durch Vermehrung der Kinderbetreuungseinrichtungen und eine bessere Verein­barkeit von Arbeitsleben und Familienleben zu treffen. Daraus gehe hervor, dass die Kommis­sion einer ausschließlich auf das Kindergeld setzenden Vorgangsweise nicht zu­stimme, son­dern es für notwendig erachte, dass zur Sicherung der Frauenbeschäftigung – und zwar einer Sicherung, die auch Pensionsansprüche schafft – Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden.

Dies bedeute auch eine Absage an Beschäftigungsformen, die keine oder nicht hinreichende Pensionsansprüche bewirken. In diesem Zusammenhang müsse bedacht werden, dass der Zusammenhang zwischen Alter und Armut als eines der Menetekel über der europäischen Sozialpolitik stehe. Daher reiche eine Zunahme in der Frauenbeschäftigungsquote, die in erster Linie auf ungesicherte Beschäftigungsformen zurückzuführen sei, nicht aus. Es komme darauf an, dass Frauen nicht nur ein wenig hinzuverdienen, sondern auch eigenständig ihre Alters­sicherung mit erwerben können.

Vor diesem Hintergrund könne es nicht der Glaubwürdigkeit dienen, wenn sich Bundeskanzler Dr. Schüssel jubelnd über eine Erhöhung der Frauenbeschäftigung äußere, wenn man doch genau wisse, dass diese Frauenjobs in erster Linie Beschäftigungsverhältnisse darstellen, in denen keine entsprechenden Pensionsansprüche erworben werden könnten. Daher möge er Auskunft darüber geben, wie er sich in diesem Punkt die Positionierung Österreichs im Detail vorstelle.

Was die Verkehrspolitik angeht, sei es richtig, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und Domi­nanz der Straße in der Güterbeförderung zu beschäftigen. Die Lösungsansätze könnten aller­dings nicht nur darin bestehen, neue Verkehrsinfrastruktur zu errichten und den Eisenbahn­verkehr zu liberalisieren. Unter den Bedingungen der heutigen Marktwirtschaft werde dies nicht automatisch zur Verlagerung der Güter auf die Schiene führen, wenn die Preisfrage außer Acht gelassen werde. Dabei seien noch nicht die Frage des Transitvertrags und die Anforderung an die Wegekostenrichtlinie, eine entsprechende steuernde Wirkung zu entfalten, angesprochen worden. Der Preisnachteil für die Schiene in ganz Europa müsse endlich korrigiert werden, und dabei sei das Augenmerk auch darauf zu legen, dass der Straßenverkehr nach wie vor massiv subventioniert werde.

Die Bahn sei nicht nur aus logistischen Gründen benachteiligt, auch der Preisunterschied mache sehr viel aus. Die Schiene werde nicht nur aus Gründen der Langsamkeit und der Umständ­lichkeit gemieden; erforderlich seien nun eine klug gestaltete Wegekostenrichtlinie und die sofortige Einführung des Road-Pricing. Mit 22 Cent allein werde es nicht möglich sein, den bestehenden Preisunterschied auszugleichen.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fügt hinzu, vom Ausbaugrad her sei die Donaustrecke Wien – Bratislava für den Warenverkehr in Ordnung, eine Engstelle bestehe nur hinsichtlich der Logis­tik, weil zu wenige Verlagerungsmöglichkeiten vorhanden seien.

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ) weist darauf hin, dass sich die EU-Sozialminister nicht auf Vorschläge zum Thema Arbeitsmarkt einigen haben können, weil es offensichtlich um die Interpretation und Festlegung qualitativer Ziele gegangen sei. Gegen die Feststellung von Bundeskanzler Dr. Schüssel, dass die Ziele der Beschäftigungsstrategie in Österreich mit einer Beschäftigungsquote von 68,2 Prozent fast schon erreicht seien, müsse eingewendet werden, dass die bereinigte Beschäftigungsquote in Österreich tatsächlich 63,5 Prozent betrage, wenn Vollbeschäftigung als Vollzeitbeschäftigung aufgefasst werde. Daher sei die Frage zu stellen, ob Bundeskanzler Dr. Schüssel in Barcelona dafür eintreten werde, die Vollbeschäftigung auch als Vollzeitbeschäftigung zu definieren und sie nicht bloß anhand irgendwelcher Quoten zu messen, die bis hin zur Geringfügigkeit gehen könnten.

Eine Einladung der Sozialminister zum Wirtschaftsreformgipfel sei leider nicht zustande gekom­men. Es sei aber bei der jetzigen Dominanz der Wirtschafts- und Währungspolitik gegenüber den anderen Politikbereichen eine wesentliche Frage, unter welchen institutionellen Rahmenbe­dingungen Sozialpolitik innerhalb der Europäischen Union gemacht werden könne und ob sie weiterhin von der Wirtschaftspolitik unterjocht werde in dem Sinn, dass die Sozialpolitik einer überzogenen Interpretation der Bereiche Wirtschaft, Stabilität und Budget im ECOFIN unter­worfen sei.

Besonders in Zeiten einer schlechteren Konjunkturlage sei es wichtig, dass die nationalen Haushalte neuen Spielraum bekommen. In dieser Hinsicht stelle sich die Frage nach dem Stand­punkt der Bundesregierung in Bezug auf eine Re-Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Richtung einer Erweiterung des budgetären Handlungsspielraums der einzelnen Mitgliedstaa­ten. Dies sei auch eine wichtige Frage für die weitere Entwicklung der Sozial- und Beschäfti­gungs­politik, wie sich etwa in Österreich gezeigt habe, als trotz höherer Ar­beitslosenzahlen gegen­über dem Vorjahr die Rücklage der Arbeitsmarktreserve für Budget­zwecke herangezogen worden sei.

Zu fragen sei auch, welche Ziele im Bereich der Wirtschaftsförderungen verfolgt werden, näm­lich ob Ansatzpunkte für die bevorzugte Behandlung jener Unternehmen gegeben seien, die auch die Verfolgung sozialer Ziele nachweisen können, und wie es im Hinblick auf die Vergabe öffentlicher Aufträge an jene Unternehmen und Einrichtungen, die das Sozialmodell Europa bevorzugen, aussehe.

Ein Schwerpunkt sei die Armutsbekämpfung. Diese solle nicht nur darauf reduziert werden, dass bereits vorhandene Armut bekämpft wird, sondern es komme darauf an, Armut überhaupt zu vermeiden. Es bedürfe klarer, quantifizierter Vorgaben der Gemeinschaft für Armutsvermei­dung, und in diesem Zusammenhang sei die Etablierung von Mindeststandards hinsichtlich von Ein­kommen und Existenzsicherung erforderlich.

Es sei für Österreich und für ganz Europa unbestritten, dass das soziale Gefüge und das soziale Netz davon abhängen werden, inwieweit das Ziel der Vollbeschäftigung im Sinn der er­wähnten Vollzeitbeschäftigung erreicht werde und die sozialen Netze den EU-Vorgaben ent­sprechen könnten. Abgeordnete Silhavy fragt nach der entsprechenden österreichischen Posi­tion, auch in Verbindung mit dem Pensionsrecht. Die Maßnahmen in Österreich seien ja sehr unterschiedlich bewertet worden, vor allem im Hinblick auf Fragen des Vertrauensschutzes. Auch vor dem Hin­tergrund der Individualisierung der Lebensformen ergebe sich die Frage nach den Möglichkeiten einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen auf europäischer Ebene. (Obmann Dr. Fischer übernimmt um 16.01 Uhr den Vorsitz.)

Flexibilisierung und Mobilisierung der Arbeitsmärkte könnten nur unter der Voraussetzung einer gewissen Sicherheit für die Beschäftigten vor sich gehen. Abgeordnete Silhavy fragt, was auf europäischer Ebene an Anforderungen gegenüber der Wirtschaftsseite hinsichtlich erhöhter Flexibilität und Mobilität neuer Arbeitsformen diskutiert werde.

Ferner stelle sich die Frage, inwieweit in den Berechnungen über die Kosten der sozialen Sicherheit auch private Pensionen und Betriebspensionen einkalkuliert werden und ob es Über­legungen darüber gebe, welcher Anteil auf die private Vorsorge zu entfallen habe und wie viel für die solidarische Sozialversicherung aufzuwenden wäre.

Auch im Hinblick auf die Abfertigung-Neu in Österreich müsse beachtet werden, dass es im Zuge von Gleichbehandlung und Chancengleichheit nicht vertretbar wäre, wenn zum Beispiel zwar Zeiten des Wehrdienstes in die Abfertigungsberechnung einfließen, hingegen Karenz­zeiten aus Anlass der Mutterschaft keine Berücksichtigung finden sollten.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) stellt fest, dass manchen der vorangegan­genen Stellungnahmen zur europäischen Beschäftigungsstrategie in grundsätzlicher Hinsicht wider­sprochen werden müsse, weil einige Dinge falsch dargestellt worden seien. Zwar werde es dar­auf ankommen, bei den älteren Arbeitnehmern und bei den Frauen die Erwerbsquote zu er­höhen, dies müsse allerdings mit den richtigen Maßnahmen geschehen. Auch wenn es euro­päische Ziele gebe, müssten die Maßnahmen vor allem auf nationaler Ebene ergriffen werden.

Aus dieser Perspektive sei insbesondere das Kindergeld als eine Maßnahme zu erachten, die sich sehen lassen könne. Es treffe nicht zu, dass dadurch keine Pensionsansprüche entstehen würden. Vielmehr würden auf Grund des Kindergeldes 18 Monate an pensionsbegründenden Zeiten angerechnet werden. Zum Zweiten bestehe nunmehr eine Zuverdienstmöglichkeit, so­dass Frauen die Möglichkeit haben, beschäftigt zu bleiben und nicht ausschließlich in Karenz zu gehen. Dabei handle es sich wirklich um eine Maßnahme, die auf europäischer Ebene als Vor­bild betrachtet werden könne.

Abgeordneter Dr. Spindelegger fragt, welche nationalen Maßnahmen erforderlich wären, um die Frauenbeschäftigungsquote zu erhöhen, und ob es dabei nur um Kinderbetreuungseinrichtun­gen oder auch um die richtigen Familienleistungen gehe.

Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche) verweist auf Äußerungen von Seiten einer finni­schen Verkehrsdelegation, die vor kurzem zu Besuch im Parlament war, wonach die Bahn nicht wirtschaftlich geführt werden könne und die Straße der bevorzugte Verkehrsträger sei. Da in der Europäischen Union der Verkehr als Schlüsselfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg im Binnen­markt gelte und beide Verkehrssysteme, Straße und Bahn, nebeneinander erforderlich seien, stelle sich die Frage, ob Bundeskanzler Dr. Schüssel darauf dringen werde, dass das Bekennt­nis zur Bahn wirklich europaweit abgelegt und ein europäisches Regelwerk zur Vereinheitli­chung des Eisenbahnverkehrs erstellt wird.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) fragt unter Hinweis auf die bevorstehende Konfe­renz „Financing for Development“ in Monterrey, Mexiko, ob Österreich in Barcelona dafür eintre­ten werde, einen Zeitplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Zieles zu fixieren und, entsprechend einem Vorschlag von Kommissar Nielson, ein Maßnahmenpaket für die Mitgliedstaaten zur An­hebung des Entwicklungsbudgets bis zum Jahr 2006 auf einen Durchschnittswert von 0,33 Pro­zent vorzusehen.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) stellt fest, dass neben der besprochenen Erwerbstätigkeit auch die Arbeitslosigkeit ein ebenso wichtiger Indikator für die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist. Dieser zweite Indikator finde in den vorliegenden Dokumenten nicht jene Beachtung, wie dies für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen notwendig wäre.

Die Übertrittsquote in die Pension habe in Österreich auch bei den Frauen bereits ein Ausmaß von 85 Prozent erreicht; dieser Wert habe noch vor einigen Jahren auf 60 bis 65 Prozent ge­lautet. Durch die Maßnahmen im Zuge der Pensionsreformen 1997 und 2000 seien zusätzliche Möglichkeiten dafür geschaffen worden, dass Frauen echte Beitragszeiten für die Pensionsver­sicherung erwerben können, beispielsweise auch über die geringfügige Beschäftigung. Daraus ergebe sich nicht nur ein Problem, sondern auch eine große Chance.

Im Hinblick auf die Armut könne Österreich auf eine günstige Quote verweisen. Hierzulande seien es 3,8 Prozent der Bevölkerung, die in Armut leben, und dies sei der niedrigste Wert unter allen 15 Mitgliedstaaten.

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ) fragt, wie die Europäische Union das Problem der zu niedrigen Frauenerwerbsquote zu lösen beabsichtige. Dieses Problem existiere auch in Österreich. Es gehe dabei nicht allein um Quoten, sondern auch um Beschäftigungsmöglichkei­ten, die zu einem entsprechenden Einkommen führen. Nur so werde es möglich sein, Frauen kontinuierlich am Erwerbsprozess teilhaben zu lassen.

Zwar hätten auf Grund der sozialen Maßnahmen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren – zum Beispiel hinsichtlich der Kinderbetreuungszeiten und der geringfügigen Beschäftigung – jetzt wesentlich mehr Frauen als früher die Möglichkeit auf eine eigene Alterspension, aber es handle sich dabei häufig um extrem niedrige Pensionen. De facto sei mit der steigenden Anzahl von Frauen mit eigener Alterspension der Durchschnittswert dieser Alterspensionen enorm gesun­ken.

Die Gegenstrategie könne nur darin bestehen, einen weitgehend durchgängigen Erwerbsverlauf mit bestmöglichen Zeiten und bestmöglichem Einkommen sicherzustellen. Abgeordnete Mag. Prammer erachtet es für zunehmend einfallslos, dass die Antwort auf diese Probleme immer nur darin bestehe, auf das Kindergeld hinzuweisen. Das Kindergeld werde mit Sicherheit nicht alle Probleme lösen, dessen tatsächliche Auswirkungen würden sich in wenigen Jahren zeigen. Es bedürfe darüber hinaus eines ganzen Bündels an weiteren nationalen Maßnahmen. Bundeskanzler Dr. Schüssel möge Auskunft darüber geben, was die Bundesregierung in dieser Hinsicht plane.

In Frage stehe auch die Position der Bundesregierung zum Thema Biotechnologie.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) merkt an, das Thema Erweiterung der Euro­päi­schen Union sei in den Ausführungen von Bundeskanzler Dr. Schüssel und Bundesminis­terin Dr. Ferrero-Waldner nicht vorgekommen, obwohl die Erweiterung ausdrücklich mit der in den vorliegenden Dokumenten belegten Absicht der spanischen Präsidentschaft, alle noch offenen Kapitel zu schließen, angesprochen sei. Es stelle sich die Frage, ob damit auch jene Kapitel ge­meint seien, die Abgeordneter Dr. Khol für „zur Seite gelegt“ erachtet habe, und ob dieses Vor­haben eine hundertprozentige Unterstützung seitens der österreichischen Bundesre­gierung finde.

Obwohl im Bildungskapitel die Bedeutung des lebenslangen Lernens stark betont werde, sei die Quote der Beteiligung an Maßnahmen des lebenslangen Lernens seit dem Europäischen Rat in Lissabon gleich geblieben. Abgeordneter DDr. Niederwieser fragt, welche Initiativen zur Verbes­serung in diesem Bereich geplant seien.

Hinsichtlich der Verkehrspolitik könne einigen Vorrednern zugestimmt werden, insbesondere in Bezug auf die Verlängerung des Transitvertrags einschließlich der 108-Prozent-Klausel. Die Auf­listung der Maßnahmen auf Seite 29 des Dokuments 48668/EU XXI. GP lasse den Aspekt der Kostenwahrheit vermissen, offenbar sei in dieser Hinsicht seit der letzten Ratstagung nichts geschehen.

Unter Hinweis auf die Absicht der spanischen Präsidentschaft, der Terrorismusbekämpfung be­sonderes Augenmerk zu widmen, erinnert Abgeordneter DDr. Niederwieser an Berichte aus den letzten Tagen über angebliche Pläne der Vereinigten Staaten von Amerika, kleinere Atombom­ben in der Terrorismusbekämpfung zum Einsatz zu bringen. Bundeskanzler Dr. Schüssel möge seinen Standpunkt zu diesem Thema darlegen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel antwortet auf die zuletzt gestellte Frage, dass in Barcelona zwar das Wirtschafts- und Sozialmodell Europas zur Diskussion stehen werde, wenn aber am Rande auch der transatlantische Dialog zur Sprache kommen sollte, so werde Öster­reich für weitere nukleare Abrüstung eintreten.

Die terroristische Bedrohung werde deshalb aber nicht gering geachtet. Nach dem 11. Septem­ber 2001 habe sich gezeigt, dass auch in Europa beachtliche Sicherheitsrisiken bestanden hätten. Im EU-Raum seien seither einige hundert Verdächtige verhaftet worden, auch sei es zu einer zum Teil massiven Austrocknung von Finanznetzen gekommen. Daran zeige sich die Not­wendigkeit weiterer nachhaltiger gemeinsamer Anstrengungen in dieser Hinsicht. Nicht Atom­waffen würden dabei hilfreich sein, sondern vielmehr eine exzellente Zusammenarbeit von Poli­zei und Justizbehörden, auch der Austausch von Geheimdienstinformationen und entspre­chende politische Kooperationen.

Sehr wichtig werde es sein, zum Problem Naher Osten in Barcelona eine klare Aussage zu treffen. Es dürfe der jetzigen Gewaltspirale mit der wachsenden Zahl von Toten nicht weiter zugesehen werden. Auf diese Themen der Außenpolitik müsse der Schwerpunkt gelegt werden, nicht jedoch auf irgendwelche kleinkarierten innenpolitischen Querelen. Es komme darauf an, klarzustellen, was für die Sicherheit im innerstaatlichen, aber auch im regionalen und globalen Rahmen getan werde, und entsprechend werde auch in Barcelona vorzugehen sein. In dieser Hinsicht sei dieser Tage auch der Besuch des iranischen Präsidenten Khatami als eines Spit­zenrepräsentanten einer Nation, mit der Österreich seit Jahrhunderten sehr gute Beziehungen unterhalten habe, von großer Bedeutung gewesen. Bundeskanzler Dr. Schüssel spricht sich in diesem Zusammenhang für eine „differenzierte Auffassung dessen, wer in der Welt was will“, aus.

Über Verkehrsfragen werde in Barcelona nur insofern beraten werden, als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Verkehrs angesprochen werden. Was den Transitvertrag betrifft, habe Österreich in Laeken auf Ebene des Europäischen Rates die Verlängerung der Öko­punkte-Regelung zugestanden bekommen. Als Nächstes müsse die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Verlängerung um drei Jahre vorlegen, danach werde der Rat zuzustim­men haben. Von Seiten Österreichs, insbesondere des Verkehrs- und Infrastrukturministers, werde dafür sehr viel an Lobbying-Arbeit zu leisten sein, um die Verlängerung zeitgerecht nach Auslaufen des Transitvertrags sicherzustellen. Auch auf der Ebene des Europäischen Parla­ments seien noch einige Stolpersteine zu erwarten.

Österreich unterstütze die EU-Kommission vollinhaltlich in ihren Bestrebungen, ihren Entwurf für die Wegekostenrichtlinie vorzulegen. Bundeskanzler Dr. Schüssel weist darauf hin, dass er in dem bereits erwähnten Brief an den Ratsvorsitzenden Aznar in diesem Sinn Folgendes ge­schrieben hat: Österreich erwartet daher, dass die Kommission, wie im Weißbuch angekündigt, ohne weitere Verzögerung eine Rahmenrichtlinie vorschlägt, mit der für alle Verkehrsträger die Grundsätze der Tarifierung der Infrastrukturnutzung sowie die Gebührenstruktur festgelegt werden. Die Erträge müssen unter anderem zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, die zur Verringerung oder zum Ausgleich der externen Kosten dienen. – Zitatende.

Im letzteren Punkt gehe es um die zuvor angesprochene, offensichtlich von allen Fraktionen er­wünschte Querfinanzierung. Da bestehe kein Konflikt zwischen Bundesregierung und Opposi­tion, auch die Europäische Kommission sei in dem Fall als Partner Österreichs zu betrachten. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, die Kommission bei solchen Themen zu unter­stützen, in denen sie Hilfe benötigt. Aus solchen grundsätzlichen Erwägungen heraus habe Österreich zum Beispiel in der Frage des Satelliten-Navigationssystems „Galileo“ mitgezogen.

Österreich habe in den Initiativen zur Vorbereitung des Europäischen Rates in Barcelona als einziger Mitgliedstaat den Bereich Infrastruktur und verkehrspolitische Fragen angesprochen. Bundeskanzler Dr. Schüssel äußert sich zuversichtlich darüber, nach dieser Sitzung des Haupt­ausschusses seine Position in diesem Punkt gestärkt in Barcelona vertreten zu können.

Die Einhebung eines Zuschlags von 22 Cent sei gut begründet, und dabei handle es sich um einen durchschnittlichen Wert, wobei für schwere LKW eine stärkere Erhöhung vorgesehen sei. Bei der Festlegung dieses Betrags müsse auch auf die Aspekte Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze geachtet werden. In dieser Branche hätten bereits sehr kleine Kostenveränderun­gen massive Auswirkungen zur Folge. Daher sei dieser auf 22 Cent lautende Vorschlag, der von der Wirtschaftsseite als deutlich überhöht angesehen werde, als ein guter Kompromiss zu betrachten. Es müsse nun so rasch wie möglich ein Beschluss darüber gefasst werden.

Bundeskanzler Dr. Schüssel äußert sich zustimmend zu den Ausführungen des Abgeordneten DDr. Niederwieser betreffend lebenslanges Lernen. Die Bundesregierung habe auch im Kon­junkturpaket einen entsprechenden Schwerpunkt für Weiterbildung, Höherqualifizierung und lebenslanges Lernen gesetzt. Vorgesehene Maßnahmen, über die in diesen Stunden auch der Wirtschaftsausschuss berate, seien ein zusätzlicher Forschungsfreibetrag von 10 Prozent und eine Forschungsprämie von 3 Prozent, eine Anhebung des Bildungsfreibetrags von 9 auf 20 Prozent oder alternativ eine Bildungsprämie von 6 Prozent sowie eine Verdreifachung der AfA im Bausektor. Dabei handle es sich nicht um befristete Maßnahmen.

In der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei es notwendig, von der ideologischen Festlegung wegzukommen, wonach auf der einen Seite ausschließlich auf Kinderbetreuungs­einrichtungen gesetzt werde und auf der anderen Seite der Bundesregierung unterstellt werde, ihr gehe es nur um Kindergeld und Familienförderung. Letzteres sei nicht wahr. Gebraucht werde in Wirklichkeit beides, und in Österreich sei auch beides vorhanden, wobei die Kinder­betreuungseinrichtungen primär in den Aufgabenbereich der Länder und Gemeinden fallen. Das Kinderbetreuungsgeld mit der in Europa einzigartigen Wahlmöglichkeit für beide Elternteile, sich drei Jahre lang vom Beruf freistellen zu lassen und materiell abgesichert den Arbeitsplatz zu behalten, sowie einer pensionsbegründenden Wirkung im Ausmaß von 18 Monaten sei als Element einer vernünftig ausgestalteten Familienförderung zu betrachten. Zwar stelle das Kin­dergeld nicht die Antwort auf all diese Fragen dar, aber es eröffne mit der wesentlich erleich­terten Zuerwerbsmöglichkeit eine exzellente Chance für den betreuenden Elternteil, den Beruf mit den Betreuungspflichten zu verknüpfen.

Die zwischen Sozialpartnern und politischen Parteien weitgehend außer Streit gestellte Frage der Familienhospizkarenz stelle einen in Europa einzigartigen Ansatz dar, sozialpolitisches Neu­land zu betreten. Auch darauf, dass ein Ziel, das sich die Europäische Union für das Jahr 2010 gesetzt hat, in Österreich bereits im Jahr 2002 erreicht werde, könne Österreich stolz sein; dar­auf werde auch in Barcelona hingewiesen werden können.

Bundeskanzler Dr. Schüssel spricht sich strikt dagegen aus, den Stabilitätspakt abzuändern. Daran hätten nur solche Mitgliedstaaten Interesse, die in letzter Zeit die vereinbarten Stabilitäts­ziele nicht eingehalten haben. Man solle, anstatt unter Berufung auf soziale Ziele eine Aufwei­chung des Stabilitätspaktes anzustreben, weiterhin die Stabilitätsziele voll einhalten. Schon heute seien in allen europäischen Strategien genügend Hinweise darauf enthalten, dass die soziale Sicherheit und das europäische Sozialmodell ernst genommen werden, ja dass dieses Modell zu einem globalen Exportartikel wird.

Unter den Bedingungen der in Österreich bestehenden sozialen Marktwirtschaft müsse sich jedes Unternehmen, das sich in Österreich ansiedelt, an die hier geltenden sozialen und wirt­schaftlichen Spielregeln halten.

Im internationalen Vergleich zeige sich die günstige Lage Österreichs zum Beispiel auch an der Entwicklung der Arbeitslosenquote. 1996 betrug diese insgesamt 4,3 Prozent, 1997 4,4, 1998 4,5, 1999 4, 2000 3,7 und 2001 3,8 Prozent. Die Frauenarbeitslosigkeit lag im gleichen Zeitraum bei 5,2, 5,4, 5,4, 4,7, 4,4 und 4,4 Prozent, jene von Jugendlichen zeige zwischen 1996 und dem Jahr 2000 eine Entwicklungsreihe von 6,2, 6,7, 6,4, 5,3 und 5,2 Prozent. Auch für Langzeit­arbeitslose sei diese rückläufige Tendenz festzustellen.

Beim Armutsindikator „Anteil der von Armut bedrohten Personen nach den Sozialtransfers“ liege Österreich unter allen EU-Mitgliedstaaten auf dem drittbesten Platz. Den gleichen Rang nehme Österreich in Bezug auf die Zahl der von dauerhafter Armut bedrohten Personen ein. Somit könne Österreich sowohl in der Armutsbekämpfung als auch hinsichtlich des Beschäftigungs­grades auf gute Leistungen verweisen.

Im Punkt Abfertigung beziehungsweise Mitarbeitervorsorge könne Österreich auf eine interes­sante Innovation verweisen. Zum ersten Mal sei hier ein kapitalgedecktes zweites Standbein für Arbeitnehmer vorhanden, das ihnen auch volle Wahlmöglichkeit erlaube. Hingegen liege Öster­reich in Bezug auf die privat finanzierte Vorsorge sehr weit hinten, weil mit entsprechenden Maß­nahmen viel früher hätte begonnen werden müssen. Der europäische Trend verlaufe in Rich­tung der Anhebung des Frühpensionsalters. Kürzlich habe etwa Premierminister Blair in Groß­britannien 70 Jahre als Antrittsalter für die Pension vorgeschlagen. In Deutschland vertrete die rot-grüne Koalition ein Antrittsalter von 67 Jahren, in anderen Ländern sei eine Erhöhung auf 68 Jahre vorgenommen worden. In Österreich habe die Bundesregierung zuletzt sehr vor­sich­tige und sozial verantwortliche Maßnahmen ergriffen, weil sie den angesprochenen Ver­trauens­schutz einhalten wolle.

Was die Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt betrifft, gehe der Trend innerhalb der Europäi­schen Union genau in jene Richtung, in die auch Bundesminister Dr. Bartenstein bereits Akzente gesetzt habe. Gemeinsam mit den Sozialpartnern müssten flexiblere Arbeitszeitformen sowie modernere und leichter handhabbare Rahmenmodelle gefunden werden, um die öster­reichi­schen Standortvorteile bewahren zu können.

Einen Hinweis des Abgeordneten Dr. Einem aufgreifend, stellt Bundeskanzler Dr. Schüssel fest, nicht nur der Bericht der Regierungsmitglieder klinge in einer solchen Beratung spröd, sondern dies gelte auch für die anderen Stellungnahmen. Die zitierten „einfachen Bürger“ würden mit all den Bezeichnungen wie „Lissabon“ oder „Barcelona“ wenig anfangen können. Vielmehr gehe es um die dahinter stehende Substanz, und in dieser Hinsicht bestehe die Absicht, die Verein­barungen von Lissabon in Form von Zwischenschritten mit Leben zu erfüllen. Es müsse jedes Jahr kontrolliert werden, ob der Zeitplan und die Ziele eingehalten werden.

In diesem Zusammenhang werde auch ein Impuls für die Klein- und Mittelbetriebe besonders bedeutsam sein. Würden diese Unternehmen tatsächlich generell auf eine höhere Risikostufe gestellt werden und würde infolgedessen der Eigenkapitalbedarf steigen, so würden die Kredite für diesen Wirtschaftsbereich wesentlich teurer werden; dies hätte einen massiven Wettbe­werbsnachteil für den Mittelstand zur Folge. Zwar werde über diese Fragen primär nicht auf EU-Ebene, sondern auf der Ebene der Weltfinanzinstitutionen verhandelt, aber trotzdem wolle Österreich genauso wie etwa Deutschland oder die skandinavischen Mitgliedstaaten die Euro­päische Kommission nachdrücklich dazu ermuntern, gegen jeden Wettbewerbsnachteil für die kleinen und mittleren Unternehmen aufzutreten.

Was die Methode der offenen Koordinierung betrifft, sei es zwar zu begrüßen, wenn man von­einander lerne und so den eigenen Standpunkt abgleiche, es sei aber sehr gefährlich, wenn stets sofort die Frage nach der Verbindlichkeit aufgeworfen werde. Auf diese Weise käme es zu einer schleichenden Erodierung jeglicher nationalen Souveränität. Die offene Koordinierung solle daher unter der Voraussetzung Anwendung finden, dass dadurch die Kompetenzlage nicht verändert wird.

Bundeskanzler Dr. Schüssel erteilt Diskussionen etwa über Bildungsfragen, über die Beschäfti­gungspolitik oder über Sozialstandards für den Fall eine Absage, dass die Folge solcher Maß­nahmen die Entwicklung europäischer Standards wäre, die den Fortbestand nationaler Beson­derheiten ausschließen würde. In vielen Bereichen würde Österreich dann zurückfallen, und dies gelte es zu vermeiden. Er spricht sich gegen eine schleichende Zurückdrängung des National­staates und gegen eine Verbindlichkeit, die zu solchen Konsequenzen führen würde, aus. Anzu­streben wäre die Möglichkeit einer optimalen Koordination unter Wahrung der Souveränität.

Gegen die Interpretation, die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten habe im Rat All­gemeine Angelegenheiten den Bereich Forschung nicht hinreichend angesprochen, wendet Bundeskanzler Dr. Schüssel ein, dass dieser Rat in wesentlich kleinerem Rahmen als der Euro­päische Rat selbst berate, und in diesem Rahmen habe sie die Stärkung der Wissensbasis und nicht explizit die Biotechnologie angesprochen. Letztere sei in dem erwähnten Brief an Rats­präsident Aznar als Schwerpunkt ausführlich dargestellt worden. In diesem Punkt könne Öster­reich mittlerweile auf einen interessanten Cluster verweisen; so schaffe zum Beispiel Baxter nun rund um die Donau-Universität 300 neue Arbeitsplätze, und im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien entstehe ein Center of Excellence für Biotechnologie, das mit Hunderten Millionen Schilling gefördert werde.

Überdies sei eine Bioethik-Kommission als Expertenrunde eingesetzt worden, die sowohl das Parlament als auch die Bundesregierung professionell berate. Die Rahmenbedingungen würden so gestaltet werden, dass jene Dinge, die vernünftigerweise und moralisch-ethisch ver­antwort­bar seien, in Österreich tatsächlich zulässig sind.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner beantwortet die Frage nach der Entwicklungs­hilfe damit, dass eine Einigung im Rat Allgemeine Angelegen­heiten am Vortag trotz einer zwei­stündigen, sehr schwierigen Diskussion nicht erreichbar ge­wesen sei. Die Präsidentschaft habe einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der bis 2006 eine Anhebung auf 0,39 Prozent als Durchschnittswert für die Europäische Union vorsehe. Angesichts eines deutschen Prüfvorbe­haltes hätten die Außenminister die Absicht geäußert, auf Basis dieses Vorschlags noch vor dem Treffen in Barcelona eine Einigung zu erzielen. Bun­desministerin Dr. Ferrero-Waldner äußert sich zuversichtlich, einen Konsens über diesen Vorschlag zu erreichen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ergänzt seine Ausführungen um den Hinweis, dass die Erweiterung der EU nicht als Thema für Barcelona vorgesehen sei. Es würden dort jedoch die Erweiterungskandidaten im Rahmen der Aussprache zur Lissabonner Strategie gehört werden.

Dem spanischen Zeitplan entsprechend seien drei Kapitel offen. Von der Europäischen Kom­mission werde erwartet, dass sie bis Ende März ihre Vorschläge für Draft Common Positions vorlege. Spanien wolle bis zum Ende seines Vorsitzes einen gemeinsamen Standpunkt aller 15 Mitgliedstaaten zustande bringen. Auf dieser Grundlage könnten dann die Verhandlungen mit den zehn Kandidaten vielleicht noch unter spanischem Vorsitz oder dann im Herbst beginnen. Damit könnte der Zeitplan einigermaßen eingehalten werden. Diese Strategie sei in der Bundes­regierung vollkommen unbestritten.

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP) führt aus, dass jene Schwellenländer wie etwa Südkorea, in denen Bildung groß geschrieben wurde, eine deutlich bessere Entwicklung genom­men haben als zum Beispiel zentralafrikanische Länder, die in den fünfziger Jahren noch ein gleich hohes Sozialprodukt pro Kopf zu verzeichnen hatten, der Bildung jedoch keinen vergleich­baren Stellenwert eingeräumt haben. Der Bildung komme auch zentrale Bedeutung bezüglich der mittelfristigen Zukunft Europas im Vergleich zu den USA und Japan, aber auch China zu. Auf diesen Aspekt möge von Regierungsseite noch genauer eingegangen werden.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel äußert sich zustimmend im Hinblick darauf, dass Bildung den entscheidenden Standortvorteil für Europa bedeutet. In Österreich seien bereits jetzt alle Bundesschulen zu 100 Prozent an das Internet angeschlossen; in den Volksschulen seien die Anschlüsse in einer Mehrheit der Bundesländer bereits vollständig vorhanden. Auch infolge der PISA-Studie – dabei habe Österreich sehr gut abgeschnitten – werde Bildungs­themen ein höherer Stellenwert einzuräumen sein, um im Standortwettkampf mit den Besten mithalten zu können. Einen Schritt auf diesem Weg stelle auch die Universitätsreform dar. Zum Zweck optimaler Informationen werde auf europäischer Ebene versucht werden, Bildungspara­meter miteinander zu vergleichen.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) weist auf die aus den USA kommende Debatte über die Working Poor hin und hebt hervor, dass Armut auch in der Pension verhindert werden müsse, da sonst keine Lebensqualität vorhanden sei. Auch in diesem Sinn sei es falsch, das Ausmaß der Frauenbeschäftigung schönzureden, indem auf einen Anstieg verwie­sen werde, obwohl es sich nur um Minimal-Beschäftigungsverhältnisse mit entsprechend un­günsti­gen Folgen für die Pension handle. Es müsse dabei beachtet werden, dass in der Lissabonner Strategie auch viel über die Qualität der Arbeit ausgesagt werde.

Im Zusammenhang mit der Verkehrspolitik werde auch wieder die Frage nach dem „Single European Sky“ angesprochen werden, daher möge Bundeskanzler Dr. Schüssel darlegen, welche Position er in Bezug auf die Einführung einer EUROCONTROL als Ersatz für die Austro Control konkret vertrete.

Darüber hinaus möge er die Frage beantworten, welche Chancen er sehe, Bündnispartner für eine Veränderung der Basel-II-Vereinbarung zu finden, um Nachteile für die Klein- und Mittel­betriebe abzuwehren.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel antwortet mit der Gegenfrage, ob nicht die so ge­nannten Working Poor in Österreich wesentlich besser gestellt seien als in den meisten anderen europäischen Ländern. Außerdem treffe es nicht zu, den Zuwachs in der Frauenbeschäftigung nur auf Mindest- oder Teilzeitbeschäftigte zurückzuführen. Zwar hätten Frauen oft wegen unterbrochener Karriereverläufe geringere Pensionsansprüche, aber bei jeder Änderung stelle sich die Frage, wer für die Finanzierung aufzukommen hätte. Diese Frage stelle sich insbe­sondere vor dem Hintergrund eines steigenden Bundeszuschusses zu den Pensionen und einer sinkenden Geburtenrate.

In der Frage Basel II finde Österreich breite Unterstützung, auch von Seiten der Europäischen Union, vor.

Österreich unterstütze die „Single European Sky“-Bemühungen. Das Problem in diesem Zu­sammenhang bestehe nicht bezüglich der Austro Control, sondern in dem Streit zwischen Spanien und Großbritannien betreffend Gibraltar. Sobald eine Einigung in diesem Punkt erzielt werde, könne grünes Licht gegeben werden.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass keine weitere Wortmeldung sowie keine Anträge auf Stellungnahme vorliegen, und schließt die Debatte zum Tagesordnungspunkt 1.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 5.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 16.55 Uhr

 

 

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