IV-15 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Mittwoch, 19. Juni 2002

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode                   Mittwoch, 19. Juni 2002

Ergänzte Tagesordnung

1. Reassümierung des Beschlusses des Hauptausschusses vom 23. Mai 2002 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 98 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema: „Die Zukunft des österreichischen Films im europäischen Kontext – mögliche Maßnah­men zur Verbesserung der Chancen des Filmstandorts Österreich“

2. Europäischer Rat Sevilla

RAT 9821/02 JAI 130 MIGR 53

Fortschritte bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung

(57526/EU XXI. GP)

und

RAT 8879/02 REV 2 CIVCOM 34 PESC 175 RELEX 80 JAI 87 PROCIV 17

EU-Programm zur Verhütung von gewalttätigen Konflikten

(57527/EU XXI. GP)

3. Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses gemäß § 34 Abs. 5 GOG (Erörterung von aktuellen Fragen im Zusammenhang mit dem EU-Konvent)

4. Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Ge­schäftsordnung des Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik erlas­sen wird (162/HA)

5. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Be­schluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von österreichischen Experten im Rahmen der OSZE-Mission im Kosovo (OSCE MIK) (168/HA)

6. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fortsetzung der Entsendung von österreichischen Justizwachebeamten/innen im Rahmen der United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) (166/HA)

7. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Be­schluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von österreichischen Exekutiv­beamten/innen (Polizei und Gendarmerie) sowie Angehörigen des Bundesheeres im Rahmen der United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) (165/HA)

8. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Be­schluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung des österreichischen Kon­tingents zur Internationalen Polizeieinsatztruppe (IPTF) in Bosnien und Herzegowina (167/HA)

Beginn der Sitzung: 14.34 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung und teilt mit, dass vorgeschlagen wurde, eine Ergänzung der Tagesordnung um einen weiteren Punkt, nämlich einen akkordierten gesamt­ändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Ing. Gerhard Fallent, Dr. Gott­fried Feurstein, Dr. Evelin Lichtenberger zum Antrag 161/HA betreffend die parlamentarische Film-Enquete, vorzunehmen.

Für den Fall, dass darüber eine längere Debatte geplant wäre, könnte dieser Punkt als Letzter auf die Tagesordnung gesetzt werden. Im Fall einer raschen Erledigung wäre es möglich, ihn als neuen 1. Punkt der Tagesordnung aufzunehmen.

Obmann Dr. Fischer fragt, ob die Mitglieder des Hauptausschusses der Ergänzung der Tages­ordnung in diesem Sinn zustimmen. – Dagegen wird kein Einwand erhoben.

Obmann Dr. Fischer nimmt die Ergänzung der Tagesordnung um diesen neuen 1. Punkt vor.

(Es folgen – von 14.35 bis 14.37 Uhr – die Beratungen zum neuen Tagesordnungspunkt 1.)

2. Punkt

Europäischer Rat Sevilla

RAT 9821/02 JAI 130 MIGR 53

Fortschritte bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung

(57526/EU XXI. GP)

und

RAT 8879/02 REV 2 CIVCOM 34 PESC 175 RELEX 80 JAI 87 PROCIV 17

EU-Programm zur Verhütung von gewalttätigen Konflikten

(57527/EU XXI. GP)

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel berichtet, welche Themen laut dem unmittelbar zuvor eingetroffenen so genannten „Hirtenbrief“ für den Europäischen Rat in Sevilla am 21. und 22. Juni 2002 geplant sind. Nachdem am Abend des 20. Juni die einzelnen Fraktionen des Europäischen Parlaments getagt haben werden, werde am Vormittag des 21. Juni der traditio­nelle Gedankenaustausch mit dem EU-Parlamentspräsidenten erfolgen. Präsident Pat Cox habe schon beim letzten Mal gezeigt, dass er einen anderen, viel offeneren und substanziel­leren Ansatz bevorzuge, welcher weniger durch formelle Berichte als durch ein dialogisches Aufeinander-Zugehen geprägt sei.

Am 21. Juni um 12 Uhr werde die erste Arbeitssitzung stattfinden, die insbesondere dem Thema Einwanderung und Asyl in der Europäischen Union gewidmet sein werde. Beim Mittagessen werde auf Ebene der Staats- und Regierungschefs über die Ratsreform, die Verhandlungen mit der Türkei und den für Herbst geplanten zweiten Versuch der Ratifikation des Vertrages von Nizza in Irland gesprochen werden. Parallel dazu werde in einer Tagung der Außenminister vor allem die Lage im Nahen Osten – deren dramatische Zuspitzung durch die jüngsten Selbstmordanschläge – erörtert werden, und es würden auch die Beziehungen der Europäischen Union zu Indien und Pakistan zur Sprache kommen.

Am späteren Nachmittag dieses Tages, etwa um 17 Uhr, werde im Plenum, also auch unter Be­teiligung der Finanzminister, über Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik zu beraten sein, vor allem über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Der Planung zufolge solle dort der bereits bekannt gewordene Vorschlag der Europäischen Kommission zur EU-Erweite­rung angenommen und die gemeinsame EU-Position für den „World Summit on Sustainable Development“ in Johannesburg bekräftigt werden. Im Anschluss daran werde eine kurze Dis­kussion über den Stand der Beitrittsverhandlungen abgehalten werden, und zwar auch unter Bezugnahme auf einen Sachstandsbericht, der von der Präsidentschaft dem Rat Allgemeine Angelegenheiten am 17. Juni vorgelegt wurde. Dabei würden auch das „Follow-up“ der Bezie­hungen mit Rumänien und Bulgarien sowie der Stand der Verhandlungen mit der Türkei zu evaluieren sein.

Für den Vormittag des 22. Juni 2002 seien die üblichen Konklusionen vorgesehen, danach werde der Rat mit einem Mittagessen unter Teilnahme der Staats- und Regierungschefs der Beitrittskandidatenländer zu Ende gehen. Überschattet sei dieses Programm für Sevilla von einem angekündigten Generalstreik und anderen Begleiterscheinungen, die den Ratsteilneh­mern wieder das Gefühl, sich in einer Festung zu befinden, vermitteln würden. Dadurch werde den Bürgern in Europa ein unangenehmer Eindruck vermittelt, für den allerdings zuallerletzt der Europäische Rat etwas könne.

Als eigentlich wichtiges Thema dieses Rates seien Asyl-, Migrations- und Flüchtlingspolitik zu bezeichnen. Österreich habe dieses Thema auch schon in früheren Regierungsperioden immer wieder angesprochen, habe sich damals allerdings in einer Außenseiterposition befun­den und sich mit der Kritik konfrontiert gesehen, nicht dem europäischen „Mainstream“ zu ent­sprechen, ja sogar „fremdenfeindlich“ zu agieren. Mittlerweile aber seien alle anderen Mitglied­staaten ebenfalls auf die österreichische Linie eingeschwenkt, auch jene mit sozialdemokra­tischen Regierungen, da es sich dabei um ein Thema handle, an dem die Bürger besonderes Interesse hätten. Es sei bemerkenswert, dass dieses Thema jetzt das Hauptthema von Sevilla sein wird, obwohl es anfangs gar nicht auf der Liste der besonders prioritären Themen für die spanische Präsidentschaft stand.

Auslöser für diese Entwicklung seien einige Initiativen des britischen Premierministers Blair – und zwar infolge seiner Erkenntnis, dass dieses Thema auch in Großbritannien immer drängen­der werde – sowie verschiedene dramatische Vorkommnisse gewesen, die eine entsprechende Änderung bewirkt hätten. Der Bundeskanzler verweist auf frühere, mittlerweile behobene Pro­bleme in Sarajevo, dort habe infolge lascher Kontrollen auf dem Flughafen und ähnlicher Unzu­länglichkeiten ein „Einfallsloch“ bestanden. Weiters seien zu Beginn dieses Jahres bei einigen schwerwiegenden Vorfällen auch Menschenleben zu beklagen gewesen, etwa bei dem vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit abgelaufenen Versuch von über tausend Flüchtlingen, auf unzureichend ausgerüsteten Booten die Südküste Italiens zu erreichen. Immer stärker seien zuletzt auch die Vorfälle im Kanaltunnel zwischen Frankreich und Großbritannien thematisiert worden, welche durch die nicht gerade sinnvolle Anlegung eines Flüchtlingslagers in unmittel­barer Nähe des französischen Tunneleingangs begünstigt worden seien. Bei ihren Versuchen, durch den Tunnel britisches Gebiet zu erreichen, seien seit der Eröffnung des Tunnels bereits 400 Menschen getötet worden.

Für Österreich sei die Behandlung dieses Themas deshalb besonders wichtig, weil in diesem Zusammenhang ein florierender Zweig des organisierten Verbrechertums entstanden sei, dessen Umsatz sich bereits auf schätzungsweise 5 Milliarden € belaufe – somit mehr, als mit dem gesamten europäischen Drogenhandel verdient werde. In einer im „Spiegel“ kürzlich publi­zierten Graphik seien folgende Haupteinfallsschleusen in die Europäische Union für Schlepper und illegal eingeschleuste Migranten angeführt worden: die Mittelmeerküsten Italiens und Griechenlands mit jährlich ungefähr 250 000 aufgegriffenen illegalen Einwanderern, Spanien mit fast 100 000 und danach bereits Österreich mit beinahe 50 000 Personen, die im Jahre 2001 aufgegriffen wurden, als sie illegal einwandern wollten. Hingegen seien es an der gesamten deutschen Ostgrenze nicht einmal 20 000 Personen gewesen.

In einem Vergleich dieser Anzahl von Migranten, die im Zuge der Grenzüberwachung aufgegrif­fen wurden, mit der Anzahl von Asylanträgen – diese müssen nicht persönlich an der Grenze gestellt werden, sondern können bereits im Herkunftsland eingereicht werden – zeige sich im Unterschied dazu, dass Österreich mit 30 000 Anträgen an fünfter Stelle hinter Deutschland mit fast 90 000 Anträgen, Frankreich, Großbritannien und Spanien liegt. Auf die Bevölkerungszahl pro Kopf bezogen, liege Österreich in dieser Statistik sehr weit vorn, woran sich eben auch zeige, dass dieses Thema hierzulande große Bedeutung hat.

Der Kampf gegen die organisierte Schlepperkriminalität müsse sehr ernst genommen werden. Es bedürfe dazu der vollen Koordination innerhalb der Europäischen Union, gemeinsamer Ver­fahrensstandards für Asylbewerbungen und einer präzisen Regelung darüber, dass Annahme oder Ablehnung eines Asylantrags in einem EU-Mitgliedstaat auch für die gesamte Europäische Union gilt, um die häufige Praxis von aufeinander folgenden „Kaskaden“-Anträgen in verschie­denen Mitgliedstaaten abzustellen, welche sich oft jahrelang hingezogen und letztlich in der Illegalität geendet hätten.

Unbedingt erforderlich sei eine intensive Zusammenarbeit der verschiedenen Grenzpolizeiein­heiten. Die Grenzpolizei solle zwar weiterhin in nationaler Zuständigkeit bleiben, aber eine ge­meinsame Ausbildung und gemeinsames Training nach gemeinsamen Standards bekommen. Insbesondere gemeinsame Koordination und Kooperation seien absolut wichtig, und zu diesem Zweck solle auch ein eigenes Forum für regelmäßige Zusammenkünfte der Verantwortlichen für den Grenzschutz geschaffen werden, damit dort strategische Aktionspläne beschlossen werden könnten. Anzustreben seien auch eine Vernetzung mit der Außenpolitik und Hilfsangebote in den Regionen. Zusätzlich werde in internationalen Drittstaatenverträgen etwa auf die Rücküber­nahme von Flüchtlingen und auf die Kooperation im Kampf gegen diese internationalen Verbre­cherbanden Bezug zu nehmen sein.

Völlig unzutreffend seien Gerüchte, wonach die Europäische Union die Hilfsleistungen zu kür­zen beabsichtige. – Vielmehr werde von der EU die Hilfe vor Ort sehr präzis mit den interna­tionalen Verträgen vernetzt. Im Zusammenhang mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge habe sich im Jahre 2001 – aus Afghanistan seien damals die meisten, nämlich fast 8 000 Flüchtlinge gekommen, aus Rumänien 7 000, aus der Ukraine 5 000, aus Serbien 3 500 und aus dem Irak 2 500 Flüchtlinge – deutlich gezeigt, dass gerade die Europäische Union versuche – Bundes­ministerin Dr. Ferrero-Waldner habe in ihren Bemühungen massiv in diese Richtung gedrängt –, konkrete Hilfe anzubieten. Allerdings fordere die EU aber auch von den betroffenen Ländern, dass diese ihren Beitrag leisten. Die Europäische Union habe beispielsweise bereits Beträge in Höhe von Hunderten Millionen Euro in der Geberkonferenz für die Hilfe in Afghanistan einge­bracht und biete auch Hilfe für Alternativen zum Opium-Anbau an, damit die Bauern dort nicht zu einem Anbau gezwungen seien, dessen Produkte letztlich in Schulen und Diskotheken in Europa abgesetzt werden.

Daran zeige sich sehr deutlich, so der Bundeskanzler, dass die konkrete wirtschaftliche Hilfe vor Ort mit präzisen und nachvollziehbaren Regelungen in den internationalen Verträgen beant­wortet werden müsse. Was für Afghanistan gelte, zeige sich auch in Bezug auf Rumänien. Österreich befinde sich unter den größten Investoren in diesem Staat und leiste auch Hilfe durch die Vorbeitrittsperspektive, damit es dort zu einer Stabilisierung komme. Dies werde von der rumänischen Regierung ausdrücklich bestätigt, wie sich kürzlich beim Staatsbesuch von Ministerpräsident Nastase in Österreich gezeigt habe. Gleiches gelte auch für den Stabilitäts­pakt und die außenpolitischen Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, die humanitäre Situation im Irak zu verbessern.

Das zweite wichtige Thema für den Rat in Sevilla werde die Erweiterung der Europäischen Union sein, doch werde, wie Ratspräsident Aznar mitgeteilt habe, darüber keine besonders aus­gedehnte Diskussion stattfinden. Von den Außenministern sei zuletzt das Agrarkapitel als Ver­handlungsposition beschlossen worden. Was die wichtige Frage der Direktzahlungen betrifft, sei einerseits geklärt worden, dass es sich dabei bereits jetzt um einen Teil des Acquis, also um Rechtsbestand der Europäischen Union handelt, andererseits sei aber die Frage der Modula­tion, also die Art und Weise der Einführung und der Zeitplan, offen geblieben. Darüber solle eine Klärung – offensichtlich erst nach den deutschen Wahlen – im Rahmen des nächsten Gipfeltreffens in Brüssel herbeigeführt werden.

Als drittes Thema werde die Frage der inneren Reformen der Europäischen Union zu behan­deln sein. Dazu habe der Hohe Repräsentant für die EU-Außenpolitik Solana den Außen­ministern bei deren jüngstem Treffen bereits Vorschläge unterbreitet. Den Außenministern werde in Hinkunft die Aufgabe zukommen, den Europäischen Rat sehr präzis vorzubereiten und im Rat Allgemeine Angelegenheiten unmittelbar am Tag davor die Funktion eines zentral koordinierenden Gremiums wahrzunehmen. Bundeskanzler Dr. Schüssel fügt hinzu, dass man den Rat Allgemeine Angelegenheiten, wenn es ihn nicht schon gäbe, unbedingt erfinden müsste, da die horizontale Koordination heute wichtiger denn je sei. Es sei künftig vorgesehen, in diesem Rat alle Themen, alle Tagesordnungen und alle Dossiers vorzuberaten, damit der Europäische Rat von einer Unzahl von Berichten entlastet werde und sich darauf konzentrieren könne, innerhalb eines Tages die notwendigen strategischen Entscheidungen zu treffen.

Diese Weichenstellungen gelte es innerhalb der bestehenden Verträge vorzunehmen, da es falsch wäre, neue Vertragsänderungen zu einem Zeitpunkt in Diskussion zu bringen, zu dem noch nicht einmal der Vertrag von Nizza ratifiziert ist und der Europäische Konvent sich mitten in seiner Arbeit befindet. Es seien aber auch unterhalb der Ebene von Vertragsänderungen viele Schritte möglich, zum Beispiel die Straffung von Tagesordnungen, ein klarer akzentuiertes Themenmanagement oder die Entwicklung strategischer Programme. Es wäre auch nichts da­gegen einzuwenden, würde die Europäische Kommission in sich eine modernere Ablauforgani­sation oder Kompetenzordnung einführen, da es auch dazu keiner Vertragsänderung bedürfe.

Massiv abzulehnen wären Veränderungen in den Verträgen, welche die herausragende Rolle des Rates Allgemeine Angelegenheiten reduzieren oder gar die innenpolitische Kompetenzlage verändern würden. Dazu bestehe überhaupt kein Anlass. Abzulehnen seien auch Ideen – diese seien zuletzt allerdings bereits wieder zurückgezogen worden –, wonach ein europäischer Rats­präsident auf fünf Jahre zu wählen wäre; wahrscheinlich würde es sich dabei dann um einen Vertreter eines großen Mitgliedstaates handeln. Bundeskanzler Dr. Schüssel spricht sich dage­gen auch mit der Begründung aus, dass dies dem Grundprinzip der Gleichheit aller Mitglied­staaten und der Gleichwertigkeit der Präsidentschaft widersprechen sowie vor allem die Euro­päische Kommission schwächen würde. Es wäre ein schwerer Fehler, würde der Eindruck entstehen, dass die Kommission in irgendeiner Weise geschwächt werden sollte.

Bundeskanzler Dr. Schüssel kündigt an, in nächster Zeit Kontakt mit dem irischen Ministerpräsi­denten Ahern aufzunehmen. Irland habe nämlich die Absicht, in Sevilla eine eigene Erklärung vorzulegen und für seine Interpretation des Vertrags von Nizza zu werben, dass dieser nicht automatisch eine militärische Verpflichtung enthalte, was auf eine Wiederholung oder Bekräfti­gung hinauslaufe, dass der sicherheitspolitische Status Irlands nicht beeinträchtigt werde. Zu einer solchen Bekräftigung bestehe zwar keine Notwendigkeit, weil dies im Vertrag bereits vor­gesehen sei, aber wenn auf diese Weise das in Irland im Herbst zur Wiederholung anstehende Referendum eine Begünstigung erfahren könnte, möge auch hier der Ausschuss eine gewisse Flexibilität walten lassen.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner weist einlei­tend zu ihren Ausführungen über den Nahen Osten auf den jüngsten Selbstmordanschlag hin, der 20 Tote auf israelischer Seite gefordert hat und kurz vor einer geplanten Rede des US-amerikanischen Präsidenten Bush erfolgte, die ein Teil der Initiative zur Abhaltung einer inter­nationalen Nahostkonferenz sein sollte. Darüber, welche Elemente diese Rede enthalten könnte, sei auch im Rat Allgemeine Angelegenheiten am 17. Juni 2002 diskutiert worden. Dort habe der Hohe Repräsentant für die EU-Außenpolitik Solana auch über die Gespräche während seines vor kurzem durchgeführten Besuches in Washington mit dortigen Amtsträgern wie Burns, Tenet und Außenminister Powell informiert. Diesem Bericht zufolge habe Präsident Bush auch mit seinem Vater – dem früheren Präsidenten George Bush, der in der Nahostfrage immer eine offenere Position eingenommen hatte – die Lage im Nahen Osten erörtert.

Seitens der Europäischen Union sei die Position bezogen worden, dass die Rede des Präsiden­ten der USA genau zu analysieren sein werde und dass für den Fall, dass sie in eine andere als die von den Europäern präferierte Richtung ginge, von der EU eine Deklaration mit entspre­chend anderem Inhalt zu fassen wäre. Würde jedoch diese Rede in die erwünschte Richtung weisen, so werde sie auch die Unterstützung der Europäischen Union finden, weil es enorm wichtig sei, eine möglichst breite Basis dafür zu schaffen, im Nahen Osten einen Frieden zumindest einmal zu lancieren.

Hinsichtlich der bezweckten internationalen Konferenz stelle sich die Frage, was diese bewir­ken könnte und sollte. Nach Ansicht der Europäischen Union sollte von dieser Konferenz eine breite, neue politische Perspektive ausgehen, nach Möglichkeit verbunden mit einem bestimm­ten Zeitrahmen, damit innerhalb einer entsprechenden „Wegskizze“ die verschiedenen Themen abgearbeitet werden könnten. Allerdings seien die letzten verfügbaren Informationen in dieser Angelegenheit nicht erfreulich gewesen, wie sich auch an den skeptischen Meldungen gezeigt habe, über die kürzlich der Generalsekretär der Arabischen Liga Amr Moussa berichtet habe. Die Idee der Schaffung eines provisorischen, interimistischen palästinensischen Staates als Zwi­schenlösung sei von arabischer Seite negativ bewertet worden.

Nach dem jetzigen Selbstmordanschlag habe Israel neuerlich das Flüchtlingslager Jenin besetzt und eine längere Dauer dieses Schrittes in Aussicht gestellt. Dies bedeute eine noch schwierigere Ausgangsbasis für politisch-diplomatische Initiativen. Nichtsdestoweniger werde die Europäische Union eine entsprechende Erklärung verlautbaren, und auch Österreich werde dort seinen Standpunkt einbringen. Demzufolge sei das Hauptziel der Konferenz nach wie vor die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates auf der Basis der UN-Sicherheitsratsresolutionen 242, 338 und, aus dem laufenden Jahr, 1397. Die Parameter der Konferenz seien durch den umfassenden arabischen Friedensplan – auch zurückgehend auf die zunächst saudi-arabische und später gesamt-arabische Initiative – gegeben. Auf der ande­ren Seite müsse selbstverständlich auch das Existenzrecht für den Staat Israel in gesicherten Grenzen gewährleistet werden.

In einer EU-Erklärung müssten im Sinn der österreichischen Position folgende Punkte betont werden: an erster Stelle eine umfassende Nahostlösung, möglichst einschließlich Syriens und des Libanons; weiters die vor allem von den USA forcierte Notwendigkeit einer Reform der palästinensischen Autonomiebehörde unter EU-Mithilfe bei deren Wiederaufbau; vermehrte Demokratie, Transparenz und good governance; die Verbesserung der wirtschaftlichen und humanitären Situation der Palästinenser; die Unterstützung zur Entsendung von Beobachtern und die Etablierung eines Überwachungssystems. Wichtig sei schließlich auch, dass diese Kon­ferenz nicht nur ein Einzelereignis sein, sondern auch einen Rahmen für künftige Verhandlun­gen bilden sollte, damit die Konferenz im Fall weiterer Probleme immer wieder als „Containment Policy“ fungieren und dämpfend wirken könnte.

Was Indien und Pakistan betrifft, habe im Rat Allgemeine Angelegenheiten der britische Außenminister Jack Straw einen interessanten Bericht erstattet und mitgeteilt, dass sich kurz­fristig eine Verbesserung der Situation ergeben habe und die sehr starken Spannungen nun­mehr etwas zurückgegangen seien. Mittelfristig aber sei die Lage enorm – mit einem französi­schen Wort – „fragile“, und Indien und Pakistan müssten weiterhin von der ganzen internationa­len Gemeinschaft unter Druck gesetzt werden. Auf der einen Seite müsse Pakistan die terroris­tischen Maßnahmen zurücknehmen. In dieser Hinsicht habe Präsident Musharraf das, was er in einer Rede im Jänner dieses Jahres angekündigt hatte, leider nicht wirklich eingehalten, da es an der Demarkationslinie zur Einsickerung von Terroristen gekommen sei. Andererseits müsse auch Indien entsprechende Gegenleistungen erbringen.

Die jetzige kleine, internationale UNO-Beobachtungsmission, zu deren 45 UN-Inspektoren auch ein Österreicher gehöre, sei nicht ausreichend, um ein ernsthaftes Monitoring zu betreiben. Allerdings wäre dafür ein enorm großer Aufwand notwendig, und darüber werde es sehr aus­führliche Debatten geben müssen. Beim Europäischen Rat werde dazu sicherlich eine Erklä­rung abgegeben werden, um auf beide Seiten einzuwirken, dass diese als Nuklearstaaten sich ihrer Verantwortung – für diese Region und für den gesamte asiatischen Raum – bewusst sein sollten.

In punkto Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei es zu einer Einigung über die Finanzierung gekommen, wodurch auch ein wichtiger Schritt zur Realisierung der ersten militärischen Operation der Europäischen Union, der Task Force „Fox“, gesetzt worden sei. Bisher sei eine Einigung zwischen Griechenland und der Türkei ausständig, daran werde je­doch gearbeitet, um zu einem umfassenden Abkommen zwischen EU und NATO zu gelangen. Noch sei nicht klar, ob sich für Sevilla eine Lösung ergeben könnte. Jedenfalls sei zuletzt intensiv auf den griechischen Außenminister eingewirkt worden, dass Griechenland nachgeben möge.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) bezeichnet die Lage im Nahen Osten als das derzeit brennendste außenpolitische Problem. Die jüngste Entwicklung dort gebe Anlass zur Besorgnis, dass eine weitere Eskalation bevorsteht. Nachdem jetzt neuerlich Panzer in Jenin eingefahren seien und der Bau des Sicherheitszauns offenbar voranschreite, würden nun Sicherheitsstrukturen, die auch mit Hilfe der Europäischen Union mühsam aufgebaut wurden, zu zerbrechen drohen. Es stelle sich die Frage, auf welche Weise die EU zum jetzigen Zeit­punkt tätig werden könnte. Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner möge daher erläutern, ob das auch im Auftrag der Europäischen Union tätig gewordene Nahost-„Quartett“ funktionsfähig sei und inwieweit sich darin Schwachpunkte gezeigt hätten. Es sei mittlerweile zu einer Frage der Glaubwürdigkeit der gesamten EU geworden, einen Einfluss in Richtung einer Konfliktlösung ausüben zu können.

Ebenfalls die Frage der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union stelle sich im Zusammenhang mit dem Aufbau der militärischen und zivilen Strukturen zur Krisenbewältigung. Darüber sei auch in Österreich lange beraten worden, als hier die Sicherheitsdoktrin entwickelt wurde. Zwar sei auf EU-Ebene die Zielvorstellung quantitativ mit 60 000 Soldaten, 5 000 Polizisten und 200 Rechtsexperten festgelegt worden, aber es müsse gefragt werden, ob dieses Ziel realis­tisch sei, ob auch der entsprechende Zeitplan eingehalten werde, inwieweit die Vorarbeiten vorangeschritten seien und ob tatsächlich damit gerechnet werden könne, dass eine einsatzfähige Truppe innerhalb kürzerer Frist zur Verfügung stehen könnte.

Eine dritte Frage stelle sich in Bezug auf die Reform des Rates. Für ein mittleres Land der Europäischen Union wie Österreich seien Fragen, in denen es um die Reform von Entschei­dungsstrukturen geht, stets als sensibel zu betrachten. Abgeordneter Spindelegger erkundigt sich danach, was sich in dieser Hinsicht in der letzten Sitzung des Rates Allgemeine Ange­legenheiten ergeben habe und ob sich die österreichische Position habe durchsetzen können.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) weist darauf hin, dass die von Bundeskanzler Dr. Schüssel angesprochene Diskussion innerhalb der Europäischen Union zur Frage einer ge­meinsamen Grenzkontrolleinheit auch im Europäischen Konvent bereits begonnen wurde. So sehr es zutreffe, dass die Aufgabe der Grenzkontrolle weiterhin primär nationale Angelegenheit zu bleiben habe, könne es doch aus Gründen der Vertrauensbildung durchaus sinnvoll sein, ergänzend dazu auch eine gemischte europäische Grenzkontrolleinheit verfügbar zu machen. Seit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens und der Übernahme dieses Systems in der Europäischen Union führe das Problem des Auftretens von Illegalen, die man nicht im eigenen Land haben möchte, typischerweise dazu, dass man den anderen Ländern vorwerfe, sie hätten nicht genau genug kontrolliert. Diese Entwicklung sei mit der inneren Grenzöffnung notwendigerweise verbunden. Solange man für die Kontrolle der eigenen Grenzen und daher auch für die eventuell damit verbundenen Mängel selbst verantwortlich gewesen sei, habe es ja nicht zu diesem Vorwurf kommen können. Daher wäre es der Mühe wert, in Ergänzung zur nationalen Verantwortung eine solche gemeinsame Einheit vorzusehen, weil dies eine Erhö­hung des zwischenstaatlichen Vertrauens innerhalb der EU-Mitgliedstaaten mit sich bringen könne.

Die SPÖ erachte es ebenfalls für ein notwendiges Ziel, dass in Europa einheitliche und hohe Standards in den Asylverfahren geschaffen werden, und werde die entsprechenden Bemühun­gen unterstützen.

Die SPÖ werde – gemeinsam mit den Grünen – einen Antrag auf Stellungnahme einbringen, der sich auf zwei Fragen bezieht. Zum einen gehe es um die Frage, in welcher Weise die Euro­päische Union mit den Herkunftsländern von unerwünschten Migrantenströmen in Kooperation treten könnte, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass dieses Problem nicht primär oder gar aus­schließlich an den Außengrenzen der Union zu lösen ist. Vielmehr sollten die Verhältnisse in den Herkunftsländern dahin gehend beeinflusst werden, dass die Menschen dort eine Per­spektive für ihr Leben vorfinden können und nicht die Auswanderung suchen. Daher sei jede Form der Unterstützung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Herkunftsländern und eine intensivierte wirtschaftliche Kooperation sinnvoll und notwendig, um dort Grundlagen für eine geeignete Lebensperspektive zu schaffen. Die SPÖ stelle in diesem Antrag auf Stellung­nahme auch klar, dass sie es nicht für das Mittel der Wahl erachtet, primär mit der Ausübung von Druck zu agieren, nämlich gegebenenfalls finanzielle Leistungen zu streichen, um entspre­chenden Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, wie dies in den letzten Tagen von einzelnen Staats- und Regierungschefs anderer europäischer Länder öffentlich diskutiert worden sei.

Was die agrarpolitische Frage der Direktzahlungen im Zusammenhang mit der Erweiterung betrifft, sei es erfreulich, dass in dem vor zwei Tagen im Rat Allgemeine Angelegenheiten lange diskutierten und letztlich angenommenen Text eines deutlich klargestellt worden sei: Die Direkt­zahlungen in der bestehenden Form seien nicht wirklich Teil des Acquis, sondern dies gelte nur für direkte Unterstützungsleistungen. Das gehe aus jener Stelle des Kompromisstextes hervor, in der es unter anderem heißt: „The financial perspective agreed in Berlin did not cover direct payments in agriculture to the new member states.“

Die SPÖ halte es weniger in Hinblick auf die Erweiterung, sondern aus inhaltlichen Gründen für notwendig, zu einer Veränderung dieses Direktzahlungssystems zu kommen, um primär auf eine ökologische Produktionsweise, auf die Qualität der Produkte und – da es auch auf die Beschäftigung in der Landwirtschaft ankomme – auf eine Intensivbewirtschaftung abzuzielen. Auf diese Weise wäre es unter Umständen auch möglich, zu einem geringeren Mittelaufwand zu gelangen. Das System der Flächenprämie und Bodenberentung sollte auch in der Tendenz und in der Richtung verändert werden, um die allenfalls auf die Nettozahler zukommenden Mehrleistungen nach dem Jahre 2006 in Grenzen zu halten oder überhaupt zu vermeiden. Zwar sei Österreich im Agrarbereich Nettoempfänger von EU-Mitteln, aber trotzdem komme es jetzt auf eine sinnvolle Veränderung der europäischen Landwirtschaftspolitik an. Diese Veränderung könnte auch den Zielen der anderen Nettozahler Rechnung tragen.

Was die inneren Reformen der Europäischen Union betrifft, halte die SPÖ eine Trennung des Rates Allgemeine Angelegenheiten in einen Rat für Äußeres und einen Rat für europäische Angelegenheiten für sinnvoll. Zwar könne dies eine bedeutende innenpolitische Implikation haben, aber der Vorschlag werde nicht aus diesem Grund unterbreitet. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Freilich!) In einer Europäischen Union, die 25 oder 27 Mitgliedstaaten umfassen wird, werde es außerordentlich wichtig sein, die innere Koordination als eine Hauptaufgabe wahrzunehmen. Niemand werde zudem bestreiten, dass in einer Zeit wie der heutigen die Auf­gabe der Außenpolitik der Europäischen Union derart umfangreich sei, dass sie nicht zugleich mit den inneren Angelegenheiten von einer einzigen Person bewältigen werden könne.

In dem für diese Sitzung geplanten Antrag auf Stellungnahme werde auch die Frage der euro­päischen Präsidentschaft, wie sie insbesondere von den Regierungschefs Aznar und Blair vor­geschlagen wurde, angesprochen. Die SPÖ erachte es nicht für eine geeignete Lösung, dass von den Staats- und Regierungschefs für fünf Jahre ein europäischer Präsident gewählt wird. Bundeskanzler Dr. Schüssel habe Recht mit seiner Einschätzung, dass diese Diskussion der­zeit keineswegs vorteilhaft sei, weil diese Änderung zu einer Schwächung der Europäischen Kommission führen würde. Allenfalls – und darüber werde gegebenenfalls im Konvent zu diskutieren sein – könnte es dann, wenn die Frage des institutionellen Gleichgewichts abschlie­ßend zu betrachten sein werde, sinnvoll sein, sich auch mit der Frage eines europäischen Präsidenten zu beschäftigen. Dieser sollte dann jedoch im Rahmen einer Volkswahl bestimmt werden. – Aber derzeit stelle sich diese Frage nicht, und in diesem Sinne möge Österreich deutlich Stellung nehmen.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) stellt hinsichtlich der Frage einer Ratsreform fest, sie habe von dieser Diskussion einen anderen Eindruck bekommen, als Bundeskanzler Dr. Schüssel ihn hier zu erwecken versucht habe, da es um mehr als nur einige kleine Effizienzsteigerungen beim Ablauf der Arbeit in den Räten gehe. Tatsächlich seien in dieser Hinsicht einige „großkalibrige“ Vorschläge unterbreitet worden, wie sich auch im Zusammen­hang mit der Rolle der Ratspräsidentschaft gezeigt habe. In der Diskussion darüber werde jedoch in keiner Weise zur Sprache gebracht, worin Kontrollfunktion und Verantwortlichkeit eines solchen Präsidenten gegenüber welchen anderen Stellen zu bestehen hätten.

Aus der Debatte der letzten Zeit ließen sich viele weitere Beispiele für die weitgehende Wirkung dieser Vorschläge anführen. So sei etwa gemäß öffentlichen Aussagen von Kommissionspräsi­dent Prodi bis zum Jahresende eine interinstitutionelle Vereinbarung erreichbar, oder es könne laut Parlamentspräsident Cox vom Europäischen Rat in Sevilla eine Plattform für eine sub­stanzielle interinstitutionelle Vereinbarung erwartet werden. Aussage wie diese würden weit über das hinausgehen, was Bundeskanzler Dr. Schüssel zuvor geschildert habe. Darin komme auch eine Vorgangsweise zum Ausdruck, die einen Affront gegenüber dem Europäischen Konvent darstelle. Während dort in Arbeitsgruppen nicht ohne Schwierigkeiten mit dem Präsidium und den Institutionen sehr intensiv die Frage einer europäischen Verfas­sung diskutiert werde, werde durch Ratsentscheidungen präjudiziert, was dort zu geschehen habe. Diese äußerst problematische Vorgangsweise sei zwar nachvollziehbar, da eben jedes Gremium versuche, seine Rolle für die Zukunft abzusichern, es wäre jedoch müßig, einen Konvent einzuberufen, der letzten Endes nur zur „Behübschung“ eines ohnehin schon vorge­fassten Ergebnisses dienen sollte.

Auch zu dem Zweck, derartige Initiativen abzulehnen, während im Konvent über diese Fragen diskutiert wird, und um zu vermeiden, dass ein Präjudiz gravierenden Ausmaßes geschaffen werden könnte, bringt Abgeordnete Dr. Lichtenberger einen von SPÖ und Grünen gemeinsam gestellten Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG betreffend Europäischen Rat in Sevilla am 21./22. Juni 2002 ein.

Was die Planungen für eine internationale oder gemeinsame Grenzpolizei betrifft, möge dar­über von Regierungsseite noch nähere Auskunft gegeben werden, insbesondere im Hinblick darauf, dass es im jetzigen Vorschlag an Festlegungen darüber mangle, wer eine mögliche internationale Grenzschutzgruppe zu kontrollieren hätte, wer für sie verantwortlich wäre, wem gegenüber sie berichtspflichtig wäre und wie die Einhaltung von Menschenrechtsstandards in der Tätigkeit dieser Gruppe gesichert werden könnte. Zwar sei zu hören gewesen, dass dieser Vorschlag auf wenig Akzeptanz stößt, doch müsse dabei bedacht werden, dass solche Ange­legenheiten eine Eigendynamik zu entwickeln pflege, weshalb insbesondere die Fragen der Verantwortung und der Kontrolle einer Klärung zuzuführen wären.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass der Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Einem, Dr. Lichtenberger betreffend den Europäischen Rat in Sevilla ordnungsgemäß eingebracht ist und mit zur Verhandlung steht.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche) fragt mit Bezug auf die Auskunft von Bundeskanzler Dr. Schüssel, dass jetzt eine detaillierte Regelung der Landwirtschafts­förderung verschoben werden soll, ob es hinsichtlich einer anderen bereits verhandelten Über­gangsbestimmung, die für die Grenzländer von besonderer Bedeutung sei, nämlich der sieben­jährigen, abgestuften Übergangsfrist betreffend den Arbeitsmarkt, weiterhin beim fixierten Ergebnis bleiben werde.

Weiters erkundigt sich Abgeordneter Bösch danach, ob es möglich sein wird, im Europäischen Rat in Sevilla eine Einigung über die Ratsreform herbeizuführen. Eine solche Einigung wäre nicht als Affront gegenüber dem Europäischen Konvent zu werten, da ja die Europäische Kommission dem Konvent ebenfalls bereits ihre Reformvorstellungen – auch betreffend eine Reform der Kommission – übermittelt habe. Vorstellbar wäre allenfalls ein Problem im Zusam­menhang damit, im Europäischen Rat selbst Einigkeit über die Ratsreform zu erzielen. Bundes­kanzler Schüssel werde gebeten, mitzuteilen, ob er eingedenk dessen, was in den Vorge­sprächen diskutiert wurde, eine entsprechende Einigung in Sevilla für möglich halte und in welcher Form ein etwaiges Ergebnis dem Konvent übermittelt werden könnte. Es sei zwar be­kannt, dass dessen Präsident Giscard d’Estaing in Sevilla teilnehmen wird, aber es sei anzu­nehmen, dass zu diesem Punkt auch in einem Papier Stellung bezogen werden wird, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Aus Sicht der Freiheitlichen sei der Kampf gegen die illegale Migration ein für die Entwicklung der Europäischen Union entscheidender Punkt, daher sei es erfreulich, dass diesem Pro­blemkreis nunmehr die gebührende Bedeutung beigemessen wird. Die anwesenden Regie­rungsmitglieder mögen Auskunft darüber geben, welche außenpolitischen Maßnahmen im Kampf gegen die illegale Migration und gegen die Schlepperkriminalität ad hoc und möglichst rasch umsetzbar wären und wie diese Maßnahmen mit der Entwicklungszusammenarbeit gegenüber den am meisten davon betroffenen Ländern sowie mit der Notwendigkeit, die Unions-Außengrenze effizient zu sichern, in Zusammenhang gebracht werden könnten.

Was die geplante Grenzschutztruppe betrifft, stelle sich die Frage, inwieweit bereits darüber gesprochen wurde und ob es vorstellbar sei, diese Truppe in Analogie zur Eingreiftruppe im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Bereich der Zweiten Säule auch aus nationalen Kontingenten zusammenzusetzen und sie auf Grund eines Mandats der Euro­päischen Union tätig werden zu lassen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel stellt fest, in Bezug auf die Ratsreform müsse das, was in den Gremien selbst diskutiert wird, unterschieden werden von dem, was in den Medien diskutiert wird. Der jüngste britische Vorstoß sei von Seiten des dortigen Europaministers Hain erfolgt, darüber sei nie in einem Gremium diskutiert worden, und Meldungen aus London zufolge sei dieser Vorstoß auch nicht mit dem britischen Regierungschef abgestimmt gewesen. Der österreichischen Bundesregierung sei auch versichert worden, dass Premierminister Blair diesen Vorschlag nicht unterstützen wird. Von einer Diskussion dieser Art, dass irgendjemand einen „Luftballon“ aufsteigen lässt und dann alle darüber diskutieren, ohne dass dies irgend­etwas mit der Wirklichkeit zu tun hätte, sei wenig zu halten.

Der Vorschlag der spanischen Präsidentschaft für die Diskussion in Sevilla – darin werde die Frage eines Ratspräsidenten in keiner Weise thematisiert – laute darauf, dass Maßnahmen gefunden werden sollen, mit denen es ohne Vertragsänderungen möglich wäre, die Arbeit in den Räten effizienter durchzuführen: sowohl im Rat Allgemeine Angelegenheiten und in den Fachministerräten, den Ableitungen dieses einen Rates, als auch im Europäischen Rat. Dieser Vorschlag sei großteils zu unterstützen. Es wäre zum Beispiel gut, die Vorbereitung für den Europäischen Rat ausschließlich durch den „Kanal“ des Rates Allgemeine Angelegenheiten zu filtern. Derzeit finde zwischen verschiedenen Fachministerräten manchmal ein Wettbewerb um das letzte Wort vor dem Zusammentreten des Europäischen Rates statt. Anzustreben wären ferner präzisere Tagesordnungen, eine geringere Anzahl von Berichten und klarere Geschäfts­ordnungsbestimmungen über die Vorgangsweise bei den Schlussfolgerungen.

Auch gegen eine Reduktion der Ratsformationen – zum Beispiel durch eine Verringerung von 16 auf 11, in Form der Zusammenlegung von Budgetkompetenz und ECOFIN oder durch Zusammenlegung der Kompetenzen für Landwirtschaft und Fischerei – wäre aus österreichi­scher Sicht nichts einzuwenden. Von anderen Mitgliedstaaten werde dies aber für problema­tisch erachtet. Auch in der Frage, ob Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit in einem kohärenten Ministerrat besprochen werden sollen, erblicke Österreich kein besonderes Thema, ein solcher Schritt werde jedoch etwa vom Europäischen Parlament eher kritisch gesehen. Überdies könnten im Binnenmarkt-Ministerrat verschiedene Agenden, die heute auf Fachminis­terebene behandelt werden, zusammengefasst werden. Für all diese Schritte wären keine Vertragsänderungen erforderlich. Aus österreichischer Sicht wäre ein flexibler Zugang zu einer entsprechenden Diskussion möglich, wobei den Vorstellungen der Präsidentschaft gefolgt werden könne.

Vorstellbar wäre auch eine Programmplanung für längere Zeiträume, wobei zwar weiterhin die Präsidentschaft in sechsmonatiger Abfolge wechseln würde, aber daneben auch zum Beispiel für zwei Jahre in einer Art „Team-Präsidentschaft“ eine mehrjährige strategische Planung durch­geführt werden könnte, verbunden mit jährlich erfolgenden Adaptierungen der jeweiligen Pro­grammstruktur. Auch in dieser Hinsicht wären ohne Vertragsänderung weitgehende Anpassun­gen möglich.

Die Frage einer besseren Strukturierung der Diskussion im Rat Allgemeine Angelegenheiten sei bereits im Jahre 1998 unter österreichischem Vorsitz aufgegriffen worden. Österreich habe zum ersten Mal die Festlegung getroffen, dass am Vormittag über den Binnenmarkt, am Nachmittag über Themen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Kooperationen mit Dritt­staaten gesprochen wird. Zu diesem Zweck sei keine Aufteilung dieses Rates erforderlich, son­dern es bedürfe einer gewissen Disziplin, damit die Mitglieder des Rates Allgemeine Angele­genheiten dort wirklich anwesend sind, sich die Zeit dafür nehmen und die Angelegenheiten koordinieren.

In weiterer Beantwortung der Frage von Abgeordnetem Einem, ob eine Person in der Lage sei, die doppelte Aufgabenstellung des Rates Allgemeine Angelegenheiten zu bewältigen, stellt Bundeskanzler Schüssel fest, er verbinde damit eine andere Vision. Demzufolge sollte die Außenpolitik mittel- und längerfristig bei einer einzigen europäischen Persönlichkeit zusammen­fließen, da es zum Beispiel nicht sinnvoll sei, 15 nationale Strategien zur Lösung des Nahost- oder des Kaschmir-Konfliktes zu entwickeln. Diese europäische Persönlichkeit könnte mit einem Doppelmandat sowohl von der Kommission als auch vom Rat versehen werden, damit die Problematik von Erster und Zweiter Säule vermieden werden könnte, es wäre jedoch wün­schenswert, dass mit einer einzigen europäischen Stimme gesprochen wird. In Bezug auf die Welthandelspolitik, für welche Pascal Lamy als Mitglied der Europäischen Kommission zustän­dig ist, funktioniere dies bereits gut.

Bei einer solchen Vorgangsweise wäre zwar eine entsprechende innere Koordination erforder­lich, sie würde jedoch die nationalen Spielräume für Außenpolitik deutlich beschränken. Wenn dies als prinzipiell sinnvoll vorausgesetzt werde – der Bundeskanzler gibt seiner Meinung Aus­druck, dass die Bürger Europas diesen Wunsch hätten –, dann bedürfe es in Ergänzung dazu eines Koordinators auf nationaler Ebene. Ebendiese Funktion hätte dann der Außenminister auszuüben, und er verfüge auch über den dazu nötigen Verwaltungsapparat. In Österreich sei am Beginn der jetzigen Legislaturperiode in mühsamer Arbeit die vorhandene Doppelgleisigkeit aufgehoben worden, und dieser Schritt habe sich bewährt. Es spreche daher nichts für den Ver­such, nunmehr wieder eine neue und künstliche Aufspaltung herbeizuführen. Zwar wäre es für einen Regierungschef eine vorteilhafte Entwicklung, wenn er, entsprechend dem Tenor dieser Diskussion, Kompetenzen, die jetzt beim Außenminister liegen, an sich ziehen könnte, aber es wäre dies keine sinnvolle Vorgangsweise. Das wirkliche Problem bestehe vielmehr darin, dass in einer Konfliktsituation die Koordination auch gegenüber den Fachministerinteressen durchge­setzt werden müsste, und dies sei für den Außenminister wegen der internen Kompetenz­verteilung und der unterschiedlichen Interessen oft schwierig. Diese Aufgabe wäre aber auch für jeden anderen, der sie wahrzunehmen hätte, nicht leichter zu erledigen.

In Wirklichkeit fände daher mit einer Zweiteilung der Zuständigkeiten im Rat Allgemeine Ange­legenheiten eine reine Scheinreform statt, die in der Sache und in der Substanz nichts verbes­sern würde. Bundeskanzler Dr. Schüssel betont, er werde sich aus den genannten Gründen – genauso wie die Benelux-Staaten, die darüber ein lesenswertes Memorandum verfasst hätten – gegen diese Idee aussprechen. Was die möglichen Kompromissstufen betrifft, könnte etwa in Aussicht genommen werden, dass es zwar weiterhin bei einem einzigen Rat bleibt, dieser aber an zwei aufeinander folgenden Tagen tätig wird. In diesem Fall würde sich die Frage stellen, ob dies klug wäre. Es sei dies allerdings kein Thema für den Europäischen Rat, sondern ein veränderter Modus müsste allenfalls erprobt und nach einer gewissen Zeit im Hinblick darauf evaluiert werden, ob die veränderte Struktur tatsächlich besser ist. Dieses Thema eigne sich jedoch nicht dazu, zu einer Machtfrage hochstilisiert zu werden.

Über diese Frage einer Ratsreform werde laut Angaben der spanischen Präsidentschaft in Sevilla diskutiert werden; andere Fragen würden in stärkerem Ausmaß vielleicht in den anschließenden Pressekonferenzen oder überhaupt außerhalb thematisiert werden. Bundes­kanzler Schüssel fügt hinzu, er teile die Einschätzung von Abgeordnetem Einem, dass es nicht klug wäre, wenn eine Institution versuchen würde, den Konvent zu unterlaufen. Diesen Stand­punkt habe er wiederholt deutlich vertreten, daher fühle er sich von der Kritik von Abgeordneter Lichtenberger nicht betroffen. Jetzt seien zunächst die Konventsmitglieder am Zug, und je einvernehmlicher es diesen gelinge, Denkanstöße zu geben, desto mehr Veranlassung werde danach bestehen, in Koordination mit den nationalen Parlamenten und im Dialog mit der Öffentlichkeit über die dargelegten Optionen zu diskutieren.

Welchen Standpunkt Konventspräsident Giscard d’Estaing in Sevilla vertreten wird, könne jetzt noch nicht abgeschätzt werden. Die bisherigen Diskussionen im Konvent seien ihrer Substanz nach noch nicht dazu geeignet gewesen, Schlussfolgerungen über daraus resultierende kon­krete Vorschläge zu ziehen. Es seien Generaldebatten abgehalten und Diskussionsrichtungen bestimmt worden, aber noch sei nicht absehbar, wie sich die Tätigkeit des Konvents schließlich in einem konkreten Vertrag auswirken könnte. Daher komme es jetzt darauf an, die Diskussion unter Wahrung größtmöglicher Freiheit in Gang zu setzen – und dabei sei allen Versuchen, den Konvent vorweg zu unterlaufen, eine Absage zu erteilen.

Im Hinblick auf eine Grenzschutztruppe äußert der Bundeskanzler die Erwartung, dass diese sich langsam entwickeln wird. Es könne keine Rede davon sein, dass in Analogie zu den Vor­kehrungen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine „auf Knopfdruck“ international einsetzbare Truppe von zigtausend Polizisten für Zwecke des Grenzschutzes be­reitstehen wird. Geplant seien vielmehr gemeinsame Standards und ein europäisches Visa-Identifikationssystem, welches absolut notwendig sei und an der Schengen-Außengrenze bereits in so überzeugender Weise funktioniere, dass sich dort zum Beispiel auch schon europa-skeptische konservative Abgeordnete aus Großbritannien von der Praktikabilität einer solchen europäischen Kooperation überzeugen hätten lassen. Im Übrigen solle jedoch im Grenzschutz die nationale Identität und Kontrolle bewahrt werden, und gegen den Vorschlag, gemischte Truppen einzusetzen, spreche zum Beispiel die mangelnde Klarheit in der Kommandostruktur und in der Kompetenzlage. Woran derzeit wirklich großer Bedarf bestehe, sei die wechselseitige Information zum Beispiel über Zwischenfälle und über die sich abzeich­nenden Trends in den Migrationsbewegungen.

Was die Vereinbarungen mit Drittstaaten betrifft, habe sich in den Diskussionen im Rat Allge­meine Angelegenheiten und auf COREPER-Ebene Widerstand vor allem von schwedischer Seite gezeigt. Alle anderen Mitgliedstaaten hätten die Meinung vertreten, dass umfassende Regelungen getroffen werden müssten, die sowohl wirtschaftliche Hilfe in der jeweils betroffe­nen Region als auch Maßnahmen und Konsequenzen für den Fall umfassen, dass sich Dritt­staaten dauerhaft und wirkungsvoll einer solchen Kooperation widersetzen. Der Bundeskanzler erachtet es für notwendig und richtig, in diesem Bereich klare Regelungen zu treffen. Die Dro­hung mit Konsequenzen für kooperationsunwillige Länder werde bewirken, dass es zu einer vernünftigen gemeinsamen Vorgangsweise kommt.

Die Frage nach der Übergangsregelung für den Arbeitsmarkt beantwortet Bundeskanzler Dr. Schüssel damit, dass dies kein Thema des Europäischen Rates in Sevilla sein wird, weil dazu im Rahmen des Erweiterungsprozesses bereits eine Klärung herbeigeführt worden sei. Bisher seien in den Beitrittsverhandlungen bereits ungefähr 240 von insgesamt 270 Kapiteln vorläufig positiv abgeschlossen worden.

Hinsichtlich der Direktzahlungen in der Landwirtschaft sei klargestellt worden, dass diese schon Teil des Acquis, also des geltenden EU-Rechtsbestandes sind. In der entsprechenden Regelung werde auf die Richtlinie 1259/1999 verwiesen, daher sei diese Richtlinie auch gültig für die Direktzahlungen, und mit diesem Verweis sei sichergestellt, dass es sich um einen Teil des Acquis handelt. Worüber diskutiert werden könne, seien etwa Zeitpunkt und Höhe der ersten Direktzahlungen. Die Europäische Kommission habe bereits ihren ursprünglichen Vor­schlag, den Beitrittskandidatenländern im ersten Jahr 15 Prozent auszuzahlen, im Sinn einer Geste des guten Willens auf 25 Prozent erhöht. Ein Spielraum bestehe auch hinsichtlich der Steigerungsstufen und der damit verbundenen Fristen. Wichtig sei jedenfalls die bereits vor­handene Verankerung der Direktzahlungen im Acquis.

Ein fatales politisches Signal wäre es, so der Bundeskanzler, würden die Direktzahlungen für Bauern in Frage gestellt werden. Dadurch würde nämlich der Eindruck hervorgerufen werden, es sollten ausschließlich die europäischen Bauern die Zahler für die EU-Erweiterung sein. Dies wäre weder richtig noch fair. Es sei möglich, die Erweiterungskosten durch eine Reform aller Politikbereiche hereinzubringen: die Regionalförderungen, die Verwaltung der Europäischen Union oder verschiedene andere Politikbereiche. Zwar gehöre dazu auch die Agrarpolitik, aber es würden mit Sicherheit nicht nur die Bauern zu den einzigen Zahlern und Bürgen für die EU-Erweiterung gemacht werden.

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Dr. Maria Berger (SPÖ) weist in Bezug auf den Stellenwert von Fragen der Immigrationspolitik und im weiteren Sinn von Fragen aus dem Sektor Justiz und Inneres darauf hin, dass die Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Gipfeltreffens in Tampere den klaren Auftrag zu Fortschritten auf diesem Gebiet erteilt hatten. Vieles, was damals beabsichtigt gewesen war, sei nicht verwirklicht worden, sondern vor allem im Rat für Justiz und Inneres hängen geblieben, und zwar unter anderem deshalb, weil nicht die erforderliche Einstimmigkeit gefunden worden sei und offensichtlich auch kein entspre­chendes Zusammenspiel verschiedener Ratsformationen habe hergestellt werden können. Die Tatsache, dass diese Fragen jetzt derart im Vordergrund stünden, habe deshalb auch damit zu tun, dass ins Stocken geraten sei, was in der Europäischen Union auf diesem Sektor bisher getan wurde. Vor allem das Einstimmigkeitsprinzip im Rat habe viele Maßnahmen verhindert.

Die Vorschläge der spanischen Präsidentschaft für den Rat in Sevilla seien auch in den zustän­digen Ausschüssen des Europäischen Parlaments diskutiert worden. Auffallend sei an diesen Vorschlägen eine hohe Diskrepanz zwischen den angekündigten Maßnahmen und dem, was bisher tatsächlich vorliege; dabei handle es sich um zwei sehr verschiedene Welten. Es ent­stehe der Eindruck, der Inhalt der Gespräche der Staats- und Regierungschefs unterscheide sich stark vom Inhalt der Gespräche der Justiz- und Innenminister, und dem Europäischen Parlament würden dann irgendwelche Dokumente übermittelt werden. Abgeordnete Berger weist darauf hin, dass das Europäische Parlament in Bezug auf diese Dokumente nur ein Recht auf Stellungnahme, aber nicht auf Mitentscheidung hat, auch wenn es um sehr sensible Fragen gehe, etwa um Fragen der europäischen Gesetzgebung, die tief in die Grundrechte hinein­reichen.

Es wäre daher ratsam, dass, wenn in Sevilla Schlussfolgerungen gezogen werden, damit auch eine kritische Analyse der bisherigen Beschlussfassungsstrukturen auf diesem Gebiet verbun­den sein sollte.

In Bezug auf jüngste Äußerung der Europäischen Kommission zur Unterstreichung der Option auf die Kernenergie stelle sich die Frage, ob dieses Thema in Sevilla zur Sprache kommen werde oder ob nur Österreich auf diese Äußerung mit solcher Sensibilität reagiert habe.

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche) führt aus, Migration und Wanderungsbe­wegungen seien – egal, ob sie legal oder illegal erfolgen – ein Problem für Österreich und für die Europäische Union, und sie würden davon abhängen, welche Lebensumstände in den Auswanderungsländern bestehen und welche Chancen und Risiken es dort gibt. Ausschlag­gebend sei auch, ob in einem Land Krieg oder Frieden herrscht. Daher seien es sehr viele Menschen, die den Weg in Regionen wie die Europäische Union suchen.

Für den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit werde gefordert, immer mehr Geld auszu­geben, und man wünsche sich von den EU-Mitgliedstaaten, dass diese das Ziel erreichen, für diesen Zweck 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auszugeben. Abgeordneter Fallent fragt Bundesministerin Ferrero-Waldner mit Bezug darauf, dass im Bereich der europäischen Entwicklungszusammenarbeit ungefähr 28 Milliarden € „auf Eis liegen“ würden, was sie zu tun gedenke, um dieses Geld den Betroffenen zukommen zu lassen, damit in diesem Bereich prä­ventiv etwas getan werden könnte. Es sei zwar grundsätzlich wichtig, die Einhaltung von Spiel­regeln, Forderungen und Vereinbarungen an die Unterstützung im Bereich der Entwicklungs­zusammenarbeit zu knüpfen, und dies sei auch legitim, andererseits gehe es jedoch nicht an, dass auf europäischer Ebene 28 Milliarden € nicht den Betroffenen zugute kommen, um Wanderungsbewegungen präventiv zu verhindern, indem eben die Lebensumstände in den betroffenen Entwicklungsländern verbessert werden.

Was die EU-Osterweiterung betrifft, habe sich der deutsche Bundeskanzler Schröder zuletzt sehr kritisch darüber geäußert und die bisherige Agrarpolitik im Fall ihrer Ausdehnung auf künf­tig 25 EU-Mitgliedstaaten als unfinanzierbar eingeschätzt. Schröder habe auch angekündigt, Deutschland werde nicht mehr bereit sein, seine EU-Beitragszahlungen in der jetzigen Größen­ordnung aufrechtzuerhalten. – Dies bedeute, so Fallent, eine Bestätigung der skeptischen Einschätzung der künftigen Finanzierung der Landwirtschaftspolitik durch die Freiheitlichen.

Bundeskanzler Schüssel möge die Frage beantworten, ob der deutsche Bundeskanzler Schröder nunmehr zur „Speerspitze der Einwanderungsverhinderer“ geworden sei und welche Schlussfolgerungen in diesem Zusammenhang zu ziehen seien. Auch der österreichische Bun­deskanzler habe sich in den letzten Wochen vorsichtig über die Einhaltung des Erweiterungs­termins geäußert. Außerdem habe SPÖ-Abgeordneter zum Europäischen Parlament Martin kürzlich gemeint, es sei unseriös und sogar für „Brüsseler Blendwerk“ zu erachten, von einer Erweiterung vor dem Jahr 2005 zu sprechen. Es stelle sich die Frage, was davon zu halten sei und wie seitens der SPÖ diese Haltung eines ihrer Mandatare oder eines SPD-Bundeskanzlers gesehen werde.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne) tadelt die Wortwahl in der europäischen Politik, die jetzt zur Formulierung „Bekämpfung der illegalen Einwanderung“ geführt hat. Sie könne diese Sprache absolut nicht teilen, auch weil im allgemeinen Sprachgebrauch in Österreich mit dem Begriff „illegal“ sogleich „kriminell“ assoziiert werde; daher bevorzuge die grüne Fraktion den Terminus „irreguläre Einwanderung“. Dabei handle es sich dann um den Gegensatz zur regulären Einwanderung.

Kritik müsse auch daran geübt werden, dass immer dann, wenn von „illegaler Einwanderung“ gesprochen werde, nicht mehr die Rede von jener Hauptschlussfolgerung des von Abgeord­neter Berger bereits angesprochenen Treffens in Tampere sei, wonach die reguläre Einwande­rung und deren Regelung eine gesamteuropäische Aufgabe sei. Darin, dass entsprechende Bezugspunkte dazu fehlen, bestehe eine der Hauptschwächen all der Maßnahmen, die nun beabsichtigt seien. Bundeskanzler Schüssel möge zu diesem Punkt Stellung beziehen.

Als ein weiterer wichtiger Kritikpunkt müsse hervorgehoben werden, dass es an einem Anreiz­system zur Re-integration und Rückführung von Migrantinnen und Migranten mangle. Zwar komme in den EU-Papieren manchmal das Wort „Rückführung“ vor, aber es könne in dieser Hinsicht keineswegs von einem Schwerpunkt gesprochen werden.

Das Faktum der irregulären Zuwanderung in Europa sei keineswegs erst seit der spanischen Ratspräsidentschaft gegeben, sondern bereits seit vielen Jahren zu verzeichnen. Die statisti­schen Zahlen, die dazu von der Europäischen Kommission und in Österreich auch vom Innen­ministerium vorgelegt wurden, würden die jetzt festzustellende Besorgnis und eine hypertrophe Sprache mit Ausdrücken wie „Migrationsströme“ und „Zuwanderungsflüsse“ nicht gerechtfertigt erscheinen lassen.

Es komme vor allem darauf an, geeignete Regulierungsinstrumente zu finden, und die wesent­liche Frage in diesem Zusammenhang sei jene der Bekämpfung der Armut. Aber die Worte „Armut“ und „Armutsbekämpfung“ seien bisher überhaupt nicht vorgekommen. Abgeordnete Stoisits fügt hinzu, sie habe auch in ihren Unterlagen zur Vorbereitung für diese Sitzung des Hauptausschusses zu diesem Punkt nicht mehr als den Hinweis, dass einige Länder wie Irland und Schweden ihn angesprochen hätten, finden können. Daher stelle sie die Frage, ob aus österreichischer Sicht – weil Österreich ein wohlhabendes Land sei und weil es hierzulande sehr vielen Menschen sehr gut gehe – nicht die Fokussierung auf die Tatsache angebracht wäre, dass es bei einem Modell des Anreizes zur Rückführung und bei der Kooperation zur Rückführung irregulärer Migranten um die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den jeweiligen Herkunfts-, aber auch Transitländern ginge. Es werde zu wenig sein, dass die Europäische Union technische Hilfe bei der Rückführung wie zum Beispiel Autobusse für den Transport von der Grenze ins Landesinnere anbietet. Jeder vernünftige Mensch wisse, dass dies zu wenig sei und dass das Phänomen der irregulären Migration nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden könne, sondern dass es dazu politischer und damit auch finanzieller Unterstützungen bedürfe. Dieser Aspekt fehle aber gänzlich.

Im Hinblick auf den bevorstehenden 20. Juni als Weltflüchtlingstag wäre es sehr zu wün­schen, dass die österreichischen Repräsentanten beim Europäischen Rat in Sevilla darauf drin­gen werden, dass dort ein nachdrückliches und unmissverständliches Bekenntnis der Staats- und Regierungschefs zum Asylrecht abgegeben wird. Es sei notwendig, dieses eindeutige Bekenntnis abzulegen, weil jetzt in diesem Zusammenhang nur noch von „illegalen Migrations­strömen“ die Rede sei und weil dieser Kampf gegen illegale Migration in Europa vor dem Hintergrund der rechtspopulistischen und rechten Tendenzen sehr leicht erklärlich sei. Europa sei der Kontinent der Menschenrechte, daher werde sich Europa wohl auch dazu aufraffen können, zuzugeben, dass die Wahrung der Menschenrechte ohne die Wahrung des Asylrechts und des fairen Zugangs zum Asyl nicht möglich sei. Die Bundesregierung habe die Möglichkeit, dies zu bewirken; den Grünen stehe dies Möglichkeit nicht zur Verfügung.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Johannes Voggenhuber (Grüne) hebt hervor, es handle sich bei der jetzigen Diskussion und bei dieser Initiative des Rates im Zusammen­hang mit der Frage der illegalen Immigration um einen „dramatischen politischen Kurswechsel das Rates“. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission hätten seit Jahren versucht, den Rat zu einem Gesamtkonzept über Asylpolitik, Immigrationspolitik und Integra­tionspolitik zu bewegen, aber vom Rat seien alle Bemühungen, diesen sehr weitgehenden Vorschlägen von Kommission und Parlament zu folgen, bisher blockiert worden.

Zwar habe der Europäische Rat in Tampere Eckpunkte der Asyl- und Immigrationspolitik festge­legt, die – für viele überraschend – sehr auf die Grundrechte sowie auf die Genfer Konvention bezogen gewesen seien und einen integralen Ansatz aufgewiesen hätten, aber von dieser Posi­tion nehme der Rat nun in abrupter Weise Abschied. Er reduziere das Problem in der Tages­ordnung von Sevilla auf die militärische und polizeiliche Abwehr von Immigranten. Dabei werde überhaupt nicht mehr zwischen Flüchtlingen und Immigranten unterschieden – und dies sei vielleicht sogar verständlich, so Voggenhuber, weil es für Flüchtlinge inzwischen nicht mehr möglich sei, legal nach Europa zu kommen, sodass sie alle Illegale seien, weshalb man sich jetzt auch die Unterscheidung weitestgehend ersparen könne. Es finde nunmehr eine massive Veränderung der Flüchtlingspolitik statt, verglichen mit dem, was der Rat selbst in Tampere beschlossen habe und was sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit seit Jahren ergebnislos verlangt hätten.

Ein bisher nicht erwähnter Punkt seien die Sanktionen gegen die Herkunftsländer von illega­len Immigranten. Einer der Vorstöße, die jetzt für die Diskussion vorgesehen seien, bestehe darin, Entwicklungshilfe und Wirtschaftshilfe davon abhängig zu machen, dass die Herkunfts­länder von Flüchtlingen und von illegalen Immigranten vermehrte Anstrengungen zur Unterbin­dung der Flucht unternehmen. In der Praxis bedeute dies – dies habe sich etwa an Polizeikon­ferenzen in Italien gezeigt – eine offene Zusammenarbeit Europas mit den Verfolgerstaaten und deren Polizei- und Armeekräften. Diese Staaten würden von Europa mit Hilfe des Drucks von Wirtschafts- und Entwicklungshilfe und der Androhung, diese zu streichen, gezwungen werden, ihren Flüchtlingen gegenüber massivere polizeiliche und militärische Anstrengungen zu unter­nehmen. Abgeordneter Voggenhuber spricht für den Fall, dass es dazu kommen sollte, von einem „historischen Bruch in der Menschenrechtstradition Europas“.

Wie Abgeordneter Voggenhuber weiters ausführt, stelle es für viele Konventsmitglieder sehr wohl eine Ausübung von Druck dar, dass ständig Interventionen von Seiten der Ratsmitglie­der und des Rates durchgeführt werden oder dass es immer wieder zu Briefwechseln kommt, die nicht von ungefähr und gerade dann, wenn der Konvent tagt, zur Veröffentlichung gelangen würden. Dem Konvent liege kein Papier des Rates vor, und es treffe auch nicht zu, dass die Kommission ein Papier mit Vorschlägen an den Konvent gerichtet hätte, sondern der Konvent werde mit öffentlichen Aussagen „bombardiert“.

Die Ausgangslage der Tätigkeit im Konvent könne man damit vergleichen, dass jemand eine Hausordnung verabschieden würde für ein Haus, von dem noch gar nicht bekannt sei, ob daraus künftig eine Kirche, eine Schule oder ein Kindergarten werden soll. Was der Rat gemäß einer europäischen Verfassung in Zukunft sein werde – ob zweite Kammer oder das Gleiche wie jetzt –, sei derzeit noch völlig offen. Daher werde jetzt versucht, die Position des Rates zu „zementieren“ und rechtzeitig auszubauen.

Ein sehr wichtiger Schritt der Ratsreform, der jedoch nicht durchgeführt werde, wäre die Been­digung der Nichtöffentlichkeit des Rates als Gesetzgeber. Es stelle ein Grundprinzip und eine notwendige Bedingung von Demokratie dar, dass Gesetzgebung öffentlich zu sein hat, betont Voggenhuber. Bei der Ausarbeitung der Vorschläge für den Europäischen Rat in Sevilla habe man „die Stirn“ gehabt, die Herstellung einer Teilöffentlichkeit in der Weise vorzuschlagen, dass Teile der Beratungen über Video in Nebenzimmer übertragen werden. Es könne nicht hinge­nommen werden, dass man im Jahre 2002 unter Ratsmitgliedern, unter Staats- und Regie­rungschefs eines demokratischen Europas, etwas Derartiges unter „Öffentlichkeit der Gesetz­gebung“ verstehe.

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) führt aus, es könne jetzt nicht darum gehen, auf komplizierte Art und Weise neue Strukturen zu schaffen, die mit gleichen oder ähnlichen Problemen wie die bisherigen Strukturen verbunden wären, sondern es sollte versucht werden, die außen- und sicherheitspolitischen Fragen klar von den anderen Fragen zu trennen und eine bestmögliche europäische Koordination herbeizuführen. Jede Organisationslehre warne davor, Doppelstrukturen aufzubauen, und zwar unabhängig vom jeweiligen Anwendungsgebiet. Daher sei es wünschenswert, dass die jetzige Struktur in Österreich beibehalten wird.

Der Zweck des von den beiden Oppositionsparteien eingebrachten Antrages auf Stellungnahme sei nicht ganz erkennbar. Möglicherweise habe die Opposition nicht zugehört, als Bundes­kanzler Schüssel klargestellt habe, Österreich werde auf keinen Fall die Zustimmung dazu geben, dass ein Präsident der Europäischen Union auf mehrere Jahre gewählt wird. Es werde auch zu keinem Präjudiz für den Europäischen Konvent kommen, und nicht einmal dem Regie­rungsvertreter werde eine Weisung erteilt werden.

Falls dieser Antrag vor diesen Auskünften formuliert worden und mittlerweile obsolet geworden sei, möge er nun zurückgezogen werden. Wenn weiterhin daran festgehalten werde, wäre dar­aus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Opposition der bisherigen Diskussion nicht in vollem Umfang gefolgt ist.

Abgeordnete zum Europäischen Parlament Dr. Marilies Flemming (ÖVP) stellt klar, Martin habe die zuvor von Abgeordnetem Fallent zitierte Aussage am Rande einer Pressekonferenz in der Slowakei gemacht, die er als Vorsitzender des gemischt-parlamentarischen Ausschusses EU und Slowakei gegeben habe. Was er damit gemeint habe, habe er auf eine entsprechende Rückfrage hin so erläutert: Er sei nicht prinzipiell gegen die Erweiterung, er habe nur die Slowakei gemeint, und auch da sei es ihm nur um einen Hinweis darauf gegangen, dass der Beitritt der Slowakei vielleicht nicht im Dezember 2004 werde stattfinden können. Gegen den Jänner 2005 als Beitrittstermin würde er, Martin, nichts einzuwenden haben.

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche) fragt mit Bezug auf die zuvor diskutierte Zweiteilung der Funktionen im Rat Allgemeine Angelegenheiten, wo unter dem Aspekt, dass in Europa hin­sichtlich der Außenpolitik mit einer Stimme gesprochen werden sollte, die Abgrenzung zwischen der eigenständigen österreichischen Meinungsäußerung und der für alle Mitgliedstaaten spre­chenden EU-Stimme vorzunehmen wäre. Mangels geeigneter Kriterien sei Skepsis in Bezug auf diese Abgrenzung und die Souveränität der eigenen Außenpolitik angebracht.

Zum Thema Atomenergie sei in der Presse zu lesen gewesen, es sei ein Beschluss darüber in Aussicht genommen worden, dass diese Energieform in der Europäischen Union weiterhin produziert werden und eine entsprechende Weiterentwicklung damit verbunden sein soll. – Österreich habe der Atomenergie abgeschworen und wolle gemeinsam mit anderen Ländern erreichen, dass Europa irgendwann zu einer atomenergiefreien Zone wird. Die österreichische Bundesregierung möge daher jede Möglichkeit wahrnehmen, in diesem Sinne die Stimme zu erheben. Es stelle sich die Frage, wieso nach diversen anderslautenden Beschlüssen nunmehr wieder ein Sinneswandel eingetreten sei.

Hinsichtlich des Themas Einwanderung sei nach den Versuchen der Abgeordneten Stoisits und Voggenhuber, diese Frage in eine bestimmte Richtung zu akzentuieren, auf das vor kurzem verabschiedete Entwicklungszusammenarbeitsgesetz hinzuweisen. Darin werde der Aspekt der Nachhaltigkeit betont, und es liege ein Bekenntnis dazu vor, dass mehr Geld dafür notwen­dig ist, den betroffenen Ländern dabei zu helfen, ihre Bevölkerung menschenwürdig zu versor­gen. Es könne jedoch nicht hingenommen werden, dass manche Länder ihre Leute bewusst auswandern lassen. Vor diesem Hintergrund müsse der Sichtweise von Abgeordnetem Voggenhuber widersprochen werden, dass manche Länder mit Polizeigewalt gegen die eigenen Leute vorgehen würden, sondern es verhalte sich umgekehrt so, dass diese Länder der Aus­wanderung zusehen und sich zum Teil der Verantwortung entziehen würden, indem sie dort nicht für eine stabile politische Lage sorgen würden.

Es zeige sich daran die Notwendigkeit, nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit vorzugehen und zu versuchen, dass in diesen Ländern schwerpunktmäßig Infrastrukturen hergestellt werden, die es den Menschen ermöglichen, unter menschenwürdigen und zumutbaren Umständen in ihrem eigenen Land zu verbleiben, „wo sie hingehören, wo sie sich wohlfühlen und wo ihre Wurzeln sind“. Dies habe das Bestreben zu sein. Würde man sich erst zu den Menschenrechten beken­nen müssen, so wäre dies eher traurig, weil das für jeden hier selbstverständlich sein sollte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner führt im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt aus, dass der in ersten Ansätzen dort bereits begon­nene Bau einer Mauer eher als eine Verzweiflungstat einzuschätzen sei, als dass er irgendeine Chance eröffnen würde, tatsächlich für Sicherheit zu sorgen. Nachdem zuletzt in Europa Mauern niedergerissen wurden, sei es eine völlig falsche Politik, dort nun neue Mauern aufzu­bauen.

Die Frage des Abgeordneten Spindelegger nach der Funktionsfähigkeit des Nahost-„Quartetts“ könne dahin gehend beantwortet werden, dass dessen Existenz grundsätzlich sehr zu begrü­ßen sei, weil auf diese Weise zum ersten Mal eine breitere Chance gegeben sei, auf die beiden Konfliktparteien einzuwirken: von Seiten der Vereinigten Staaten mehr auf die Israelis, von europäischer Seite mehr auf die Palästinenser und Araber. Eine gemeinsame europäische Position enthalte einige Eckpunkte, deren wichtigster  die Überzeugung sei, es gebe für diesen Konflikt keine militärische Lösung, sodass diese Frage nicht nur unter dem Aspekt der Sicher­heit gelöst werden könne. Bedauerlicherweise sei das auf amerikanischer Seite noch nicht in dieser Form erkannt worden. In seiner bevorstehenden Rede zu diesem Thema beabsichtige Präsident Bush laut Aussendungen nun doch nicht so weit zu gehen, wie er ursprünglich ange­kündigt gehabt hätte, allenfalls Außenminister Powell noch einmal zu einer Vermittlungsaktion in den Nahen Osten zu entsenden. Wenn von amerikanischer Seite nicht jene klaren Eckpunkte zu hören seien, welche im Hinblick auf den Europäischen Rat in Sevilla wünschenswert gewe­sen wären, werde die Europäische Union ihre eigene Überzeugung in Form einer Deklaration darlegen müssen.

Zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde ein Fortschrittsbericht über den derzeitigen Stand vorgelegt werden. Es seien bereits Fortschritte erzielt worden, und damit sei die Europäische Union dem Ziel, dass bis 2003 die volle Einsatzfähigkeit erlangt wird, wieder ein Stück näher gekommen. Der künftige Erfolg der ESVP werde jedoch davon abhän­gen, ob die Europäische Union in der Lage sein werde, ihre angekündigte Bereitschaft, Verant­wortung für das Krisenmanagement zu übernehmen, tatsächlich unter Beweis zu stellen. Dazu gehöre auch die bereits angesprochene, wesentliche Einigung zwischen EU und NATO, weil es der Europäischen Union nur unter dieser Voraussetzung möglich sein könnte, im Krisen­management auf NATO-Mittel zurückzugreifen. Es treffe zu, dass in punkto Operationalität noch nicht der angestrebte Zustand erreicht worden ist. Insbesondere in Fragen der Transport­fähigkeit, der Aufklärung, des Kommandos und der Kontrolle seien Defizite vorhanden.

Was die Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt und die Möglichkeit der Verknüpfung mit Rückübernahmeabkommen betrifft, hebt Bundesministerin Ferrero-Waldner hervor, dass die Europäische Union eindeutig größter Zahler für alle Drittstaaten ist. Dies gehe auch aus dem Cotonou-Abkommen hervor, in welchem überdies von den Drittstaaten zu Recht die Einhal­tung gewisser Kriterien gefordert werde. Von jeder Regierung nicht nur in den westlichen Industriestaaten, sondern auch in den Drittländern könne gefordert werden, dass sie Verantwor­tung zeigt. Im Cotonou-Abkommen sei zudem bereits ein Ansatz für die Rückübernahmever­pflichtung enthalten. Wenn diese Verpflichtung nun deutlicher ausformuliert werde, so bedeute dies auch, eine Rute ins Fenster zu stellen – und das habe den Zweck, eine bestmögliche Kooperation zu erreichen.

In den zu erwartenden EU-Schlussfolgerungen betreffend das bevorstehende Gipfeltreffen in Johannesburg, worüber auch im Rat Allgemeine Angelegenheiten gesprochen worden sei, werde selbstverständlich auch die Frage der Armutsbekämpfung eine große Rolle spielen. Der erst kürzlich gefasste Beschluss von Monterrey werde in Johannesburg eine Weiterführung erfahren.

Was die Frage anlange, wie in der Europäischen Kommission in Zukunft die Gelder besser ver­walten werden könnten, sei es so, dass Kommissär Patten bereits eine Reihe von Maßnahmen getroffen habe. Am wichtigsten sei es, die große Verbürokratisierung und die vielen Verfahrens­schritte einzuschränken, um zu kürzeren Verfahren und zu einer Vereinfachung zu kommen, betont die Außenministerin. Die Delegationen sollten stärker zum Tragen kommen, und das „Micro Management“ solle stärker der Kommission selbst überlassen werden. Österreich unter­stütze diesen Ansatz, spreche sich aber gegen eine Re-nationalisierung, das heißt eine Abwick­lung durch eigene Agenturen aus, weil zu diesem Schritt in erster Linie die großen Mitglied­staaten in der Lage wären und weil dies ungünstig für NGOs oder für Koordinationsbüros zur Entwicklungszusammenarbeit wäre. Trotz des Drucks, bestimmte vorhandene Mittel auszuge­ben, werde keine Auszahlung um jeden Preis erfolgen. Auch in diesem Fall werde sehr genau überprüft werden, welche Schritte vor Ort gesetzt werden. Darauf werde es weiterhin wesentlich ankommen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel hebt – als Teilnehmer des angesprochenen Gipfeltref­fens in Tampere – hervor, dass dort ein Grundsatzbeschluss gefasst wurde, ohne dass dabei sehr ins Detail gegangen worden wäre. In sehr allgemeiner Form seien Daten und Zeitpläne sowie deren Erfüllung ins Auge gefasst worden. Zwar sei es richtig, dass eine Verzögerung zu verzeichnen war, aber im Gegensatz zu der von Oppositionsseite geäußerten Kritik sei es sehr zu begrüßen, dass dies keine Sache einer Mehrheitsentscheidung war. Wenn nämlich ein Gemeinschaftsrecht zum ersten Mal entwickelt und somit ein Erst-Acquis geschaffen werde, komme es in besonderem Maße auf eine vorsichtige und im Konsens erfolgende Vorgangs­weise an.

Nach dem Beschluss in Tampere hätten die Europäische Kommission, Teile des Europäischen Parlaments und manche Mitgliedstaaten versucht, sehr weitgehende, die nationalen Steue­rungsmöglichkeiten quasi außer Kraft setzende Mechanismen einzuführen, die unter anderem in die Richtung einer Öffnung auf dem Arbeitsmarkt – des Zugangs für Flüchtlinge und Asylan­ten zum Arbeitsmarkt – und der Familienzusammenführung gegangen wären. Demgegenüber bestehe in Österreich ein bewährtes System mit einer Quotierung und einer behutsamen Öffnung, die auch verkraftbar sei und die in Summe auf europäischer Ebene zu einem der höchsten Integrationsgrade geführt habe, allerdings unter einer Kontrolle, die von Österreich selbst durchgeführt werde. Der Bundeskanzler stellt fest, er gebe offen zu und bekenne sich da­zu, dass Österreich in diesem Punkt „auf der Bremse gestanden“ ist. Auch frühere SPÖ-Innen­minister hätten diesen Kurs verfolgt, und dies sei auch vollkommen richtig gewesen, weil es eben im Fall der Entwicklung eines ersten Gemeinschaftsrechts darauf ankomme, besonders vorsichtig zu sein.

Wenn eine Regelung sich bewährt habe und in ihrer Entwicklung absehbar geworden sei – zum Beispiel, was dann geschieht, wenn jemand in Portugal um Asyl ansucht und dann in Deutsch­land oder in Österreich eine Arbeit aufnimmt –, dann könne unter Umständen auch geringere Vorsicht an den Tag gelegt werden. Doch bei der Entwicklung des ersten Gemeinschaftsrechts komme es darauf an, besonders restriktiv vorzugehen. Daher habe sich die Einstimmigkeit im Rat als absoluter Schutz bewährt. Würde die Lösung in jedem Fall mit Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden, so stünde Österreich mit einigen seiner so genannten nationalen Anlie­gen, wie sie von den verschiedenen Fraktionen aus unterschiedlichen Gründen immer wieder vorgebracht werden, auf verlorenem Posten. Die Einstimmigkeit als Schutzregel sei daher sinnvoll, weil dadurch auch garantiert sei, dass möglichst im Konsens vorgegangen wird. Erst in der Weiterentwicklung sollte die Möglichkeit einer größeren Öffnung und einer gewissen Diffe­renzierung bestehen.

Was diese Probleme betrifft, habe inzwischen auch die Europäische Kommission – und nicht nur, wie von Abgeordnetem Voggenhuber behauptet, der Rat – ihre Position geändert. Hätte die Kommission nicht ihre Vorschläge geändert, so hätten auch keine Beschlüsse zustande kommen können, da ja der Rat nur über Anträge der Kommission entscheiden könne. Erst wenn die Kommission zur Ansicht gelange, sie wolle auf eine sich abzeichnende Linie einge­hen, könne es auch zu einer Veränderung kommen. Auch Kommissar Vitorino habe seine Posi­tionen im Lichte der Erfahrungen modifiziert – und dies spreche nicht gegen, sondern für ihn. Daher werde es nun möglich sein, in diesem Bereich inhaltlich weiterzukommen.

Was die EU-Erweiterung betrifft, sei keineswegs jeder, der dazu eine Frage stellt, gleich ein Erweiterungsskeptiker. Dies gelte auch für jemanden, der sechs Monate vor dem Gipfeltreffen in Kopenhagen die Frage aufwirft, ob es bis dahin wirklich möglich sein werde, die noch offenen 34 Verhandlungskapitel – von denen einige sehr problematisch für manche Länder seien – sorgfältig zu prüfen und ordentlich auszuverhandeln. Der Inhalt sei jedenfalls wichtiger als der Zeitplan, sodass der jeweilige individuelle Fortschritt entscheidender als die Einhaltung eines einheitlichen Beitrittstermins sei. Diese Sichtweise, jedes Land nach seinen eigenen Ver­diensten und seinem eigenen Fortschritt zu bewerten, habe auch der ursprünglichen Linie sowohl in Luxemburg als auch in Helsinki entsprochen. Erst danach sei die Forderung in den Vordergrund gerückt worden, dass die Erweiterung an einem einzigen Tag vor sich zu gehen und ein historisches Ereignis zu werden habe. Dagegen wäre ja nichts einzuwenden, und Österreich werde alles tun, um diese Möglichkeit offen zu halten, aber ebenso werde darauf geachtet werden, dass in den Verhandlungen die Substanz gewahrt wird.

Wenn nun der deutsche Bundeskanzler Schröder die Forderung stelle, dass die Erweiterung finanzierbar bleiben muss, so spreche er damit nur etwas aus, was auch der österreichischen Position entspreche. Die österreichische Bundesregierung habe sich auf das Ziel verständigt – und dies entspreche offenbar auch der Position der meisten Abgeordneten zum österreichi­schen Parlament –, innerhalb des gegebenen Finanzierungszeitrahmens bis 2006 einschließ­lich der Aufwendungen für die Erweiterung mit einem BIP-Anteil von 1,1 Prozent durchzukom­men. Dieser Prozentsatz liege zwar etwas höher als heute, bleibe aber deutlich unter jenem, der in den Beschlüssen von Berlin vorgesehen war, und dieses Ziel sei keineswegs unrealis­tisch.

Worauf Bundeskanzler Schröder großen Wert gelegt habe, sei der Hinweis darauf, dass dann, wenn auch in der Finanzierungsperiode nach 2006 alles in der jetzt bestehenden Form fort­geschrieben werde, ein beachtlicher zusätzlicher Finanzierungsbedarf entstehen werde. Es sollte die gemeinsame österreichische Position sein, dass durch Reformen in allen Politikfeldern versucht wird, die Aufwendungen nicht steigen zu lassen.

Auch wenn die Äußerungen von Bundeskanzler Schröder vor dem Hintergrund des Wahl­kampfs in Deutschland zu sehen seien, müsse doch auch unabhängig davon die Möglichkeit bestehen, dass ein Regierungschef diesen Standpunkt äußert: Die Erweiterung wollen wir, aber sie muss finanzierbar sein! Die Substanz der Verhandlungen sei wichtiger als die Einhaltung bestimmter Daten in einem Erweiterungszeitplan. Es komme dabei auch auf die Haltung der Beitrittskandidaten an, und einige von ihnen hätten noch Nachholarbeiten zu erbringen.

In der Frage der Direktzahlungen allerdings liege die Entscheidung auf Seiten der Europäi­schen Union. Sie werde im kommenden Oktober eine Präzisierung zu treffen haben, und diese Entscheidung werde voraussichtlich weitgehend dem Vorschlag der Kommission entsprechen. Eine Frage stelle sich eher im Hinblick darauf, ob damit ein „commitment“ für ein späteres „phasing-out“ oder irgendwelche inhaltlichen Begleitumstände verbunden wären.

Was die angesprochenen Äußerungen des SPÖ-Abgeordneten zum Europäischen Parlament Martin betrifft, äußert sich Bundeskanzler Schüssel darüber verwundert. Seiner Ansicht nach habe der Vorsitzende einer bilateralen Gruppe mit seinen Aussagen besonders vorsichtig zu sein, weil ja – wie es psychologisch auch zu verstehen sei – sogar jeder Halbsatz auf die Waagschale gelegt werde.

Man müsse auch hinsichtlich der Frage der Behutsamkeit in der Asylpolitik zurückhaltend sein und dürfe diese nicht sofort „rechtspopulistischen Tendenzen zuschreiben“. Der britische Innen­minister Blunkett sei nicht als Rechtspopulist bekannt und habe auch keine rechtsradikalen Tendenzen gezeigt – und doch sei er jetzt derjenige, der sich in dieser Frage am massivsten eingebracht habe. Auch der deutsche Innenminister Schily sei keineswegs zum Rechtspopulis­ten mutiert. Es handle sich dabei um ganz normale, sich aus der Problemlage ergebende Positionen, sodass vor bestimmten Etikettierungen zu warnen sei.

Gleiches gelte für den etwas kuriosen Gedanken, dass man Asylanten durch internationale Abkommen ihren Verfolgern in die Hände spielen würde. Der Blick auf die Realität zeige, dass nicht alle Leute, die Asyl begehren, aus Ländern kommen, in denen politischer Terror herrscht. In Serbien zum Beispiel herrsche derzeit kein politischer Terror, sondern dort seien jetzt – ganz im Gegenteil – die Demokraten am Zug. Zur Zeit von Staatschef Milošević wäre der Gedanke von Abgeordnetem Voggenhuber vielleicht verständlich gewesen, aber heute, da in Serbien ein Djindjic, ein Kostunica, ein Labus das Sagen hätten und somit die berühmten „Philosophen­könige“ vom gleichen Institut der Universität in Zagreb an der Macht seien – der eine als Parla­mentspräsident, der Zweite als Staatspräsident und der Dritte als Ministerpräsident –, könne nicht die Behauptung aufgestellt werden, die Menschen würden dort ihren „blutigen Verfolgern“ in die Hände gespielt werden. Es handle sich vielmehr um ganz normale Spielregeln. Jugoslawien bekomme enorme Wirtschaftshilfe und auch in hohem Maße bilaterale Investi­tionen aus Österreich, daher sei das Mindeste, was Österreich sich dafür erwarten könne, Kooperation in dem Bemühen, den Kampf gegen die Schlepper ernst zu nehmen.

Was die angemahnten Gespräche über Armut betrifft, möge Abgeordnete Lichtenberger die Draft Conclusions aus dem Rat der Justiz- und Innenminister lesen. Darin sei zuletzt drei Mal der Ausdruck „Kampf gegen die Armut“ vorgekommen. Es möge daher nicht immer wieder der Eindruck erweckt werden, als wäre das nicht ohnehin in den Texten bereits enthalten. Gerade der österreichische Innenminister und der österreichische Justizminister würden darauf drängen, dass Fragen der Armutsbekämpfung und der „Human Rights“ deutlich akzentuiert werden. Es bedürfe keiner Diskussion darüber, dass die Europäische Union die Genfer Flücht­lingskonvention nicht außer Kraft setzen wird, daher brauche das auch nicht jedes Mal eigens betont zu werden. Gegenüber der Öffentlichkeit sollte daher nicht der Eindruck erweckt werden, es würde irgendetwas in Frage stehen, was für Österreich selbstverständlich gelebtes Credo sei.

Bundeskanzler Dr. Schüssel stellt in Beantwortung der Frage nach der Atomenergiepolitik fest, dass ihm der letzte Stand der Diskussion in der Europäischen Kommission nicht genau bekannt ist. Es sei jedoch so, dass derzeit kein Konsens für einen Atomausstieg auf europäi­scher Ebene vorhanden ist: weder in der Kommission noch im Rat noch im Europäischen Parla­ment. Österreich könne sich um Bündnispartner bemühen und werde dies parteiübergreifend auch weiterhin tun, habe aber keinen Anlass zu der Ansicht, es werde auch anderswo nachvoll­zogen werden, was Österreich unter Schmerzen selbst getan habe, nämlich auf die Nutzung großer Investitionen wie jener in Zwentendorf zu verzichten. Der politische Diskurs darüber werde weitergehen.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließt die Debatte und leitet über zur Abstimmung über den vorliegenden Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Europäischen Rat in Sevilla am 21./22. Juni 2002 bleibt in der Minder­heit und ist abgelehnt.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 2 und zugleich der öffentliche Teil dieser Sitzung abge­schlossen.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 8.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 2: 16.22 Uhr

 

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