IV-16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 22. Oktober 2002

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode            Dienstag, 22. Oktober 2002

Tagesordnung

1. Europäischer Rat Brüssel

RAT 12837/02 ELARG 310 POLGEN 43

Europäischer Rat am 24./25. Oktober 2002

Tagesordnung

(66545/EU XXI. GP)

Europäischer Rat Brüssel

RAT 13234/02 ELARG 327 POLGEN 45

Europäischer Rat am 24./25.Oktober 2002

Erläuterte Tagesordnung

(67073/EU XXI. GP und 67075/EU XXI. GP)

2. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung eines Offiziers des Bundesheeres im Rahmen der OSZE-Mission in Bosnien und Herzegowina (181/HA)

3. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung des österreichischen Infanterie­kontingentes im Rahmen des multinationalen Friedenseinsatzes im Kosovo (KFOR) (182 HA)

4. Antrag der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Beschluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung des österreichischen Kontingen­tes im Rahmen der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe in Afghanistan (ISAF) (183 HA)

5. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss der Bun­desregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von Militärbeobachtern zur United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG) (187/HA)

6. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss der Bun­desregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von Stabsangehörigen zur United Nations Peacekeeping Force in Cyprus (UNFICYP) (186/HA)

7. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss der Bun­desregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung einer Einheit des Bundesheeres bei United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) (184/HA)

8. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung über die Durchführung des Übungs- und Ausbildungsplans für 2001 auf Grund des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (188/HA)

9. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung über den Übungs- und Ausbildungsplan für das Jahr 2003 auf Grund des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (189/HA)

10. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss der Bun­desregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von österreichischen Justizwachebeam­ten im Rahmen der United Nations Interim Administration Mission im Kosovo (UNMIK) (185/HA)

Beginn der Sitzung: 14.33 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses, begrüßt insbeson­dere Bundeskanzler Dr. Schüssel, Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Fer­rero-Waldner und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Reichhold und teilt mit, dass der Vorschlag vorliegt, diese Sitzung in zwei Teilen durchzuführen, nämlich als EU-Hauptausschuss und als normalen Hauptausschuss mit weiteren Tagesordnungspunkten – jeweils nach den einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung. Es liege kein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit vor, es sei daher ein Beschluss nach § 31c Abs. 5 letzter Satz GOG zu fassen, wonach Ton- und Bildaufnahmen von einer Sitzung des Hauptausschusses zu­lässig sind.

Obmann Dr. Fischer stellt den Antrag, der Ausschuss möge beschließen, Ton- und Bildauf­nahmen von dieser Sitzung zu ermöglichen. – Das wird einstimmig angenommen.

Weiters gibt Obmann Dr. Fischer bekannt, dass noch die beiden Dokumente 67073/EU XXI. GP und 67075/EU XXI. GP in die Beratungen der heutigen Sitzung einzubeziehen sind, was einer Zweidrittelmehrheit bedürfe.

Er lässt über den Vorschlag abstimmen, diese beiden Dokumente auf die Tagesordnung des EU-Hauptausschusses zu setzen. – Das wird einstimmig angenommen.

Abschließend gibt er bekannt, dass die zur Verhandlung stehenden Tagesordnungspunkte 2 bis 10 nicht öffentlich sind.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) stellt zum zeitlichen Ablauf fest, dass man so zeitgerecht mit den Punkten des Hauptausschusses beginnen möge, dass zu Tagesordnungspunkt 4 eine Debatte möglich ist und auch die weiteren Punkte vor 17.30 Uhr beschlossen werden können.

Obmann Dr. Heinz Fischer fasst zusammen, dass für die Beratung des EU-Hauptausschusses für die Mitglieder des Hauptausschusses eine Redezeit von zwei „Wiener Stunden“ im Verhält­nis SPÖ 39, Freiheitliche 29, ÖVP 29 und Grüne 23 Minuten vorgesehen ist. Redezeiten für Mitglieder der Bundesregierung und Vertreter der Bundesregierung seien darin noch nicht be­rücksichtigt. Die vier Fraktionen hätten vorgeschlagen, dass die Sitzung jedenfalls um 17.30 Uhr beendet werden soll, da im Anschluss daran der Nationale Sicherheitsrat tage. Man könne die Tagesordnung jedoch so umstellen, dass die Tagesordnungspunkte des Hauptausschusses vorgezogen werden.

Nach Wortmeldungen der Abgeordneten Dr. Andreas Khol (ÖVP) und Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) erläutert Obmann Dr. Heinz Fischer, dass der Präsidialrundlauf erstens eine Tagesordnung festsetze, zweitens die Debatte des EU-Hauptausschusses einen gewissen zeitlichen Rahmen nicht überschreiten und drittens die Sitzung um 17.30 Uhr beendet werden soll. Er schlägt vor, nach der Reihenfolge der ausgegebenen Tagesordnung vorzugehen, die vereinbarten Zei­ten einzuhalten und, falls man nicht zeitgerecht fertig werde, entweder die Sitzung zu vertagen oder zu unterbrechen.

1. Punkt

Europäischer Rat Brüssel

RAT 12837/02 ELARG 310 POLGEN 43

Europäischer Rat am 24./25. Oktober 2002

Tagesordnung

(66545/EU XXI. GP)

Europäischer Rat Brüssel

RAT 13234/02 ELARG 327 POLGEN 45

Europäischer Rat am 24./25.Oktober 2002

Erläuterte Tagesordnung

(67073/EU XXI. GP und 67075/EU XXI. GP)

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel bringt eingangs seinen Dank und seine Anerkennung für den Ausgang des zweiten Referendums in Irland vom vergangenen Samstag zum Aus­druck. Dass Irland nun als letzter EU-Mitgliedstaat den Vertrag von Nizza ratifizieren könne, sei darauf zurückzuführen, dass die Iren auf Grund der höheren Wahlbeteiligung als beim ersten Referendum dieses Mal mit überwältigender Mehrheit zugestimmt hätten. Das sei ein sehr wichtiger Schritt dazu, dass die institutionellen Voraussetzungen zur Wiedervereinigung Euro­pas umgesetzt werden können. Bundeskanzler Dr. Schüssel dankt dem irischen Premier­minister Bertie Ahern und all jenen, die sich in diesen Prozess eingebracht und die Sache Europas stärker erläutert haben, denn die komplexen und oftmals unverständlichen Zusammen­hänge eines Vertragswerks seien für die Bürger nicht leicht zu verstehen.

Der Europäische Rat in Brüssel werde erstmals nach dem in Sevilla festgelegten Verfahren ab­gewickelt, er beginne am Abend des 24. Oktober und werde am 25. Oktober in einer ganztägi­gen Sitzung fortgesetzt. Giscard d’Estaing werde dort einen Bericht über den Stand der Bera­tungen im EU-Konvent liefern. Bundeskanzler Dr. Schüssel sagt, sich auf die Frage der EU-Erweiterung beschränken zu wollen, über die Themen Kaliningrad und GASP werde die Außen­ministerin sprechen, über die Verkehrs- und Transitproblematik der Infrastrukturminister referie­ren.

Die EU-Erweiterung stelle für die dänische Präsidentschaft die Kernpriorität dar. Es sei ge­mein­sam festgelegt worden, dass man bis zum Gipfel in Kopenhagen die Verhandlungen mit zehn Beitrittskandidaten zum Abschluss bringen wolle. Dazu müsse beschlossen werden, den Fort­schrittsbericht der Kommission zur Kenntnis zu nehmen, wonach man die Beitrittsreife der zehn Kandidaten – das seien alle Länder der Laeken-Gruppe – akzeptiere. Das sei auch im Allge­meinen Rat so angenommen worden. Er sei sicher, dass sich der Europäische Rat in Brüssel den Vorschlägen der Kommission anschließen und beschließen werde, mit diesen zehn Län­dern die Verhandlungen bis Dezember zu finalisieren.

Was Bulgarien und Rumänien betrifft – Länder, die für Österreich sehr wichtig seien und für die sich Österreich stark eingebracht habe, da es wirtschaftliche und kulturell-politische Verflechtun­gen gebe –, sei einerseits eine Erhöhung der Vorbeitrittshilfe und andererseits ein Datum be­schlossen worden, das unter der Voraussetzung, dass man sich substantiell einige, bis zum Jahr 2007 einen Abschluss der Beitrittsverhandlungen für Bulgarien und Rumänien vor­sehe.

Die eigentlichen Kernpunkte des Gipfels seien aber die Finanz- und Landwirtschaftspolitik. Die Kommission habe Ende Jänner dieses Jahres einen Vorschlag über den gemeinsamen Finanzrahmen für die Jahre 2004 bis 2006 vorgelegt, der als Grundlage für die Verhandlungen für die Bereiche Landwirtschaft, Strukturpolitik und Haushalt dient. Neben den Mitteln zur Still­legung von Kernkraftwerken, was eine langjährige Forderung Österreichs gewesen sei – das slowakische AKW Bohunice und das litauische AKW Ignalina werden stillgelegt, weitere fünf Kernkraftwerke sicherheitsmäßig nachhaltig aufgerüstet –, sowie Maßnahmen für den Institutio­nenaufbau und für eine besondere wirtschaftliche Hilfe für Nordzypern sehe der Vorschlag der Kommission für die beiden größten Ausgabenkategorien Landwirtschaft und Strukturpolitik Folgendes vor:

Betreffend Landwirtschaft werde in Bezug auf die Direktzahlungen ein Zwei-Phasen-Konzept vorgeschlagen, an dessen Ende die vollständige Anwendung des EU-Rechts stehe. Die neuen Mitgliedstaaten erhielten zunächst 2004 25 Prozent, 2005 30 Prozent und 2006 35 Prozent an Direktzahlungen in der Höhe des gegenwärtigen Systems. In der zweiten Phase bis 2013 sollen die Direktzahlungen in Prozentschritten an das dann geltende Unterstützungsniveau herange­führt werden. Damit der Verwaltungsaufwand in den ersten Beitrittsjahren eingedämmt werde, schlage die Kommission eine vereinfachte Direktzahlungsregelung in Form von Flächenzahlun­gen vor, die unabhängig von der Erzeugung gewährt werden.

Außerdem sollen zur Unterstützung des Umstrukturierungsprozesses der Landwirtschaft in den Kandidatenländern verstärkt Mittel bei der ländlichen Entwicklung eingesetzt werden. Die Strukturvorschläge der Kommission würden einen Ausgleich zwischen der begrenzten Absorp­tionsfähigkeit der neuen Staaten in den ersten Jahren und der rascheren Umsetzung auf Grund des geringeren Programmplanungszeitraumes von 2004 bis 2006 beinhalten, als dies in Berlin für die ersten Jahre nach dem Beitritt vorgesehen gewesen sei. Vorgesehen sei auch eine Erhöhung der Kohäsionsausgaben von einem Drittel der Gesamtmittel für die Strukturpolitik, was eine geringere nationale Kofinanzierungsrate voraussetze. Für die vier derzeit aus dem Ko­häsionsfonds geförderten Mitgliedstaaten werde dieser Anteil 18 Prozent betragen.

Die Kommission schlage außerdem vor, einen Haushaltsausgleich zu gewähren, der die Regeln für die Beitragszahlungen zum EU-Haushalt von Anfang an auf die neuen Mitgliedstaa­ten anwendet. Um zu verhindern, dass es bei einzelnen neuen Mitgliedstaaten im ersten oder zweiten Jahr nach deren Beitritt zu einer Verschlechterung ihrer Finanzposition im Vergleich zur Zeit vor ihrem Beitritt komme, schlage die Kommission so genannte Ausgleichszahlungen vor. Er persönlich sei der Ansicht, dass der Kommissionsvorschlag eine gute Basis für die anschlie­ßende Diskussion im Rat darstelle, wenngleich es noch immer sehr unterschiedliche Positionen zwischen den Mitgliedstaaten zu den Fragen der Direktzahlungen sowie zum Haushaltsaus­gleich gebe. Unabhängig von den noch zu lösenden Fragen lehne Österreich im Kontext der Er­weiterung eine Koppelung der Debatte über die Direktzahlungen mit der Debatte über die Halb­zeitbewertung der Landwirtschaft ab. Es müsse unbestritten sein, dass die neuen Mitglied­staaten durch ihren Beitritt keine Verschlechterung ihrer haushaltspolitischen Situation erleiden dürfen.

Ein Sonderthema, vor allem hinsichtlich Slowenien, sei, dass die INTERREG-Programme mög­lichst nicht gekürzt werden sollen, denn dann ergäbe sich das Problem, dass es nach dem Bei­tritt durch eine massive Umschichtung der Mittel zu einer Verschlechterung der grenzüber­schreitenden Förderungsmöglichkeiten käme. Das sei ein Punkt, der von Österreich immer wieder im COREPER, im Allgemeinen Rat, in der Erweiterungsarbeitsgruppe, aber nun auch beim Europäischen Rat in Brüssel vorgeschlagen werde.

Was die institutionellen Fragen betrifft, könne man sich im Wesentlichen auf den erzielten Kom­promiss und den Vertrag von Nizza stützen. Diesbezüglich gebe es die Neugewichtung der Stimmen im Rat, wobei die überproportionale Repräsentation der kleineren und mittleren Staa­ten gewährt bleibe. Die Stimmschwelle, die Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament und das Prinzip „ein Kommissar pro Mitgliedstaat“ seien festgelegt worden. Die Verteilung der gewogenen Stimmen unter den Mitgliedstaaten sei in der Erklärung Nummer 20 festgelegt und von allen Kandidatenländern akzeptiert worden. Für die Entwicklung der Stimmschwelle für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen habe es drei verschiedene Modelle gegeben. Jetzt schlage die Präsidentschaft vor, diese ab dem Jahr 2005 mit 232 von insgesamt 321 Stimmen festzulegen, also 72,27 Prozent, damit seien 90 Stimmen erforderlich, um einen Beschluss des Rates verhindern zu können. Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten befürworte genauso wie Österreich diesen Vorschlag, weil er den in Nizza festgelegten Kriterien am exaktesten ent­spreche.

Für das Europäische Parlament sei festgelegt, dass die Anzahl mit 732 Sitzen beschränkt werde. Da Rumänien und Bulgarien nun nicht in der Erweiterungsgruppe vertreten seien, seien etwa 50 Sitze frei, die analog aufgeteilt werden sollen, was beim Gipfel in Brüssel noch nicht entschieden, aber beim Gipfel in Kopenhagen endgültig geklärt werden müsse. Österreich habe dabei zwei Interessen: Einerseits müsse die Ungerechtigkeit bereinigt werden, dass Tschechien und Ungarn völlig willkürlich zwei Sitze weniger zugeteilt bekommen haben als die gleich großen Staaten Portugal, Griechenland und Belgien, andererseits werde man darauf achten, wenn die 50 Sitze neu verteilt werden, sodass Österreich entsprechend seiner Größe einen Sitz mehr bekomme. Dieser Plan werde mittlerweile von allen Mitgliedstaaten akzeptiert.

Was die Reihenfolge der Präsidentschaft – das sei ein heikles Thema – für die Zeit nach der Erweiterung betrifft, sei das derzeitige Prinzip so, dass ein großer Mitgliedstaat zwei kleineren Mitgliedstaaten folge, sodass eine gewichtete Abfolge und eine gewisse Vorbereitungszeit garantiert sei. Es sei Konsens darüber erzielt worden, bis Ende 2006 dieses Prinzip der rotie­renden Präsidentschaft auch nach der Erweiterung beizubehalten, was für Österreich wichtig sei, da es im ersten Halb­jahr 2006 den EU-Vorsitz übernehme. Spätestens ein Jahr nach der derzeitigen Erweiterungs­runde werde eine neue Reihenfolge der Präsidentschaft mit Wirkung ab dem Jahr 2007 fest­gelegt. Das sei ebenfalls bereits von allen Mitgliedstaaten akzeptiert.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner führt aus, dass sich der Europäische Rat in Brüssel auch mit der Frage der Reisebestimmungen für russische Bürger von und nach Kaliningrad befassen werde müssen. Wenn die Erweiterung der EU um Polen und Litauen stattgefunden haben werde, werde die russische Exklave Kalinin­grad außer vom Meer her vollständig von EU-Territorium umgeben sein. Die im Erweiterungs­prozess vorgesehene erforderliche Übernahme des Schengen-Acquis und dessen mit Litauen vereinbarte graduelle Anwendung bedeute, dass russische Bewohner Kaliningrads, die eine Reise in andere Teile Russlands unternehmen wollen – mit Ausnahme von Schiffsreisen über die Ostsee oder Flugreisen –, Aus- und Einreisesichtvermerke benötigen. Kaliningrad sei Russ­land und Präsident Putin persönlich ein wichtiges Anliegen. Österreich gehe es um den Schutz der Außengrenzen der Union, aber auch um die Qualität der Beziehungen Russlands zur EU; dabei sei es wichtig, einen tragfähigen Kompromiss zustande zu bringen. Es dürfe keine generelle Visafreiheit für die nahezu 145 Millionen Russen geben. Der Rat Allgemeine Angele­genheiten habe sich am 30. September darauf geeinigt, dass eine Mitteilung der Kommission vom 18. September die Basis für weitere Diskussionen mit der Präsidentschaft, der Kommission sowie der russischen Seite sein soll.

Dabei gehe es um ein ganzes Maßnahmenpaket: Man spreche von einem vereinfachten Tran­sitdokument, das Schengen-Kriterien entspricht, aber möglichst unbürokratisch und zu günsti­gen Bedingungen für jene russischen Bürger ausgestellt werden soll, die häufig hin- und her­fahren. Es gehe auch um die Möglichkeit einer „feasibility-study“ für Non-Stop-Hochge­schwindigkeitszüge. Die Europäische Union erwarte jedenfalls gewisse Zugeständnisse wie den unverzüglichen Abschluss von Rückübernahmeabkommen mit den Kandidatenländer, vor allem mit Litauen, aber auch die rasche Ratifikation des litauisch-russischen Grenzvertrages.

Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner berichtet weiters, dass am Vorabend eine lange Diskus­sion zur Lage im Nahen Osten geführt worden sei. Der letzte Bombenanschlag, der in Nord­israel 14 Tote und an die 64 Verletzte gefordert habe, zeige, dass sich die Spirale der Gewalt weiterdrehe und durch die verschärfte Politik Israels keine Lösung erreicht worden sei. Sie sei entsetzt über die hohe Zahl der Opfer und spreche allen Anverwandten ihr tiefes Mitgefühl aus.

Die aktuelle Situation in Israel und in den besetzten Gebieten sei dermaßen, dass Selbstmord­anschläge, israelische Militäraktionen, Ausgangssperren sowie die Räumung einzelner Siedler­posten durch die israelische Armee praktisch auf der Tagesordnung stünden, sodass es leider keinen Trend in Richtung Beruhigung gebe. Es setze sich aber immer mehr der Gedanke durch, den die EU und auch sie schon lange vertreten, glaubhafte politische Maßnahmen zu setzen.

Es habe in letzter Zeit eine Reihe von politischen Kontakten gegeben, die aber leider die Per­spektive in Richtung politische Lösungen nicht verbessern konnten, wie zum Beispiel Kontakte zwischen dem palästinensischen Finanzminister Salam Fayad, der amerikanischen Administra­tion und der Europäischen Kommission. Es gebe auch eine Mission des Bush-Sonderge­sandten William Burns und Kontakte zwischen dem palästinensischen Unterhändler Erikat und dem israelischen Außenminister Peres, die am Assoziationsrat Israel – EU teilnahmen. Es liefen aber gleichzeitig zwei für die Zukunft wichtige politische Prozesse, und zwar palästinensische Reformen mit anschließenden Wahlen sowie diplomatische Lösungsversuche des so genann­ten Nahost-Quartetts. Das Quartett sei das wichtigste Instrument in der Nahost-Politik. Die Amerikaner hätten einige Überlegungen beigesteuert, wobei es weitgehende Übereinstimmun­gen mit EU-Positionen, aber auch Unterschiede zum EU-Ansatz gebe.

Der israelisch-palästinensische Konflikt habe sich in den letztern Monaten leider trotz aller Bemühungen weiter vertieft. Immer wieder glaube man, dass es ein „window of opportunity“ gebe, doch dann schaffe man keinen Durchbruch zum Frieden. Durch die Irak-Krise sei zweifel­los eine Situation entstanden, die die USA dazu veranlasst hätte, mit dem Gefühl der erhöhten Dringlichkeit einen politischen Prozess zustande zu bringen, den Österreich nur unterstützen könne.

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold referiert, dass das Ökopunkteregime mit 31. Dezember 2003 ausläuft. Auf der Basis der Schlussfolge­rungen des Europäischen Rates in Laeken habe die Europäische Kommission die Errichtung eines Ökopunktesystems für den Transit von LKWs durch Österreich für das Jahr 2004 mit der Verlängerungsmöglichkeit bis 2006 vorgeschlagen. Der Kommissionsvorschlag sehe die Verrin­gerung der Ökopunkte von derzeit 40 Prozent auf 39,6 Prozent im Jahr 2004 und als Anwen­dungsbereich das gesamte Bundesgebiet vor. Eine wesentliche Änderung zum bestehenden System sei der Wegfall der Fahrtenbeschränkung. Im Zuge der Verhandlungen auf europäi­scher Ebene sei dieser Kommissionsvorschlag auf starke Kritik der Mitgliedstaaten gestoßen, insbe­sondere von Italien, Deutschland und Griechenland, die eine völlige Liberalisierung des Transit­verkehrs einfordern. Anfang Juli 2002 habe in Berlin ein Treffen der Verkehrsminister aus Deutschland, Griechenland, Italien und Österreich unter Beobachtung der Kommission stattge­funden, bei dem die Schaffung von technischen Arbeitsgruppen beschlossen worden sei, die bis November Ergebnisse vorlegen sollen. Bei einem bilateralen Gespräch auf Ministerebene am 25. September 2002 in Italien habe sich gezeigt, dass Italien unter der Vorbedingung des sofortigen Baubeginns des Brenner-Basistunnels zu einer Lösung im Sinne von Laeken bereit sei. Außerdem lege Italien großen Wert darauf, eine etwaige Lösung nicht mit dem Titel „Öko­punkte“, sondern mit einer Formulierung wie „Übergangsregelung“ zu bezeichnen.

Am Rande des Verkehrsministerrates am 3. Oktober 2002 sei eine Zusammenfassung des Er­gebnisses des Gespräches zwischen ihm und dem italienischen Verkehrsminister unterzeichnet worden. Deutschland lehne den Kommissionsvorschlag weiterhin ab, wäre aber allenfalls bereit, für bestimmte Transitkorridore ein Ökopunkteregime zu akzeptieren; Deutschland wolle jedoch in jedem Fall den so genannten Hörbranz-Transit in Vorarlberg und auch den Ost-West-Transit im Donaukorridor von einer derartigen Regelung ausnehmen und sei nicht bereit, sich an der Finanzierung des Brenner-Basistunnels zu beteiligen.

Bundesminister Ing. Reichhold erklärt außerdem, dass am 21. Oktober ein bilaterales Gespräch zwischen ihm und dem dänischen Ratspräsidenten stattgefunden habe, um Lösungsmöglichkei­ten zu sondieren, wobei er den Eindruck gewonnen habe, dass der Vorsitzende des Rates auch an einer Lösung im Sinne dieses Kommissionsvorschlages interessiert sei. Am 11. November werde in Wien der Transitgipfel zwischen Deutschland, Italien, Österreich und Griechenland stattfinden, auf dem die Ergebnisse der bereits eingesetzten technischen Arbeitsgruppen entsprechend evaluiert werden, am 5. Dezember solle beim Verkehrsministerrat eine politische Einigung zur Transitfrage erzielt werden. Dieses Ziel sei auch mit dem Vorsitzenden des Ver­kehrsministerrates, dem dänischen Verkehrsminister Flemming Hansen vereinbart; auch dieser bekenne sich dazu, noch heuer die Transitfrage einer politischen Lösung zuzuführen.

Derzeit sei völlig offen, wann die Europäische Kommission einen Vorschlag für die Wege­kostenrichtlinie vorlegen werde. Diese Zusage der Kommission bestehe schon seit längerem; dies sei aber immer wieder hinausgezögert worden, weil es schon im Vorfeld viele Interventio­nen aus anderen Mitgliedstaaten gegeben habe. Der letzte Stand sei, dass der Kommissions­vorschlag für eine Neuordnung des Tarifsystems der europäischen Verkehrswirtschaft im Spät­herbst vorgelegt werden könne. Daher sei eine Übergangsregelung notwendig, wozu Österreich eine politische Zusage durch die Schlussfolgerungen von Laeken habe. Darüber hinaus habe Österreich immer den Zusammenhang mit der Erweiterung hergestellt.

Das Europäische Parlament habe ebenfalls die Beratungen zum Kommissionsvorschlag aufge­nommen, Berichterstatter Caveri aus Italien habe dem Verkehrsausschuss einen Bericht vor­gelegt. Demnach solle ein Übergangssystem nur für das Jahr 2004 etabliert werden, wobei dieses System aus den bekannten Gründen nicht den Titel „Ökopunkte“ tragen soll. Falls bis Ende 2004 keine revidierte Fassung der Wegekostenrichtlinie beschlossen werde, solle ein Kontingentsystem für EURO 0-, EURO 1- und EURO 2-LKW in den sensiblen Alpenzonen geschaffen werden.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) stellt fest, dass die Europäische Union nun an einen zentralen Punkt ihrer Entwicklung gelange, der von besonderer Qualität sei, da die Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten einen sehr großen Schritt sowie eine Art Wiedervereinigung Europas nach der nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Trennung Europas in zwei Teile dar­stellt. Die SPÖ sei der festen Überzeugung, dass die Erweiterung der EU um die heutigen zehn Kandidatenländer auch ein wesentlicher Schritt zur Schaffung einer europäischen Friedenszone und einer Zone der Stabilität und der wirtschaftlichen Prosperität sei.

Einige Spezialfragen hätten in der innerösterreichischen Diskussion eine größere Rolle gespielt, erstens zum Beispiel die Frage der Kosten der EU-Erweiterung. Im Rahmen des Europäi­schen Rates in Berlin im März 1999 seien die wesentlichen Beschlussgrundlagen für die Frage der Finanzierung beziehungsweise für die Obergrenze der Kosten der Erweiterung festgelegt worden, nämlich im Wesentlichen, dass der Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2000 bis 2006 ausreichen müsse, um die Erweiterungskosten zumindest in dieser Periode zu finanzie­ren, sodass der Prozentsatz von 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes der EU-Staaten auch die Obergrenze der Kosten der Gesamtunion inklusive Erweiterung um die neuen Mitgliedstaa­ten umfasse und nicht überschritten werden dürfe.

Innerösterreichisch gebe es seit geraumer Zeit Debatten darüber, ob die Erweiterung der Euro­päischen Union etwas kosten dürfe oder nicht. Die SPÖ sei der Überzeugung, dass die Erweite­rung etwas kosten müsse, da die Staaten, die jetzt überwiegend in die EU aufgenommen werden sollen, Staaten seien, die einerseits einen wirtschaftlichen Nachholbedarf haben und andererseits insbesondere die an die Erweiterungskandidatenländer angrenzenden Länder – darunter auch Österreich – den allergrößten Nutzen davon hätten, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern überwiegend positiv verläuft, weil das die Voraussetzung dafür sei, dass der Druck auf den österreichischen Arbeitsmarkt gering gehalten werden könne: Je besser die beruflichen Chancen und Einkommensperspektiven in den Nachbarländer seien, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher Einpendler auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Österreich habe schon bisher massiv von der Annäherung der Kandidatenländer an die EU in wirtschaftlicher Hinsicht profitiert. Wirtschaftsforscher gingen davon aus, dass das auch in Zukunft so sein werde. Jeder vernünftig investierte Euro in den Kandidatenländen komme auch Österreich unmittelbar zugute. Eine Diskussion, wie sie von einzelnen Regie­rungsmitgliedern betrieben worden sei, dass man die Kosten scharf auf einen Wert von circa 1,10 Prozent, der den Ausgabenrahmen der Europäischen Union vor der Erweiterung und vor den Sparmaßnahmen zugunsten der Erweiterung betrifft, begrenzen müsse, sei nicht wirklich realistisch und nicht im Interesse Österreichs gelegen.

Abgeordneter Dr. Einem bringt einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend Kosten der EU-Erweite­rung ein, der darauf zielt, dass die österreichische Bundesregierung ersucht wird, sich im Rah­men der Beratungen in Brüssel an die Beschlusslage von Berlin zu halten, die Ausgabenober­grenze von 1,27 Prozent des BSP einzuhalten, jedoch keine unterhalb dieses Rahmens festzu­legende Begrenzung vorzunehmen und dadurch die Erweiterung allenfalls nachträglich in Frage zu stellen.

Zweitens habe die innerösterreichische Debatte zur Frage des Beitritts der Tschechischen Republik sowohl die Frage des AKW Temelín als auch die Frage der Beneš-Dekrete zum Ge­genstand gehabt. Die SPÖ gehe davon aus, dass die Gutachten, die einerseits das Euro­päische Parlament und andererseits die Europäische Kommission zur Frage, ob die wenigen Beneš-Dekrete tatsächlich ein Beitrittshindernis der Tschechischen Republik darstellen, haben anfertigen lassen, ziemlich klar in dem Sinne ausgefallen seien, dass die Beneš-Dekrete kein Beitrittshindernis darstellen. Es erscheine der SPÖ aber wünschenswert und notwendig, dass es zu einer Geste des guten Willens und der Anerkennung des Unrechts, das im Zusammen­hang mit der Aussiedlung beziehungsweise Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit aus der Tschechoslowakei im Jahre 1945 und danach erfolgt sei, eine Erklärung ähnlich jener, wie sie die Tschechische Republik gegenüber Deutschland abgegeben hat, gebe. Diese Geste des guten Willens könne aber nicht durch Druck erreicht werden, sondern müsse auf dem Wege stiller Diplomatie erreicht werden.

Abgeordneter Dr. Einem erinnert daran, dass auch Österreich unter den Bedingungen außen­politischen Drucks nicht dazu bereit gewesen sei und auch nicht sein konnte, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Das gelte für alle Staaten unter vergleichbaren Bedingungen, auch für die Tschechische Republik. Die SPÖ sei der Meinung, dass diesbezügliche Bemühungen noch zu intensivieren seien.

Er bringt einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Erweiterung ein, der darauf zielt, dass die Bundesregierung alles in ihrer Macht stehende auf diplomatischer Ebene unternimmt, um eine entsprechende Lösung zu erreichen, und klar eine Verknüpfung dieser Frage mit den Erweite­rungsverhandlungen und einem Veto gegen den Beitritt der Tschechischen Republik vermeidet.

Drittens sei das Thema Transit anzusprechen. Er, Einem, stelle den einen oder anderen Wider­spruch zwischen dem, was Bundesminister Ing. Reichhold berichtet habe, und dem, was sonst bekannt sei, fest. Der Minister habe zwar nicht zu verantworten, was in ausländischen Zeitun­gen stehe, aber am Tag nach dessen Zusammentreffen mit dem italienischen Verkehrsminister sei in italienischen Zeitungen sehr klar davon die Rede gewesen, dass er, Reichhold, sich mit seinem Amtskollegen darauf verständigt habe, den Kontigentierungsmechanismus, den es bis Ende 2003 gebe, ab 2004 aufzulassen. Der Minister habe jetzt aber genau das Gegenteil be­richtet. Abgeordneter Dr. Einem regt an, dass Bundesminister Ing. Reichhold jene Vereinbarun­gen, die er mit dem italienischen Verkehrsminister getroffen habe, auch dem Hauptausschuss zur Kenntnis bringe. Erstaunlich sei auch, dass ein Antrag auf Stellungnahme der freiheitlichen Fraktion vorliege, in dem unter anderem die österreichischen Regierungsvertreter ersucht werden, klarzustellen, dass es vor Abschluss der Beitrittsverhandlungen einer Lösung hinsicht­lich der nachhaltigen Reduktion der Schadstoffemissionen im Straßenverkehr in und durch Österreich bedürfe. Das sei eine Formulierung, die ein Veto nahe lege, sofern nicht vorher eine Lösung erreicht werde.

Er möchte von Bundesminister Ing. Reichhold wissen, was dieser in den letzten zweieinhalb Jahren eigentlich getan habe. Er erinnere sich relativ gut daran, dass der Minister bei der letzten Hauptausschusssitzung zum Thema Transit deutlich erklärt habe, dass Vetodrohungen nicht zur Lösung von Fragen dienen, sondern eher dazu, Türen zuzuschlagen.

Abgeordneter Dr. Einem bringt einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG der Abgeordneten Dr. Einem, Eder, DDr. Niederwieser und KollegInnen betreffend Tran­sit­vertrag und Übergangsregelung nach 2003 ein, in dem die zuständigen Mitglieder der Bun­des­regierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, aber auch die Bundesminisein für auswärtige Angelegenheiten und der Bundeskanzler dazu aufge­fordert werden, im Rahmen der Verhandlungen um eine Nachfolgeregelung für den österreichi­schen Transitvertrag alles zu unternehmen, um die zunehmende Belastung Österreichs sowie der Österreicher und Österreicherinnen durch den Transitverkehr zu begrenzen und die nötigen Vereinbarungen auch mit der EU und den Nachbarstaaten zu treffen, um sicherzustellen, dass der Verkehr künftig umweltfreundlich und anrainerfreundlich bewältigt werden kann.

Viertens habe Bundeskanzler Dr. Schüssel von der Notwendigkeit gesprochen, dass es in den nächsten sechs Wochen zu einer gemeinsamen Lösung kommen müsse, wie es in der Ge­meinsamen Agrarpolitik weitergehen solle. Ihn, Einem, interessiere nun, welche Position die Bundesregierung diesbezüglich tatsächlich einnimmt. Er fragt, ob die Position, die Botschafter Dr. Woschnagg im letzten ECOFIN am 8. Oktober eingenommen hat, die Position der Bundes­regierung sei. Der Botschafter vertrete ja dort Österreich und nicht einzelne Regierungsmitglie­der. Dieser habe festgestellt, dass Österreich hinsichtlich des Finanzrahmens Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zumindest bis 2006 ablehne. Das überrasche ihn, Einem, jetzt. Am 16./17. Oktober habe es im AStV, im Ausschuss der Ständigen Vertreter, eine ähnliche Festlegung gegeben, die besage, dass die Frage der Direktzahlungen in Österreich Gegenstand der Diskussion auf höchster Regierungsebene sei. Die BürgerInnen hätten einen Anspruch darauf, diese Position zu erfahren.

Abgeordneter Dr. Einem bringt einen weiteren Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Erweiterung und Gemeinsame Agrarpolitik ein, der darauf zielt, die Bundesregierung aufzu­fordern, die Weichenstellung für eine grundlegende Reform der Agrarpolitik der EU nicht zu behindern. Die Positionslosigkeit beziehungsweise die unterschiedlichen Positionen, die von Vertretern Österreichs eingenommen worden seien, dienten jedenfalls nicht der Sache.

Abschließend ersucht er um klare Antworten auf die aufgeworfenen Fragen.

Obmann Dr. Heinz Fischer gibt bekannt, dass die vier von Abgeordnetem Dr. Einem einge­brach­ten Anträge die Beilagennummern 1/1, 1/2 1/3 und 1/4 haben.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) dankt für die von den Regierungsmitgliedern gegebe­nen Informationen. Im Regierungsprogramm dieser Koalitionsregierung stehe die EU-Erweite­rung unter dem Titel „für ein gemeinsames Europa“ an erster Stelle. Auf drei Seiten werden dort die Vorgangsweise und die Bedingungen, nach denen eine richtige Wiedervereinigung Euro­pas im Zuge dieser Erweiterung erfolgt, skizziert. Das gelte als gemeinsames Programm. Nun sei man wiederum an einer „Wegstation des Erweiterungszuges“, nämlich vor einem Gipfel. Eine richtig gemachte Wiedervereinigung Europas fördere den Frieden und den Wohlstand, schütze die Sicherheit und Österreich werde vor allem von einer heutigen Randlage wieder in die Mitte des Kontinents gerückt. Das sei eine Wiedervereinigung mit einem uralten Kulturraum, in dem Österreich seit dem Jahre 1526 viele Jahrhunderte lang in einem gemeinsamen Staats­verband gelebt habe.

Dr. Khol weist darauf hin, dass beispielweise zur Frage der Kernkraftwerke auf der einen Seite wesentliche Erfolge bezüglich deren Stilllegung erreicht worden seien, auf der anderen Seite betreffend Temelín mit dem „Melker Prozess“ und der Brüsseler Vereinbarung ein wesentlicher Fortschritt erreicht werden konnte. Das sei der Weg zur Erreichung europäischer Sicherheits­standards, das werde zu einer wichtigen Frage der Europäischen Union. Der Vertrag, der mit der Tschechischen Republik abgeschlossen worden sei, werde Teil des EU-Primärrechts und damit klagbar. Schließlich sei von Bundesminister Mag. Molterer in dessen letzter Besprechung mit Vertretern der Tschechischen Republik die Schaffung einer wissenschaftlichen Arbeits­gruppe auf bilateraler Ebene zur Erörterung aller Fragen der Energiepartnerschaften einschließ­lich von Ausstiegsszenarien bis hin zu einer Nullvariante vereinbart worden. Da sei man auf dem Wege zu einer Regelung, wie sie den Entschließungen des Hauptausschusses, die über viele Jahre hinweg gemeinsam gefasst worden seien, entspreche.

Ebenso sei man in der Transitfrage – interessanterweise bestätige das auch der von Abgeord­netem Dr. Einem eingebrachte Antrag auf Stellungnahme – eigentlich auf einem konsensualen Weg. Er stehe nicht an zu sagen, dass Bundesminister Ing. Reichhold bei seiner Begegnung mit dem italienischen Verkehrsminister Lunardi in Bozen einen Stillstand in dieser Frage be­endet habe und in der Tat in den Verhandlungen mit Italien ein Durchbruch erzielt worden sei. Die bisher durch Verhandlungsverweigerung erzielte Blockadesituation sei von einem intensi­ven Verhandlungsprozess abgelöst worden. Die Ziele seien klar: mengenmäßige Begrenzung der Transitfahrten in Form von Ökopunkten durch Verlängerung des österreichischen Vertrags­werkes mit der EU; Wegekostenrichtlinie mit der Ermöglichung der Querfinanzierung von der Straße auf die Schiene; Brenner-Basistunnel, wobei es gelungen sei, dessen Verwirklichung um zehn Jahre zu beschleunigen und von italienischer Seite Finanzierungszusagen zu erhalten. Das, was von Bundesminister Ing. Reichhold gesagt worden sei, entspreche genau dem, was die Fakten- und Informationslage sei. Jede Zeitung in einem Land argumentiere eben, wie es nationalen Interessen entspreche.

Bezüglich der bilateralen Frage mit der Tschechischen Republik zur Weitergeltung von zwei Beneš-Dekreten und des Amnestiegesetzes seien die Standpunkte relativ klar. Diese inkrimi­nierten Dekrete sollen dahin gehend totes Unrecht werden, dass das Amnestiegesetz als menschenrechtswidrig qualifiziert nicht mehr angewendet wird, dass die bestehenden Gesetze nicht diskriminierend angewendet werden und dass auf freiwilliger Basis, der österreichischen Zwangsarbeiterentschädigung folgend, ein Härtefonds eingerichtet wird. Das sei die bekannte Position und mit großer Zufriedenheit habe er gehört, dass es einen weitgehenden Konsens zwischen den Fraktionen im Europäischen Parlament gebe, wo gerade diese Frage debattiert werde. Der Bundeskanzler habe in einer APA-Meldung von der „Zeit der Diplomaten und der Verhandlungen“ gesprochen. Diese bilaterale Frage, die durch das Europäische Parlament und die Gutachten in manchen Bereichen europäisiert worden sei, sei auf gutem Wege, gelöst zu werden.

Betreffend Arbeitsmarkt sei eine auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiterkammer unbestrittene gemeinsame Position gegeben, was die Übergangsfristen an­gehe, sodass von diesen Punkten bereits sehr viel abgearbeitet sei. Manches sei jedoch noch offen wie zum Beispiel die Landwirtschaftsregelung, da sei man mitten in der Diskussion. Abge­ordnetem Dr. Einem sei zur Landwirtschaft nur eingefallen, dass die österreichische Bundes­regierung eine Landwirtschaftsregelung nicht behindern möge. Wenn man Bundesminister Mag. Molterer und die in Österreich sehr heftig geführte Diskussion, bei der es eine Trennlinie zwischen Grünlandbauern und Getreidebauern, aber auch eine gemeinsame Solidarität des Bauernstandes gegenüber Brüssel gebe, und die Diskussion, die mit EU-Kommissar Dr. Fischler geführt werde, interpretiere, so verweigere die SPÖ entweder die Kenntnisnahme der Fakten oder er, Khol, werde noch Informationen nachreichen. Die Regierung sei sehr aktiv, die Interessen des Bauernstandes in Österreich – der ländliche Raum und der bäuerlich struktu­rierte Familienbetrieb, der dort gestaltend wirke, seien eine gesellschaftspolitische Frage – werden berücksichtigt, die Verhandlungen seien allerdings noch im Gange.

Betreffend Finanzfragen gebe es Festlegungen und Verhandlungen. Man müsse sich noch gedulden, bis man mehr Informationen habe.

Abschließend sei zu sagen, dass man durch die zuständigen Minister und die ständig zugestell­ten schriftlichen Unterlagen sehr gut informiert sei. Dort, wo der Informationsstand gegeben sei und die Lösungen schon vorliegen, seien weitere Beschlussfassungen im Hauptausschuss nicht nötig. Daher werde die ÖVP Anträge auf Stellungnahme zu diesen Themen ablehnen bezie­hungsweise ihnen nicht zustimmen. In den beiden offenen Fragen Landwirtschaft und Finanzen gebe es noch zu wenige Entscheidungen und es sollte nicht passieren, was zum Beispiel be­treffend Tiertransport passiert sei, als nämlich damals eine bindende Stellungnahme von ÖVP und SPÖ abgegeben worden sei und diese letztlich bewirkt habe, dass eine schlechte Lösung zustande kam, da die Regierung dermaßen gebunden gewesen sei, dass sie einer besseren Lösung nicht habe zustimmen können. (Abg. Schieder: Nein, das ist Geschichts­fälschung!)

Abgeordneter Dr. Khol entgegnet, dass das keine Geschichtsfälschung sei und dass dieser Zwi­schenruf ordnungsrufwürdig sei. (Abg. Schieder: „Geschichtsfälschung“ ist kein Ordnungsruf!)

Die ÖVP habe Vertrauen in die Regierung, man wolle die Verhandlungen nicht behindern und werde daher verbindlichen Stellungnahmen nicht zustimmen.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) hält es für wichtig, festzuhalten, welche Partei sich für welche Anliegen einsetzt, zumal dieser Hauptausschuss dazu diene, wesentliche Weichenstellungen für den Rat von Brüssel sowie auch für den Rat von Kopenhagen vorzu­nehmen.

Die SPÖ schreibe in ihrem Antrag vor allem fest, dass die Erweiterung für Österreich zusätz­liche Kosten – in der Höhe von rund 400 Millionen € oder 5,5 Milliarden Schilling – mit sich bringen solle. Dies sei in Zeiten, in denen man in Österreich „rote Misswirtschaft“ aufzuarbeiten habe, nicht zu machen. Auch aus den Anträgen der Grünen gehe hervor, dass diese vor allem wesentliche Interessen Ungarns und Tschechiens, nicht aber österreichische Interessen vertre­ten, nämlich mehr Sitze im EU-Parlament für Ungarn und Tschechien sowie ein klares Bekennt­nis zum Beitritt Tschechiens, und zwar ohne Wenn und Aber, ohne eine Lösung der offenen Fragen im Zusammenhang mit den Unrechts-Dekreten und mit Temelín.

Abgeordneter Mag. Schweitzer meint weiters, man sollte sich diesbezüglich etwas mit der Reali­tät beschäftigen, die sich auch in den aktuellen Tageszeitungen wieder finde, etwa in Schlag­zeilen wie „EU-Kandidaten im Korruptions-Sumpf“ oder „Brüchiger Pakt: Die Defizit-Sünder machen Druck“. Die Geschehnisse rund um den Stabilitäts- und Wachstumspakt in den letzten Tagen hätten gezeigt, dass offenbar von den großen EU-Staaten diktiert werden soll, wie es weitergehen soll. Obwohl es klar definierte Spielregeln gebe, wolle man sich nicht daran halten, wenn man damit selbst in Schwierigkeiten komme, so wie dies zuletzt in Deutschland in der Budgetpolitik der Fall gewesen sei, weil „rot-grüne Misswirtschaft“ dort dazu geführt habe, dass es Riesendefizite und Finanzierungsprobleme gebe.

Es sei daher nicht verwunderlich, dass EU-weiten Umfragen zufolge die Skepsis betreffend Erweiterung wieder ansteige und für einzelne Staaten die Zustimmung zu einem Beitritt unter einem Viertel der befragten Bevölkerung liege, zumal allen klar werde, dass es immer mehr zum Usus werde, auf europäischer Ebene selbst definierte Spielregeln, die das Funktionieren dieser Gemeinschaft sicherstellen sollten, nicht einzuhalten. Offensichtlich würden diese Spiel­regeln nur dann gelten, wenn kleine Länder zu deren Einhaltung gezwungen werden sollen.

Deshalb bringen die Freiheitlichen einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B‑VG der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend Europäischer Rat von Brüssel und Erweiterung (66545/ EU XXI. GP) ein: weil es ihnen darum gehe, dass die Spiel­regeln ein­gehalten werden. Es gebe einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, dessen Schaffung für notwen­dig erachtet worden sei, um das Vertrauen der Bevölkerung in die gemeinsame Währung und um die Pensionen sicherstellen zu können. Der Stabilitätspakt liege – so sei damals betont worden – gerade im Interesse der kleineren Länder, denn wenn ein großes Land ein Finanz­problem habe und keine Finanzdisziplin übe, seien die Effekte für alle anderen Län­der sehr nachhaltig. Dies bedeute nichts anderes, als dass die kleinen Länder, die ihre Haus­halte in Ordnung gebracht haben, nun zur Kasse gebeten werden, weil ein rot-grün regiertes Deutsch­land Finanzprobleme habe und diesen Stabilitätspakt nicht einhalten könne, weil die Überschuldung dort mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrage. Angesichts dessen müssten sich die anderen Länder dann noch sagen lassen, dass der Stabilitätspakt „dumm“ sei, wie der Präsident der Europäischen Kommission gemeint habe.

Das könne man, so Abgeordneter Mag. Schweitzer, nicht schweigend zur Kenntnis nehmen, sondern Österreichs Vertreter in Brüssel seien gefordert, auf europäischer Ebene klar dagegen aufzutreten, und dafür wolle man auch einen entsprechenden Handlungsauftrag mitgeben.

Er weist aber auch darauf hin, dass aus den von der EU-Kommis­sion laufend publizierten Fort­schrittsberichten hervorgehe, dass viele Länder die Vorausset­zungen für einen Beitritt noch nicht erfüllen. So sei Korruption in vielen Ländern ein großes Problem, aber auch in den Berei­chen Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Sozialpolitik, Beschäftigung, Energie, Regionalpoli­tik, Umweltschutz, illegale Einwanderung, Migration, Asyl et cetera gebe es nach wie vor Pro­bleme, insbesondere in Polen, in der Slowakei und in der Tschechischen Republik. Man habe daher die Verpflichtung, darauf hinzuweisen, dass diese Probleme vorher gelöst werden müssen.

Die Freiheitlichen hätten von Beginn an betont, dass die Erweiterung nur dann erfolgreich sein könne, wenn die Voraussetzungen sowohl innerhalb der Union selbst als auch bei den Kandida­tenländern gegeben seien. Folglich sei nicht dem zeitlichen Aspekt Priorität einzuräumen, sondern der Erfüllung der Voraussetzungen, die auf europäischer Ebene definiert worden seien.

Weiters müsse die Lösung im Transitbereich tatsächlich in jener Form erfolgen, wie dies Österreich von Seiten der Europäischen Union signalisiert worden sei. Dies müsse aber auch klar und deutlich im Vorhinein festgehalten werden.

Ebenso müsse festgehalten werden, dass die Gemeinsame Agrarpolitik in nächster Zeit finanzierbar sei, ohne dass dadurch entsprechende Mehrkosten entstehen. Die Freiheitlichen seien für eine Stabilisierung der österreichischen Nettozahlungen auf dem derzeitigen Niveau.

Weiters gehe es den Freiheitlichen darum, dass menschenrechtswidrige Bestimmungen dann nicht mehr in Kraft sein dürfen, wenn jene Länder, in denen es diese menschenrechts­widrigen Bestimmungen heute noch gebe, Mitglied der Europäischen Union seien. Bereits im Jahr 1993 sei von der Europäischen Union festgehalten worden, dass kein Land Mitglied dieser Wertegemeinschaft werden dürfe, wenn in diesem Land menschrechtswidrige Bestimmungen in Kraft seien. Deshalb sei auch in dieser Frage vor einem Beitritt eine Lösung einzufordern.

Nicht zuletzt gehe es bei den Kernkraftwerken, insbesondere bei Temelín, um die Überprüfung der Nullvariante, also der Stilllegung dieses Kraftwerks, weil diese nicht nur die sicherste, son­dern – wie auf Grund vieler Studien nachweisbar – auch die wirtschaftlichste Lösung sei.

Diese Forderungen seien im Antrag der Freiheitlichen enthalten. Es handle sich dabei um Anliegen der österreichischen Bevölkerung, deren Interessen die Freiheitlichen in erster Linie vertreten. Alle in diesem Antrag enthaltenen Punkte befänden sich auf der Basis des Regie­rungsprogramms und in Übereinstimmung mit dem Regierungsübereinkommen, womit für alle, die die Interessen der österreichischen Bevölkerung im Auge haben, eine Zustimmung leicht möglich wäre.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass der von Abgeordnetem Mag. Schweitzer einge­brachte Antrag die Beilagennummer 1/5 hat.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kolle­gen betreffend Europäischer Rat von Brüssel und Erweiterung (66545/EU XXI. GP)

Der Ausschuss wolle beschließen:

„Die österreichischen Regierungsvertreter mögen beim Europäischen Rat in Brüssel klarstellen, dass für Österreich

die Klärung der Frage der Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Sinne der seiner­zeitigen Zielsetzungen als Voraussetzung für einen harten Euro Vorrang einzuräumen ist, und

die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die

die Sicherung der Währungsstabilität,

die Sicherung von Sparguthaben, Löhnen und Pensionen,

die Sicherung des Vertrauens der Bürger in die Politik,

die Sicherung des Vertrauens der Bürgen in den Euro,

die Sicherung der Wirtschaft- und Währungsunion bedeutet,

notwendig ist.

Folglich kann der Erweiterungsprozess erst dann zielführend abgeschlossen werden, wenn die Haushalte der Mitgliedsstaaten glaubhaft und nachhaltig in Ordnung gebracht wurden und die Bürger und die Staaten sich darauf verlassen können, die von der Gemeinschaft selbst aufge­stellten Regeln auch tatsächlich eingehalten werden.

Die österreichischen Regierungsvertreter werden weiters ersucht, im Rat dafür einzutreten, dass die Kommission die von den Kandidatenländern übermittelten Informationen über ihre Fortschritte vollinhaltlich überprüft und eine Evaluierung der tatsächlichen Erfüllung und Beseiti­gung der von der Kommission in den Fortschrittsberichten festgestellten Defizite erfolgt.

Die österreichischen Regierungsvertreter werden schließlich ersucht klarzustellen, dass es vor Abschluss der Beitrittsverhandlungen der Lösung folgender für Österreich zentraler Fragen bedarf:

Lösung hinsichtlich der nachhaltigen Reduktion der Schadstoffemissionen im Straßenverkehr in und durch Österreich (Transit),

finanzierbare und langfristige Lösung in der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie

Stabilisierung der österreichischen Nettozahlungen

und dass bis zur Ratifikation des Beitrittsvertrages die Aufhebung menschenrechtswidriger Beneš-Dekrete und Avnoj-Bestimmungen und Klärung der Vermögensrestitution sowie die

Stilllegung von nicht nachrüstbaren Kernkraftwerken, die Schaffung einheitlicher und hoher Sicherheitsstandards für noch in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke und die Nullvariante für das KKW Temelín notwendig ist.“

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzu­setzen oder auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Ange­legenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

*****

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) stellt fest, dass Abgeordneter Mag. Schweit­zer einerseits die Positionen der großen europäischen Staaten zum Stabilitätspakt kritisiert habe, dass gleichzeitig aber – sowohl im Rahmen des Konvents als auch aus sonstigen Stellungnahmen der Freiheitlichen zum Thema Europäische Union – zu erkennen sei, dass die Freiheitlichen den Einfluss der Nationalstaaten im Konvent stärken wollen, ohne Vermittlungs­verfahren et cetera vorzusehen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.) – Dies habe sehr wohl sehr viel mit der Einhaltung der Spielregeln zu tun.

Zweitens habe Abgeordneter Mag. Schweitzer die Frage der Korruption ins Treffen geführt. Ab­geordnete Dr. Lichtenberger verweist in diesem Zusammenhang auf die Berichte zur Korrup­tionsbekämpfung innerhalb der Europäischen Union, aus denen hervorgehe, dass die derzei­tige Europäische Union von Korrup­tion – einem in großen Strukturen auftretenden Problem – ganz genauso betroffen sei wie die Beitrittskandidatenländer. Diese als Argument zur Bekämp­fung eines Beitritts heranziehen zu wollen, sei eine Vorgangsweise, die sich ziemlich plakativ ausnehme.

Zu den vorgelegten Dokumenten hat Abgeordnete Dr. Lichtenberger noch folgende Fragen: Im Dokument 67075 seien einige aus ihrer Sicht noch etwas unklare Formulierungen enthalten, zu denen sie Bundeskanzler Dr. Schüssel und Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner dringend um Aufklärung ersucht. Hinsichtlich der auf Seite 4 erwähnten spezifischen Schutzklauseln betref­fend das Funktionieren des Binnenmarktes beziehungsweise den Bereich Justiz und Inneres würde sie gerne erfahren, welche Position Österreich zu den Schutzklauseln in diesen beiden Punkten einnimmt. Dies sei eine Frage von zentraler Bedeutung, da es dabei um die Beitritts­strategie in den ersten Jahren gehe.

Ein weiterer aus ihrer Sicht sehr zentraler Punkt sei der Umfang der Gesamtmittelausstattung für die Strukturmaßnahmen. Aus den Berichten über die Beitritte von Portugal und Spanien und die damaligen Förderungsprogramme im Regionalförderungsbereich lägen ja Erfahrungen vor, gerade auch im Hinblick auf Infrastrukturen, sei es im Bereich Umweltschutz – etwa Wasser- beziehungsweise Abwasserentsorgung –, sei es im Bereich Verkehrsbauten, Bahn- und Straßeninfrastruktur. Es sei leider festzustellen gewesen, dass in den ersten Jahren dieser Finanzierungen jene Regionen, die vorher benachteiligt gewesen seien, in hohem Maße be­nachteiligt geblieben seien und dass nur einige wenige Regionen vorgezogen worden seien, und zwar durch Infrastrukturausbauten, die sich dann – wie etwa im Fall des Flughafens Funchal – sogar als kontraproduktiv erwiesen hätten.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger hält es daher für notwendig, in Punkt 13 eine starke Präzisie­rung der Notwendigkeit dieser Investitionen im Infrastrukturausbau vorzunehmen, um aus den gewonnenen Erfahrungen auch die entsprechenden Lehren zu ziehen und die Vorgangsweise in diesem Bereich in der erforderlichen Richtung weiterzuentwickeln.

Eine weitere wichtige Frage stelle sich im Zusammenhang mit den beschriebenen Förderungs­programmen für Reaktorstilllegungen beziehungsweise im Zusammenhang mit Ignalina und Bohunice, die explizit erwähnt worden seien. Während in Bezug auf Ignalina das Schließungs­jahr 2009 im Text erwähnt werde – was zwar nicht den Notwendigkeiten, wohl aber den bisheri­gen Vereinbarungen entspreche –, sei in Bezug auf Bohunice kein Stilllegungsdatum erwähnt worden. Dieses sei nach derzeitigem Stand zwischen 2006 und 2008 angesetzt gewesen. Für das Förderungsprogramm werde als Zeitraum 2004 bis 2006 genannt. Es stelle sich die Frage, warum für Bohunice kein Stilllegungsdatum erwähnt werde, ob dies Absicht sei, sowie die Frage, welche Position die Regierung dazu einnehme.

Ein weiterer Punkt betreffe die Transitfrage. In der Einigung mit dem italienischen Verkehrs­minister Lunardi habe Bundesminister Ing. Reichhold die Weiterexistenz einer numerischen Obergrenze explizit ausgeschlossen. Dies sei nicht ein Schritt in jene Richtung, die einzuschla­gen notwendig sei.

Im RETT-Ausschuss des Europäischen Parlaments liege derzeit der Caveri-Bericht vor, der bei weitem nicht zufrieden stellend sei. Es gebe aber auch den Bericht des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, in dem nach wie vor eine Obergrenze empfohlen werde, sowie weiters eine Entschließung, die noch aus der Debatte über den vorherigen Transitvertrag stamme, in der das Europäische Parlament, und zwar auf Antrag des Abgeordneten Dr. Swo­boda, klarlege, dass es eine Obergrenze wolle. Wenn jetzt einer Verhandlungsposition, wonach es keine Obergrenze geben könne, zugestimmt werde, dann falle Österreich damit seinen eigenen Intentionen in den Rücken.

Es bestehe für Österreich, so Abgeordnete Dr. Lichtenberger, in der Transitfrage ohnedies nicht mehr viel Hoffnung, zu einer effizienten, machbaren und wirksamen Transitregelung zu gelan­gen; wenn aber Bundesminister Ing. Reichhold selbst sage, es dürfe keine Obergrenze mehr geben, dann falle er damit weit hinter das zurück, was Österreich noch an Chancen – zum Bei­spiel über Vermittlungsverfahren im Europäischen Parlament – hätte.

Deshalb bringt Abgeordnete Dr. Lichtenberger – auch um jene Kräfte zu stützen, die im Euro­päischen Parlament an der Aufrechterhaltung einer Obergrenze interessiert sind – den Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger be­treffend die nötige dauerhafte Lösung der Transitfrage im Hinblick auf die Erweiterung der Euro­päischen Union als Thema der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates ein, wobei es genau um die Aufrechterhaltung dieser Obergrenze gehe. Österreich sollte auf jene Kräfte setzen, die die Position Österreichs stützen – und nicht auf jene, die sie bekämpfen.

Abschließend merkt Abgeordnete Dr. Lichtenberger noch an, dass Bundesminister Ing. Reich­hold in seinen Ausführungen einiges sehr verkürzt dargestellt habe, zum Beispiel auch die Tatsache, dass die Glaubwürdigkeit Österreichs in der Transitfrage auf europäischer Ebene in den letzten zweieinhalb Jahren schwere Einbußen erlitten habe.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass der von Abgeordneter Dr. Lichtenberger vorgelegte Antrag die Beilagennummer 1/6 hat.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger be­treffend die nötige dauerhafte Lösung der Transitfrage im Hinblick auf die Erweiterung der Euro­päischen Union als Thema der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates (67075/EU XXI. GP)

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie, die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten und der Bundeskanzler werden dringend und mit Nachdruck aufgefordert, bei den Verhandlungen über eine Übergangs- bzw. Nachfolgeregelung zum LKW-Transitverkehr für den Zeitraum nach 31.12.2003

keinem Beschluss zustimmen und keine politische Einigung mittragen, welche eine solche Regelung ohne Beibehaltung der 108-Prozent-Klausel zur Folge hätten und

die sachlich und rechtlich mehrfach auch von EU-Institutionen begründete Notwendigkeit der Beibehaltung einer Obergrenze wie der 108-Prozent-Klausel endlich mit Nachdruck im Rat und gegenüber der Kommission vertreten.

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesge­setz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.

*****

Obmann Dr. Fischer teilt weiters mit, dass Bundesminister Ing. Reichhold ihn ermächtigt habe, ein Papier mit der Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse des Treffens Reichhold – Lunardi zu verteilen.

Dieses hat folgenden Wortlaut:

Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse des Treffens zwischen den Ministern Reichhold und Lunardi in Rom vom 25.9.2002

1. Die im Protokoll Nr. 9 (über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den Kombinierten Ver­kehr in Österreich) zur Akte über den Beitritt Österreichs vorgesehene Ökopunkteregelung für den Transit durch österreichisches Staatsgebiet endet am 31.12.2003.

2. Die gesamte Problematik des Transits durch die Alpentäler und durch österreichisches Staatsgebiet ist auf trilateraler Ebene zwischen Italien, Österreich und Deutschland sowie unter Teilnahme Griechenlands und mit Unterstützung durch die Europäische Kommission umgehend und mit dem Ziel in Angriff zu nehmen, möglichst noch 2003 eine neue europäische Regelung zu finden, die auch die Kriterien für die Finanzierung des Schnittpunkts Straße-Bahn umfassen soll.

3. Um den Transit durch österreichisches Staatsgebiet auch nach dem 31.12.2003 zu regeln, falls es bis zum besagten Datum noch nicht möglich ist, eine neue Regelung einzuführen, soll ein Übergangssystem im Sinne des von der Europäischen Kommission im Gefolge des Gipfels von Laeken (wie in Punkt 58 der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Laeken ausgeführt) vorgelegten Vorschlags in Kraft treten, das aber nicht über das Jahr 2006 hinaus wirksam sein soll, wobei auf technischer Ebene in den kommenden Wochen noch Änderungen bzw. Präzisierungen hinsichtlich technischer Fragen anzustreben sind:

Klarstellungen sollen beispielsweise in Punkten erfolgen, die in den vergangenen drei Jahren zu Verfahren vor dem EuGH geführt haben, wie insbesondere die Zählweise der Fahrten durch das System im Hinblick auf die Definition der Stichfahrten. Darüber hinaus darf die Übergangs­regelung keine zahlenmäßige Beschränkung der Zahl der Fahrten (108%-Klausel) mehr ent­halten.

4. Ziel ist es, das Übergangssystem in der für kommenden Dezember anberaumten Sitzung zur Genehmigung vorzulegen, welches es zu beschließen gilt.

5. Anlässlich des Gipfels von Wien am 11.11.2002 soll ein Memorandum unterzeichnet werden, dass sich an den Prinzipien des freien Warenverkehrs und insbesondere der Berücksichtigung der Erfordernisse der Umwelt orientiert und das folgende Punkte umfassen soll:

Vorantreibung des Projekts des Eisenbahntunnels unter dem Brenner mit der Zielsetzung, dessen Bau bis 2012 abzuschließen. Zu diesem Zweck sollen die Finanzierungsmöglichkeiten für das Bauwerk sondiert werden, wobei das Ziel in einer möglichst weitgehenden Beteiligung der Europäischen Kommission sowie in einer Beteiligung Deutschlands und auf Basis einer Querfinanzierung des Schnittpunkts Straße-Bahn besteht;

Bestellung eines „Advisors“ zur Feststellung der wirtschaftlichen Folgen durch eine Inbetrieb­nahme des Brennertunnels;

Beseitigung von Flaschenhälsen im österreichischen und italienischen Eisenbahnnetz;

Förderung und Stärkung aller kombinierten Warentransportmöglichkeiten (Container, Rollende Landstraße etc.) mit der Verpflichtung für die Eisenbahngesellschaften, Qualität und Effizienz zu heben.

*****

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) äußert sich dahin gehend, dass sich auf der einen Seite die Ausführungen von Abgeordnetem Dr. Khol ausgenommen hätten wie die Schilderung des Fahrplans eines Regionalzuges, der sich auf gutem Weg befinde, auf der anderen Seite Abge­ordneter Mag. Schweitzer es aber für notwendig erachte, einen Antrag auf Bindung der Regie­rung zu stellen, der dessen Partei selbst angehöre. Es stelle sich daher die Frage, ob dieser jenem Teil der Regierung nicht traue, der die Position nach dem Motto „business as usual“ ein­nimmt oder ob er dem seiner eigenen Partei angehörenden Teil der Regierung nicht traue.

Abgeordneter Dr. Cap fragt sich, worin die Handlungsfähigkeit der Regierung nun überhaupt noch liege; es gebe unter den von den beiden Vertretern der Regierungsparteien präsentierten wesentlichen Punkten faktisch keinen, zu dem von ihnen nicht unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

So fordere der Antrag der Freiheitlichen von den Vertretern der österreichischen Regierung unter anderem ein, dass sie im Rat dafür eintreten, „dass die Kommission die von den Kandi­datenländern übermittelten Informationen über ihre Fortschritte vollinhaltlich überprüft und eine Evaluierung der tatsächlichen Erfüllung und Beseitigung der von der Kommission in den Fort­schrittsberichten festgestellten Defizite erfolgt.“

Weiters werde gefordert, dass „der Erweiterungsprozess erst dann ... abgeschlossen werden“ kann, „wenn die Haushalte der Mitgliedsstaaten glaubhaft und nachhaltig in Ordnung gebracht wurden ...“ – Er würde gerne erfahren, was die ÖVP dazu sage, zumal die beiden Koalitions­parteien doch nach wie vor die Möglichkeit hätten, diese Positionen zu diskutieren, respektive auch die Absicht, diese Koalition fortzusetzen. Er stellt die Frage, wie dies angesichts dieser beiden Forderungen vor sich gehen soll.

Was die Beneš-Dekrete betrifft, so sage Angeordneter Dr. Khol, diese seien ohnedies totes Unrecht. – Die SPÖ sei ebenfalls der Meinung, dass die Kommission hiezu ein sehr gutes Gut­achten erstellt habe. – Von Seiten der Freiheitlichen schwinge man aber immer nur die Veto­keule.

Dasselbe sei in der Frage Temelín der Fall, wobei anzumerken sei, dass die Regierung – und dies gelte für beide Regierungspartner – viel Zeit hatte, in dieser Frage wirksam vorzugehen, um die Nulloption durchzusetzen, um europaweit etwas für den Ausstieg aus der Atomenergie zu tun. Das heute vorliegende Ergebnis sei aber ein extrem bescheidenes.

Nun sage der eine Regierungsteil, diese Problematik könne nicht mit der Frage der Erweiterung verbunden werden – dies sage auch die SPÖ –, während der andere Regierungsteil dies sehr wohl mit der Frage der Erweiterung verbinde.

Am 9. September habe es geheißen, die Regierung sei weiterhin handlungsfähig, werde bis zum Wahltag weiter agieren und Österreich auf der Ebene der Europäischen Union auf Basis einer gemeinsamen Regierungslinie weiterhin vertreten. Eine solche gemeinsame Linie könne er aus den heute abgegebenen Stellungnahmen nicht ersehen. Vielmehr sei daraus zu er­sehen, dass Österreich zwei Regierungen innerhalb einer Regierung habe, die gegeneinander arbeiten.

Weiters werde so getan, als ob die Frage der Landwirtschaft nicht eine bedeutende Frage wäre. Dies sei etwas zu einfach, zumal es in dieser Frage um sehr viel Geld gehe, weshalb eine wirkliche Kraftanstrengung nötig sei. Als EU-Kommissar Dr. Fischler ein ohnedies sehr zurück­haltendes Reformprogramm in Österreich präsentiert habe, sei er bei den Versammlungen der Agrarier nicht mit stehendem Applaus begrüßt worden. Auch habe Bundesminister Mag. Molte­rer auf Vorschläge, wonach man schrittweise vom Direktzahlungsmodell abgehen wolle, nicht mit Begeisterung reagiert.

Abgeordneter Dr. Cap stellt an den Bundeskanzler die Frage, wie er sich die sich hier darstel­lenden Gegensätze ebenso wie den Umstand erklärt, dass Abgeordneter Mag. Schweitzer es für notwendig erachtet, eine Bindung der Regierung in den im freiheitlichen Antrag genannten Punkten vorzunehmen.

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) führt aus, dass er aus der rund 15-jährigen Diskussion in Österreich, die damit begonnen habe, dass Dr. Mock das Thema EU in die öster­reichische Innenpolitik gebracht habe, Folgendes gelernt habe:

Erstens: Es sei von enormer Bedeutung, an diese europäische Vereinigung zu glauben und sich von der Skepsis des jeweiligen Regierungspartners nicht beirren zu lassen. Die ÖVP habe immer fest daran geglaubt und sei diesen Weg mit aller Konsequenz gegangen.

Zweitens: Die Interessen Österreichs seien dabei konsequent zu vertreten. Österreich habe sich nie wie ein kleines Land gefühlt, sondern sei selbstbewusst von der Auffassung ausgegangen, dass in einer Gemeinschaft, in der selbst ein Land von der Größe Luxemburgs eine wichtige Position einnehme und sehr viel Einfluss ausüben könne, Österreich dies noch besser gelingen müsse. Österreich habe diese selbstbewusste Haltung auch eingenommen, als fast niemand glaubte, dass es damit durchkommen würde.

Er erinnert dabei an die Zeit der Sanktionen, die teilweise auch von Personen aus Österreich mitinitiiert gewesen seien. Bundeskanzler Dr. Schüssel habe damals gesagt, man lasse sich davon nicht beirren, die anderen würden letztlich zurückstecken müssen; und genau so sei es auch gekommen. Man vertrete die Interessen Österreichs auch jetzt nachhaltig in den Fragen Sicherheit, Atomkraft, Umwelt und Transit, Finanzierung der Landwirtschaft, Übergangsregelun­gen auf dem Arbeitsmarkt und Beneš-Dekrete.

Zu den Beneš-Dekreten führt Abgeordneter Dr. Fasslabend aus, dass ihm dieses Thema ganz besonders am Herzen liege, weil viele seiner Verwandten unter grauenhaften Umständen aus dem Sudetenland vertrieben worden seien und mit ansehen mussten, wie unschuldige Men­schen gefoltert, misshandelt und sogar getötet worden seien. Dieses Thema sei sehr wichtig, auch deshalb, weil man in einer Gemeinschaft miteinander handle. Es sei dies nicht nur eine Frage des Rechts, sondern auch der Moral und der inneren Einstellung zur Gemeinschaft.

Wenngleich von Experten gesagt worden sei, dies sei keine Frage des EU-Rechts in der Phase des Beitritts von Tschechien, sondern eine bilaterale Frage, die auf der politischen Ebene zu er­ledigen sei, habe man diesem Thema selbstverständlich immer große Bedeutung beigemessen.

Man habe dieses Thema daher in die EU hineingetragen, selbst als die Chancen, eine recht­liche Klärung zu erreichen, nicht groß waren. Das, was man erreicht habe, sei, dass sich die EU tatsächlich damit auseinander gesetzt habe, und zwar sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission, und zum ersten Mal von dort auch Maßnahmen ausge­gangen seien.

Ihm sei es wesentlich lieber, ein Gutachten zu haben – wenngleich er einigen der darin enthal­tenen Aussagen sehr differenziert gegenüberstehe –, in dem es in Bezug auf gewisse Bestim­mungen heiße, dass diese selbstverständlich „repugnant“ seien und dass die Tschechische Republik aufgefordert werde, diesbezüglich eine Änderung herbeizuführen. Das sei sicher nicht von Nachteil und werde sich im weiteren Prozess entsprechend auswirken. An in den letzten Wochen von tschechischen Spitzenpolitikern getroffenen Aussagen könne man auch bereits erkennen, dass sich in Bezug auf diese Thematik bereits einiges verändert habe.

Drittens: die Handlungsfähigkeit. Es sei von großer Bedeutung, dass man jene Regierungsmit­glieder, die dazu berufen seien, Österreich bei den entsprechenden Verhandlungen zu vertre­ten, nicht nur mit dem entsprechenden Verhandlungsspielraum, sondern auch mit Vertrauen ausstatte beziehungsweise dass man dabei Einigkeit und Geschlossenheit Österreichs erken­nen lasse. Wenn man in eine bestimmte Richtung gehen wolle, dann müsse man den jeweiligen Regierungsvertretern die Möglichkeit geben, diese Ziele mit aller Kraft, mit allen diplomatischen Mitteln, Instrumenten und allem verhandlungstaktischem Geschick durchzusetzen.

Es mache daher überhaupt keinen Sinn, die Stellungnahmen zu beschließen, sondern man solle den Weg, den man bisher gegangen sei und mit dem man für Österreich auch in schwie­rigsten Zeiten viel erreicht habe, fortsetzen.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) erklärt, es bestehe Übereinstimmung hinsichtlich der Ziele, die die Regierung anstrebe, es gebe allerdings Auffassungsunterschiede über die Frage der Geschwindigkeit und die Frage der wirksamsten Instrumente zur Erreichung dieser Ziele.

Zum Stichwort Differenzen und Auffassungsunterschiede in bestimmten Lagern könne er nur auf die wesentlich größeren Auffassungsunterschiede auf Seiten von Gewerkschaft und Arbeiterkammer zum Beispiel in der Frage Freizügigkeit der Arbeitskräfte verweisen.

Die Freiheitlichen seien für eine Erweiterung der Union, dafür, dass diese Länder, die histo­risch und geographisch zu Europa gehören, auch wieder Teil dieses Europa werden. Dies müsse aber in einer verträglichen Form erfolgen, und zwar sowohl finanziell als auch wirtschaft­lich, als auch was die Bewegung der Arbeitskräfte sowie die Belastung durch den Transit betreffe. Die Freiheitlichen würden sich hier in erster Linie den Österreichern verbunden fühlen, deren Interessen sie zu vertreten haben.

Diese Union sei aber nicht nur ein Wirtschaftsprojekt, sondern auch ein Friedensprojekt, und ein solches Friedensprojekt setze voraus, dass gemeinsame Wertevorstellungen zumindest vom überwiegenden Teil der Bevölkerung mitgetragen werden.

„Nehmt den Sudetendeutschen alles – alles bis auf ein Taschentuch, damit sie weinen können!“ Und in Anspielung auf die gefürchteten Äußerungen eines russischen Propagandamannes: „Tötet, tötet, tötet!“ – Dies seien Worte jenes Mannes, der die in Diskussion stehenden Dekrete erlassen habe. Fünf der diesen Bereich betreffenden Dekrete haben heute noch Gültigkeit. 250 000 Menschen seien damals vergewaltigt, erstochen, erschlagen, in Prag sogar an Later­nenpfähle gebunden, verbrannt worden.

Nun könne man auch den Standpunkt vertreten, dies sei Geschichte, man solle es vergessen. Es gebe allerdings, gerade in Tschechien, Bereiche, in denen deutlich werde, dass diese Dekrete nicht Geschichte seien. So habe etwa ein tschechischer Parteiführer gesagt, man könne nur bedauern, dass man im und nach dem Zweiten Weltkrieg zu wenige Deutsche tot­geschlagen habe. Weiters habe ein tschechischer Ministerpräsident im Rahmen eines Staats­besuches den Rat erteilt, das Problem der Palästinenser so zu lösen, wie die Tschechen das Problem der Deutschen gelöst haben: 250 000 Menschen erschlagen, verbrannt, getötet, drei Millionen Menschen vertrieben! – Diese Vorstellung sitze also noch sehr fest, und man könne von Seiten Österreichs nicht einfach darüber hinweggehen.

In rechtlicher Hinsicht verweist Abgeordneter Jung auf ein Gutachten, wonach nur jene Dekrete aufgehoben worden seien, die unmittelbar der Durchführung der Vertreibung dienten oder die Ansiedelung der neuen Bevölkerung regelten. Alle staatsangehörigkeits- und eigentumsrecht­lich relevanten Präsidialdekrete seien weiterhin in der Sammlung geltender tschechischer Ge­setze enthalten und nach tschechischer höchstrichterlicher Rechtsprechung auch Grundlage der neuen Rechtsordnung, so zum Beispiel die Dreithaler-Entscheidung des Verfassungsge­richtes.

Es gebe Kritik an diesem System auch durch den UNO-Menschenrechtsausschuss, zahl­reiche Restitutionsfälle seien dort anhängig. Die Restitutionsgesetzgebung werde kritisiert, und der Menschenrechtsausschuss habe in einer Reihe von eindrucksvollen Entscheidungen die Diskriminierung durch die tschechische Restitutionsgesetzgebung verdeutlicht.

Die Beneš-Dekrete hätten eine doppelte Dimension: erstens, dass sie noch rechtsgültig seien, und zweitens eine menschlich-moralische Dimension. Beide müssten aus Sicht der Freiheit­lichen einer Änderung zugeführt werden.

Abgeordneter Jung verweist darauf, dass heute teilweise noch Überlebende, teilweise die Nach­fahren von mehr als 300 000 Menschen aus diesen Ländern, die einmal ein Teil Österreichs waren, in Österreich leben und dass sie die Haltung der österreichischen Politik in dieser Frage sehr genau beobachten würden. Man habe die Verpflichtung, ihre moralischen Rechte hier durchzusetzen.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) schickt voraus, dass die Grünen voll und ganz zur Erweiterung stehen, da dies für Europa das Friedens- und Zukunftsprojekt sei, das nicht scheitern dürfe. Deshalb sei für die Grünen auch immer klar gewesen, keinen der Österreich betreffenden Punkte, sei es Temelín, seien es die Beneš-Dekrete, mit dem Ja zur Erweiterung zu verknüpfen. Diese Probleme gehörten auf bilateraler Ebene angesprochen, gehörten extra verhandelt, aber nicht mit Vetodrohungen belegt.

Abgeordneter Mag. Schweitzer habe den Antrag der Grünen auf Stellungnahme, in dem es um die Anzahl der Mitglieder im Europäischen Parlament ab 2004 gehe, so interpretiert, als ob die Grünen dabei nur die Interessen der Nachbarstaaten vertreten und sozusagen die österreichi­schen Interessen gänzlich außer Acht lassen würden, was eine einseitige und damit auch falsche Interpretation sei.

Abgeordneter Mag. Schweitzer habe selbst gesagt, dass die Spielregeln für alle in gleicher Weise gelten sollten. Im Vertrag von Nizza seien bei der Verteilung der Sitze die Spielregeln insofern falsch festgelegt worden, als Länder mit jeweils circa zehn Millionen Einwohnern – Belgien, Portugal, Griechenland sowie die Tschechische Republik und Ungarn – ungleich viele Sitze bekommen haben, nämlich jene Länder, die bereits Mitgliedstaaten seien, 22 Sitze, jene, die erst Mitglied werden sollten, hingegen nur 20. Im Zuge der – auf Grund des erst späteren Beitritts Rumäniens und Bulgariens – erforderlichen Neuverteilung der Sitze biete sich nun die Möglichkeit, eine Gleichbehandlung Tschechiens und Ungarns mit jenen Staaten, die bereits EU-Mitglied sind, vorzunehmen.

Abgeordnete Mag. Lunacek begrüßt die Aussage von Bundeskanzler Dr. Schüssel, dass dies auch im österreichischen Interesse sei und Österreich dieses Anliegen in den nächsten Tagen vorbringen werde; sie habe jedoch anhand vorliegender Berichte feststellen müssen, dass sich Österreich bisher nicht in diese Richtung eingebracht habe. Die Grünen bringen deshalb einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Eva Lichtenberger betreffend der Zahl der Mitglieder im Europäischen Parlament ab 2004 im Zusammenhang mit den institutionellen Fragen der Erweiterung (67075/EU XXI. GP) ein, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, für diese Gleichbehandlung der ab 2004 neu dazukommenden Staaten Tschechien und Ungarn mit jenen Staaten, die bereits EU-Mitglieder sind – Belgien, Portugal und Griechenland –, einzutreten, sodass diese Staaten die­selbe Anzahl von Sitzen im Europäischen Parlament haben, und diesbezüglich eine eigene Initiative zu starten. Es wäre im Interesse Österreichs im Hinblick auf eine gute Nachbarschafts­politik – die in den letzten zweieinhalb Jahren durch viele Aussagen sehr beschädigt worden sei –, dass Österreich seinen Nachbarstaaten zeige, dass es sich dafür einsetze.

Die Grünen werden drei Anträgen, die von der SPÖ eingebracht worden seien, zustimmen: jenem zum Agrarbereich, jenem betreffend Kosten der EU-Erweiterung – auch in Bezug auf diesen Antrag sei die Interpretation der Freiheitlichen dahin gehend gewesen, dass die SPÖ dafür eintrete, dass mehr bezahlt werden solle; der Antrag besage jedoch, dass der bereits beschlossene Finanzrahmen eingehalten werden solle – und auch jenem Antrag, wonach es eine gemeinsame österreichisch-tschechische Erklärung zu den Beneš-Dekreten geben solle; letzteres hätten die Grünen bereits in der vergangenen Legislaturperiode verlangt.

Zur Transitfrage habe Abgeordnete Dr. Lichtenberger bereits einen Antrag der Grünen einge­bracht. Den Antrag der SPÖ zu diesem Bereich werde man nicht unterstützen, da er nicht so weit gehend sei.

Interessant sei, dass die Redner der Freiheitlichen gemeint hätten, dass ihre Anträge im Rah­men des Regierungsübereinkommens stünden. Die Anträge enthielten jedoch ein implizites Veto. Das sei die Fortsetzung der Anti-Erweiterungs-Politik der Freiheitlichen. Es sei zu wenig, wenn nun der Bundeskanzler und die Außenministerin dazu nur sagten, sie ließen sich nicht binden und man nehme das mit Gelassenheit, denn Bundeskanzler Dr. Schüssel habe bisher nicht ausgeschlossen, dass er mit den Freiheitlichen nach der Wahl, wenn sich eine Mehrheit ergäbe, wieder eine Koalition eingehen würde.

Da im Jahr 2003 ein einstimmiger Beschluss des Ministerrates für die Erweiterung sowie die Ratifizierung durch das Parlament erfolgen müsse, stellt Abgeordnete Mag. Lunacek an Bun­deskanzler Dr. Schüssel die Frage, ob er ausschließe, dass er mit einer Freiheitlichen Partei, die die heutigen Positionen vertrete, nach dem 24. November eine Koalition eingehen werde. Andernfalls müsse sie die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers, wenn er jetzt behaupte, für die Erweiterung einzutreten, in Frage stellen.

Abgeordnete Mag. Lunacek bringt einen weiteren Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Eva Lichtenberger betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union ein, in dem Folgendes gefordert wird:

ein klares Bekenntnis zur Erweiterung,

ein klares Bekenntnis zum Beitritt der Tschechischen Republik zur EU, und zwar ohne Veto-Drohungen – solche seien im europäischen Integrationsprozess kontraproduktiv und abzuleh­nen –,

keine Verknüpfung der Beneš-Dekrete mit dem EU-Beitritt Tschechiens und der Slowakei,

keine Vetodrohungen bezüglich des AKWs Temelín.

Was die Vertreibung der Sudetendeutschen betreffe, so sei diese selbstverständlich in men­schenrechtlicher Hinsicht nicht in Ordnung gewesen und sei zu verurteilen. Das Experten­gutachten der EU-Kommission besage jedoch, dass rechtlich nichts gegen den Beitritt spreche, dass aber auf moralischer Ebene etwas geschehen müsse. Der tschechische Außenminister habe auch bereits angekündigt, dass Tschechien überlege, eine diesbezügliche Erklärung abzugeben. Mit Vetodrohungen werde man dies allerdings nicht erreichen, sondern es bedürfe hiezu diplomatischer Schritte.

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt fest, dass die von Abgeordneter Mag. Lunacek referierten Anträge die Beilagennummern 1/7 und 1/8 erhalten.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel sagt, dass er in Brüssel keine Koalitionsaussage treffen werde, weil das nicht zu den Gegenständen des Europäischen Rates gehöre.

Zu der Aussage von Abgeordneter Dr. Lichtenberger, das Stilllegungsdatum für Bohunice sei nicht enthalten, stellt Bundeskanzler Dr. Schüssel fest, dass es im Fortschrittsbericht mit 2006 und 2008 erwähnt sei. Es sei völlig klar, dass Ignalina mit 2005 und 2006 und Bohunice – eben mit 2006 und 2008 – in die Beitrittsverträge aufgenommen werde. Dies sei auch von Seiten Dzurindas unbestritten, weshalb dieser auf innenpolitischer Ebene große Schwierigkeiten ge­habt habe. Österreich respektiere den in diesem Punkt von der Slowakei aufgebrachten guten Willen.

Was die Frage der Erweiterung grundsätzlich betrifft, so hätten manche Kritiker oder Skeptiker der EU-Erweiterung gewiss Recht damit, dass noch viele Fragen geklärt werden müssen. Dies sage auch die Kommission selbst. Es wäre falsch, dies zu leugnen. Die Kommission weise dies­bezüglich die Themen Korruption, Roma-Frage, Umsetzung im Bereich Landwirtschaft, Kontroll­mechanismen und Qualität der Rechtsinstitutionen aus. Dieser Beitrittsweg sei anders als jener des Beitritts Österreichs gemeinsam mit Schweden und Finnland. Er sei eher vergleichbar mit dem Beitritt Spaniens, Portugals und Griechenlands – allerdings viel größer –, als es auch primär um den politischen Willen gegangen sei, ehemalige Diktaturen dauerhaft und stabil in das westliche politische Bündnis zu integrieren. Es sei von Anfang an ein klares politisches Ziel gewesen, politische Kriterien in den Vordergrund zu stellen, um die Länder Mitteleuropas und die baltischen Staaten, die jahrzehntelang dem kommunistischen Einflussbereich oder sogar der Sowjetunion angehört haben, dauerhaft in die EU, nach Europa zu integrieren. Es würden bei diesem anderen Weg natürlich Fragen offen bleiben, und es sei fair, deshalb auch Über­gangsmechanismen vorzusehen.

Es sei im vitalen Interesse Österreichs, diese politische Entscheidung mitzutragen. Es könne nicht das Interesse Österreichs sein, die Erweiterung zu verzögern, denn das würde Österreich viel an politischem Gewicht kosten, das in den letzten Jahren mühsam aufgebaut worden sei. Bundeskanzler Dr. Schüssel erinnert daran, dass unter österreichischem EU-Vorsitz in der Europäischen Union der Verhandlungsprozess mit den Beitrittskandidaten begonnen wurde. Er, Schüssel, habe diesen begonnen, und er sei damals von manchen in der EU, die die Ver­handlungen gar nicht beginnen wollten, stark kritisiert worden. Der Vorwurf, man habe sich diesbezüglich nicht engagiert, sei daher absurd.

Der EU-Beitritt dieser Länder liege auch im wirtschaftlichen Interesse Österreichs. Österreich habe früher ein Handelsbilanzdefizit von 7 Milliarden € gehabt, heuer habe es einen Über­schuss von 1 Milliarde €. Er weist außerdem darauf hin, dass im Jahr 1990 einige tausend Be­triebe Joint Ventures in Mittel- und Osteuropa begründet haben und dass diese Betriebe damals 70 000 Arbeitsplätze, heute hingegen 190 000 Arbeitsplätze in Österreich haben.

Im Zusammenhang mit der gegen die Vetodrohung der Freiheitlichen vorgebrachte Kritik erin­nert Bundeskanzler Dr. Schüssel daran, dass auch die Sprecher der Grünen einst ein Veto wegen Temelín beziehungsweise wegen Bohunice verlangt haben und dass auch sozialistische Gewerkschafter einst die Forderung erhoben haben, dass kein Beitritt erfolgen dürfe, bevor nicht 80 Prozent des Lohnniveaus der Europäischen Union erreicht seien. Er betont, er begrüße es sehr, dass von Seiten so mancher sozialistischer Gewerkschafter nicht mehr die Position vertreten werde, es könne keinen Beitritt geben, bevor nicht 80 Prozent des Lohnniveaus der Europäischen Union erreicht seien. Die Regierung halte beispielsweise die Forderung nach einer 7-jährigen Übergangsfrist für den Arbeitsmarkt nach wie vor aufrecht. Im Bereich Arbeitsmarkt habe man eine erstklassige österreichische und auch europäische Lösung zustande gebracht.

Das gelte auch für den Bereich Atomkraft, obwohl man die Abschaltung des AKW Temelín nicht erreicht habe. Sehr wohl habe man aber die Abschaltung der Atomkraftwerke in Ignalina, Bohunice und Kosloduj erreicht, fünf weitere Kraftwerke würden nachgerüstet. Mit Temelín gebe es erstmals einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, der beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sei.

Österreich habe bezüglich Temelín hart verhandelt, und man habe in Laeken sogar erreicht, dass die Europäische Kommission noch heuer einen Vorschlag bezüglich europaweiter Sicher­heitsstandards für Kernkraftwerke präsentieren werde.

Die vier Fraktionen im österreichischen Parlament lägen in Bezug auf Atomkraft gar nicht so weit auseinander. Man müsse anerkennen, dass Österreich in diesem Zusammenhang in Europa viele Dinge durchgesetzt habe, die früher nicht einmal denkbar gewesen seien.

Ähnliches gelte für die Beneš-Dekrete. Er erinnere nur an den einstimmigen Beschluss im österreichischen Nationalrat, diese Angelegenheit zu thematisieren. Seit Jahren seien bezüglich der Beneš-Dekrete diplomatische Initiativen gesetzt worden; manche davon seien von der Opposition gar nicht bemerkt worden. Derzeit werde etwa an einer Erklärung der tschechischen und österreichischen Bischöfe gearbeitet. Die neue tschechische Regierung pflege einen ganz anderen Stil als der frühere Regierungschef Miloš Zeman, und er, Schüssel, vertraue darauf, dass man bis zur Ratifikation im Parlament zu den entsprechenden Erklärungen kommen werde.

Die Bundesregierung habe ohne Vetodrohung, aber mit Hartnäckigkeit erreicht, dass das Euro­päische Parlament und die Europäische Kommission dieses Thema aufgegriffen hätten. Die von diesen Gremien in Auftrag gegebenen Gutachten hätten im Wesentlichen alle zum Inhalt, dass das Amnestiegesetz mit dem EU-Recht unvereinbar sei. Es dürften die In-absentia-Urteile nicht mehr vollstreckt werden, mit dem Eintritt in die Union müsse die bestehende Diskriminierung von EU-Bürgern gegenüber tschechischen Bürgern abgeschafft werden. Das Amnestiegesetz dürfe nicht mehr wirken, es müsse auch eine politische Erklärung abgegeben werden, die das Bedauern über die Verbrechen auf allen Seiten zum Ausdruck bringe.

Dagegen könne doch niemand sein. Bedürfe es da wirklich einer bindenden Stellungnahme? Die Regierung arbeite seit Jahren daran und er bitte, darauf zu vertrauen, dass diese Fragen in einer vernünftigen und klugen Weise geregelt würden.

Zu den Bereichen Landwirtschaft und Finanzen erinnert Bundeskanzler Dr. Schüssel daran, dass in Berlin eine Obergrenze von 1,27 Prozent beschlossen worden sei. Das sei Vertrags­bestandteil, es sei daher auch hier keinerlei bindende Stellungnahme nötig, darüber nicht hin­auszugehen. Man sei nicht anti-europäisch eingestellt, wenn man dafür eintrete, diese 1,27 Pro­zent nicht voll auszuschöpfen, im Gegenteil. Er nehme an, dass man in den Jahren 2004, 2005, 2006 auf 1,12, 1,10 beziehungsweise 1,09 Prozent des BIP kommen werde.

Man werde in der Schlussrunde der Verhandlungen, in der es um Finanzen und Landwirtschaft gehe, vor allem danach trachten, die österreichischen Bauern zu schützen. Er sei nicht bereit, die Agrarpolitik, die bis 2006 fixiert sei, nur deshalb plötzlich abzuändern, weil das einigen Nettozahlern so passe. Vielleicht könne man aber an verschiedenen anderen „Schrauben drehen“, um zu einer noch etwas günstigeren Lösung zu kommen. Das alles werde sich aber erst in den entsprechenden Verhandlungen ergeben.

Österreich habe im Juni im Rat Allgemeine Angelegenheiten diese Stellungnahme abgegeben und er sei überrascht, dass man das seitens der Opposition nicht zur Kenntnis genommen habe, denn üblicherweise bekämen alle politischen Parteien alle Dokumente.

Die Position Österreichs sei vollkommen klar gewesen, aber es sei auch legitim, dass eine Diskussion im ECOFIN etwas pointierter sei. Es gebe in diesem Bereich ja erfreulicherweise ein offenes Diskussionsforum.

Bundeskanzler Dr. Schüssel unterstreicht die Wichtigkeit des Stabilitätspaktes und meint in diesem Zusammenhang, Abgeordneter Mag. Schweitzer habe zu Recht darauf hingewiesen, es sei für jeden wichtig, dass der Stabilitätspakt gelte. Man müsse im Interesse der Sache für einen glaubwürdigen Stabilitäts- und Wachstumspakt eintreten, allerdings sei er nicht der Meinung, dass man das beispielsweise in eine bindende Stellungnahme für die Erweiterung hineinnehmen könne. Die Kandidatenländer würden sicherlich nicht vom ersten Tag an Mitglied der Währungsunion sein. Dass vor dem Beitritt die Haushalte der heutigen Mitgliedstaaten saniert sein müssten, sei nicht eine Latte, die die Kandidatenländer überspringen müssten, sondern diese Latte gelte für bestehende Mitgliedstaaten.

Mit dem, was die Bundesregierung diesbezüglich vorgelegt habe, gehe man seines Erachtens einen sehr vernünftigen österreichischen und europäischen Weg, stellt der Bundeskanzler ab­schließend fest.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner hält ein begleitendes Monitoring im Hinblick auf so manche Defizite, die im Fortschrittsbericht fest­gestellt worden seien, für wichtig. Die Kommission habe das als wesentliches Element des Beitrittsprozesses dargestellt. Es werde regelmäßige Berichte geben, und sechs Monate vor dem Beitrittsdatum werde noch einmal ein umfassendes Monitoring stattfinden. Die Kommission nehme die Defizite also sehr ernst.

Was die Schutzklauseln angehe, könnten beispielweise Schwierigkeiten in einem Wirtschafts­zweig eines neuen Mitgliedstaates abgefangen werden. Zusätzlich zu dieser allgemeinen Schutzklausel gebe es noch eine Binnenmarktschutzklausel, die erstmals angewendet werde. Für den Bereich Justiz und Inneres hätten sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, dass die Entscheidung über die Inkraftsetzung des Schengener Abkommens und damit auch über die Aufhebung der Binnengrenzen frühestens Ende 2005 getroffen wird. Angesichts der Annahme neuer Rechtsvorschriften vor allem im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit schlage die Kommission zusätzlich vor, dass bei nicht sach- und fachgerechter Anwendung dieser Vor­schriften ebenfalls zusätzliche Schutzklauseln angewendet werden könnten.

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold verweist auf die Ergebnisse des Treffens mit Minister Lunardi in Rom und meint, aus den diesbezüg­lichen Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass die Beschlüsse von Laeken durchgesetzt worden seien. Was die mengenmäßige Beschränkung angehe, erinnere er daran, dass über die Be­schlüsse von Laeken auch im Hauptausschuss bereits berichtet worden sei. Es sei also bekannt, dass die 108-Prozent-Grenze in diesem Vorschlag nicht mehr enthalten sei. Sehr wohl aber bleibe die Kontingentierung in Form der Ökopunkteregelung aufrecht.

Das Problem sei, dass die derzeitige Bundesregierung bei diesen Verhandlungen die Versäum­nisse der letzten 15 Jahre aufarbeiten müsse. Es gebe so gut wie keine Infrastrukturprojekte, die überzeugend gewesen wären. In den letzten zweieinhalb Jahren aber seien zahlreiche Projekte entwickelt und eingereicht worden. Beispiele dafür seien die Unterinntaltrasse und der Brenner-Basistunnel.

Unter Bundesminister Dr. Einem sei nicht einmal der Semmering-Basistunnel durchgesetzt worden, der auch eine wichtige Transitstrecke gewesen wäre.

Bundesminister Ing. Reichhold führt weiter aus, dass 77 Milliarden Schilling zusätzlich in den SCHIG-Rahmen aufgenommen worden seien. Damit beginne das größte Investitionspro­gramm, das es in Österreich im Rahmen der Infrastruktur je gegeben habe. Er habe erst ver­gangene Woche die Übertragungsverordnung für viele weitere Projekte unterschrieben, so auch den viergleisigen beziehungsweise weiteren Ausbau der Bahn zwischen Wien und St. Pölten.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) sagt, dass es Bundeskanzler Dr. Schüssel nicht zustehe, die Ausführungen der Abgeordneten in diesem Ausschuss zu qualifizieren. Dieser habe nämlich gemeint, es solle hier zum Thema geredet werden, er würde sich nicht auf Koalitionsspekulationen beim Europäischen Rat einlassen.

Das Dokument, das Bundesminister Ing. Reichhold hier vorgelegt habe und auf das er auch noch stolz sei, sei die Bestätigung dafür, dass der Minister vom Transitverkehr keine Ahnung habe. Abgeordneter Jung habe gemeint, die Regierung sei vom österreichischen Volk gewählt worden und daher in erster Linie gegenüber dem Volk verantwortlich. Offenbar seien die Mit­glieder der österreichischen Bundesregierung, die das verhandelt hätten, vom italienischen Volk gewählt worden, denn man habe bei den Verhandlungen weniger erreicht, als man 1999 bereits erzielt habe.

Bundesministerin Dr. Forstinger habe seinerzeit einen Stopp bei der Unterinntaltrasse verfügt, und Klubobmann Dr. Khol habe in Tirol jetzt stolz behauptet, er habe das Projekt wieder los­geeist.

Bundesminister Ing. Reichhold rede hier groß von den Taten der Regierung. Seine Großtat sei es in Wirklichkeit, dass er nicht alles zunichte gemacht habe, was seine Vorgänger geschaffen hätten. Für die Verkehrspolitik in Tirol sei die derzeitige Verkehrspolitik nicht ausreichend, und der Verzicht auf die 108-Prozent-Klausel sei ein klarer Rückschritt.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) geht zuerst auf die Frage des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein. Es sei in den letzten Wochen klar geworden, wie sich große gegenüber kleinen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union verhielten. Es könne ja gar keine Diskussion darüber geben, dass ein solcher Stabilitätspakt für alle gelten müsse und sich alle daran zu halten hätten. Dass Deutschland, wie sich nach den Wahlen nun zeige, ein Sanie­rungsfall werde, sei für Österreich bedrohlich, weil Deutschland der wichtigste Handelspartner Österreichs sei. Eine falsch angelegte Politik habe eben auch im europäischen Rahmen erheb­liche Konsequenzen.

Mit der gemeinsamen Währung dürfe man nicht spielen. Das Beispiel Deutschland dürfe nicht Schule machen, betont er. Man könne nicht einfach über die 3-Prozent-Marke hinweggehen, wenn man andere bei der Einführung der gemeinsamen Währung so strikt binde.

Zur Frage der Atomkraftwerke und der Sicherheitsstandards sei zu sagen, dass Temelín nur die Spitze des Eisberges sei. Es müsse auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Schaf­fung allgemeiner Sicherheitsstandards vieles langfristig verändert werden. In Österreich habe man sich diesbezüglich gefunden: Langfristig wolle man generell ein atomfreies Europa.

Die Europäische Kommission werde ein Papier vorlegen, wie man allgemeine Sicherheitsstan­dards verbindlich machen wolle. Seine Frage an den Bundeskanzler sei, wie weit das gediehen sei. Bei aller Gemeinsamkeit in der Zielsetzung sei die Frage, wie man dorthin komme, etwas Trennendes. Der Hauptausschuss entscheide bekanntlich nicht darüber, sondern das müsse in Brüssel, in Kopenhagen entschieden werden. Die Bundesregierung sei auch in dieser Sache auf dem richtigen Weg, erklärt er abschließend.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) sagt, dass sowohl Abgeordneter Dr. Cap als auch Abgeordnete Mag. Lunacek den Antrag seiner Fraktion miss­interpretierten – ob be­wusst oder unbewusst, das wisse er nicht. Die Punkte, die die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen beziehungsweise das Kernkraftwerk Temelín beträfen, seien nach der Feststel­lung angeführt: „... und dass bis zur Ratifikation des Beitrittsvertrages die Aufhebung menschen­rechtswidriger Beneš-Dekrete und Avnoj-Bestimmungen und Klärung der Vermögensrestitution sowie die Stilllegung von nicht nachrüstbaren Kernkraftwerken ... notwen­dig ist“.

Diese Linie werde auch von der ÖVP verfolgt. Er sehe da keinen Widerspruch und schon gar kein Veto.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) erklärt, in diesem Antrag der Freiheitlichen heiße es ausdrücklich, dass das bis zu Ratifikation des Beitrittsvertrages gelöst sein müsse. Das heiße implizit, sonst gebe es keinen Beitritt, sonst ratifiziere man nicht.

Sie habe den Bundeskanzler nicht darum ersucht, in Brüssel irgendwelche Aussagen zu künfti­gen Koalitionsvarianten zu treffen. Ihr sei es darum gegangen zu erfahren, ob er mit der Frei­heitlichen Partei, die sich offenbar weiterhin ein Veto vorbehalte, wieder eine Koalition eingehen würde.

Was eine österreichisch-tschechische Erklärung zu den Beneš-Dekrete angehe, so be­grüße sie die entsprechenden Veranstaltungen der Kirchen, aber sowohl in Österreich als auch in der Tschechischen Republik gebe es eine klare Trennung von Religion und Staat. Solche Veranstaltungen seien kein Ersatz für das Handeln einer Regierung. Es habe in den letzten Jahren von Seiten der Außenministerin leider keine Initiativen für eine gemeinsame österrei­chisch-tschechische Erklärung gegeben. Darüber habe die Außenministerin auch im Außen­politischen Ausschuss nicht diskutieren wollen.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) erklärt eingangs, die Landwirtschaft sei neben dem Wettbewerbsrecht das einzige wirklich vergemeinschaftete Projekt in der EU, bei dem fast alle Entscheidungen in Brüssel fielen. Dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlos­sen seien, liege in der Natur der Sache. Auch bei den österreichischen Beitrittsverhandlungen seien Landwirtschaft, Höhe der Strukturförderung und Transitvertrag die letzten Punkte gewe­sen, die ausverhandelt worden seien.

Wichtig sei, dass der gegenwärtige Stand der Produktion für die Festsetzung der Quoten und der Referenzflächen herangezogen werde. Auf Dauer könne es in einem Binnenmarkt nicht unterschiedliche Regelungen geben. Die Beitrittsländer hätten allerdings größtenteils niedrigere Preise, durch die Interventionspreise würden ihre niedrigen Preise sogar verbessert. Beim Beitritt Österreichs sei es gerade umgekehrt gewesen.

Er erinnert daran, dass bei den GATT-Uruguay-Runden die Exportförderung in der Landwirt­schaft besonders kritisiert worden sei. Es sei damals verlangt worden, diese Förderung zu reduzieren.

Die Europäische Union habe den Beitrittsländern in der zweiten Säule der ländlichen Ent­wicklung ein großzügiges Angebot gemacht. Diese Länder hätten einen enormen Nachholbe­darf, was Investitionen, Hygienebestimmungen, Tierschutzbestimmungen, Lebensmittelrecht et cetera angehe. Dieses Angebot der EU sei daher klug und richtig.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) nimmt auf die Aussage des Abgeordneten Dr. Khol Bezug, wonach die SPÖ schlecht informiert sei und zu wenig zur Agrarpolitik gesagt habe. Die SPÖ habe bereits zwei sehr ausführliche Anträge auf Stellungnahme gestellt, und zwar im Hauptausschuss und in dessen Unterausschuss, aber da diese ohnehin abgelehnt worden seien, habe man es heute etwas kürzer gemacht.

Zum Vorwurf von Bundesminister Ing. Reichhold, dass unter ihm, Einem, viel versäumt worden sei, führt Abgeordneter Dr. Einem aus, er habe 1999 damit begonnen, die Nachfolgeregelung der Ökopunkteregelung zu verhandeln. Es hätten aber die beiden Vorgänger von Bundes­minister Ing. Reichhold diesbezüglich nichts mehr getan.

Bundesminister Ing. Reichhold habe sich auch anhand des Protokolls über das Treffen zwi­schen diesem und seinem italienischen Amtskollegen bemüht, darauf hinzu­weisen, wie wunder­bar er das alles gemacht habe. In diesem Protokoll heiße es aber ausdrück­lich, dass darüber hinaus die Übergangsregelung keine zahlenmäßige Beschränkung der Fahrten mehr enthalten dürfe. – Was sei das anderes als eine Aufgabe der Kontingentierung?

Abgeordneter Dr. Spindelegger habe es für notwendig gehalten, die Politik der deutschen Bun­desregierung zu kritisieren. Dazu sei zu sagen, dass das hier der falsche Ort für Kritik sei. Außerdem sei die Politik der österreichischen Regierung genauso schlecht – allerdings mit dem Unterschied, dass Österreich nicht die DDR zu integrieren gehabt habe. Österreich habe die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945, eine steigende Jugendarbeitslosigkeit und die geringsten Wachstumsraten.

Er sei von der Aussage des Bundeskanzlers überrascht, dass jedes Mitglied dieser Bundes­regierung in Europa das sagen könne, wozu es gerade Lust habe, auch wenn das nicht der Linie des Bundeskanzlers entspreche.

In einer Periode wie dieser, in der ein Teil der Bundesregierung bereits zurückgetreten sei, wäre zu erwarten, dass bei wesentlichen Entscheidungen die Kultur der Kooperation auch mit den Oppositionsparteien im Hauptausschuss eine andere wäre als in einer Zeit, in der sich die Regierung auf eine solide Mehrheit stützen könne.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) gibt Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner zu verstehen, dass ihr Anliegen nicht die Wiedergabe der Position der Kommission gewesen sei, sondern die Wiedergabe der österreichischen Verhandlungsposition im Bereich der Schutz­klauseln. Sie habe den Eindruck, dass die Außenministerin die Position der Kommission über­nehme. Wenn nicht, ersuche sie diese, das zu korrigieren.

Was die Transitregelung angehe, habe Bundesminister Ing. Reichhold wieder betont, er habe nicht auf die mengenmäßige Obergrenze verzichtet. Dass in dem entsprechenden Dokument keine mengenmäßige Obergrenze mehr enthalten sein dürfe, gehe über die Beschlüsse von Laeken hinaus. In die Laeken-Erklärung wäre die Frage der Aufrechterhaltung der mengen­mäßigen Obergrenze noch hineininterpretierbar gewesen. Sie kenne die Wünsche der anderen Staaten, aber für die sensible Zone Alpen gäbe es sehr wohl potenzielle Bündnispartner: Deutsche, Italiener und Franzosen. Im Europäischen Parlament hätten viele der Entschließung von Dr. Swoboda zugestimmt, und es bestehe die Chance, das noch zu unterstützen. Mit der Aussage, dass keine Obergrenze mehr enthalten sein dürfe, erreiche man aber das Gegenteil.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel geht abschließend auf die in der Diskussion aufge­worfenen Fragen ein.

In Richtung des Abgeordneten Dr. Spindelegger führt er aus, Kommissarin Loyola de Palacio habe ihm gesagt, sie werde noch im Spätherbst einen entsprechenden Vorschlag in der Kommission einbringen. Natürlich müsse sie erst eine Mehrheit in der Kommission erzielen, damit das Ganze dann im Rat behandelt werden könne. Es werde sehr schwierig werden, weil einige Atom-Länder, vor allem Großbritannien und Frankreich, große Reserven hätten. Wichtig sei aber, dass das Thema zum ersten Mal überhaupt angesprochen worden sei.

Zu Abgeordneter Mag. Lunacek sei zu sagen, dass das eine gewollte Missinterpretation sei. Ein Beispiel für den Dialog sei die von ihm angesprochene kirchliche Initiative gewesen, aber dahinter liefen unzählige ähnliche Initiativen. Das sei im Übrigen ohnehin alles bekannt, und es sei mühsam, immer wieder darauf eingehen zu müssen.

Vieles wolle man auch nicht öffentlich diskutieren, betont er. Wahrscheinlich gebe die Außen­ministerin im Außenpolitischen Ausschuss keine Antwort, weil es gar nicht klug sei, alles schon in allen Verästelungen darzulegen, bevor die Kernelemente klar seien. Die Bundesregierung werde darüber ausreichend informieren, aber jetzt sei die Zeit noch nicht reif.

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Einem und der Abgeordneten Dr. Lichtenberger sei Folgendes zu sagen: Es sei nicht wahr, was hier gesagt worden sei. Er, Schüssel, habe das in Laeken durchgekämpft und wisse daher genau, dass die Kommission nicht bereit gewesen sei, eine Nachfolgeregelung zu machen, ebenso wenig die Mitgliedsländer. Weil er damals Giscard d’Estaing akzeptiert habe, hätten die Franzosen plötzlich die österreichische Vorstel­lung in Bezug auf eine Nachfolgeregelung unterstützt. Es sei aber immer klar gesagt worden – und auch hier so berichtet worden –: ohne die 108-Prozent-Regelung.

Er zolle Bundesminister Ing. Reichhold Respekt dafür, dass dieser die Italiener auf Kurs und die Deutschen halbwegs auf diese Linie gebracht habe. Man wolle von Seiten Österreichs bis zu den Ratifikationen auch darauf drängen, dass es eine einstimmige Beschlussfassung im Rat gebe. Das Europäische Parlament sei in dieser Sache mehrheitlich nicht der Meinung, die von Österreich vertreten werde. Ein Vier-Parteien-Lobbying in dieser Sache würde die österrei­chische Position stärken.

In Richtung Abgeordneter Dr. Einem stellt er abschließend fest, es sei kein Regierungsmitglied zurückgetreten, aber das wisse dieser ohnehin.

Obmann Dr. Heinz Fischer schließt die Debatte und bringt die eingebrachten Anträge zur Abstimmung.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend Kosten der EU-Erweiterung (Beilage 1/1) bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Erweiterung (Beilage 1/2) bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Auch der Antrag der Abgeordneten Dr. Einem, Eder, DDr. Niederwieser und KollegInnen betref­fend Transitvertrag und Übergangsregelung nach 2003 (Beilage 1/3) bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und KollegInnen betreffend EU-Erweiterung und Gemeinsame Agrarpolitik (Beilage 1/4) bleibt gleichfalls in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Der Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend Europäischer Rat von Brüssel und Erweiterung (Beilage1/5) wird mehrheitlich abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger betreffend die nötige dauerhafte Lösung der Transitfrage im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union als Thema der bevor­stehenden Tagung des Europäischen Rates (Beilage 1/6) wird ebenfalls mehrheitlich abge­lehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Eva Lichtenberger betreffend der An­zahl der Mitglieder im Europäischen Parlament ab 2004 im Zusammenhang mit den institutio­nellen Fragen der Erweiterung (Beilage 1/7) bleibt in der Minderheit und wird abgelehnt.

Der Antrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Eva Lichtenberger betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union (Beilage 1/8) bleibt gleichfalls in der Minderheit und wird abgelehnt.

Obmann Dr. Fischer dankt den anwesenden Regierungsmitgliedern, schließt die Debatte zum Tagesordnungspunkt 1 und gibt bekannt, dass der öffentliche Teil der Sitzung damit beendet sei.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 10.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 17.15 Uhr

 

 

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