158/J XXI.GP
gemäß § 93 Abs. 1 GOG - NR
der Abg. Mag. Trattner
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Kassasturz
„Das Sparpaket für die Budgets 1996 und 1997 soll ein einmaliger Akt bleiben.
Sparpakete 2 oder 3 seien nicht nötig, wenn der Vollzug der ausgehandelten Maßnahmen
konsequent und diszipliniert erfolge.“
Mit diesen Worten kommentierte der nunmehrige Bundeskanzler und damalige
Bundesminister für Finanzen Mag. Klima im Juli 1996 das von der Bevölkerung als
Belastungspaket empfundene, sogenannte Sparpaket. Daß bei diesem Angriff auf die
Brieftaschen der Österreicherinnen und Österreicher von Strukturreformen weitestgehend
abgesehen wurde, bestätigte Bundeskanzler Klima, da er diese erst für die Folgejahre
ankündigte. Den Mangel an Strukturreformen kritisierte u.a. auch die Arbeiterkammer,
welche die Maßnahmen der Regierungsparteien nicht als Reformprogramm, sondern als
Sparprogramm bezeichnete, und die deshalb forderte, daß die beiden Folgejahre für
strukturelle Reformen genützt werden müßten.
Die OECD sah sich in ihren Wirtschaftsberichten der Jahre 1998 und 1999 zu folgender
Kritik veranlaßt, wie folgende Zitate beweisen:
„..die einmaligen Zahlungen, die 1997 stark zu Buche schlugen, wurden nur teilweise
durch dauerhaftere Maßnahmen ersetzt. Es bedarf weiterhin nachhaltiger Anstrengungen,
um die von der Regierung gesteckten Ziele zu erreichen.“
„Größerer fiskalpolitischer Ehrgeiz wäre daher wünschenswert.“
„.. nach denen das strukturelle Defizit auf etwa 2 % des BIP zu beziffern ist..“.
„Auf der Ausgabenseite wird die geplante Konsolidierung .. faktisch zum Stillstand
kommen.“
"..ist der im Stabilitätsprogramm abgesteckte Konsolidierungskurs möglicherweise nicht
ausreichend, um bis zum Jahre 2002 die angestrebte Defizitreduzierung auf 1,4 % zu
realisieren.“
Diese Kritik der OECD war um so alarmierender, als die von der Bundesregierung in ihrem
Stabilitätsprogramm vorgesehene Defizitreduzierung auf 1,4 % des BIP bis 2002 ohnehin
nur ein äußerst bescheidenes Ziel ist, zumal sich alle Mitgliedsländer der Europäischen
Währungsunion in dem im Sommer 1997 beschlossenen „Pakt für Stabilität und
Wachstum“ verpflichteten, ihre öffentlichen Haushalte mittelfristig (das ist nach allgemein
gültiger Auffassung bis 2002) nahezu ausgeglichen oder mit einem Überschuß
abzuschließen.
Die Kritik der OECD bzw. die wesentlich geringeren Budgetdefizite und die wachsenden
Budgetüberschüsse der anderen EU - Mitgliedstaaten haben Bundesminister Edlinger nicht
veranlaßt, Maßnahmen mit der Zielrichtung einer dauerhaften und raschen
Budgetkonsolidierung zu setzen, sondern sie haben nur dazu geführt, daß Bundesminister
Edlinger ständig darauf hinweist, daß ein Budgetdefizit von 1,4 % mit einem Budget
entsprechend dem Stabilitätspakterfordernis „cose to balance“ gleichzusetzen ist.
Die EU - Kommission kritisiert daher zurecht die vom genannten Bundesminister zu
verantwortende, unzureichende Budgetreduzierung damit, daß die Budgetsanierung viel
zu langsam gehe, und daß die Budgetziele zuwenig ambitioniert seien. Auch die EZB sieht
sich veranlaßt, einen energischeren Abbau des Haushaltsdefizits, Strukturreformen, sowie
eine Senkung von Staatseinfluß und Abgabenbelastung zur Stärkung der
Wachstumskräfte zu fordern. Weiters macht sie auch darauf aufmerksam, daß die Ziele
des Stabilitätspaktes noch ehrgeiziger gefaßt werden müßten, und zwar u.a. wegen des
künftigen Problems der Alterung der Bevölkerung und dessen Konsequenz auf die
Staatsfinanzen.
Betrachtet man die öffentliche Schuldenquote, so zeigt sich auch hier, daß die
Reduzierung der Schuldenquote im wesentlichen nur durch eine kreative Buchführung
erzielt wurde, denn lediglich die Flucht aus dem Budget infolge von Ausgliederungen
konnte die öffentliche Verschuldung um ca. 5 % - Punkte auf rund 63 % im Jahr 1998
verringern. Das hat der Rechnungshof in seinem Bericht über die Konsolidierungspakete
bestätigt, indem er ausführt, daß die Dynamik der Neuverschuldung und das Anwachsen
des öffentlichen Schuldenstandes hauptsächlich durch Auslagerung von Schulden
gebremst wurden.
Im Ergebnis führen die Ausgliederungen zu einem Verlust der parlamentarischen Kontrolle,
obwohl der Bund weiterhin für alle Verbindlichkeiten haftet, und zu einem Ansteigen der
Personalkosten. So hält auch der Rechnungshof u.a. in seinem Bericht über die
Gebarungsprüfung beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28.
August 1998 fest, daß „die erhebliche Verringerung der Planstellen im Bereich der Kapitel
15 auf die Ausgliederung der Arbeitsmarktverwaltung zurückzuführen war, sich die Zahl
der in diesem Bereich Beschäftigten (Beamte der Ämter des AMS und Angestellte des
AMS) aber im Beobachtungszeitraum erhöhte und die diesbezüglichen Personalkosten im
Wege der Gebarung Arbeitsmarktpolitik nach wie vor zur Gänze vom Bund getragen
werden.“
Daher fordert der Rechnungshof, ebenso wie die EU - Kommission, die EZB, die OECD usw.,
seit langem weitere, insbesondere ausgabenseitige Konsolidierungsschritte, vorwiegend
zur Beseitigung langjähriger struktureller Finanzierungsprobleme der öffentliche Haushalte.
Trotz Kenntnis der äußerst angespannten budgetären Situation wegen des
Nichtumsetzens der immer wieder angekündigten Strukturreformen, streuten
Bundeskanzler Klima und Bundesminister für Finanzen Edlinger den Österreicherinnen und
Österreichern noch vor den Nationalratswahlen Sand in die Augen, indem sie vollmundig
verkündeten, daß nur dann das Budget in Österreich konsolidiert und es kein Sparpaket
geben werde, wenn die Sozialdemokraten nach der Wahl weiterregieren werden.
Noch Ende Oktober 1999 erklärte Bundesminister Edlinger, daß die (im internationalen
Vergleich bescheidenen) Budgetziele für das Jahr 2000 erreichbar wären, wenn auch
wieder mit einer fünfprozentigen Kürzung der Ermessensausgaben. Und dies, obwohl
bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, daß Österreich im Jahr 2000 ohne sofortige
Gegenmaßnahmen ein Budgetdefizit von 2,4 % bis 2,6 % des BIP haben würde und
damit das Schlußlicht in der EU, was die Budgetkonsolidierung betrifft, bilden werde.
Den Höhepunkt des unkoordinierten Handelns erzielte der Bundesminister Ende November
1999, als er per Erlaß allen Ministerien eine Kürzung der Ermessensausgaben in der Höhe
von 20 Mrd. öS für das Jahr 2000 anordnete, indem er diese Maßnahme als notwendig
zur Erfüllung des Stabilitätskurses bezeichnete.
In Anbetracht der zuletzt gesetzten Maßnahme müssen sich alle Österreicherinnen und
Österreicher zurecht fragen, warum der Bundesminister für Finanzen nicht bereits vor
Jahren eine diesbezügliche, offensichtlich sehr leicht umzusetzende Maßnahme gefordert
hat, wodurch den Österreicherinnen und Österreicher die Belastungspakete in diesem
Ausmaß erspart werden hätten können.
Obwohl namhafte internationale und nationale Budgetexperten ein Ansteigen des
Budgetdefizites auf rund 2,6 % und in der Folge ein weiteres Sparpaket erwarten,
behauptet der Bundesminister für Finanzen weiterhin, daß er sein (bescheidenes)
Budgetziel ohne Belastungspaket erreichen wird.
Um sich nun Klarheit über die tatsächliche Budgetsituation Österreichs zu verschaffen,
stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher gemäß § 93 Abs.1 GOG - NR folgende
Dringliche Anfrage:
1. Auf Grund welcher Fakten ist im Jahr 2000 ein von Ihnen bereits einbekannter
budgetärer Fehlbetrag von zumindest 20 Mrd. öS zu erwarten?
2. Durch welche Umstände wird sich dieser Fehlbetrag bis zum Jahr 2003 auf zumindest
50 Mrd. öS erhöhen?
3. Teilen Sie die Auffassung, daß der allzu großzügige ausgabenseitige Vollzug der letzten
Budgets für die Fehlbeträge verantwortlich ist?
Wenn ja, inwieweit und warum?
4. Teilen Sie die Auffassung u.a. der Industriellenvereinigung, daß es aufgrund dieser
budgetären Entwicklung zu einem neuerlichen Sparpaket kommen muß?
Wenn nein, mit welcher Begründung?
Wenn ja, wie bewerten Sie dies im Hinblick auf die Aussage des Bundeskanzler
Klima vom Juli 1996, wonach das Sparpaket für die Budgets 1996 und 1997 ein
einmaliger Akt bleiben wird?
5. Kommt der Umstand, daß das Budget kurz nach den Sparpaketen 1995 und 1996
neuerlich aus dem Ruder läuft, nicht dem Eingeständnis einer völlig gescheiterten
Budgetpolitik gleich?
6. Wie begründen Sie es, daß die Budgetexperten der EU - Kommission, der EZB und der
heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute ein Budgetdefizit von rund 2,6% für das
Jahr 2000 Voraussagen, während Sie nach wie vor von einem Erreichen eines
Budgetdefizitzieles von 2,2 % ausgehen?
7. Welche Schritte halten Sie im Hinblick auf die Ihnen vorliegenden Budgetdaten für
unbedingt erforderlich, um spätestens im Jahr 2002 ein tatsächlich ausgeglichenes
Budget vorweisen zu können?
8. Welche konkreten ausgaben - und einnahmenseitigen Maßnahmen halten Sie für
erforderlich, um zumindest das von Ihnen angepeilte (international gesehen
bescheidene) Budgetziel zu erreichen?
9. Können Sie im Hinblick auf die derzeit vorliegenden Budgetdaten ausschließen, daß
einnahmenseitige Maßnahmen z.B. auf dem Gebiet
a. der Erbschafts - und Schenkungssteuer,
b. der Grundsteuer (z.B. der Einheitsbewertung)
c. der Vermögensteuer,
d. der Mineralölsteuer
erfolgen müssen?
10. Welche konkreten Maßnahmen halten Sie für notwendig, um den Forderungen der
EU - Kommission, der EZB, der OECD, des Rechnungshofes usw., nach weiteren,
insbesondere ausgabenseitigen Konsolidierungsschritten zur Beseitigung langjähriger
struktureller Finanzierungsprobleme der öffentliche Haushalte, nachkommen zu
können?
11. Teilen Sie die Auffassung der SPÖ, wonach die Sozialleistungen sozial gestaffelt
werden sollen?
Wenn ja, für welche konkreten Leistungen können Sie sich dies vorstellen?
12. Ist von diesen Überlegungen auch das Pflegegeld betroffen?
13. Stimmen Sie der Auffassung zu, daß es im Bereich des Pflegegeldes
Einsparungsmöglichkeiten von rund 6 Mrd. öS gibt?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche konkreten Einsparungsmöglichkeiten halten Sie für
möglich?
14. Teilen Sie die Auffassung der SPÖ, daß bei den Familienbeihilfen und Kinder -
absetzbeträgen sozial gestaffelt werden soll?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, in welcher Form und in welchem Ausmaß?
15. Hat diese Staffelung den Zweck, die Ausgaben für Familienleistungen insgesamt zu
senken?
16. Sind Sie nach wie vor der Ansicht, daß wegen der in den nächsten Jahren zu
erwartenden Überschüsse im FLAF der DG - Beitrag gesenkt werden soll?
Wenn ja, warum wollen Sie diese Mittel nicht zur Minderung der bestehenden
Familienarmut einsetzen?
Wenn nein, wofür wollen Sie die Überschüsse verwenden?
17. Wie bewerten Sie die Aussagen u.a. des Pensionsexperten der Bundesregierung Rürup,
wonach die künftigen Pensionen nur dann gesichert seien, wenn demnächst weitere
Reformschritte gesetzt werden?
Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen halten Sie zur Stabilisierung des
Bundeszuschußes zu den Pensionen für notwendig?
18. Wie hoch war der Bundeszuschuß zu den Pensionen in den Jahren 1990, 1995, 1998
und wie hoch wird dieser voraussichtlich im Jahr 2003 sein?
19. Wie hoch wird das Budgetdefizit im Bereich der Krankenkassen in den Jahren 1999
und 2000 sein?
20. Welche konkreten Maßnahmen zur Reduzierung des Defizits bei den Krankenkassen
halten Sie für notwendig?
21. Teilen Sie die Auffassung namhafter Experten, wonach die Wohnbauförderung sozial
nicht gerecht ist?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche Konsequenzen halten Sie für erforderlich?
22. Teilen Sie die Meinung des WIFO - Chefs Kramer, wonach in Österreich die Kosten für
den
öffentlichen Dienst im EU - Vergleich um einen Prozentpunkt des BIP
über dem
Durchschnitt bzw. um zwei Prozentpunkte über jenen Deutschlands liegen, wodurch
sich Einsparungspotentiale von bis zu 50 Mrd. öS ergeben?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen halten Sie für notwendig, um zumindest
den EU - Durchschnitt zu erreichen?
23. Welche konkreten Maßnahmen halten Sie im Bereich des Bürokratieabbaus, der
Deregulierung und der Verwaltungsvereinfachung für notwendig?
24. Teilen Sie die Auffassung der SPÖ, daß das Pensionsrecht der Beamten dahingehend
geändert werden soll, daß neu eintretende Bedienstete der Pensionsversicherung nach
dem ASVG unterliegen sollen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche budgetären Konsequenzen ergeben sich daraus?
25. In welcher Höhe liegen derzeit die außerbudgetären Schulden des Bundes ?
26. Welche Verbindlichkeiten weisen Sie den außerbudgetären Schulden zu, und wie
gliedern Sie diese im einzelnen auf?
27. Wie hoch beziffern Sie das Privatisierungspotential des Bundes?
28. Auf Grund welcher Überlegungen hielten Sie noch im Oktober dieses Jahres eine
mögliche Kürzung der Ermessensausgaben von 5 % für ausreichend, während Sie
nunmehr eine solche von 20 % fordern?
29. Aus welchem Grund verlangten Sie nicht bereits in der Vergangenheit von Ihren
Ministerkollegen eine Ihrer Meinung nach so leicht umzusetzende Kürzung der
Ermessensausgaben, zumal bereits in den vergangenen Jahren von zahlreichen
namhaften Experten eine raschere Reduktion des Budgetdefizits verlangt worden ist?
30. Welche Schritte werden Sie setzen, nachdem ein Großteil Ihrer Ministerkolleginnen
und - kollegen erklärt hat, daß sie sich außerstande sehen, in den jeweiligen Ministerien
eine 20 % - ige Kürzung vorzunehmen?
31. Welche Auswirkungen wird die von Ihnen verfügte Kürzung der Ermessensausgaben
um 20 % u.a.
auf die Bereiche F&E, Wissenschaft (Akademie der Wissenschaften),
Bildung, Entwicklungszusammenarbeit, Investitionstätigkeit (Beschaffungswesen)
haben?
32. Erwarten Sie, daß sich ein Verfehlen des Stabilitätszieles „close to balance“ negativ
auf die Zinsentwicklung der Finanzschulden Österreichs auswirken wird?
Wenn nein, wie begründen Sie dies?
Wenn ja, mit welchen budgetären Mehrbelastungen ist dabei zu rechnen?
33. Auf welche Höhe beliefen sich die Ausgaben für Zinsen und Aufgeld in den Jahren
1990, 1995 bzw. 1998 und auf welche Höhe werden sich diese voraussichtlich in den
Jahren 1999 bis 2003 belaufen, und welchen Zinssatz legen Sie hiebei Ihrer
Berechnungen zugrunde?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG - NR
dringlich zu behandeln, einem der Antragsteller Gelegenheit zur mündlichen Behandlung
zu geben und hierüber eine Debatte abzuführen.