399/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Riepl, Dietachmayr, Sophie Bauer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales

betreffend die Umsetzung der Angleichung der Rechte der Arbeiter an die Rechte der

Angestellten „Aktion Fairness“

 

Der tiefgreifende Strukturwandel in der Produktion, bei den wirtschaftsnahen

Dienstleistungen, die Entwicklung der Produktivkraft, geänderte Formen der

Arbeitsorganisation und verfügbaren Qualifikation, bedingt auch die Notwendigkeit der

Verbesserung und Weiterentwicklung des Arbeitsrechts. Hatten Arbeiter in Österreich

ursprünglich beispielsweise keinen Abfertigungsanspruch, einen kürzeren Urlaubsanspruch,

keinen mit Angestellten vergleichbaren gesetzlichen Schutz bei einer Arbeitsverhinderung

durch Krankheit oder Arbeitsunfall, hat die sozialpolitische Entwicklung dieses Jahrhunderts

die Lebens -  und Arbeitsbedingungen von Arbeitern und Angestellten gleichermaßen

verbessert. Die im Angestelltengesetz 1921 zugrunde liegenden sozialpolitisch

anspruchsvollen Regelungen der Arbeitsbeziehungen galten dabei zurecht als Vorbild für alle

übrigen Regelungen der Beschäftigten außerhalb des öffentlichen Dienstes.

 

Wichtige Meilensteine auf dem Weg „Gleiches Recht für Arbeiter und Angestellte“ zu

schaffen, waren:

 

• Arbeitszeitgesetz 1970,

• Arbeitnehmer Schutzgesetz 1973

• Arbeitsverfassungsgesetz 1974

• Entgeltfortzahlungsgesetz 1974

• Urlaubsgesetz 1976

• Pflegefreistellung 1977

• Arbeiter - Abfertigungsgesetz 1979

• Arbeitsruhegesetz 1984

In allen diesen Bereichen sind Arbeiter und Angestellte hinsichtlich der arbeitsrechtlichen

Ansprüche gleichgestellt.

 

Aktion Fairness

Mit der vom ÖGB und Gewerkschaften initiierten Aktion „Fairness“ soll der Abbau der noch

bestehenden Unterschiede in den arbeitsrechtlichen Grundansprüchen erreicht werden. Daraus

erfolgt keine „Gleichmacherei“, sondern es sollen noch bestehende sachlich nicht

gerechtfertigte Unterschiede beseitigt werden. Ziel der Aktion „Fairness“ war und ist es, die

noch verbliebenen arbeitsrechtlichen Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten in

der Weise zu beseitigen, dass

 

• die Rechtsansprüche der Arbeiter, wo dies bisher noch nicht geschehen ist, auf das Niveau

   der Angestellten angehoben wird und

• das Arbeitsrecht insgesamt modernisiert wird.

 

Die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit

in Österreich.

 

Verfassungsrechtliche Betrachtung

Soweit rechtliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten nicht (mehr) sachlich

gerechtfertigt sind widersprechen sie dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Führt

der Gesetzgeber keine Angleichung durch, besteht die Gefahr, dass jene Bestimmungen die

Arbeiter ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligen früher oder später vom

Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden.

 

Die Vorhaben der Bundesregierung

Im Koalitionsübereinkommen „Österreich neu regieren“ findet sich unter dem Titel

„Aktion Fairness: Gleiche Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte im Krankheitsfall

und eine Neuregelung im Urlaubsrecht“ folgender Text:

 

Die Angleichung von Entgeltfortzahlung (Kosten rund 2 Mrd. Schilling) bei Arbeitern und

Angestellten bei Krankheit und Dienstverhinderung soll im Zusammenhang mit der

Aliquotierung des Urlaubs kostenneutral durchgeführt werden. Gleichzeitig ist eine

Vereinfachung anzustreben. Die Angleichung der unterschiedlichen Kündigungsfristen von

Arbeitern und Angestellten ist Angelegenheit der Sozial -  und Kollektivvertragspartner.

 

An anderer Stelle in diesem Übereinkommen findet sich der Hinweis, dass die Aliquotierung

des Urlaubs zu einer „Lohnnebenkostensenkung“ von 4,3 Mrd. Schilling pro Jahr führt.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin nachstehende

 

                                                              

Anfrage:

 

1. Wie setzen sich die Kosten der Angleichung der Entgeltfortzahlung zusammen?

2. Werden die im §§ 8 und 9 AngG (Anspruch bei Dienstverhinderung) künftig auch auf

    Arbeiterdienstverhältnisse angewandt?

3. Wenn nein - wie soll die künftige Regelung für Arbeiter lauten?

4. Welche Vereinfachungen streben sie an?

5. Wie wird die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfällen angeglichen?

6. Wenn die Entgeltfortzahlungsbestimmungen angeglichen werden, kommt es dann auch

     zu einer Angleichung der Krankenversicherungsbeiträge?

7. Wenn nein - womit rechtfertigen Sie die Aufrechterhaltung des unterschiedlichen

     Beitragssatzes unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gleiheitsgrundsatzes?

8. Wie rechtfertigen Sie die weitere Ungleichbehandlung im Beendigungsrecht

     (Kündigungsbestimmungen, Entlassungs -  und Austrittsgründe) unter Berücksichtigung

     des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes?

9. Würde die Angleichung der Beendigungsbestimmungen auf dem Niveau des

     Angestelltengesetzes Mehrkosten für Unternehmen bringen?

10. Wenn ja wieviel, wie setzt sich die Summe zusammen und welche Annahmen haben Sie

      der Berechnung zu Grunde gelegt?

11. Wie rechtfertigen Sie die Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Bestimmungen über

      die Fälligkeit des Entgeltes unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen

      Gleichheitsgrundsatzes?

12. Würde die Angleichung der Bestimmungen über die Fälligkeit des Entgeltes auf dem

       Niveau des Angestelltengesetzes Mehrkosten für Unternehmen bringen?

13. Wenn ja wieviel, wie setzt sich die Summe zusammen und welche Annahmen haben Sie

       der Berechnung zu Grunde gelegt?

14. Wie rechtfertigen Sie die Aufrechterhaltung der unterschiedlichen Bestimmungen über

       die Aliquotierung von Sonderzahlungen unter Berücksichtigung des

       verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes?

15. Würde die Angleichung der Bestimmungen über die Aliquotierung von

       Sonderzahlungen auf dem Niveau des Angestelltengesetzes Mehrkosten für

       Unternehmen bringen?

16. Wenn ja wieviel, wie setzt sich die Summe zusammen und welche Annahmen haben Sie

       der Berechnung zu Grunde gelegt?

17. Wie setzt sich die Summe von S 4,3 Mrd Lohnnebenkostensenkung durch die

       Aliquotierung des Urlaubs zusammen?

18. Wie wird die Bestimmung zur Aliquotierung des Urlaubs lauten?

19. Ist es richtig, dass Arbeitnehmer. die schon jahrelang beim selben Dienstgeber

       beschäftigt sind, nach dieser Regelung bei einem Eintrittsdatum 1 .Mai, Anfang Juli,

       ohne Berücksichtigung eines Resturlaubes aus den Vorjahren, nur Anspruch auf

       5 Werktage Urlaub haben?

20. Soll die Aliquotierung des Urlaubes nur für Arbeiter wirksam werden, oder auch für

      Angestellte, Vertragsbedienstete und Beamte?

21. Warum lehnen sie eine einheitliche Rechtsquelle für Arbeiter und Angestellte auf

      dem Niveau des Angestelltengesetzes, und damit die Schaffung eines einheitlichen

      Arbeitnehmerbegriffes ab?