406/J XXI.GP
der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend - Verzicht auf ein Frauenministerium
Die sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich für Frauen in Österreich in den
letzten Jahrzehnten in einem eklatanten Ausmaß verändert. Ein gerüttelt Maß dieses Erfolges
kann sich die Sozialdemokratie und die sozialdemokratische Frauenpolitik auf ihre Fahnen
heften. Aufgrund der sozialdemokratischen Frauenpolitik wurde nicht nur eine
gesellschaftliche Sensiblisierung erreicht, die dazu führte, daß geschlechtsspezifische
Diskriminierung in Österreich kein Kavaliersdelikt mehr ist und daß die Ermöglichung jener
Rahmenbedingungen, die Frauen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, zu
einem der wesentlichen Aspekte des politischen Selbstverständnis geworden ist.
Frauenpolitik ist Sensibilisierung, ist Aufmerksammachen, ist Aufklären. Neben diesen
sozialen Aspekten ist jedoch der formale Aspekt von wesentlicher Bedeutung. Die
Möglichkeiten, sich innerhalb des Normsetzungsprozesses einzuschalten und damit eine
zielorientierte Frauenpolitik zu ermöglichen, kann nicht ohne ministerielle Kompetenzarbeit
und dementsprechend ministerieller Sacharbeit erfolgen. Daher bedarf eine effiziente und den
Standards der modernen Demokratie entsprechenden Frauenpolitik die kompetente und
unabhängige Vertretung von Frauenanliegen im politischen Willensbildungs - und
Normsetzungsprozeß und daher einer starken, und unabhängigen und sachkompetenten
Repräsentanz in allen Gremien.
Die rechtskonservative Regierung hat nun auf ein eigenes Frauenministerium verzichtet.
Frauenanliegen werden künftig als Untergruppierung der Sozialpolitik aufgefaßt. Damit
werden Frauen zur Fußnote der Sozialpolitik. Die rechtskonservative Regierung dokumentiert
damit auf ein Vielfaches den Stellenwert von Frauen und Frauenpolitik. Frauenpolitik wird
aus dem Zentrum des politischen Anliegens hinausgedrängt. Frauenanliegen,
Gleichbehandlungsfragen etc. werden marginalisiert.
Den Stellenwert, den die rechtskonservative Regierung Frauen zubilligt wird auch durch die
einzigartige Entgleisung des Kurzzeitministers
Dr. Michael Krüger deutlich:
"Krüger klemmt sich bebend an seinem Sessel fest, wirft nach Luft schnappend den
Kopf in den Nacken, wiehert vor Freude, springt auf, kurvt das Ministerbüro: ,,Waßt
no, die Miss Vienna?“, ruft der Michi in ihm. „Mein Gott“, klatscht der Dieter in die
Hände, „was haben wir geschnackselt. Die Miss Vienna haben wir uns geteilt. Zuerst
ich im Schlafzimmer, dann du im Wohnzimmer“.
Bis jetzt wurde von der Bundesregierung zu diesem Vorfall nicht Stellung genommen! Von
Seiten des Bundeskanzlers wurde keine Reaktion gesetzt.
Die offenkundige Marginalisierung von Frauenanliegen auf inhaltlicher und politischer Ebene
geht aber nicht nur Hand in Hand mit völlig inakzeptablen Äußerungen gegenüber Frauen, die
zu Sexualobjekten und der uneingebremsten Darstellung männlicher „Bocksprung - Allüren“
degradiert werden, sondern auch mit einer Auffassung von ministerieller Kompetenz, die eine
starke und unabhängige Einbringung von Frauenanliegen im politischen Willensbildungs - und
Normsetzungsprozeß nicht erwarten läßt. So erklärte Frau Bundesministerien Elisabeth Sickl:
"Mein persönliches Engagement, Flexibilität und Fähigkeit zum Dialog. Ein Minister
braucht gewisse Charaktereigenschaften, für die Sachkompetenz hat er einen
Beamtenapparat. Die Details braucht er eh nicht wissen. Er muss die Linie vorgeben.“
(News, 24.2.2000)
Diese Aussage läßt befürchten, daß Frauenanliegen bei den Verhandlungen auf Ministerebene
auf der Strecke bleiben.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher
an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage:
1. Wie wird Frauenpolitik künftig auf ministerieller Ebene wahrgenommen werden?
2. Wie werden Sie gewährleisten, daß die MinisterInnen Ihrer Regierung ihre Fachbereiche
kompetent und den Anforderungen, die an Minister und Ministerinnen gestellt werden
müssen, entsprechend wahrnehmen.
3. Warum haben Sie bis heute keine Stellungnahme zu den Krügerschen
Frauendiskriminierungen getätigt.
4. Wie werden Sie künftig gewährleisten, daß Frauen in Äußerungen von Mitgliedern Ihrer
Bundesregierung nicht zu Sexualobjekten degradiert werden?
5. Wie wollen Sie, aufgrund der emanzipationsfeindlichen Orientierung der neuen
Regierung, gewährleisten, daß EU - Richtlinien im Bereich der
Antidiskriminierungsmaßnahmen von Österreich umgesetzt werden?
6. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie gewährleisten, daß auch künftig Frauenpolitik auf
dem selbstverständlichen Niveau eines modernen westlichen demokratischen Landes, das
sich dem gleichberechtigten Miteinander verpflichtet fühlt, ausgeübt wird.