467/J XXI.GP
§ 93 Abs 1 GOG NR
der Abgeordneten Dr. Gusenbauer
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend „Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet Arbeitsplätze - kein
Verschleudern von öffentlichem Eigentum“
Nach dem Bundesministeriengesetz fallen unter anderem die allgemeine Regierungspolitik
und die wirtschaftliche Koordination in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers. Als eine der
wesentlichen Zielsetzungen der FPÖ/ÖVP - Regierung zeigt sich die Veräußerung der im
Eigentum der Republik Österreich stehenden Unternehmen.
Die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion fordert daher auch die Verantwortung von
Bundeskanzler Dr. Schüssel hinsichtlich der unprofessionellen, undemokratischen,
unternehmensschädigenden und mitarbeiterfeindlichen Vorgangsweise im Rahmen der
Privatisierungsvorhaben dieser Regierung ein.
Die inhaltlichen Zielsetzungen des ÖIAG - Privatisierungsgesetzes, die geplante
Vorgangsweise bei der Behandlung auf parlamentarischer Ebene sowie die Missachtung
einer gesetzlich vorgesehenen Einbeziehung der berechtigten Interessen der betroffenen
Unternehmens - und Arbeitnehmerverantwortlichen lässt erneut die industrie- und
arbeitnehmerfeindlichen Konturen der blau - schwarzen Regierung mit erschreckender
Klarheit hervortreten:
Nahezu wöchentlich wird seitens der Regierung ein Belastungsangriff auf Arbeitnehmer,
Verbraucher, deren Gesundheit, deren Pensionen, Jugendausbildung und Arbeitsplätze
gestartet, verbunden mit gezielten Begünstigungen für Unternehmer und Großbauern.
Diese Regierung holt mit ihrer ÖIAG - Gesetzesvorlage und dieser ungeheuerlich
undemokratischen Vorgangsweise zum
nächsten Schlag aus.
Waren bei den letzten ÖIAG - Gesetzesnovellen trotz fehlender Begutachtungen alle
Sozialpartner im Rahmen zum Teil wochen - und monatelanger Verhandlungen
miteingebunden, versucht die Regierung nun nach Verhinderung einer Begutachtung diese
Gesetzesvorlage auch auf parlamentarischer Ebene „raschest“ mit einer ,,Kurzbegutachtung“
mit eingeschränkter Teilnehmerzahl durchzupeitschen.
Die Bundesregierung hat unter Ihrer Vorsitzführung dem Vernehmen nach im Ministerrat
am 29.2.2000 ohne Durchführung einer Begutachtung beschlossen, in einer ersten Phase
folgende Unternehmen zu 100 Prozent zu privatisieren: Österreichische Staatsdruckerei
GesmbH, Dorotheum Auktions - Versatz - und BankgesellschaftmbH, Printmedia Austria AG,
Flughafen Wien AG, PSK AG, Telekom Austria AG und Austria Tabak AG.
In einer zweiten Tranche ist die Regierung zumindest bereit, eine hundertprozentige
Privatisierung noch zu prüfen. Es handelt sich dabei um die VOEST Alpine Stahl AG,
OMV AG, Böhler Uddeholm AG, VA Technologie AG, AUA und die Österreichische Post
AG.
Dieser Privatisierungsbeschluss im Ministerrat ist bis heute nicht veröffentlicht!
Bisher bestand eine wesentliche Aufgabe der ÖIAG laut ÖIAG - Gesetze 1993 und 1997
darin, „dass österreichische Industriebetriebe und industrielle Wertschöpfung, so weit
wirtschaftlich vertretbar, erhalten bleiben“. Diese wichtige Zielsetzung ist im
vorliegenden Gesetzesentwurf nicht mehr enthalten!
Darüber hinaus ist im blau-schwarzen Regierungsprogramm „grundsätzlich vorgesehen“,
dass die Republik Österreich bei Unternehmen, an denen sie im Wege der ÖIAG
Miteigentumsanteile hält, die Rolle des Kernaktionärs aufgibt, also unter die
aktienrechtliche Sperrminorität von 25 % plus eine Aktie geht!
Diese Zielsetzungen sind für die österreichische Wirtschaft, für die betroffenen
Unternehmen, deren Beschäftigte und Zukunft der falsche Weg!
Da es in Österreich weit gehend an großen privaten Investoren mangelt, hat bisher der Staat
die wirtschaftspolitisch wichtige Funktion eines „strategischen“ Eigentümers
wahrgenommen. Dadurch sind wichtige Industriekonzerne und Schlüsselsektoren unter
österreichischem Einfluss geblieben. Die Erhaltung starker Industriekerne ist eine wichtige
Voraussetzung für einen attraktiven
Wirtschaftsstandort und damit für die Schaffung
und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Gibt der Staat diese Funktion auf, ist ein Ausverkauf
von österreichischen Schlüsselunternehmen ins Ausland kaum zu verhindern!
Die vorliegender Gesetzesentwurf in Verbindung mit der geplanten Vorgangsweise hätte
folgende Auswirkungen:
· durch die unprofessionelle Vorgangsweise droht die Verschleuderung öffentlichen
Eigentums unter dem tatsächlichen Wert,
· es droht ein Ausverkauf österreichischer Paradebetriebe,
• eine Gefährdung von mehr als 120.000 Arbeitsplätzen,
• eine schwere Beeinträchtigung der Börsenkurse der betreffenden Unternehmen, die
bereits begonnen hat,
• die Verabschiedung der öffentlichen Hand von jeder industriepolitischen Ambition für
die Zukunft,
• unabsehbar sind die Auswirkungen etwa auf die 520 Zulieferer mit einem Volumen von
720 Mio Schilling bei der ATW und ebenso die Konsequenzen für mehr als
1.000 österreichische Zulieferer bei der ÖIAG
• sowohl das derzeit nicht besonders gute Börseklima, als auch die beschränkte
Aufnahmefähigkeit der Wiener Börse sprechen nicht für eine rasche und vollständige
Privatisierungseuphorie
• ein Wertschöpfungsverlust bei der AT durch Wegfall von Lizenz - und Handelsmarken,
Lohnfertigung und Produktionsverlagerung.
Selten noch war eine derart wichtige Gesetzesvorlage von allen Seiten quer durch alle
Interessensgruppen, aber auch seitens einer breiten Öffentlichkeit unter Beschuss
gekommen.
Die in Aussicht genommene Vorgangsweise einer Pauschalermächtigung zur
Totalprivatisierung unter großem Zeitdruck birgt die große Gefahr eines Ausverkaufs und
lässt darüber hinaus jede Professionalität und Seriosität vermissen.
In dieser ernsten Situation ist von allen Interessensgruppierungen und Fraktionen dieses
Hauses eine umfassende und breite demokratische Diskussion gefordert, welche die
Menschen an vorderste Stelle stellt. Es kann und darf nicht sein, dass die eben erwähnten
Interessen kurzfristigen, kurzsichtigen und
parteipolitischen Vorteilen geopfert werden.
Wie oft wurden der Untergang und der Tod der Verstaatlichten Betriebe schon herbeigeredet!
Dem selbst ernannten „Beschützer des kleinen Mannes“ war es vorbehalten, bereits 1986(!)
die sofortige Schließung des Werkes in Donawitz zu fordern. Darüber hinaus wollte er ein
eigenes Volksbegehren gegen die Verstaatlichte Industrie einleiten. Beides ist ihm damals
nicht gelungen. Es war wieder einmal bloß ein „Haider - Gag“ - auf dem Rücken einer in
Bedrängnis geratenen Donawitzer Belegschaft.
Sozialdemokraten haben stattdessen dafür gesorgt, dass die Unternehmen der
verstaatlichten Industrie modernisiert und in neue zukunftsträchtige Eigentümer -
strukturen eingebettet wurden.
Der ehemaliger Vizekanzler Dr Busek - kürzlich zum Ost - Europa - Beauftragten ernannt -
von dem man damals erwartet hätte, dass er sich mit aller Kraft für das Vermögen der ihm
anvertrauten Republik einsetzt, verglich diese Unternehmungen 1993 mit Museen. Bereits
1995, also nur zwei Jahre später, schrieb die damals am heftigsten attackierte Voest - Alpine
Stahl wieder die höchsten Gewinne dieser Gruppe!
Den Gipfel der Geschmacklosigkeit lieferte in diesem Zusammenhang die ÖAAB - Fraktion
des Unternehmens. Ihre Vertreter verteilten Partezettel zum Tod und Begräbnis der Voest -
Alpine!
„WIENER BÖRSE IST OPFER DER POLITIK“ titelte die Wirtschaftswoche am
10.3.2000: Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), meinte, dass das
Börseklima derzeit nicht für größere Privatisierungen geeignet ist. Der EU - Boykott gegen
die österreichische Regierung trifft seiner Ansicht nach vor allem den Aktienmarkt.
Felderer meint, dass diese schlechte Entwicklung eine direkte Folge der EU - Sanktionen
ist.
„Man stelle sich vor, ein amerikanischer Fondsmanager, der nicht viel über Österreich weiß
und Milliarden zu verwalten hat, hört, dass die EU Sanktionen gegen das Land verhängt hat.
Der wirft doch sofort die paar österreichischen Papiere, die er hat, auf den Markt.“
Damit jedoch nicht genug. Jörg Haider sorgte mit seinem ‚,Aschermittwochauftritt“ dafür,
dass alle jene, die bis dahin aus Unsicherheit der Wiener Börse den Rücken gekehrt hatten,
nunmehr sicher sein konnten, den richtigen
Schritt gesetzt zu haben.
Die bisherige österreichische Erfolgsstory - einer bisher maßvollen und einem
langfristigen Gesamtkonzept folgenden Privatisierung - wird sich mit den geplanten
Gesetzesvorlagen, aber auch mit der Vorgangsweise, die die Bundesregierung nunmehr
einschlägt, nicht fortschreiben lassen. Die Umsetzung der Konzepte der FPÖVP -
Regierung würde eine gefährliche Zäsur bedeuten, die unserer Ansicht nach gegen die
Interessen dieser erfolgreichen Unternehmen, gegen die Interessen der dort
Beschäftigten und gegen jene der Republik Österreich gesichert ist.
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die oben angeführten Unternehmen
bereits bisher privatwirtschaftlich und sehr erfolgreich geführt werden. Ein Großteil der
Unternehmen der ÖIAG - Gruppe notiert an der Börse.
Durch eine Totalprivatisierung quasi automatisch eine weitere Effizienzsteigerung zu
erwarten, ist eine Illusion. Allenfalls entsteht zusätzlicher Druck zur stärkeren Gewichtung
des Shareholder Value, auf Kosten der Belegschaften und der Arbeitsplätze.
Ein Weg zu einer Versachlichung dieser Thematik ist sicherlich, aus der genaueren
Beobachtung der erfolgreichen Privatisierungen seit dem Jahre 1993 die richtigen Schlüsse
zu ziehen.
Seit dem ÖIAG - Privatisierungsgesetz 1993 wurden umfangreiche, intelligente und
maßvolle Privatisierungsmaßnahmen durchgeführt.
Zur Absicherung der Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich und zur Aufrechterhaltung
und Verbesserung der Beschäftigungssituation ist es erforderlich, den Bestand wichtiger
Industrien sowie sonstiger Schlüsselsektoren wie Infrastrukturunternehmen national -
strategisch abzusichern und damit die Konzernzentralen in Österreich zu halten.
Zu diesem Zweck müsste die ÖIAG von einer reinen Privatisierungs - bzw. Finanzholding in
eine Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Eigentumsrechte des
umgewandelt werden. Dazu bedarf es einer entsprechenden Abänderung der ÖIAG -
Novellierung, um eine Verpflichtung zum Halten von zumindest 25 Prozent plus 1 Aktie
bei den alten ÖIAG - Beteiligungen (OMV, VA Stahl, VA Tech, BUAG), sowie auch bei den
anderen wichtigen Unternehmungen
sicherzustellen.
Die Erhaltung starker strategischer Industriekerne ist eine wesentliche Voraussetzung
dafür, dass unser Land zum Globalisierungsgewinner und nicht - verlierer wird!
Der strategische Einfluss, der notwendig ist, um dieses Ziel zu erreichen, sollte daher auch
von dieser Bundesregierung nicht in ausländische Hände gegeben werden.
Wichtige Industrien und Schlüsselsektoren müssen Österreich erhalten bleiben, um zur
Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreichs beizutragen. Davon hängt zu einem
wesentlichen Teil die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Beschäftigungssituation
in unserem Land ab!
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage:
1. Welches sind die zu privatisierenden Gesellschaften bzw. Unternehmungen gemäß
§ 8 Abs 2 ÖIAG - Gesetzesentwurf?
2. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgewählt bzw. werden Sie diese auswählen?
3. Warum wurde der Privatisierungsbeschluss des Ministerrates nicht veröffentlicht?
4. Wie will die Österreichische Bundesregierung mit diesem Privatisierungskonzept
sicherstellen, dass die Unternehmen weiterhin am Standort Österreich investieren,
forschen und den Mitarbeiterstand absichern bzw. ausweiten?
5. Halten Sie den österreichischen Kapitalmarkt für ausreichend aufnahmefähig oder
planen Sie die Platzierung von Aktien an ausländischen Börseplätzen?
6. Welche Erlöse erwarten Sie aus Ihrem Privatisierungsvorhaben?
7. Werden diese Erlöse die Höhe der Gesamtschulden erreichen?
8. Wie wollen Sie künftig feindliche Übernahmen bei den börsennotierten Gesellschaften
verhindern?
9. Wollen Sie das Konzept des stabilen Mehrheitseigentümers (Kernaktionärs) im Rahmen
des Privatisierungskonzeptes aufgeben?
10. Inwiefern findet mit dem neuen ÖIAG - Gesetz eine Entpolitisierung statt, wenn der erste
Aufsichtsrat von der Bundesregierung ausgesucht wird und der Finanzminister sich das
Recht vorbehält, jederzeit unerwünschte Mitglieder des Aufsichtsrats
abzuberufen?
11. Was ist die Zielsetzung, dass die in aufsichtsratspflichtigen Kapitalgesellschaften bisher
selbstverständliche Vorgangsweise, dass Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat
unabhängig vom Eigentümer bestellt, bzw. abberufen wurden, nicht mehr beibehalten
wird und der Finanzminister Einfluss auf die Wahl und Abberufung von
Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nimmt?
12. An welche Umstrukturierungsmaßnahmen haben Sie im § 10 Gesetzesentwurf konkret
gedacht?
13. Wann wird die Verschmelzung von ÖIAG/ PTA/ PTBG durchgeführt werden?
14. Welches Konzept liegt dieser Vorstellung zu Grunde?
15. Welche Maßnahmen werden Sie künftig als Eigentümervertreter setzen, um weitere
Kursverluste der ÖIAG - Unternehmen zu verhindern?
16. Wie weit stehen Sie zu der von Finanzminister Grasser geäußerten Änderung der
Sichtweise, wonach nunmehr - im Gegensatz zu früheren Äußerungen seitens der
FPÖ/ÖVP - sehr wohl von Fall zu Fall über die positive Rolle eines Kernaktionärs bzw.
von Sperrminoritäten die Rede ist?
17. Sind Sie bereit, die bisherigen Refundierungsverpflichtungen aufrechtzuerhalten, um
die ÖIAG nicht in Liquiditätsprobleme zu bringen?
Unter einem wird verlangt, diese Anfrage im Sinne § 93 Abs. 1 dringlich zu behandeln.