618/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Brunhilde Plank

und Genossen

an den Bundeskanzler

betreffend „Baustopp“ beim Semmering - Basistunnel

 

In einer Pressekonferenz anlässlich eines Treffens der Planungsgruppe Süd am 17. März

wurde vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ein „Baustopp“ für den

Semmering - Basistunnel verkündet (welche Ironie, wird der Verkehr des 21. Jahrhundert auf

der Semmeringstrecke damit in Zukunft auf einer nicht modernisierten Bahnstrecke des

19. Jahrhundert von Ritter v. Ghega abgewickelt werden).

 

Im Rahmen der Pressekonferenz vom 17. März wurde als Begründung ein Rechtsgutachten

von Univ. Prof. DDr. Walter Barfuß präsentiert. Das Rechtsgutachten kommt dabei zu

folgenden Schluss: "Nach den verfassungsrechtlichen, verfahrensrechtlichen und auch

europarechtlichen Gegebenheiten besteht theoretisch ein unbeschränktes

Zeitverzögerungspotenzial, jedenfalls aber ein Zeitverzögerungspotenzial von mindestens drei

bis fünf Jahren, wahrscheinlich aber sogar von zehn Jahren (und mehr) bis zur endgültigen

Entscheidung über die naturschutzbehördliche Zulässigkeit des (gesamten) in Frage stehenden

Semmering - Basistunnels.“ Diese Schlussfolgerungen decken sich mit dem Ergebnis eines

Rechtsgutachtens, dass vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem

in Auftrag gegeben wurde und von Verfassungsexperten Dr. Heinz Mayer vor mehr als einem

Jahr vorgelegt wurde. Selbiger meldete sich vor einigen Tagen wieder zu Wort und übte

scharfe Kritik am Vorgehen des Landes Niederösterreichs an der Causa Semmering -

Basistunnel. „Wenn Niederösterreich auf Biegen und Brechen die weiterhin über alles

hinwegsetzt, über Entscheidungen der Höchstgerichte und über die Rechtsordnung, dann

können sie das Projekt zu Fall bringen“„ Dass es Politiker gibt, die die Rechtsordnung

jahrelang beugen, und Landtage, die sich als Erfüllunggehilfen einspannen lassen, ist sicher

etwas Außergewöhnliches. Ich habe so etwas noch nie erlebt, so eine nachhaltige jahrelange

Rechtsverletzung, permanent trotz Entscheidungen der Höchstgerichte“ gab der

Verfassungsrechtler zu bedenken. Konkret warf Mayer dem Land Niederösterreich vor, zuerst

das Naturschutzverfahren jahrelang verschleppt zu haben, dann verfassungswidrige Bescheide

erlassen zu haben und schließlich nach Aufhebung des Gesetzes zu dem

Verfassungsgerichtshof das Gesetz nochmals wieder verfassungswidrig novelliert zu haben.

Das Ganze ist dann widerrechtswidrig in die erste Instanz zurückverwiesen und mittlerweile

vom VWGh aufgehoben worden.

 

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kritisierte selbst

Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und betonte, dass „Föderalismus nicht zu

Chauvinismus ausarten dürfe“ und weiter „es kann nicht sein, dass ein Bundesland aus

politischer Opportunität eine Entwicklung in zwei anderen Bundesländern verhindert. Ich

kann mir vorstellen, per Verfassungsgesetz für so übergeordnete Entwicklungsmaßnahmen

die Entscheidung dem Bund zu überlassen“.

 

Tatsache ist es, dass das Land Niederösterreich durch entsprechende naturschutzrechtliche

Bescheide den Bau des Semmering - Basistunnels verzögert hat.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 25. Juni 1999 nach einem

Gesetzesprüfungsverfahren den § 2 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes als

verfassungswidrig aufgehoben und gleichzeitig bestimmt, dass der § 2 des

Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes in der Fassung vor der Novelle LGBl. 5500 - 5

wieder in Kraft tritt.

 

Die oben angeführte Novelle zum Niederösterreichischen Naturschutzgesetz war im Jahr

1997 durch den Niederösterreichischen Landtag verabschiedet worden, um das

naturschutzrechtliche Verfahren betreffend den Bau des Semmering - Basistunnels einen

politisch gewünschten Ausgang zuführen zu können. Durch das danach ergangene Erkenntnis

des Verfassungsgerichtshofes wurde diese Anlassgesetzgebung im Sinne einer geordneten

Rechtsstaatlichkeit als verfassungswidrig erklärt und der alte Rechtszustand als Maßstab für

die weitere Abwicklung des naturschutzrechtlichen Verfahrens wieder eingeführt.

 

Gemäß einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist als nächster Schritt ein neuer

naturschutzrechtlicher Bescheid von der Landesregierung Niederösterreich zu erlassen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

 

Anfrage:

 

 

1. Wie stehen Sie zu der Forderung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und

    Technologie nach einem Verfassungsgesetz, um den Bau des Semmering -

    Basistunnels gegen die Verzögerungsmaßnahmen des Landes Niederösterreichs

    durchzusetzen?

2. Werden Sie ein solches Verfassungsgesetz im Ministerrat unterstützen?

 

3. Soll dieses Gesetz nur zur Durchsetzung des Baus des Semmering - Basistunnels

    dienen oder auch zur Durchsetzung aller anderen bundesländerübergreifenden

    Infrastrukturfragen?

 

4. Bis wann ist mit einer dementsprechenden Bundesverfassungsgesetznovelle zu

    rechnen?