619/J XXI.GP
der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Brunhilde Plank
und Genossen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend „Baustopp" beim Semmering - Basistunnel
In einer Pressekonferenz anlässlich eines Treffens der Planungsgruppe Süd am 17. März
wurde von Ihnen als Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ein
"Baustopp" für den Semmering - Basistunnel verkündet (welche Ironie, wird der Verkehr des
21. Jahrhundert auf der Semmeringstrecke damit in Zukunft auf einer nicht modernisierten
Bannstrecke des 19. Jahrhundert von Ritter v. Ghega abgewickelt werden). Diese Anfrage hat
im Wesentlichen den Zweck zu hinterfragen, was denn mit dem „Baustopp“ beim
Semmering - Basistunnel von Ihnen gemeint sei, wurde die Tätigkeit am Sondierstollen doch
bereits von Bundesminister Einem vor mehr als einem Jahr eingestellt.
Im Rahmen der Pressekonferenz vom 17. März wurde von Ihnen als Begründung ein
Rechtsgutachten von Univ. Prof. DDr. Walter Barfuß präsentiert. Das Rechtsgutachten
kommt dabei zu folgenden Schluss: „Nach den verfassungsrechtlichen, verfahrensrechtlichen
und auch europarechtlichen Gegebenheiten besteht theoretisch ein unbeschränktes
Zeitverzögerungspotenzial, jedenfalls aber ein Zeitverzögerungspotenzial von mindestens drei
bis fünf Jahren, wahrscheinlich aber sogar von zehn Jahren (und mehr) bis zur endgültigen
Entscheidung über die naturschutzbehördliche Zulässigkeit des (gesamten) in Frage stehenden
Semmering - Basistunnels.“ Diese Schlussfolgerungen decken sich mit dem Ergebnis eines
Rechtsgutachtens, dass vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem
in Auftrag gegeben wurde und von Verfassungsexperten Dr. Heinz Mayer vor mehr als einem
Jahr vorgelegt wurde. Selbiger meldete sich vor einigen Tagen wieder zu Wort und übte
scharfe Kritik am Vorgehen des Landes Niederösterreichs an der Causa Semmering -
Basistunnel. „Wenn Niederösterreich auf Biegen und Brechen die weiterhin über alles
hinwegsetzt, über Entscheidungen der Höchstgerichte und über die Rechtsordnung, dann
können sie das Projekt zu Fall bringen“„ Dass es Politiker gibt, die die Rechtsordnung
jahrelang beugen, und Landtage, die sich als Erfüllunggehilfen einspannen lassen, ist sicher
etwas Außergewöhnliches. Ich habe so etwas noch nie erlebt, so eine nachhaltige jahrelange
Rechtsverletzung, permanent trotz Entscheidungen der Höchstgerichte“ gab der
Verfassungsrechtler zu bedenken. Konkret warf
Mayer dem Land Niederösterreich vor, zuerst
das Naturschutzverfahren jahrelang verschleppt zu haben, dann verfassungswidrige Bescheide
erlassen zu haben und schließlich nach Aufhebung des Gesetzes zu dem
Verfassungsgerichtshof das Gesetz nochmals wieder verfassungswidrig novelliert zu haben.
Das Ganze ist dann widerrechtswidrig in die erste Instanz zurückverwiesen und mittlerweile
vom VWGh aufgehoben worden.
Sie als Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kritisierten selbst
Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und betonten, dass „Föderalismus nicht zu
Chauvinismus ausarten dürfe“ und weiter „es kann nicht sein, dass ein Bundesland aus
politischer Opportunität eine Entwicklung in zwei anderen Bundesländern verhindert. Ich
kann mir vorstellen, per Verfassungsgesetz für so übergeordnete Entwicklungsmaßnahmen
die Entscheidung dem Bund zu überlassen“.
Tatsache ist es, dass das Land Niederösterreich durch entsprechende naturschutzrechtliche
Bescheide den Bau des Semmering - Basistunnels verzögert hat.
Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 25. Juni 1999 nach einem
Gesetzesprüfungsverfahren den § 2 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes als
verfassungswidrig aufgehoben und gleichzeitig bestimmt, dass der § 2 des
Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes in der Fassung vor der Novelle LGBl. 5500 - 5
wieder in Kraft tritt.
Die oben angeführte Novelle zum Niederösterreichischen Naturschutzgesetz war im Jahr
1997 durch den Niederösterreichischen Landtag verabschiedet worden, um das
naturschutzrechtliche Verfahren betreffend den Bau des Semmering - Basistunnels einen
politisch gewünschten Ausgang zuführen zu können. Durch das danach ergangene Erkenntnis
des Verfassungsgerichtshofes wurde diese Anlassgesetzgebung im Sinne einer geordneten
Rechtsstaatlichkeit als verfassungswidrig erklärt und der alte Rechtszustand als Maßstab für
die weitere Abwicklung des naturschutzrechtlichen Verfahrens wieder eingeführt.
Gemäß einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist als nächster Schritt ein neuer
naturschutzrechtlicher Bescheid von der Landesregierung Niederösterreich zu erlassen.
Gemäß Agenturmeldungen sprachen Sie in der selben Pressekonferenz von einer
„unverantwortlichen Politik Ihrer Vorgänger“ und dass Sie nicht „für den größten Schwarzbau
der Republik verantwortlich sein wollen“. In diesem Zusammenhang lässt sich wohl nur
feststellen, dass sämtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Fertigstellung des
Semmering - Basistunnels auf gesetzlicher
Ebene getroffen wurden und der Semmering -
Basistunnel ein wichtiger Bestandteil des vom Ministerrat und vom Nationalrat beschlossenen
Masterplans zum Bundesverkehrswegeplan ist. Darüber hinaus haben die betroffenen Länder
den Semmering - Basistunnel in ihren Landesverkehrskonzepten berücksichtigt und seine
Errichtung gefordert.
Der Semmering - Basistunnel hat sich hinsichtlich Errichtungszeiten und Kosten in allen
Expertenuntersuchungen von den drei Hauptvarianten mit Untervarianten, der Pontebbana -
Achse über den Semmering, der Südostspange und der Umfahrung über das ungarische
Staatsgebiet nach Graz als beste Variante herausgestellt. Dabei wurden die untersuchten
Varianten danach beurteilt, wie gut sie vor allem folgende Kriterien erfüllen:.
• Kapazität für die zukünftigen Anforderungen im Gütertransport
• Verbesserung im Personenverkehr hinsichtlich Fahrzeit und Anbindung
• Sicherung Österreichs als Drehscheibe in Zentraleuropa
• Rasche Wirksamkeit
• Kosten-/Nutzenrelation
Demgegenüber weist der Semmering - Basistunnel nachstehende Vorteile auf:
1. Eine Streckenverkürzung vom mehr als 40 %
2. Eine Verkürzung der Reisezeit von 30 Minuten. So würde sich mit Semmering -
Basistunnel und Neigezugtechnik die Fahrzeit von Wien nach Graz um 1 Stunde, die
Fahrzeit von Wien nach Villach um 1 Stunde und 40 Minuten im Personenverkehr
verkürzen.
3. Eine bestmögliche Eignung für alle Formen des Güterverkehrs und des kombinierten
Verkehrs.
4. Eine hohe Ersparnis bei Betriebs- und Erhaltungskosten
5. Eine für die Erhaltung der Ghegabahn dringend notwendige Entlastung
6. Eine Lärmreduktion in der Tourismusregion Semmering
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende
Anfrage:
1. Wie stehen Sie zu den derzeit bestehenden Beschlüssen der Bundesregierung über
den Bau des Semmering - Basistunnels?
2. Weshalb haben Sie nicht den bis Juni von der Niederösterreichischen
Landesregierung zu erwartenden neuen Naturschutzbescheid abgewartet, bevor Sie
anhand eines letztlich „fiktiven“ Rechtsgutachtens über die Zukunft des Semmering-
Basistunnels entscheiden?
3. Welche konkreten Schritte planen Sie im Zusammenhang mit dem „Baustopp“ zum
Semmering - Basistunnel?
4. Sie haben selbst die Forderung nach einem Verfassungsgesetz erhoben, um den Bau
des Semmering - Basistunnels gegen die Verzögerungsmaßnahmen des Landes
Niederösterreichs durchzusetzen. Werden Sie ein solches Verfassungsgesetz im
Ministerrat unterstützen? Soll dieses Gesetz nur zur Durchsetzung des Baus des
Semmering - Basistunnels dienen oder auch zur Durchsetzung aller anderen
bundesländerübergreifenden Infrastrukturfragen?
5. Sie haben einen Baustopp für den Semmering - Basistunnel angekündigt. Worin
unterscheidet sich dieser „Baustopp“ von dem bereits von Bundesminister Caspar
Einem verlautbarten Stopp der Arbeiten am Sondier- und Rettungsstollen bis zur
Klärung der Rechtslage?
6. Werden Sie weiterhin die HL - AG zur Klärung der Rechtslage mit dem Land
Niederösterreich bis vor die Höchstgerichte prozessieren lassen?
7. Sie haben angekündigt, die für den Bau des Semmering - Basistunnels gebundenen
Mittel sofort für andere Projekte der Steiermark und in Kärnten verwenden zu
wollen. Um welche Projekte handelt es dabei? Sind davon ausschließlich Bahn- oder
auch Straßenbauprojekte betroffen?
8. Die Mittel für den Bau des Semmering - Basistunnels wurden vom Parlament im
ASFINAG - Gesetz zur
Verfügung gestellt? Wie beabsichtigten Sie die Umschichtung
der Mittel vorzunehmen. Bis wann werden Sie dem Nationalrat einen
entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen?
9. Wie beurteilen Sie die bisher ergangenen Erkenntnisse des Verfassungs- und
Verwaltungsgerichtshofs in dieser Causa?
10. In welchem Stadium befindet sich das Rechtsverfahren derzeit? Bis wann muss die
nächste Rechtsentscheidung getroffen werden?
11. Wie beurteilen Sie den vorliegenden neuen Entwurf eines Niederösterreichischen
Naturschutzgesetzes im Licht dieser Erkenntnisse der Höchstgerichte? Welche
Maßnahmen werden Sie auf Basis dieser Beurteilung setzen?
12. Welche Auswirkungen hätte eine Beschlussfassung des Niederösterreichischen
Naturschutzgesetzes in der vorgelegten Fassung auf andere Infrasturprojekte? Wie
werden Sie diese Auswirkungen verhindern?
13. Betrachten Sie den Semmering - Basistunnel nicht als Kernstück des österreichischen
Bundesverkehrswegeplans?
14. Wie wollen Sie den Bahnausbau auf der Südstrecke ohne Semmering - Basistunnel
vorantreiben? Bis zu welchem Zeitpunkt können Sie eine dem Verkehrsaufkommen
und Wachstum entsprechende Schieneninfrastruktur bei einem Verzicht auf den
Semmering - Basistunnel auf der Südbahnstrecke zur Verfügung stellen?