779/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann

und GenossInnen

an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen

betreffend massive Verschlechterungen für kranke Menschen durch das FPÖVP-

Belastungspaket im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung

 

Das österreichische Gesundheitssystem stellt durch die solidarische, umlagefinanzierte

Pflichtversicherung den chancengleichen Zugang für alle Versicherten und deren

Angehörigen zu Leistungen des Gesundheitswesens unabhängig vom Alter, Geschlecht und

finanzieller Leistungsfähigkeit sicher.

 

Durch dieses Modell der solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems ist es in

Österreich gelungen, die Spaltung der Gesellschaft und die nunmehr drohende Zwei - Klassen -

Medizin zu verhindern.

 

Durch den Anschlag auf die Geldbörsen kranker Menschen gefährdet die FPÖVP die

gesellschaftliche Solidarität massiv.

 

Das Leitmotiv, mit dem die blau - schwarze Abkassierer - Koalition unverhohlen in die Taschen

kranker Menschen greift ist: „Wer krank ist, muss zahlen“

 

Hier sind exemplarisch einige der blau - schwarzen Maßnahmen genannt:

 

• Bis zu 1.000,- Selbstbehalt in Spitalsambulanzen pro Jahr und Person.

• Erhöhung des Selbstbehalts im Spital um rund 43 Prozent.

• Erhöhung der Rezeptgebühr um über 22 Prozent.

• Generelle Selbstbehalte für alle neuen medizinischen Leistungen (z.B. Psychotherapie

   20 Prozent).

• Kürzung des Krankengeldes für Schwerstkranke.

• Streichung der Zuschüsse für Heilbehelfe und Hilfsmittel (Hörgeräte, Prothesen, etc.).

• Streichung der Maßnahmen für Gesundheitsfestigung und Krannheitsverhütung.

 

StS Waneck hat in einer offiziellen Aussendung behauptet, dass dieses Paket „sozial

ausgewogen ist, weil es kranke und sozial schwache Menschen nicht zusätzlich belastet“!

Die unterfertigten Sozialdemokratischen Abgeordneten empfinden diese Aussage, die

besonders kranke Menschen trifft, als zynisch und menschenverachtend und stellen daher an

die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen nachfolgende

 

Anfrage:

 

 

Ambulanzgebühren und Verpflegungskostenbeitrag

 

Laut Presseunterlage werden zwei verschiedene Ambulanzgebühren eingeführt:

• Bei Aufsuchen einer Ambulanz mittels Überweisung durch einen praktischen Arzt oder

   Facharzt S 150,-- pro Besuch,

• Bei direkter Inanspruchnahme ohne Überweisung ein Behandlungsbeitrag von S 250,--

• Ausgenommen sind medizinische Notfälle,

• Insgesamt darf der Behandlungsbeitrag S 1.000,-- pro Jahr nicht überschreiten.

 

   Inklusive des von S 72,-- auf S 100,-- angehobenen Verpflegskostenbeitrags je stationärem

   Aufenthaltstag rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen von einer Milliarde Schilling.

 

Laut STS Waneck (APA - Meldung 0629 vom 14.4.2000/17:04 Uhr) gelten für die

Ambulanzgebühr die gleichen Ausnahmeregelungen wie bei der Rezeptgebühr.

 

1. Ist es richtig, dass PensionistInnen und Kinder also im Gegensatz zur

    Krankenscheingebühr von den Ambulanzgebühren nicht befreit sind?

 

2. Wie viele PensionistInnen und Kinder werden also in Zukunft Ambulanzgebühren zu

     zahlen haben?

 

3. Wie viele Ambulanzfälle gibt es in Österreich?

 

4. Welche Summe wollen Sie von PensionistInnen und Eltern insgesamt pro Jahr

    einheben?

 

5. Laut APA - Meldung 0629 vom 14.4.2000/17:04 Uhr meinte STS Waneck, dass die

    Österreicher sehr spitalsfreudig seien: „Man könnte sagen, das Krankenhaus ist der

    beliebteste Zweitwohnsitz des Österreichers.“ Frau Bundesministerin, sind diese

    Aussagen Ihres Staatssekretärs nicht ein glatter Zynismus?

 

6. Welche Menschen legen sich, nach Ansicht der FPÖVP - Regierung, gerne ins

     Krankenhaus und besuchen aus Jux und Tollerei eine Spitalsambulanz?

 

7. Ist es nicht ein Faktum, dass die niedergelassenen Ärzte die PatientInnen in das

    Krankenhaus stationär einweisen und in die Krankenhausambulanz (laut ÖBIG 50% der

     Ambulanzfälle) zuweisen?

 

8. Unterstellt Ihr Staatssekretär nicht den österreichischen Ärzten, dass sie medizinisch

    ungerechtfertigt ins Krankenhaus einweisen und in die Krankenhausambulanz

    zuweisen?

 

9. Wenn Ärzte ungerechtfertigt zuweisen, sind dann nicht Steuerungseffekte bei den

     niedergelassenen Ärzten notwendig und nicht bei den PatientInnen?

 

10. Sind es nicht die Spitalsärzte, die vor der Aufnahme ins Krankenhaus die

      Anstaltsbedürftigkeit festzustellen haben?

 

11. Wer bestimmt vor einer Entlassung, ob keine Anstaltsbedürftigkeit mehr vorliegt?

 

12. Unterstellt nicht Ihr Staatssekretär den Spitalsärzten, dass sie PatientInnen gesetzwidrig

      (Krankenanstaltengesetz) ins Krankenhaus aufnehmen und zu lange im Krankenhaus

      belassen, obwohl keine Anstaltsbedürftigkeit vorliegt?

      a) Wenn das so ist, sind dann nicht Steuerungseffekte bei den Spitalsärzten notwendig

      und nicht bei den PatientInnen?

 

13. Führen Ambulanzgebühren nicht zu einer Ungleichbehandlung der PatientInnen, vor

      allem jener im ländlichen Raum?

 

14. Wie wollen Sie es anstellen, im ländlichen Bereich den PatientInnen alle

       Facharztgruppen im niedergelassenen Bereich zur Verfügung zu stellen?

 

15. Ist es nicht so, dass im ländlichen Raum die Spitalsambulanzen die fachärztliche

      Versorgung übernehmen?

 

16. Ist diese Vorgangsweise der Versorgung über Spitalsambulanzen nicht ökonomisch

      sinnvoll, da bestimmte Fachärzte ohne ein entsprechendes Einzugsgebiet nicht

      überleben können?

 

17. Oder planen Sie eine Erhöhung der Krankenversicherungshonorare, die ein Überleben

      bei geringer Auslastung sichern würden, was aber zu einer weiteren Kostenexplosion

      der Gesundheitsausgaben führt und volkswirtschaftlich kontraproduktiv ist?

 

18. Ist in einer solchen Vorgangsweise nicht ein massives Qualitätsproblem versteckt, da im

      Sinne der Qualitätssicherung ein quantitatives Mindestmaß an diagnostischen und

      therapeutischen Handlungen notwendig ist?

 

19. Ist die ländliche Bevölkerung nicht drastisch benachteiligt, da sie nur die Wahl

      zwischen einer weiten Anreise zum niedergelassenen Facharzt oder der Bezahlung von

      Ambulanzgebühren hat?

 

20. Woher kommt die Erkenntnis und welche wissenschaftliche Evidenz gibt es, dass eine

      Verlagerung von medizinischen Leistungen von den Spitalsambulanzen in den

      niedergelassenen Bereich auch zwingend zu einer Kostensenkung für das

      Gesundheitswesen und speziell für die Sozialversicherung führt?

 

21. In einer APA - Meldung 0512 vom 5.5.2000/16:09 Uhr wurden die durchschnittlichen

      Kosten einer Behandlung in einer Ambulanz mit dem durchschnittlichen Fallkosten in

      der freien Praxis verglichen. Werden hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen, weil das

      Leistungsspektrum der Ambulanzen „alles aus einer Hand“ mit den durchschnittlichen

      Kosten eines einzigen Krankenbehandlungsscheines ohne Medikamentenkosten

      verglichen werden?

      a) Welche konkreten Krankheitsbilder haben Sie bei diesem Kostenvergleich

      gegenübergestellt?

 

22. Ihr Staatssekretär hat in der APA - Meldung 0148 vom 4.5.2000/10:31 Uhr die

      überwiegende Schuld an den Finanzierungsproblemen der sozialen

      Krankenversicherung den Ambulanzen und Krankenanstalten zugeschoben. In der

      APA - Meldung 0273 vom 4.5.2000 /12:39 Uhr wurde dies vom Staatssekretär anders

      dargestellt. Wie ist der tatsächliche Zusammenhang zwischen der Entwicklung der

      Spitalskosten seit 1997 und der Entwicklung der Ausgabenbelastung der sozialen

      Krankenversicherung?

 

23. Planen Sie den Spitalserhaltern zu empfehlen, Spitalsambulanzen zu schließen oder die

      Kapazitäten entsprechend zu reduzieren?

      a) Wenn ja, in welchem Bundesland, in welcher Gemeinde?

 

24. Ist diese Vorgangsweise (Schließung von Ambulanzen) überhaupt realistisch, da die

      Spitäler ambulante Einrichtungen (z.B. Radiologie, Labor) auch für den stationären

      Bereich benötigen und auch eine versorgungspolitische Vorhaltepflicht besteht?

 

25. Um PatientInnen ein vergleichbares qualitativ hochwertiges Angebot machen zu

       können, müssen die niedergelassenen Fachärzte mindestens 40 Stunden in der Woche,

       abzüglich Visitentätigkeit, ihre Ordinationen offen halten und für jede Facharztgruppe

       einen Nacht -, Wochenend - und Feiertagsnotdienst organisieren, damit ein Facharzt auch

       für die PatientInnen verfügbar ist:

       a) Stimmen Sie dieser Mindestanforderung zu?

       b) Wenn ja, ist diese Vorgangsweise ökonomisch für die Sozialversicherung sinnhaft

       und finanzierbar?

 

26. Ausgenommen von der Ambulanzgebühr sind Notfälle. Laut APA - Meldung 0629 vom

      14.4.2000 /17:04 Uhr stellt STS Waneck fest, dass das Spital selbstverständlich

       bestimme, was ein Notfall ist:

       a) Ist es also künftig von der individuellen Einschätzung des Dienst habenden Arztes in

       der Krankenhausambulanz abhängig, was ein medizinischer Notfall ist?

       b) Nach welchen Kriterien müssen die Spitalsärzte vorgehen?

       c) Ist eine Schnittwunde ein Notfall?

       d) Ist es Spitalsärzten zumutbar, sich mit den PatientInnen über die Frage "Notfall ja

       oder nein" auseinander zu setzen?

       e) Besteht nicht die Gefahr einer ungeheuren Klagsflut, wenn Patientinnen der

       Auffassung sind, dass ihr Gesundheitszustand einem Notfall entspricht und der Arzt

       anders entschieden bat?

       f) Welche Kosten für Prozesse und Sachverständigengutachten haben Sie in Ihre

       Berechnungen einfließen lassen?

 

27. Wie hoch ist der bürokratische Aufwand für die Ambulanzgebühren?

 

28. Wer hebt die Ambulanzgebühren ein?

 

29. Werden Sie ein individuelles Ambulanzgebührenkonto für jeden Versicherten und seine

      Angehörigen für Behandlungen in Österreich einrichten lassen?

      a) Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für diese bürokratische Regelung?

      b) Wer wird dieses Ambulanzgebührenkonto führen?

 

30. Wie viel bezahlt ein vom Arzt überwiesener Patient beim siebten Besuch in der

      Ambulanz?

 

Laut Presseunterlage wird der Verpflegskostenbeitrag je stationärem Aufenthaltstag von

S 72,-- auf S 100,-- angehoben. S 10,-- davon sollen der Finanzierung einer neu

einzurichtenden verschuldensunabhängigen Patientenversicherung gewidmet werden.

 

31. Zahlen sich PatientInnen künftig ihre Schmerzengelder und Schadenersatzzahlungen

      selbst, da aus der Erhöhung des Verpflegskostenbeitrags die verschuldensunabhängige

      Patientenversicherung finanziert wird?

      a) Welchen Beitrag leisten die Krankenanstalten, die Ärzte, die Pharmaindustrie in

      diesen Fonds?