954/J XXI.GP
der Abgeordneten Peter Schieder
und Genossen
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Reise nach Madrid, Paris und London im Juni 2000
In den österreichischen Zeitungen wurde sehr unterschiedlich über die Reise der
Außenministerin Dr. Benita - Maria Ferrero - Waldner Anfang Juni nach Madrid, London und
Paris berichtet. Einerseits hieß es, daß sie als Außenministerin unterwegs war, andererseits
wurde es als Reise mit Unterstützung der Industriellenvereinigung, dann wieder von der Frau
Ministerin selbst als Privatreise bezeichnet.
So berichtete der Kurier vom 7. Juni 2000: „In Gesprächen mit hochrangigen
Persönlichkeiten, Abgeordneten, Wirtschaftsvertretern und opinion leaders will Ferrero -
Waldner erklären, warum die Sanktionen ungerecht sind, und wie sehr die Maßnahmen die
EU - Stimmung der Bevölkerung beeinflussen. Die Außenministerin wolle „die Wahrheit über
Österreich verkünden“, heißt es in ihrem Kabinett.
Ferrero - Waldner wird bei ihrer Reise von der Spitze der Industriellenvereinigung, Präsident
Peter Mitterbauer und Generalsekretär Lorenz Fritz, begleitet.“
„Tarnen und täuschen hieß die Parole.“, schreibt das Profil vom 10. Juni 2000 und setzt fort:
„Selbst hohe Beamte im Außenministerium wußten bis knapp vor dem Abflug keine Details
über die Blitzreise von Benita Ferrero - Waldner nach Madrid, Paris und London. Auch die
drei betroffenen Botschaften waren gar nicht oder nur am Rande eingeschaltet worden. Die
Ministerin vertraute lieber der britischen Public - Relations - Agentur Beil Pottinger, die fast alle
Termine für die Imagetour organisiert hatte. Die österreichische Botschaft in Madrid durfte
lediglich eine Liste solcher spanischer Journalisten vorlegen, die nicht allzu kritisch über die
schwarz - blaue Koalition berichtet hatten. Einige davon wurden mit Interviews belohnt.
„Wir haben keinen einzigen Temim organisiert, auch nicht jenen mit Margaret Thatcher. Das
hat alles die Agentur gemacht“,
heißt es an der österreichischen Botschaft in London.
„Das ist mir neu“, erklärte Pressesprecher Johannes Peterlik. „Die Ministerin wurde von der
Gruppe „Freunde Österreichs“, eingeladen. Vielleicht haben die eine Agentur eingeschaltet“.“
Unter dem Titel „Bestelltes Küsschen für Ferrero“ schrieb Samo Kobenter im Standard vom
10. Juni 2000: „Die Reisen der österreichischen Außenministerin in die EU - Metropolen
Madrid, Paris und London entsprangen offenbar doch nicht einer spontanen Eingebung. Dem
Standard liegt das Konzept der britischen PR - Agentur Bell - Pottinger Communications vor, in
dem bereits Anfang Mai die genaue Choreographie der Reisen so entworfen ist, wie sie nun
von Ferrero - Waldner abgewickelt wird.
Zur begleitenden Promotion hat sich eine Gruppe "Friends ofAustria“ gebildet, die „in jedem
Land unter Führung einer bekannten, anerkannten Persönlichkeit“ tätig werden soll. In
weiterer Folge soll über Österreich per ‚,Newsletter“ informiert und „über eine eigens
eingerichtete Homepage im Internet über den Wert Österreichs für die EU“ berichtet
werden.
Parallel dazu wird eine Wanderausstellung über die Geschichte Österreichs vorgeschlagen,
die durch alle EU-Hauptstädte geführt werden und „von einem internationalen Veranstalter,
nicht von der Bundesregierung“ organisiert werden soll. Als Kosten werden „zehn bis zwölf
Millionen Schilling“ für die Aktionen der „Freundesgruppe“ veranschlagt. Die Ausstellung
würde 90 Millionen Schilling kosten. Für „die Reise - und Aufenthaltskosten der
Delegationsmitglieder“ soll Österreich aufkommen. Wer nun was zahlt, und ob die
Ausstellung wirklich durchgeführt wird, konnte das Außenministerium am Freitag
nicht mitteilen. Die zuständigen Verantwortlichen seien mit der Ministerin
verreist.
Bei der Auswahl der begleitenden und vor Ort kontaktierten Journalisten schlägt das Papier
eine strenge Selektion vor: Von österreichischer Seite wurden Krone, News und ein Fotograf
eingeladen, wobei News schließlich absprang, dafür aber Kurier und ORF „nachnominiert“
wurden. Generell seien die österreichischen Botschaften in der EU „angewiesen, Listen
österreich freundlichen Journalisten einzurichten, damit wir diese instrumentalisieren können“.
Vor Ort sei, so wird Ferrero - Waldner mitgeteilt, "jenes Medium auszusuchen, das für
uns den größten Nutzen bringt - es soll Deine Message auch kommunizieren und nicht
verreißen."
Von „Ferreros Tour de farce“ spricht das Format vom 10. Juni 2000: „Das Treffen der beiden
Ladys am Londoner Chesham Place entbehrte nicht einer gewissen Tragikomix: Right
Honorable The Baroness Margaret Thatcher empfängt Österreichs Außenministerin Benita
Ferrero - Waldner. Ausgerechnet das Date mit der Eisernen Lady, Vorkämpferin der britischen
Sache gegen den Rest der Welt und massive
Kritikerin der europäischen Einigung. gilt als der
Höhepunkt der jüngsten Charmeoffensive der isolierten österreichischen Außenministerin.
Doch offenbar darf in diesen Tagen kein Mitglied der Bundesregierung wählerisch sein. Und
sicherheitshalber reiste die österreichische Außenministerin vergangene Woche auch nicht in
ihrer Regierungsfunktion, sondern schlicht als Lady Ferrero - Waldner. Die dreitägige Reise
nach Madrid, Paris und London vergangene Woche sei eine „private Imagetour“ gewesen,
erklärte das Außenamt, um „die Wahrheit über Österreich“ zu verbreiten.
Der Schuss in den Fuss. Gleichzeitig war die geheim vorbereitete Werbespritztour der
Ministerin Teil des Masterplans der blau - schwarzen Bundesregierung, um wenige Tage vor
dem EU - Gipfel im portugiesischen Feira noch rasch gute Stimmung zu verbreiten. Mit ihrem
naßforschen Auftreten dürfte Ferrero jedoch genau das Gegenteil bewirken: In Paris drohte
sie Frankreich mit einem österreichischen Boykott der Institutionsreform der EU; in einem
Interview mit dem ,,Deutschlandfunk“ attackierte sie die Schröder - Fischer - Regierung frontal,
indem sie erklärte, Österreich sei enttäuscht von der Haltung des Nachbarn.“
Und unter dem Titel „Zwist in der Hofburg“ berichtet das News vom 15. Juni 2000 auch über
die Reise: „Am Ballbausplatz in Wien wächst die Besorgnis über die außenpolitische Lage
Österreichs von Tag zu Tag, von einer Stunde zur nächsten. Hohe Beamte und Mitarbeiter der
Präsidentschaftskanzlei und des Außenministeriums befürchten „einen Crash der
Sonderklasse" dessen Folgen unabsehbar wären. „Aber nichts wird dagegen unternommen.
Vielmehr reiht sich weiterhin ein Fehler an den nächsten“.
Stündlich würden es mehr. Daß die Außenministerin Benita Ferrero - Waldner ihre vorwöchige
Tour des Capitales (Madrid - Paris - London) als „Privatreise“ deklarierte, sie sich diese aber
von der Industriellenvereinigung sponsern ließ, war Peinlichkeit genug. In einschlägigen
Diplomatenkreisen mokiert man sich auch längst darüber daß die von der Londoner Agentur
Bell - Pottinger Communications schlecht inszenierte und an den einschlägigen Botschaften
vorbeiorganisierte „Privatreise“ der Außenministerin mehr Schaden angerichtet als
diplomatischen Erfolg bewirkt habe.“
Da hiemit selbst unter Eingeweihten einigermaßen Unklarheit darüber besteht, was der Zweck
der Reise war, wie sie geplant wurde, von wem sie finanziert wurde, und dazu die
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auch in der Sitzung des EU -
Hauptausschusses am 14. Juni 2000 eine konkrete Antwort schuldig blieb, richten die
unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
nachstehende
Anfrage:
1. Was war Sinn und Zweck Ihrer Reise (Reisen) nach Madrid, Paris und London?
2. Haben Sie diese Reise als Mitglied der österreichischen Bundesregierung, für die ÖVP
oder als Privatperson unternommen?
3. Was war die genaue Reiseroute und das Detailprogramm dieser Reise?
4. Wer hat Sie (falls es sich nicht um eine Reise für die ÖVP oder um eine Privatreise
handelte) auf dieser Reise begleitet?
5. Was waren die Kosten der Reise und wer hat sie getragen? Wer hat die Kosten Ihrer
Begleitpersonen getragen? Waren Journalisten dazu eingeladen?
6. Wurde diese Reise in der Sitzung der Bundesregierung bzw. in der diesbezüglichen
Vorbesprechung behandelt?
7. War diese Reise mit dem Bundeskanzler akkordiert?
8. War diese Reise mit Ihrem Koalitionspartner akkordiert?
9. Handelt es sich bei der Reise um jene, die Sie in Ihrem Schreiben vom 31. Mai 2000 an
den Nationalratspräsidenten und die Klubobmänner betreffend Ihre Reisen als
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit dem Titel ,,6. - 9. Juni
Auslandsreisen" mitgeteilt haben?
10. War es richtig, wenn es sich um keine dienstliche Reise, sondern um eine als Funktionärin
Ihrer Partei oder um eine Privatreise gehandelt hat, deswegen die außenpolitischen Punkte
in der Nationalratsdebatte am 7. Juni sowie den Unterausschuß des Außenpolitischen
Ausschusses am 9. Juni zu versäumen?
11. Wann und wie wurden die österreichischen Botschaften in Madrid, Paris und London über
Ihre bevorstehende Reise informiert?
12. Inwieweit wurden die drei betroffenen
Botschaften in das Programm eingeschaltet?
13. Stimmt es, daß ein oder mehrere dieser Botschaften ersucht wurden, Listen von
Journalisten vorzulegen, die „nicht allzu kritisch über die schwarz - blaue Koalition
berichtet hatten“?
14. Stimmt es, daß eine Public Relations Agentur in den Ablauf bzw. das Programm dieser
Reise bzw. eines Teiles davon eingeschaltet war?
15.Um welche Agentur handelt es sich?
16.Was hat die Agentur dafür erhalten, von wem wurde das Honorar bezahlt?
17. Gibt es ein „Konzept der britischen PR - Agentur Bell - Pottinger Communications“, wie der
Standard berichtete?
18. Was ist der Wortlaut dieses Konzeptes?
19. Wann haben Sie zum ersten Mal von diesem Konzept Kenntnis erhalten?
20. Welche Rolle spielt die Industriellenvereinigung bei der Vorbereitung dieser Reise?
21 .Wer sind die „Freunde Österreichs“ und wie waren sie in diese Reise eingeschaltet?
22. Wie beurteilen Sie den Erfolg Ihrer Reise nach Madrid, Paris und London?
23. Was haben die österreichischen Botschaften in Madrid, Paris und London über den Erfolg
bzw. Mißerfolg dieser Reise berichtet?