1325/J XXI.GP
12.10.2000
gemäß § 93 Abs.2 GOG NR
der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Stummvoll
und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend die Reformvorhaben für soziale Gerechtigkeit ohne Neuverschuldung
Als 1970 die SPÖ - Alleinregierung die Finanzverantwortung für Österreich von der ÖVP -
Alleinregierung übernahm, wies das Budget ein Defizit von 7,2 Milliarden Schilling auf; die
gesamte Staatsverschuldung betrug 43,6 Milliarden Schilling.
Als mit 4. Februar 2000 die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel gebildet
wurde und Finanzminister Grasser die Finanzverantwortung für die Republik übernahm,
betrug das voraussichtliche Defizit 109 Milliarden Schilling. Die Finanzschuld des Bundes
belief sich auf rund 1.700 Milliarden Schilling. Somit werden täglich mehr als 274 Millionen
nur an Zinsen fällig. Darüber hinaus hat der Bund außerbudgetäre Verbindlichkeiten von
mehreren hundert Milliarden S. Allein aufgrund der Höhe der Finanzschuld ist jeder
Österreicher mit einem Schuldenberg von über
215.000 S belastet.
Diese Schuldenpolitik, die den Österreicherinnen und Österreichern ein riesiges Budgetdefizit
hinterlassen hat, geht auf Kosten der zukünftigen Generationen und beschneidet die
Handlungsfähigkeit der Politik. Dies ist eine tief - und langwirkende soziale Ungerechtigkeit.
Darüber hinaus wurde damit Österreich zum Schlußlicht in der Budgetsanierung in Europa.
Obwohl sich Österreich im Stabilitätspakt von 1997 dazu verpflichtet hat, mittelfristig einen
ausgeglichenen Haushalt oder einen solchen mit einem leichten Überschuß anzustreben,
entfernte sich Österreich in den Jahren 1998 und 1999 immer weiter von diesem Ziel, wofür
der damalige Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger die Hauptverantwortung zu tragen
hat. Dies führte auch zu heftiger internationaler Kritik seitens des IWF und der EU. Das vom
damaligen Bundesminister für Finanzen vorlegte Stabilitätsprogramm wurde von der EU als
zu wenig ambitioniert bezeichnet.
Als Folge dieser internationalen Kritik und der guten konjunkturellen Lage beschloß die
nunmehrige Regierung, unter Einbeziehung der Sozialpartner und aller Gebietskörperschaften
sowie der Oppositionsparteien, bis zum Jahr 2002 ein Null - Defizit sowie eine
Staatsverschuldung von unter 60 % des BIP anzustreben. Der Weg zu diesem
,,Gesamtbudgetdefizit von 0 %„, welches Bund, Länder und Gemeinden umfaßt, wurde am
1.9.2000 beim Reformdialog II vorgestellt. Der Konsolidierungsbedarf wurde dabei für 2001
mit 90 Mrd. S und für 2002 mit 101 Mrd. S angegeben. Diese neue Zielsetzung der neuen
Regierung wurde allgemein begrüßt und erfuhr breite Zustimmung von der Bevölkerung.
Ein ausgeglichenes Budget gibt der Bundesregierung den notwendigen Spielraum, um
Vollbeschäftigung zu schaffen, den Wohlstand der Bevölkerung zu steigern, die Armut zu
bekämpfen, unseren Kindern eine
finanziell gesicherte Zukunft zu ermöglichen und somit den
Generationenvertrag aufrecht zu erhalten. Soziale Gerechtigkeit kann auf Dauer nur durch
einen strukturell richtigen und ausgewogenen Staatshaushalt gesichert werden.
Die von den Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ gebildete Bundesregierung beabsichtigt daher,
verstärkt Strukturmaßnahmen zu setzen, wobei darauf Rücksicht genommen wird, das
Wirtschaftswachstum sowie die Konjunktur zu stützen, die Geldwertstabilität zu wahren und
die Konsolidierungsbeiträge sozial gerecht zu verteilen.
Diese Bundesregierung will die Budgetsanierung vor allem ausgabenseitig vornehmen. Dabei
wird vor allem darauf Bedacht genommen, daß sich der ergebende Konsolidierungsbedarf von
101 Mrd. S in sozial gerechter Weise verteilt wird. Durch Privatisierungen, die Forcierung der
Verwaltungsreform und Maßnahmen beim Finanzausgleich können erhebliche
Mehreinnahmen bzw. Einsparungen erzielt werden.
Der restliche Konsolidierungsbeitrag in der Höhe von 5 Mrd. S soll in einer sozial gerechten
Reform durch die Erhöhung der sozialen Treffsicherheit erreicht werden. In Österreich
werden 800 Milliarden Schilling an Sozialleistungen gewahrt. Um dieses dicht geknüpfte
Sozialsystem auch in der Zukunft aufrechterhalten zu können, wurde eine Expertengruppe zur
Sicherstellung der sozialen Treffsicherheit unter Vorsitz von Univ. Prof. Mazal eingerichtet.
Diese Expertengruppe hat einen umfangreichen Bericht erstattet. Univ. Prof. Mazal hat in
diesem Zusammenhang betont, daß es möglich wäre, mehr als 30 Mrd. S im Sozialbereich
gerecht einzusparen. Die Bundesregierung hat auf Grund dieses Expertenberichtes ein
Maßnahmenpaket zur sozialen Treffsicherheit beschlossen, das etwas mehr als 5 Mrd. S
einspart; das entspricht rund 0,6 % der Gesamtaufwendungen im sozialen Bereich. Bei diesen
Summen kann von einem Sozialabbau keine Rede sein. Univ. Prof. Mazal hat zum
Maßnahmenpaket der Bundesregierung gemeint, daß „dieses einen seriösen Versuch darstellt,
das Sparen mit einer Systemverbesserung zu verbinden“.
Neben dem Maßnahmenpaket zur sozialen Treffsicherheit hat die Bundesregierung - um dem
Gedanken der sozialen Ausgewogenheit zu entsprechen - eine Behindertenmilliarde und die
Erhöhung des Pendlerpauschales sowie der Heizkostenzuschüsse beschlossen.
Die in Angriff genommenen Budgetsanierungsmaßnahmen stellen nicht nur keinen
Sozialabbau dar sondern sind dringende Schritte, um eine Trendumkehr und damit auch eine
Absicherung des Sozialsystems zu erreichen, endlich Schluß zu machen mit dem
Schuldenmachen und wieder verstärkt Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen.
Der ÖGB forderte zur Sanierung des Bundeshaushaltes, vor allem auf die nach seinen
Angaben bestehenden Steuerrückstände in der Höhe von 30 Mrd. S zuzugreifen und diese für
eine Senkung des Budgetdefizits zu nutzen.
Der Beweis dafür, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist, stellt die jüngste
Entwicklung des Arbeitsmarktes dar. Im September 2000 waren in Österreich 26.097
Menschen weniger arbeitslos als im Vorjahr; 14,5 % weniger. Die saisonbereinigte
Arbeitslosenquote für September beträgt nach EUROSTAT 3,1 %. Sie ist damit geringer als
die Hälfte des EU - Durchschnittes von 8,3 %. Aber nicht nur die Arbeitslosenzahlentwicklung
gibt Grund zur Freude, auch die Beschäftigung expandiert in Österreich relativ kräftig. Ende
September 2000 waren um 25.523 Personen in Österreich mehr beschäftigt als im Vorjahr.
Dies ergibt die neue Rekordbeschäftigung für September von 3,175.932. Besonders erfreulich
ist, daß die Frauen diesen Anstieg der Beschäftigten mit 25.304 mehr beschäftigten Frauen in
Österreich fast zur Gänze allein
tragen.
Gleichzeitig ist auch bei den Problemgruppen der Jugendlichen und der älteren Arbeitnehmer
die Arbeitslosigkeit beträchtlich gesunken. Die Jugendarbeitslosigkeit weist nach wie vor den
niedrigsten Wert aller EU - Staaten auf; 4,3 % laut EUROSTAT in Österreich, im EU -
Durchschnitt 16,1 %.
Ebenso hat sich in der Problemgruppe der über 50 - jährigen die Arbeitslosigkeit verringert.
Diese Altersarbeitslosigkeit sinkt um 21,6 % gegenüber dem Vorjahr. Allein diese
Entwicklung zeigt, daß die beste Sozialpolitik eine gute Wirtschaftspolitik ist.
Im Hinblick auf die soziale Sicherheit zukünftiger Generationen muß dem Schuldenmachen
Einhalt geboten werden.
Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister ftlr Finanzen folgende
D r i n g l i c h e A n f r a g e:
1. Wie hoch belief sich der exakte Schuldenberg zum Zeitpunkt Ihrer Amtsübernahme?
2. Wie entwickelt sich der Zinsendienst in der Prognose bis 2005, falls keine
Kapitaltilgungen vorgenommen werden?
3. Aus welchem Grund streben Sie bereits für das Jahr 2002 ein Nulldefizit an?
4. Welche Maßnahmen zur Entlastung beim Zinsendienst sehen Sie vor?
5. Welche Auswirkungen haben die im Budget 2001 geplanten Maßnahmen zum Abbau des
Budgetdefizits auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen (Arbeiter, Angestellte,
Wirtschaftstreibende, Bauern, Pensionisten, öffentlich Bedienstete usw.)?
6. Welche Schritte sind für eine zusätzliche Unterstützung der Familien - die Hauptstützen
unserer Gesellschaft - vorgesehen?
7. Wie soll die Behindertenmilliarde eingesetzt werden?
8. Wie soll die soziale Situation der Studierenden durch Begleitmaßnahmen nach der
Einführung der Studienbeiträge verbessert werden?
9. Wie beurteilen Sie den Lohnabschluß im öffentlichen Dienst im Lichte seiner
Auswirkungen auf die Defizitsituation des Budgets und der sozialen Gerechtigkeit?
10. Wie sehen Sie die Haltung von SPÖ - Parteivorsitzenden Gusenbauer, der behauptet, daß
bei den Privatstiftungen 10 Mrd. S Mehreinnahmen zu erzielen wären, im Lichte der
Ausführungen des ehemaligen SPÖ - Finanzministers Edlinger, der noch 1999 davon
gesprochen hatte, daß „er im Zusammenhang mit der angesprochenen Gesamtregelung des
Privatstiftungsrechtes keinen methodischen Änderungsbedarf sehe“?
11. Wie hoch sind derzeit die
Steuerrückstände?
12. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diese Steuerrückstände zur Senkung des
Budgetsdefizits zu mobilisieren?
13. Welche Finanzstrafverfahren laufen derzeit gegen den ÖGB bzw. seine Teilorganisationen
wegen der unversteuerten Auszahlung von Schwarzgeldern an Funktionäre?
14. Wann wurde beim ÖGB bzw. seinen Teilorganisationen zuletzt eine Betriebsprüfung bzw.
eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt?
15. Haben SPÖ und Grüne Vorschläge für eine nachhaltige Budgetsanierung an Sie
herangetragen?
16. Wenn ja, wie lauten diese?
In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 2 GOG NR als dringlich
zu behandeln und dem Erstunterzeichner vor Eingang in die Tagesordnung Gelegenheit zur
Begründung zu geben.