1405/J XXI.GP
Eingelangt am: 19.10.2000
der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Umgehung der Ökopunkteregelung im Straßengütertransit durch Österreich,
insbesondere mittels CEMT - Genehmigungen
Durch Wort und Tat haben EU - Rat, EU - Kommission und mehrere EU - Staaten unter
Mitwirkung oder Duldung maßgeblicher Vertreter Österreichs mittlerweile nachdrücklich
ihren Unwillen dokumentiert, die in Protokoll Nr.9 des Beitrittsvertrags Österreichs zur
Europäischen Union festgehaltenen Regelungen zum Transitverkehr einzuhalten. Dies
verdeutlicht erneut die Brisanz der Frage des Straßentransitverkehrs, die seit bald
eineinhalb Jahrzehnten insbesondere in Tirol zu massiven Belastungen der
Bevölkerung und der Umwelt und daher zu andauerndem Widerstand führt. Die
bisherigen Aktivitäten der gegenwärtigen Bundesregierung in der Transitfrage waren
zunächst durch untätiges Abwarten, dann durch Hektik und ständig wechselnde
Positionierungen charakterisiert und sind bisher jedenfalls frei von sachdienlichen
Ergebnissen im Sinne von Mensch und Natur geblieben. Nicht zuletzt wurde und wird
ein möglicherweise ansehnlicher Teil des Straßentransitverkehrs durch Österreich
vollständig ausgeblendet:
Neben dem Ökopunktesystem innerhalb der EU, in das auch einige Drittstaaten
einbezogen sind, und bilateralen Kontingenten z. B. mit einigen mittel - und
osteuropäischen Staaten bestehen auch sogenannte multilaterale Kontingente für
Genehmigungen für den freien Straßengütertransit in Gesamteuropa - und damit auch
durch Österreich - im Rahmen der Europäischen Verkehrsministerkonferenz
CEMT/ECMT. Diese „multilateralen CEMT - Genehmigungskontingente“ werden seit
1974 auf Grundlage einer Ministerresolution der Europäischen
Verkehrsministerkonferenz CEMT/ECMT für den internationalen Straßengüterverkehr
vergeben. Als Zweck wurde damals und bis heute explizit ein Offensivbeitrag zur
Liberalisierung des Straßengüterverkehrs angeführt. An diesem System partizipieren 38
Staaten von Aserbaidschan und Georgien bis Portugal, darunter alle EU - Staaten und
alle weiteren Anrainerstaaten Österreichs mit Ausnahme Liechtensteins.
Zum Umfang dieses CEMT - Genehmigungs - Transits sind - mit Ausnahme der wenig
aussagekräftigen Zahl der in den einzelnen Staaten an Fuhrunternehmen vergebenen
Genehmigungskontingente - praktisch keine Informationen zugänglich, insbesondere
über Fahrtenzahl, befahrene Strecken oder Durchführende. Es wird jedoch davon
gesprochen, daß ein nicht unerheblicher
Anteil der nach Schätzungen zumindest
sechsstelligen Zahl der jährlichen Nicht - Ökopunkte - Transitfahrten über den Brenner auf
CEMT - Kontingentsfahrten zurückzuführen sein könnte.
Es soll überdies in den letzten Jahren im Zug der Privatisierung von MOEL -
Staatsspeditionen (u. a. Bulgarien, Weißrußland) zu einer Konzentration ansehnlicher
Genehmigungsbündel in der Hand transnational tätiger Großspeditionen, u.a. aus
Deutschland und Österreich, gekommen sein. Bei diesen Unternehmen kann aufgrund
der Erfahrungen der letzten Jahre davon ausgegangen werden, daß sie und ihre in den
jeweiligen Staaten angesiedelten Tochterunternehmen alle denkbaren Möglichkeiten
betriebswirtschaftlich optimal auszunutzen imstande sind, was in Märkten mit
Knappheiten wie insbesondere im Alpentransit bedeutet, soviele Fahrten wie möglich
als CEMT - Fahrten abwickeln.
Die Vergabe von CEMT - Genehmigungen in Österreich erfolgt an den „Meistfahrenden“,
quasi als Belohnung maximal überdurchschnittlicher Tonnenkilometer - Leistungen
sowohl bei Neu - als auch bei Wiedervergabe. Dem „Zuwenigfahrenden“ droht der
Entzug von CEMT - Genehmigungen. Dies widerspricht allen Vermeidungs -,
Verlagerungs - und Umweltzielen der österreichischen Verkehrspolitik. Auch die im
Wege der CEMT - Vergabeverordnung rechtlich normierte Praxis - Vergabe von CEMT -
Genehmigungskontingenten im Rahmen einer „Quasi - Versteigerung“ an diejenigen
Interessenten, welche die meisten Einzelgenehmigungen (Kontingenterlaubnisse) zur
Zurücklegung anbieten - bevorzugt die Meistfahrenden und bevorzugt damit
transnational tätige Firmengeflechte gegenüber kleinen und mittelständischen
Unternehmen.
Jedenfalls ist es den vom Straßengütertransit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
nicht zuzumuten, daß hier seit Jahren eine Grauzone erheblichen Ausmaßes besteht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wieviele Transitfahrten durch Österreich werden außerhalb des Ökopunktesystems
durchgeführt? Bitte geben sie die jährlichen Zahlen für die vergangenen fünf Jahre an
und nennen Sie Schätzungen samt Schätzgrundlage, falls Ihnen keine exakten Zahlen
vorliegen.
2. Welcher Ökopunktezahl würde diese Fahrtenzahl entsprechen? Bitte führen Sie bei
Fehlen exakter Daten eine Schätzung z.B. auf der Grundlage der Umlegung der Ihnen
vorliegenden Erkenntnisse aus Kontrollen an.
3. Wieviele der außerhalb des Ökopunktesystems durchgeführten Transitfahrten durch
Österreich sind
Fahrten mit CEMT - Genehmigungen? Bitte geben sie die jährlichen
Zahlen für die vergangenen fünf Jahre an und nennen Sie Schätzungen samt
Schätzgrundlage, falls Ihnen keine exakten Zahlen vorliegen.
4. Wieviele Fahrten durch Österreich wurden pro CEMT - Genehmigung und Jahr in den
letzten fünf Jahren jeweils durchgeführt?
5. Welche Art von bi - oder multilateralen Fahrten kann mit CEMT - Genehmigungen
durchgeführt werden und was sind die rechtlichen Grundlagen dafür?
6. Was ist Ihnen über die Verteilung der Fahrten mit CEMT - Genehmigungen durch
Österreich auf die Genehmigungskontingente der einzelnen partizipierenden Staaten
bekannt?
7. Was ist Ihnen über die mit den Genehmigungen aus dem österreichischen CEMT -
Genehmigungskontingent durchgeführten Fahrten hinsichtlich der befahrenen Strecken
bekannt?
8. Was ist Ihnen über die Verteilung der CEMT - Genehmigungskontingentsfahrten. durch
Österreich auf die einzelnen Transitkorridore bekannt?
9. Was ist Ihnen über Quell - und Zielort der CEMT - Genehmigungskontingentsfahrten
durch Österreich bekannt?
10. In welcher Weise wird die Einhaltung der mit der Benutzung von CEMT -
Genehmigungen verbundenen Verpflichtungen, z.B. gemäß §8 Absatz 3 und §10
CEMT - VV, kontrolliert?
11. Wieviele CEMT - Fahrten wurden dabei erfaßt und welcher Anteil der bei dieser
Kontrollen erfaßten CEMT - Genehmigungsfahrten wird zur Gänze korrekt durchgeführt?
12. Ist es zutreffend, daß keine Auswertung der Fahrtenbuchblätter zu den CEMT -
Kontingentsfahrten durch Österreich erfolgt, und wenn ja, warum nicht?
13. Welche Aktivitäten wurden von Ihnen und von Ihrem Ressort seit dem Jahr 1993,
bis zu dem es international zusammengestellte statistische Unterlagen zu CEMT -
Kontingentsfahrten gab, unternommen, um zu den in Österreich durchgeführten Fahrten
mit CEMT - Genehmigungen Informationen über Zahl der Fahrten, befahrene Strecken
und Durchführende zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
14. Welche Informationen haben Sie zur Größe, gemessen in Umsatz und
Beschäftigtenzahl, und zur internationalen Verflechtung der in Österreich mit CEMT -
Kontingenten versehenen Unternehmen?
15. Welche Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind Ihnen aufgrund der Praktiken,
die Medienberichten zufolge bei CEMT - kontingenthaltenden Unternehmen bei der
Beschäftigung und Beauftragung von selbständigen und unselbständigen LKW -
FahrerInnen
üblich sind, bekannt?
16. Ist es zutreffend, daß das Verkehrsressort bei der Vergabe der CEMT -
Genehmigungen vorrangig Unternehmen bedenkt, durch die eine „optimale Nutzung“
dieser Genehmigungen gegeben ist, und ist diese „optimale Nutzung“ gleichbedeutend
mit maximaler Fahrtenzahl?
17. Halten Sie das deklarierte Ziel der CEMT, mit CEMT - Genehmigungskontingenten
einen Offensivbeitrag zur Liberalisierung im europäischen Straßengüterverkehr zu
leisten, für vereinbar mit den Zielen der österreichischen Verkehrspolitik in Sachen
Umwelt und Verkehrssicherheit, wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?
18. Welche Zahl von Einzelgenehmigungen (Kontingenterlaubnissen) haben die
interessierten Unternehmen bei den letzten Vergaben von CEMT - Kontingenten jeweils
zur Zurücklegung angeboten?
19. Welchen jährlichen Fahrtenzahlen und Fahrleistungen entsprechen diese
Einzelgenehmigungen Ihren Informationen und/oder Erfahrungswerten zufolge? Bitte
führen Sie zumindest Durchschnitts - oder Schätzwerte für die Nicht - EWR -
Nachbarstaaten Österreichs an.
20. Welche Jahresbeförderungsleistungen haben die bei den letzten Vergaben von
CEMT - Kontingenten zum Zug gekommenen Unternehmen gemäß §2 Absatz 3 der
CEMT - Vergabeverordnung mit welchen Staaten nachgewiesen?
21. Welche Informationen liegen Ihnen zu Absprachen unter den Interessenten für neu
zu vergebende CEMT - Genehmigungen in Österreich vor?