1629/J XXI.GP
Eingelangt am: 05.12.2000
D r i n g l i c h e A n f r a g e
der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Gaugg
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Reformdialog statt Straßenblockaden
Diese Bundesregierung hat es sich bei ihrem Amtsantritt zum Ziel gesetzt, über
ihre Reformvorhaben mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen und hier vor
allem mit den Sozialpartnern in einen Dialog einzutreten. So fand bereits im Juli
2000 der 1. Reformdialog statt, an dem auch die Sozialpartner, Vertreter der
Gebietskörperschaften und Experten teilnahmen. Der ÖGB wurde von Präsident
Abg. Verzetnitsch höchstrangig vertreten. Lediglich die im Parlament vertretenen
Parteien SPÖ und Grüne verweigerten ihre Mitwirkung an diesem Reformdialog.
In der Folge, nämlich beim 2. Reformdialog am 1 September 2000, nahmen
zusätzlich auch der SPÖ - Vorsitzende Gusenbauer und - als Vertreter der Grünen
- Prof. Van der Bellen teil. Beide bezeichneten in der Diskussion diesen
Reformdialog als sinnvoll und nützlich und bekannten sich in Wortmeldungen zum
gemeinsamen Budgetziel: Nulldefizit im Jahre 2002.
Die Sozialpartner waren auch bei der Erstellung des Berichtes über die soziale
Treffsicherheit (Vorsitz: Prof. Dr. Mazal) von Anfang an eingebunden.
Die Bundesregierung hat die Sozialpartner, insbesondere den Österreichischen
Gewerkschaftsbund, in die Verhandlungen über die Budgetbegleitgesetze
miteinbezogen. So konnte es zu einem Einvernehmen mit der Gewerkschaft
Öffentlicher Dienst hinsichtlich des Beitrages der Beamten zum wichtigen Ziel der
Budgetsanierung kommen. Die Gespräche zwischen der Bundesregierung,
Vertretern des ÖGB und der übrigen Sozialpartner führten auch dazu, daß von
der Einführung der zunächst geplanten vierwöchigen Wartefrist beim
Arbeitslosengeld Abstand genommen wurde, um eine sozialpartnerschaftliche
Lösung zu ermöglichen. Gerade diese Beispiele beweisen, daß die
Bundesregierung an gemeinsamen Lösungen zum Wohle Österreichs jederzeit
interessiert war und ist.
Umso unverständlicher sind daher die heutigen Protestaktionen unter Beteiligung
des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gegen die Politik der
österreichischen Bundesregierung, da hiedurch der Reformdialog verlassen und
die Diskussion bedauerlicherweise auf die Straße verlagert wird. Mit
Straßenblockaden können aber keine Probleme gelöst werden.
Eine solche Vorgangsweise ist auch deshalb außerordentlich bedauerlich, weil die
Spitzenfunktionäre des ÖGB im
Parlament vertreten sind und selbst jederzeit die
Möglichkeit haben, ihre Anliegen in dieser demokratischen Einrichtung
vorzubringen.
Ein weiteres Beispiel für die unverständliche Vorgangsweise der Gewerkschaft
stellt das Vorgehen der Lehrer dar, wonach die zunächst erzielte Einigung durch
einen Streikbeschluß zunichte gemacht wurde. Das Streikrecht ist zweifelsohne
ein Grundrecht. Der konkrete Streikbeschluß richtet sich aber gegen eine gültige
Sozialpartnereinigung, über welche die Lehrer offensichtlich nicht oder nur
unvollständig von ihren Vertretern informiert wurden.
Die Vorgangsweise des ÖGB, mit Aktionismus und politischen
Straßendemonstrationen eine Blockadepolitik durchzuführen, eine Menschenkette
Arm in Arm mit gewaltbereiten Demonstranten zu bilden und
Abgeordnetenmobbing zu organisieren, steht im diametralen Gegensatz zum
Angebot der Bundesregierung, mit den Sozialpartnern in einem Reformdialog die
Probleme konsensual zu lösen. Durch diese Demonstration besteht die Gefahr,
den Entscheidungsprozeß im Parlament - dem einzigen zur Gesetzgebung
berufenen Organ - zu behindern.
Das Verhalten des ÖGB erscheint insbesondere auf Grund der sozial - und
wirtschaftspolitischen Fakten vollkommen unverständlich:
Die Beschäftigung erreichte am 31. Oktober 2000 mit 3,153.147 Mio.
unselbständig Erwerbstätigen - das waren um 21.161 mehr als ein Jahr zuvor
- einen neuen Rekordwert.
Das Wirtschaftswachstum wird heuer 3,5 % betragen; das höchste
Wirtschaftswachstum seit den 80er Jahren.
Die Zahl der Jobsuchenden sank im Oktober 2000 auf 171.464. Das ist die
geringste Oktober - Arbeitslosenzahl in Österreich seit Jahren. Gegenüber dem
Vorjahr ging die Arbeitslosigkeit um 22.749 oder 11,7 % zurück.
Die nationale Arbeitslosenquote im Oktober betrug 5,2 % gegenüber 5,8 % vor
einem Jahr. Die österreichische Arbeitslosenquote sank nach EU -
Berechnungen von 3,7 % im Vorjahr auf 3,2 %.
Die Exporte stiegen um 16,7 % im ersten Halbjahr 2000.
Im Rahmen einer Privatisierungsoffensive wurden nicht nur Milliarden erlöst,
sondern auch erstmalig eine ,,Volksaktie“ emittiert.
Die Neugründungen im Bereich der Wirtschaft erreichten heuer mit ca. 24.000
einen Höhepunkt, wodurch zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen werden
konnten.
Die Sozialausgaben erreichten einen Rekordwert.
Diese Erfolge können für die Zukunft nur dann abgesichert und ausgebaut
werden, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte, wozu insbesondere die Sozialpartner
zählen, bereit sind, mitzuwirken. Hiezu ist es auch erforderlich, daß jeder bereit
ist, seinen Beitrag zu leisten. Dies hat beispielsweise die Wirtschaftskammer
Österreich erkannt und Reformmaßnahmen eingeleitet, die zu
Milliardeneinsparungen in der Verwaltung führen und Beitragssenkungen für ihre
Mitglieder ermöglichen werden.
Aus all diesen Gründen richten die unterfertigten Abgeordneten an den
Bundeskanzler folgende
D r i n g l i c h e A n f r a g e:
1. Wie beurteilen Sie die Straßenblockaden und politischen Demonstrationen des
ÖGB im Hinblick auf den von der Bundesregierung durchgeführten
Reformdialog?
2. Welche Verhandlungsschritte zwischen Bundesregierung und Sozialpartnern
gab es zur Umsetzung der Ziele des Reformdialogs?
3. Wie beurteilen Sie die Reaktion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
mit Streiks, Protestaktionen, Mobbing gegen Abgeordnete und Blockadepolitik
auf den von der Bundesregierung angebotenen Dialog?
4. Wird die Bundesregierung trotz dieser Blockadepolitik des ÖGB die
Sozialpartner und alle im Nationalrat vertretenen Parteien auch weiterhin in
einen Reformdialog und in Entscheidungsfindungen einbinden?
5. Welche sozial - und wirtschaftspolitischen Vorhaben zur Sicherung des
Wirtschaftsstandortes und der Arbeitsplätze hat die österreichische
Bundesregierung in den letzten zehn Monaten durchgeführt?
6. Wie werden die von der Bundesregierung getroffenen Reformmaßnahmen von
nationalen und internationalen Experten beurteilt?
7. Wie hätte sich Österreich Ihrer Auffassung nach sozial - und
wirtschaftspolitisch weiterentwickelt, wenn die sozialistische Schuldenpolitik
der früheren Jahre fortgesetzt worden wäre?
8. Welche sozial - , wirtschafts - und gesellschaftspolitischen Offensiven wird die
österreichische Bundesregierung trotz der erforderlichen
Konsolidierungspolitik setzen?
9. Wie beurteilen Sie die gewerkschaftlichen Maßnahmen im Lehrerbereich im
Hinblick auf die Bildungspolitik dieser Bundesregierung?
10. Welchen Beitrag zu den notwendigen Reformvorhaben hat der ÖGB bzw.
seine Teilgewerkschaften (z.B. GÖD) bisher geleistet?
In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG als
dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung
zu geben.