1812/J XXI.GP
Eingelangt am: 31.01.2001
der Abgeordneten Dr. Kostelka, Eder
und Genossinnen
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Skurrilitäten Ihrer bisherigen Amtsführung
Seit Ihrem Amtsantritt vor rund drei Monaten wird das Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie, ein Schlüsselressort dieser Bundesregierung, von Ihnen in einer
politisch überaus widersprüchlichen und von Tageslaunen abhängigen Weise geführt.
Wichtige und dringende wirtschaftspolitische Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich des
Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur, sind bisher von Ihnen ausständig. Ebenso haben Sie
keinerlei Zukunftskonzepte in den Bereichen Transitverkehr, Bahnpolitik, Förderung des
öffentlichen Verkehrs und Nahverkehrs vorgelegt und im Bereich der
Straßenverkehrssicherheit lediglich ein derartiges Konzept (siehe unten) angekündigt.
Der ungewöhnliche Stil ihrer Amtsführung schließt offensichtlich auch die
Mitarbeiterführung mit ein. So hat die Mehrzahl ihrer persönlichen Berater (zuletzt vier auf
einmal), gemäß Medienberichten bereits wieder das Kabinett verlassen.
Ein besonders abschreckendes Beispiel von Inobjektivität und parteipolitischer Einflussnahme
stellen Ihre Zusage vom 19. Jänner gegenüber Landeshauptmann Haider dar, wonach jetzt auf
einmal 3,5 Mrd. Schilling für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen für das Bundesland
Kärnten zur Verfügung gestellt werden. Am 21. 12.2000 hatten Sie angekündigt, dass,
obwohl es bereits baureife Streckenabschnitte gibt, das Projekt „Neue Südbahn“, also auch
die Koralmbahn, neuen Prüfungen unterzogen und damit verschoben wird. Nach heftiger
Kritik und Druck durch den Landeshauptmann von Kärnten und einfachem Parteimitglied,
Jörg Haider, der im 16.1.2001 an Sie öffentlich ein Ultimatum gerichtet hat, sagten Sie jetzt
plötzlich Infrastrukturprojekte in der Höhe von 3,5 Milliarden. Schilling in Kärnten zu. Ihr
Wankelmut ist nicht verständlich und genügt nicht der Verantwortlichkeit eines
Regierungsmitgliedes in politischer und rechtlicher Hinsicht.
Da davon auszugehen ist, dass keine zusätzlichen Bundesmittel zur Verfügung gestellt
werden können, müssen auf Grund der zugesagten Infrastrukturmittel für Kärnten andere
Infrastrukturprojekte in anderen
Bundesländern zurückgestellt werden.
Darüber hinaus sei auch noch auf andere Skurrilitäten Ihrer bisherigen Amtsführung
hingewiesen:
• Anfang Jänner forderten Sie eine Wiederholung der Führerscheinprüfung bei schweren
Verkehrsdelikten. Dies, obwohl im Führerscheingesetz bereits eine derartige
Vorgangsweise vorgesehen ist.
• Im Jänner ging dem Nationalrat ein Bundesgesetz über den Führerschein zu, mit dem eine
Ausbildung für Microcars vorgeschrieben wird. Allerdings entfällt damit, (wie vielfach
kritisiert) bei allen Personen, die älter als 24 Jahre sind, der Nachweis der theoretischen
Kenntnisse der Straßenverkehrsordnung. Dies kritisierte sogar VP - Verkehrssprecher
Kukacka und kündigte eine Revision im Parlament an. Eine Akkordierung dieses kurzen
Gesetzes mit Ihrem Koalitionspartner im Ministerrat war ihnen offensichtlich nicht
möglich.
• Im Kampf gegen Drogen am Steuer kündigten Sie am 23. Jänner eine Gesetzesvorlage bis
Ende des Jahres an, wahrend bereits am 18. Jänner die Regierungsparteien im Parlament
eine Fristsetzung bis Mai beschlossen hatten. Tatsächlich ist die FP/VP - Regierung in
dieser Frage schon seit langem säumig und Sie als Bundesministerin sollten eine
entsprechende Gesetzesvorlage gegen Drogen am Steuer so rasch als möglich erarbeiten.
• In einer Verkehrssicherheitstagung am 17. Jänner kündigten Sie ein nationales
Verkehrssicherheitskonzept an, das lediglich den Autoverkehr beinhaltet. Weder
Maßnahmen gegen den Schwerverkehr noch hinsichtlich des Schutzes der Schwachen im
Straßenverkehr (Radfahrer, Fußgänger, Kinder, Senioren) noch irgend welche andere
Verkehrsträger wie Schiene, Schiff und Luftfahrt sind in diesem „Nationalen
Verkehrsprogramm“ enthalten.
• In einem Interview in der ZIB 1 am 11. Jänner stellten Sie klar, dass am Zeitplan für die
Einführung der LKW-Maut bis 1.7.2002 festgehalten wird. Kurz davor teilten Sie aber
dem Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher in einer schriftlichen Anfragebeantwortung mit,
dass eine Inbetriebnahme des vollelektronischen Mautsystems erst zwei Jahre nach
Erteilung der Aufträge zur Implementierung des Systems erfolgen kann. Da das
vollelektronische System ausgeschrieben werden muss, und von einem Vorlauf von über
einem Jahr ausgegangen werden muss, ist daher eine Inbetriebnahme demgemäß
frühestens 2003
möglich.
• Obwohl Sie mehrfach im Parlament betont haben, dass die Neustrukturierung der
Österreichischen Bundesbahnen für Sie einen aktuellen Arbeitsschwerpunkt darstellt
sagten sie nur einen Tag vorher (aus nicht nachvollziehbaren Gründen), das für 18. Jänner
2001 angesetzte Gipfelgespräch mit dem ÖBB - Vorstand ab.
• Nahezu zeitgleich richteten Sie der ÖBB - Führung per Kronen Zeitung aus, „daß für
architektonische Profilierungswünsche im Zusammenhang mit dem Bahnhofskonzept kein
Geld da ist. Die Bahnhöfe sollten lediglich zweckdienlich und behindertengerecht sein.
Durch Infragestellung der Bahnhofsoffensive verzögern Sie ein zentrales
Modernisierungsprojekt der ÖBB, mit dem die ÖBB wichtige Impulse im
Personenverkehr setzen und zusätzliche Einnahmen erzielen könnte. Gleichzeitig werden
Bauinvestitionen in Milliardenhöhe und potentielle Wirtschaftszentren mit
städtebaulichem Wert weiter aufgeschoben.
Da Sie Ihre Meinung dazu offensichtlich täglich ändern, kennt man in der
durchführenden SCHIG bereits die „zehnte oder zwölfte Variante einer Verordnung“.
• Anläßlich der Tariferhöhung der ÖBB zum 1. Jänner 2001 übernehmen Sie die Kritik der
SPÖ an dieser Tariferhöhung, lassen aber gleichzeitig zu, dass die gemeinwirtschaftlichen
Leistungen nicht einmal um den Inflationsindex angehoben werden. Darüber hinaus
könnten Sie selbst als Eigentümervertreter die Tarife bestimmen, richten somit also
eigentlich eine Forderung an sich selbst.
• In der Frage des Transitvertrages jubeln Sie zwar am 14. Dezember 2000 nach einem
ersten Gespräch mit der EU - Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, dass das
Ökosystem bis 2003 weiter laufen wird, während die EU - Verkehrskommissarin bereits
am 20. Dezember 2000 öffentlich klar macht, dass die Mengenbeschränkungen für LKW
im Transitvertrag in Österreich gestrichen werden sollen. Weder ist klar, wie die
Ökopunkteregelung nach der erneuten Mengenüberschreitung 2000 fortgesetzt wird, noch
wie die Transitvertragsregelung für Österreich über das Jahr 2003 hinaus aussieht.
• In Ihrem Rechtsstreit mit Landeshauptmann Weingartner hinsichtlich der Bestrafung von
Ökopunktesünder verweigern Sie trotz entsprechender Gutachten eine Weisung an die
Landeshauptleute und begnügen sich am 23. Jänner mit einem Appell, womit Sie den
Schutz der österreichischen Bevölkerung den LKW - Lobbyinteressen opfern. Gleichzeitig
machen Sie sich damit in Brüssel völlig unglaubwürdig.
Neben den inhaltlichen Aufgaben hat ein Regierungsmitglied auch eine Schutzfunktion
gegenüber den unterstellten
Bediensteten. Ihr Führungsstil - Stöckelschuherlass, geregelter
Abstand Ihrer Begleitung, Kündigungswellen - , gegenständliche Berichte, wurden bisher
von Ihrer Seite nicht richtiggestellt. Gleichzeitig legen Sie in persönlichen Dingen (Stichwort:
Mediencoaching) keinesfalls Sparsamkeit an den Tag.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation
und Technologie nachstehende
Anfrage:
1. Welche Projekte mit welchen Einzelkosten sind in dem 3,5 Milliarden Schilling-
Paket, welches Sie mit dem Kärntner Landeshauptmann auf dessen Druck hin
vereinbart haben, beinhaltet?
2. Welche Bundesmittel sind dafür im Detail pro Projekt, nach Budgetjahren gegliedert,
vorgesehen? Wird es dafür zu Kürzungen bei anderen Projekten kommen oder
werden die Mittel für den Verkehrsinfrastrukturausbau erhöht werden?
3. Wann soll jedes einzelne Projekt nach welchem Stufenplan realisiert werden?
4. Welche Pakete haben Sie bereits mit anderen Landeshauptleuten vereinbart? Sind
von Ihren Vorgängern Infrastrukturprojkete mit Wien und Niederösterreich
vereinbart worden? Wenn ja, sind diese noch gültig? Welche rechtliche Qualität
kommt derartigen Vereinbarungen zu?
5. Nachdem bereits andere Landeshauptleute ebenfalls Interesse an Gesprächen mit
Ihnen über Verkehrsinfrastrukturwünsche ihres Bundeslandes geäußert haben,
werden Sie diesen ähnliche Zugeständnisse machen? Wie wollen Sie die Erfüllung
dieser Wünsche finanziell bedecken?
6. Ist es richtig, dass Sie sich einem Medientraining, unter anderem mit der ehemaligen
Moderatorin Nora Frey, unterzogen haben? Welche Mittel werden dafür aufgewendet
und wie werden diese bezahlt (Projekt, Budgetierung)?
7. Wie viele Mitarbeiter haben bisher Ihr Kabinett verlassen? Was sind Ihrer Meinung
nach die Gründe
dafür? Haben Sie tatsächlich einer schwangeren Mitarbeiterin in
Ihrem Büro, laut einer Zeitungsmeldung, mitgeteilt: „Wenn Sie das Kind verlieren,
dann kommen Sie wieder, und ich stehe mit Ihnen und der Karenzvertretung da“.
8. Warum forderten Sie eine Wiederholung der Führerscheinprüfung bei schweren
Verkehrsdelikten, wenn eine derartige Vorgangsweise bereits gesetzlich
vorgeschrieben ist?
9. Warum waren Sie nicht in der Lage, die Führerscheingesetznovelle mit ihrem
Koalitionspartner im Parlament abzustimmen? Wollen Sie tatsächlich, dass Personen
über 24 Jahre für das Lenken von Microcars eine Berechtigung erhalten, ohne dass
sie Grundkenntnisse der Straßenverkehrsordnung nachweisen müssen? Wollen Sie
auch tatsächlich, dass jeder, der behauptet, dass er ein Microcar vor Inkrafttreten
dieses Bundesgesetzes gelenkt hat (unüberprüfbar!), eine entsprechende
Berechtigung ohne Nachweis ausgestellt wird?
10. Werden Sie bis Ende März dem Nationalrat einen Gesetzesantrag zur Bekämpfung
von Drogen am Steuer zuleiten?
11. Warum kündigten Sie ein nationales Verkehrssicherheitskonzept am 17. Jänner an,
das keinerlei Maßnahmen im Bereich des LKW - Verkehrs, des Schutzes der
Schwachen im Straßenverkehr (Radfahrer, Fußgänger, Kinder, Senioren) enthalten
wird? Sind Sie nicht der Ansicht, dass ein nationales Verkehrsprogramm, das diesen
Namen verdient, darüber hinaus auch andere Verkehrsträger wie Schiene, Schiff - und
Luftfahrt erfassen müsste?
12. Werden Sie am Zeitplan für die Einführung der LKW - Maut bis 1. Juli 2002
festhalten? Wie wollen Sie diesen Zeitplan bewerkstelligen und widerspricht dieser
Termin nicht der parlamentarischen Anfragebeantwortung zur Anfrage von
Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher in dieser Angelegenheit?
13. Aus welchem Grund haben Sie am 18. Jänner 2001 das Gipfelgespräch hinsichtlich
Neustrukturierung der Bahn mit dem ÖBB - Vorstand abgesagt?
14. Halten Sie es tatsächlich für richtig, das Bahnhofskonzept der ÖBB abzulehnen,
obwohl hier zentrale Impulse zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs gesetzt
werden können?
15. Warum lehnen Sie die Ausweitung des Immobiliengeschäfts der Österreichischen
Bundesbahnen und damit die bessere kaufmännische Nutzung vorhandener
Liegenschaften ab?
16. Warum haben Sie sich in der Bundesregierung nicht darum bemüht, dass die
gemeinwirtschaftlichen Leistungen an die ÖBB an die allgemeine Inflation angepasst
werden?
17. Warum haben Sie als Eigentümervertreter, wenn Sie die Tariferhöhung 2001
ablehnen, nicht der ÖBB die Weisung erteilt, die Tarife nicht zu erhöhen?
18. Wie soll in Zukunft die Struktur der Österreichischen Bundesbahnen ausschauen? Bis
wann wird ein neuer Aufsichtsrat und ein neuer Vorstand bestellt werden? Wird dann
die zukünftige Struktur der österreichischen Bundesbahnen bereits feststehen?
19. Warum erteilen Sie hinsichtlich der Bestrafung von Ökopunktesündern den
Landeshauptleuten keine Weisung? Sind Sie sich dessen bewusst, dass dabei an der
gegenwärtigen Praxis der Nichtbestrafung nichts geändert werden wird?
20. Wird die erneute Überschreitung der Mengenbeschränkung für LKW im
Transitvertrag im Jahr 2000 im laufenden Jahr erneut zu Kürzungen der
Fahrkontingente führen?
21. Was werden Sie unternehmen, dass die Mengenbeschränkung für LKW im
Transitvertrag nicht ersatzlos gestrichen wird? Was haben Sie bisher dazu getan?
22. In welcher Form wird der Transitvertrag für Österreich über das Jahr 2003 fortgesetzt
werden? Haben Sie diesbezüglich mit der Europäischen Union bereits
Verhandlungen begonnen?