1819/J XXI.GP

Eingelangt am: 31.1.2001

 

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

 

betreffend Änderung der Pflegegeldeinstufung

 

 

Frau Andrea Mielke ist 36 Jahre alt und seit Geburt behindert (Diagnose: spinale,

progressive Muskelatrophie). Seit Inkrafttreten des Bundespflegegeldes (Juli 1993)

erhielt Frau M. vom Land Salzburg Pflegegeld der Stufe 7.

Da Frau Mielke aufgrund Ihrer Behinderung so intensive Assistenzleistung braucht,

wird ihr vom Land Salzburg (Sozialamt) zusätzlich zum Pflegegeld der Stufe 7 eine

finanzielle Unterstützung gewährt.

Trotzt ihrer schweren Behinderung war Frau Mielke Halbtags beschäftigt. Da sich ihr

behinderungsbedingter Zustand zunehmend verschlechtert, hat Frau Mielke im Jahr

2000 um die Berufsunfähigkeitspension angesucht. Dem Pensionsantrag wurde

stattgegeben und Frau Mielke erhält seit Juli 2000 die Berufsunfähigkeitspension.

Durch den behinderungsbedingten Wechsel von der Berufstätigkeit in die

Berufsunfähigkeitspension ist für die Auszahlung des Pflegegeldes daher seit Juli

2000 nicht mehr das Amt der Salzburger Landesregierung, sondern die

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zuständig.

 

Obwohl Frau Mielke seit 1993 in Pflegegeldstufe 7 eingestuft war, wurde sie jetzt von

der PVA - Ang. in die Pflegegeldstufe 5 zurückgestuft. Konkret heißt das einerseits,

dass Frau Mielke monatlich mehr als S 10.000,-- weniger an Pflegegeld erhalten soll,

obwohl sich ihre Behinderung nachweislich nicht verbessert hat oder verbessern

kann. Dies führt zu dem Schluß, dass die Einstufung der untersuchenden Ärzte je

nach Anstalt völlig anders bewertet wird, d.h. jener Arzt, der die Einstufung für das

Pflegegeld Salzburg vorgenommen hat, hat völlig falsch eingestuft oder der Arzt, der

für die PVA - Ang. die Einstufung vornimmt, stuft völlig falsch ein.

 

Damit kann davon ausgegangen werden, dass die Ärzte, welche die Einstufungen

vornehmen, von unterschiedlichen Wissensständen ausgehen, und es muß

angenommen werden, das die einstufenden Ärzte teilweise keine Ahnung haben

über die Behinderung der PflegegeldbezieherInnen, aber trotzdem berechtigt sind,

Gutachten zu erstellen. Opfer dieser skandalösen Vorgangsweisen sind die

PflegegeldbezieherInnen.

 

Da dieser unhaltbare Zustand, wie ihn Frau Mielke erleben muß, kein Einzelfall ist,

beweisen immer wieder die Tatsachen, der Pflegegeldrückstufungen bei

Pensionsantritt und dies beinahe bei allen Versicherungsanstalten..

Um die Situation von Frau Mielke aufzuzeigen, liegen, (im Einverständnis von Frau

Mielke) nicht nur das ärztliche Gutachten der PVA - Ang. bei, sondern auch die von

fachlich kompetenten Medizinern, die Frau Mielke auch persönlich kennen und über

ihre Behinderung bescheid wissen.

 

Hinterfragenswert ist nicht nur die Tatsache, warum PflegegeldbezieherInnen, die

aufgrund einer Verschlechterung der Behinderung einen Antrag auf Pension gestellt

haben, nochmals untersucht werden?

Wie es scheint, sprechen die Pensionsversicherungsanstalten jenen Ärzten, die eine

Einstufung auf Pflegegeld bereits zu einem früheren Zeitpunkt und durch einen

anderen Leistungsauszahler (Länder) vorgenommen haben, also vor Pensionsantritt

der PflegegeldbezieherInnen, ihre fachliche Kompetenz ab, denn sonst gäbe es

keinen Grund, die Untersuchung zur Pflegegeldeinstufung ein zweites mal

vorzunehmen.

Aufklärungsbedürftig ist auch der Untersuchungsvorgang, den Frau Mielke erleben

mußte und ihre Schilderung liegt dieser Anfrage ebenfalls bei.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Wie kann es dazu kommen, daß PflegegeldbezieherInnen, deren

     Behinderungen so gelagert sind, daß es zu keiner Verbesserung, sondern nur

     mehr zu einer Verschlechterung kommt, beim Pflegegeldbezug zurückgestuft

     werden?

 

2. Warum ist es notwendig, bei einer Änderung der pflegegeldauszahlenden

     Stelle, eine neuerliche Untersuchung durchzuführen?

 

3. Wie hoch waren die Ausgaben für diese Art der Doppeluntersuchungen für die

     Pensionsversicherungsanstalten in den Jahren 1998 - 2000? (Auflistung nach

     Anstalt und Kalenderjahr)

 

4. Wie viele PensionsbezieherInnen, die bereit vor Pensionsantritt einen Anspruch

     auf Pflegegeld hatten, wurden durch den Wechsel in den Jahren 1998 - 2000

     zurückgestuft?

     Auflistung nach Anstalt, Pflegegeldstufe vor dem Pensionsantritt,

     Pflegegeldstufe durch die Anstalt, Alter der PflegegeldbezieherInnen, Frauen,

     Männer)

 

5. Ist es auch in Ihrem Sinne diese Doppeluntersuchungen einzustellen?

     Wenn ja: bis wann werden Sie dem Parlament eine entsprechende Änderung

     vorlegen?

     Wenn nein: was ist Ihr Grund dafür?

 

6. Sind Sie auch der Meinung, dass die Einstufungen zum Pflegegeld,

    unabhängig davon, welcher leistungsauszahlende Stelle sie vornimmt, zu

    unterschiedlichen Einstufungen führt?

    Wenn ja: wie kommt es zu dieser untragbaren Situation?

    Wenn nein: was ist dann der Grund der Rückstufungen beim Wechsel der

    leistungsauszahlenden Stelle?

 

7. Glauben Sie die Schilderung des Untersuchungsvorganges der

     Pflegegeldbezieherin?

     Wenn ja: was werden Sie tun, um solche Ungeheuerlichkeiten abzustellen?

     Wenn nein: wie stellt sich nach Ihrer Meinung der Untersuchungsvorgang dar?

 

8. Sind Sie auch der Meinung, daß die beauftragten Untersuchungsärzte zur

    Pflegegeldeinstufung entsprechend der jeweiligen Behinderung das dafür

    fachliche Wissen und die erforderliche Kompetenz haben müßten?

    Wenn ja: was werden Sie bis wann tun um dies sicherzustellen?

    Wenn nein: sind Sie also der Meinung das z.B. ein Augenarzt auch z.B. für

    spinale, progressive Muskelatropie entsprechende fachliche Kenntnisse und

    Kompetenz hat?

 

9. Was werden Sie tun um sicherzustellen, daß es bei einem Wechsel der

    leistungsauszahlenden Stelle zu keinen Rückstufungen kommt?

 

10. Was werden Sie konkret tun, damit Frau Mielke wieder ihren Anspruch auf

       Pflegegeldstufe 7 erhält?

 

11. Was werden Sie konkret tun, damit nicht auch noch weiterhin

      PflegegeldbezieherInnen in die untragbare Situation, wie ihn Frau Mielke

      erleben muß, kommen?

"Kampf um's Pflegegeld und meine Menschenwürde"

 

Ich bin Elektro - Rollstuhlfahrerin, 36 Jahre und lebe seit meiner Geburt mit einer sehr

schweren körperlichen Behinderung (Diagnose: spinale, progressive Muskelatrophie).

 

Somit erhalte ich seit der Einführung des Pflegegeldes im Jahr 1993 Pflegegeld der Stufe 7.

Damit und mit einer weiteren finanziellen Unterstützung des Sozialamtes der Stadt Salzburg ist

es mir möglich meine rund - um - die - Uhr - Assistenz zu finanzieren und dadurch ein möglichst

selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu führen.

Trotz meiner schweren Behinderung war ich halbtags berufstätig. Da sich mein körperlicher

Zustand zunehmend verschlechtert hat traf ich vor einigen Monaten die für mich sehr schwieri -

ge Entscheidung doch einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension zu stellen.

Das Ergebnis liegt nun auf dem Tisch: Dem Pensionsantrag wurde stattgegeben, was bedeutet,

daß in Sachen Pflegegeld nun nicht mehr das Amt der Sbg. Landesregierung zuständig ist,

sondern ab sofort die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten.

Diese neue zuständige Behörde hat mich jetzt in einem rückwirkenden Bescheid mit Juli 2000 in

die Pflegegeldstufe 5 zurückgestuft!!! Konkret heißt das monatlich ATS 10.000,-- weniger für die

notwendigen Assistenzleistungen die ich zum täglichen „Überleben“ benötige.

Diese sind: auf‘s WC heben, Reinigung des Intimbereiches, gesamte Körperpflege, was heißt:

baden, waschen, abtrocknen, eincremen, ankleiden, frisieren, in den Rollstuhl setzen und zen -

timetergenaues Einrichten von Armen, Händen, Beinen, Rumpf und Kopf, zubereiten der Mahl -

zeiten, Unterstützung beim Essen und Trinken, komplette Führung des Haushalts, Einkauf, Er -

ledigungen, Transport mit dem rollstuhlgerechten Kfz, sowie die Notwendigkeit eines Nacht -

dienstes zum 1 1/2 - stündigen Lagewechsel aufgrund starker Schmerzen.

Durch den ausgestellten und gültigen Bescheid der PVA mit der Rückstufung in Pflegestufe 5

und den daraus jetzt resultierenden Konsequenzen fühle ich mich in meinem Lebensalltag und

in meiner Existenz massiv bedroht, da ab sofort die Grundversorgung meines Alltags nicht mehr

gewährleistet ist und ich nicht weiß, wie ich mein Team von 7 Assistentinnen bezahlen soll.

Mein durchschnittlicher Stundenaufwand pro Monat, inkl. der Nachtdienste beträgt an die 530

Stunden. Dabei sind allerdings keine Arztbesuche oder sonstige Teilnahme am öffentlichen und

gesellschaftlichen Leben, sowie Freizeitaktivitäten inbegriffen.

Dem jetzt gültigen Bescheid ging eine einzige, ca. 12 Minuten dauernde, Untersuchung bei ei -

ner Fachärztin für Neurologie der PVA am 10. August 2000 voraus, die die Feststellung zur Be -

rufsunfähigkeit und gleichzeitig die Einstufung des Pflegegeldes zum Inhalt hatte.

Diese spielte sich folgendermaßen ab: als ich den Praxisraum „berollte“ wurde ich zuerst mit

der Aufforderung konfrontiert vom Elektro - Rollstuhl auf die Untersuchungsliege zu wechseln, da

ein EKG durchgeführt werden sollte. Als ich erklärte, daß ich diese für mich „spitzensportmäßi -

ge Aktivität“ noch nie in meinem Leben selbständig tätigen konnte und kann und dazu immer

fremder Hilfe bedarf, um meinen Rollstuhl überhaupt verlassen zu können, wurde mir vorge -

schlagen den Hausmeister zur Hilfestellung zu holen.

Dies allerdings wehrte ich strikt ab, da ich mich nicht von einem fremden Mann angreifen lassen

wollte. Abermals versuchte ich deutlich zu machen, daß meine Sitzposition im E - Rollstuhl ein

exaktes „Einrichten und zentimetergenaues Zurechtrücken“ aller Körperteile erfordert um mei -

nen Rollstuhl lenken und möglichst schmerzfrei darin sitzen zu können und daß Hilfestellung

eine genaue Einschulung der handelnden Personen bzw. Assistentinnen erfordert.

Danach wurde von mir abgelassen und die Untersuchung beschränkte sich auf das Durch -

leuchten von Augen, Ohren, Mund, sowie das Drücken der Hände und Reflextesten meiner

Beine. Im weiteren Gespräch wurde ich gefragt, welche Beschwerden ich denn hätte, worauf ich

sehr detailgenau schilderte, daß ich seit ca. 2 Jahren Probleme habe z. B. ein Essensbesleck in

der Hand zu halten und zum Munde zu führen, da die Muskelkraft in den Handgelenken weiter

geschrumpft ist und vor allem mein linkes Handgelenk nach 30 Sekunden seine Kraft verliert

und hinunterkippt und damit keine zielgerichteten Bewegungen mit funktioneller Umsetzung für

mich mehr möglich sind. Daraufhin diktierte die Ärztin in ihr Sprechgerät: „Patientin habe Pro -

bleme das Messer vom Boden aufzuheben ...„

Danach war ich keiner erklärender Worte mehr fähig. Somit nehme ich an, daß diese mißver -

ständliche, äußerst kurze und inkompetente Untersuchung die Schlechterstellung zur Pflege -

einstufung zur Folge hatte und alle von mir beigelegten ärztlichen Gutachten und Bestätigun -

gen, sowie der (nichtgelungene) Versuch, meine spezielle Situation verständlich zu machen in

keinster Weise Berücksichtigung fanden und deshalb in der letztendlichen chefärztlichen Ent -

scheidung am sogenannten „grünen Tisch“ in Wien, mit Ärzten welche mich nie sahen und nie

zu Gesicht bekommen werden, die für mich vernichtende und lebensbedrohende Entscheidung

für die Pflegestufe 5 getroffen wurde.

Ich hoffe inständig, daß ich noch genügend Kraft, Energien und Nerven haben werde, um die -

sen Kampf um mein „Lebensrecht“ zu kämpfen und durchzustehen. Gleichzeitig weiß ich und

fühle es ganz tief in mir, daß dieses neuerliche Kämpfen um meine notwendigsten Bedürfnisse,

mir auch ein Stück Leben kostet und alle Aufmerksamkeit und völligen Einsatz von mir abver -

langt. Ich fühle mich schwach, hilflos, ohnmächtig, verzweifelt, diskriminiert, total entwürdigt und

zutiefst in meinem Selbstverständnis als behinderte Frau mit besonderen Bedürfnissen bedroht.

Daneben spüre ich eine so enorme Wut im Bauch und wünschte, daß so manche Menschen,

die Entscheidungen solcher Tragweite und Konsequenz treffen, wie diese Ärztin der PVA, nur

einen Tag lang, 24 Stunden, meinen Alltag mit all seinen Erschwernissen und Schwierigkeiten,

mit der gesamten massiven Abhängigkeit von fremden Händen leben müßten, damit ihre be -

grenzten und beschränkten Gehirne endlich begreifen und eine leise Ahnung davon bekommen,

was es heißt und wie es ist, als schwerstbehinderter Mensch in diesem Staat zu leben.

Am Dienstag, dem 28.November 2000, habe ich Klage gegen den Bescheid der PVA bei Ge -

richt eingereicht.