1866/J XXI.GP
Eingelangt am: 2.2.2001
der Abgeordneten Dietachmayr, Edler
und GenossInnen
an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend ÖBB
Laut Format Nr. 01 vom 2. Jänner 2001 soll die ÖBB radikal umgebaut werden. Geht es nach
dem ÖBB - Generaldirektor Helmut Draxler ist „die alte Bahn tot“. Er will alle Nebenbahnen
loswerden, 23 Milliarden Schilling in die Errichtung von Bürogebäuden investieren, einen
börsenfähigen Logistikkonzern und ein Stromhandelshaus aufbauen.
Die FP/VP Regierung möchte die ÖBB in eine Schienen - und eine Transportgesellschaft
zerschlagen. Im Koalitionsabkommen ist die Trennung der Bereiche Infrastruktur und Absatz
festgeschrieben und soll angeblich noch im ersten Halbjahr 2001 umgesetzt werden. Die ÖBB
und die Finanzierungsgesellschaften (SCHIG, HL - AG, BEG usw.,) sollen so umstrukturiert
werden, dass alle Bahnbetreiber die gleichen Chancen haben. Die ÖBB ist zwar auf eine
Teilung der Bereiche Infrastruktur und Absatz vorbereitet, Generaldirektor Draxler stellt aber
die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer Trennung in Frage. Die Spaltung der ÖBB würde
den Verlust von Synergieeffekten in Höhe von einer Milliarde Schilling bedeuten.
Generaldirektor Draxler möchte das Schienennetz in einer Holding halten. Seine Argumente
sind eine Milliarde Schilling an Synergien und steuerliche Vorteile. Er möchte die Verluste
aus dem Infrastrukturbereich, der angeblich fünfzig Milliarden Schilling an Verbindlichkeiten
hat, mit den Gewinnen des Absatzbereiches gegenrechnen.
Der Vorstand der SCHIG, Helmut Falschlehner favorisiert laut Kronenzeitung vom 13.1.
2001 wiederum ein Modell, das künftig drei Aktiengesellschaften vorsieht, ungefähr die
Hälfte der 50.000 Eisenbanner käme in die neue „ÖBB - AG“. Diese zahlt, so wie andere
Betreiber ein Benützungsentgelt an die „Infrastruktur Betriebs AG“, wo vom Fahrdienstleiter
bis zur Zugüberwachung die restliche Hälfte des ÖBB - Personals für Erhaltung und Wartung
zuständig ist. Neue Bahnprojekte würden über eine „Infrastruktur Besitz AG“ abgewickelt,
die auch die rund 100 Milliarden Schilling
Schulden von HL - AG und SCHIG übernimmt.
Generaldirektor Draxler plant die ÖBB „zum größten Immobilienentwickler Österreichs“ zu
machen. 23 Milliarden Schilling will er investieren, um auf 1,5 Millionen Quadratmeter
Fläche im Umkreis von Bahnhöfen Büro - und Shoppingzentren zu errichten. Allein auf einem
Grundstück zwischen dem Wiener Westbahnhof und der Mariahilfer Straße sollen bis zu
6.000 neue Büros entstehen. Die Mittel dafür sollen von Investmentpartnern kommen. Der
Wert der Liegenschaften soll dadurch vervielfacht und die Liegenschaften anschließend
verkauft werden.
Weitere acht Milliarden Schilling an Investitionen sind für die Bannhofsoffensive vorgesehen,
wodurch auch der Ausbau der größeren Stationen in Shopping - und Entertainmentzonen
erfolgen soll.
Laut Kronenzeitung vom 14. Jänner 2001 fehlt jedoch das Geld für den Bau neuer Bahnhöfe.
Statt der stets erwähnten acht sind nun tatsächlich kaum mehr als 1,5 Milliarden Schilling an
Investitionssumme vorhanden. Nicht 43 Bahnhöfe werden neu gebaut, sondern maximal elf.
Nicht weniger als 32 Bahnhofs - Umbauten, unter ihnen auch Projekte wie Klagenfurt, Wels
und Attnang - Puchheim, werden nicht mehr realisiert. Sogar Prestigeprojekte wie der Umbau
des Wiener Westbahnhofs könnten gestoppt werden.
Es ist inzwischen sogar fraglich, ob sich nicht auch wichtige Projekte wie der vierspurige
Ausbau der Westbahn massiv verzögern wird.
Der Ausbau von Transeuropäischen Netzen ist für die ÖBB und die Wirtschaft äußerst
wichtig. So haben zum Beispiel die oberösterreichischen Sozialpartner kürzlich eine
Bahnstrecke Marburg - Graz - Linz - Budweis - Prag gefordert. Der Finanzbedarf für eine
leistungsfähige Nord - Süd - Achse liegt aber alleine für die in Österreich liegenden Teilstrecken
im zweistelligen Milliardenbereich. Auch dieser Bereich ist bei der Umstrukturierung der
ÖBB zu berücksichtigen.
Im regionalen Personenverkehr will Draxler sämtliche Nebenbahnen - rund ein Drittel des
Zugnetzes - den Ländern oder Privaten überantworten. Für den Personenverkehr ist er dabei,
Kooperationen mit der Schweizer und der Deutschen Bahn abzuschließen. Der Gütertransport
soll zu einem europäischen Logistikkonzern mit zwanzig Milliarden Schilling Umsatz
ausgebaut werden und ein eigenes ÖBB - Handelshaus soll Lokomotiven in ganz Europa mit
Strom versorgen.
Nicht besonders kundenfreundlich agiert die ÖBB im Bereich der Verkehrsverbünde. Dies,
obwohl die ÖBB für die Verkehrsverbünde nicht unerhebliche Zuschüsse aus dem Budget des
Bundes, der Länder und sogar mancher Gemeinden erhält. Mit der Herabsetzung der
Ermäßigung für Vorteilscard -
Inhaber bestraft die ÖBB Stammkunden mit einer versteckten
Tariferhöhung um zehn Prozent. Die am 1. Jänner 2001 in Kraft getretene Tariferhöhung ist
übrigens die dritte innerhalb eines Jahres. Als Fortschritt wird den Bahnkunden verkauft, dass
bei Bestellung über Handy oder Internet die Ermäßigung ohnehin gleich bleibt. Wer über
diese Kommunikationsmittel nicht verfügt, schaut durch die Finger. Außerdem muss zur
Vorsicht gemahnt werden: Verschiebt man nämlich eine bestellte Fahrt, gibt es grundsätzlich
kein Geld zurück.
Der ÖBB - Aufsichtsrat soll in der nächsten Zeit neu bestellt werden. Angeblich sind der
Tiroler Anwalt Siegfried Dillersberger, Präsident der Schutzgemeinschaft Freiheitlicher
Wähler, der Vorarlberger Spediteur Rodolphe Schoettel, verheiratet mit einer FP -
Nationalratsabgeordneten und Ex - Banker Michael Lielacher, der heute viele FPÖ - nahe
Firmen berät, im Gespräch.
Bei der Besetzung des Kontrollgremiums soll der scheidende Wienerberger - Vorstand Paul
Tanos, ein Freund von Finanzminister Grasser, gute Chancen haben.
Unklar sind die Auswirkungen all der Pläne auf die rund 50.000 Eisenbahner. Seit 1995
wurden vor allem durch Pensionierungs - Aktionen rund 17.000 Jobs abgebaut. Angeblich
sollen weitere 30 % in der nächsten Zeit abgebaut werden.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin lür Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende
1. Welche Chancen hat Helmut Draxler noch, um als ÖBB - Generaldirektor wiederbestellt zu
werden? Welche Personen kommen aus welchem Grund als seine Nachfolger in Frage?
2. Ist es richtig, dass bei der Besetzung des ÖBB - Aufsichtsrates und des Kontrollgremiums
oben genannte Kandidaten bestellt werden sollen um die bisher „rote ÖBB“ blau
einzufärben? Falls nein, wie begründen Sie, dass die in den Medien bisher genannten
Personen alle der FPÖ nahestehen?
3. Wie sehen die konkreten Pläne über die Zukunft und Neustrukturierung der ÖBB wirklich
aus? Wird die ÖBB - so wie im Koalitionsabkommen vorgesehen - in eine Infrastruktur -
und in eine Bahn - AG
zerschlagen?
4. Ist das Argument von Generaldirektor Draxler richtig, dass die Trennung von Infrastruktur
und Absatz volkswirtschaftlich nicht sinnvoll ist und die Spaltung der ÖBB den Verlust
von Synergieeffekten in Höhe von einer Milliarde Schilling bedeuten würde? Falls nein,
warum nicht?
5. Wie beurteilen Sie das Modell von Helmut Falschlehner, das drei Aktiengesellschaften
vorsieht?
6. Wie beurteilen Sie die Pläne von Generaldirektor Draxler, die ÖBB „zum größten
Immobilienentwickler Österreichs“ zu machen, mit dem Ziel, den Wert der
Liegenschaften wesentlich zu steigern und dann zu verkaufen?
7. Wie viel Geld hat die ÖBB wirklich für die sogenannte „Bahnhofsoffensive“?
8. Ist es richtig, dass nur mehr maximal elf Bahnhöfe gebaut werden? Falls ja, welche
Bahnhöfe sind dies und wieviel Geld steht konkret für jedes Bahnhofsprojekt zur
Verfügung?
9. Wird sich der vierspurige Ausbau der Westbahn wirklich massiv verzögern? Falls ja,
warum, bei welchen Streckenabschnitten und um wie viele Jahre?
10. Wie wollen Sie das Geld für den wichtigen Ausbau der Transeuropäischen Netze
aufbringen, wenn bereits jetzt kein Geld für Investitionen ins Schienennetz vorhanden ist?
11. Welche konkreten Ausbauvorhaben im Bereich des Schienennetzes werden aufgrund bzw.
trotz der Änderungen im Bereich der ÖBB nun tatsächlich in den nächsten 5 Jahren in
Angriff genommen und wie sollen diese finanziert werden?
12. Wie stehen Sie zu den Plänen von Generaldirektor Draxler sämtliche Nebenbahnen den
Ländern oder Privaten zu überantworten? Welche Nebenbahnen sollen tatsächlich den
Ländern oder Privaten überantwortet werden?
13. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die versteckten Tariferhöhungen, die am 1. Jänner
2001 in Kraft getreten sind wieder rückgängig gemacht werden, da viele (insbesondere
auch ältere) Bahnkunden über kein Internet verfügen? Falls nein, warum nicht?
14. Wie sieht die Zukunft der ca. 50.000 Eisenbahner konkret aus? Was erwartet diese nach
einer von
ÖVP und FPÖ geplanten Trennung der Bereiche Infrastruktur und Absatz?
15. Wie viele Eisenbahner müssen tatsächlich um ihren Job fürchten und wie soll der
Personalabbau konkret erfolgen?
16. Ist es richtig, dass eine Sonderzuweisung für Kärnten (Jörg Haider bekommt 3,5
Milliarden Schilling für seine Verkehrsprojekte) eine Vorbedingung für die Bildung einer
Koalition mit der Volkpartei gewesen ist? Falls nein, wieso wurde dies in den Medien
berichtet (siehe z. B.: O.Ö. Nachrichten, 20. Jänner 2001) und wieso haben Sie ihm die
3,5 Milliarden Schilling trotz Sparmaßnahmen zugesagt?