2222/J XXI.GP

Eingelangt am: 28.03.2001

 

DRINGLICHE ANFRAGE

gemäß § 93 Abs. 1 GOG - NR

 

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl

und GenossInnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend FP - Spitzelaffäre wird Justizskandal

 

Die beiden Oppositionsfraktionen SPÖ und Grüne haben am 14. Dezember 2000 gemeinsam

eine Dringliche Anfrage an den Bundesminister für Justiz eingebracht, mit welcher die FP -

Spitzelaffäre, aber auch die Gefährdung des österreichischen Rechtsstaats durch Mitglieder

der FP/VP - Bundesregierung thematisiert wurde.

 

 

Am Beginn der Begründung stand folgendes:

"Für jedes demokratische Gemeinwesen ist es von hoher Bedeutung, dass die Träger des

demokratischen Systems über einen Grundkonsens an Werten verfügen und sich in ihrem

politischen Agieren dementsprechend verhalten. Zu diesem Grundkonsens gehört

insbesondere das Bekenntnis zum Rechtsstaat, zur unabhängigen Justiz, zur

Demonstrationsfreiheit, zur Meinungsfreiheit und zur Meinungsvielfalt. Für eine positive

Weiterentwicklung der Gesellschaft ist es bei aller Verschiedenheit der politischen

Anschauungen notwendig, diesen Konsens zu erhalten und auszubauen. In den letzten

Monaten zeigte sich zunehmend, dass dieser Konsens von Vertretern der Regierungsparteien,

insbesondere der FPÖ, in Frage gestellt wird.

 

Für alle DemokratInnen sind die Garantien des Rechtsstaates unabdingbare Bestandteile der

staatlichen Ordnung. Die Entwicklung des Rechtsstaates ist geprägt durch Gedanken wie

Herrschaft der Gesetze vor der Willkür Einzelner.

 

Die Unabhängigkeit der Justiz ist Grundpfeiler unserer Bundesverfassung; Art. 87 B - VG

garantiert die Unabhängigkeit der Richter in der Ausübung ihres richterlichen Amtes.

Ein weiterer Grundpfeiler ist die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Eine Gefahr für

den demokratischen Staat besteht in der parteipolitischen Einflussnahme auf die

Verwaltungsführung, so Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts.

 

Der Rechtsstaat ist insbesondere auch am Grad der Rechtssicherheit messbar. Einer der

Hauptaspekte der Rechtssicherheit ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die Gleichheit ist

vor allem auch durch die notwendige Distanz des Bundesministers für Justiz zu allen

Verfahren garantiert. Vorverurteilungen oder Vorfreisprüche - erst recht wenn sie durch

hohe Amtsträger des Staates geschehen - sind jedenfalls aus der rechtsstaatlichen Sicht

scharf zurückzuweisen. Die unbedingte Einhaltung aller rechtsstaatlichen Prinzipien gerade

durch die Mitglieder der Bundesregierung ist für die Demokratie unabdingbar.“

 

Wie wichtig und bedeutsam diese Überlegungen zum Rechtsstaat im Rahmen der damaligen

Dringlichen Anfrage waren, wird durch die skandalösen Vorgänge rund um die gerichtliche

Aufarbeitung des Spitzelskandals, die vorige Woche bekannt wurden, deutlich.

 

Die Zeitschrift News (Nr. 12/2001) berichtete über einen News vorliegenden Aktenvermerk

des zuständigen Untersuchungsrichters Dr. Stefan Erdei, mit welchem dieser schwerste

Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhob. Aus dem Text:

 

"* Akten vorenthalten.

Zitat: „Bei Durchsicht des gestern

Nachmittag von der StA Wien in 5 Kartons übermittelten Aktes stelle

ich fest: (...) Eine erste Durchsicht ergibt, dass der (von der

WiPol Wien und StA Wien) in den letzten Monaten mehrfach medial

angekündigte 'Schlussbericht' oder sonst eine als Vollanzeige zu

wertende Aufstellung der Verdachtsfälle und deren Zuordnung zu

konkreten Verdächtigen sich nicht bei dem übermittelten Konvolut

befindet.“

 

* Aktenchaos.

Berichte der Wirtschaftspolizei wurden ohne

Eingangsvermerk der Staatsanwaltschaft weitergeleitet, was eine

chronologische Ordnung unmöglich macht. Es kommt aber noch dicker.

Zitat: „Die Aktenordner tragen auf dem Rücken Bezugsvermerke

(offenbar von der WiPol gesetzt), die offenbar auf eine interne

Ordnung der Inhalte oder auf eine Auflistung Bezug nehmen, die

jedoch nicht vorliegt.“

* Vernichtende Bilanz.

U - Richter Erdei weiter: „Insgesamt ergibt

sich folgendes Bild: Offenbar wurde von der WiPol eine Faktenliste

angefertigt, die zumindest 42 Fakten aufzählt. Auch unter

Berücksichtigung der bereits vorliegenden Berichte und Ergebnisse

liegen derzeit nur Unterlagen zu insgesamt 11 Fakten, somit zu knapp

1/4 der offenbar von der WiPol Wien angezeigten Fakten, dem Gericht

vor.“

 

   Und selbst diese 11 Fakten scheinen offensichtlich im Chaos der

Staatsanwaltschaft zu versinken. Erdei: „Die Einordnung der nunmehr

dem Gericht übermittelten Unterlagen in den Gesamtbezug ist mangels

Vorliegen einer Gesamtdarstellung ('Schlussbericht') sowie Angaben

zur Nummerierung ('Faktenliste') nicht möglich.“

 

   Erdeis Fazit: „Mangels Vorliegen eines Schlussberichts ist daher

zumindest nicht in allen Fällen mit Sicherheit erkennbar, welche

Handlungen einzelnen Verdächtigen nach Abschluss der Erhebungen

tatsächlich zur Last gelegt werden.“ Krönender Nachsatz: "Die

nunmehr gestellten Anträge der Staatsanwaltschaft Wien verweisen nur

auf die mitgelieferten Urkundenkonvolute und enthalten keine

Darstellung des als rechtswidrig verdächtigen Verhaltens.“

 

*Akten aus dem Zusammenhang gerissen.

Schlussabsatz: „Da die übermittelten Ordner offenbar

aus dem Zusammenhang gerissen wurden,

ist eine dem Sinn der §§ 375, 378 Geschäftsordnung entsprechende

Seiten - und Bandnummerierung faktisch nicht möglich.“

 

   Gezeichnet: Dr. Stefan Erdei.“

 

Der Wertung dieser Vorgänge durch die Zeitschrift News kann nur vorbehaltlos zugestimmt

werden: „Diese Vorgänge die Arbeit der Staatsanwaltschaft betreffend würden jeder

Bananenrepublik zur Ehre gereichen“.

 

Jedenfalls ist festzuhalten, dass die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft scheinbar alles

unternimmt, um die Aufklärung des Spitzelskandals zu verhindern.

 

Nach der Veröffentlichung dieses Aktenvermerkes des zuständigen Untersuchungsrichters

begannen Vertreter der Staatsanwaltschaft anscheinend nervös zu werden:

Aus dem Schlussbericht wurde plötzlich ein Informationsbericht für den Leitenden

Staatsanwalt Erich Wetzer; so dieser: „Ich wollte mir nur einen Überblick verschaffen. Der

Abschlussbericht war für das Gericht gar nicht vorgesehen.“

Plötzlich erhält die Sonderkommission von der Staatsanwaltschaft neuerlich den Auftrag,

einen Bericht zu verfassen. Über diesen Auftrag herrscht völlige Unklarheit. Einerseits soll

diese Weisung den Inhalt haben, dass die Passagen über Haider und Stadler nicht mehr in den

neuen Bericht aufgenommen werden dürfen, andererseits erklärt Wetzer öffentlich, dass alle

bisherigen Ermittlungen im Bericht enthalten sein werden.

 

Diese widersprüchliche und dilettantische Vorgangsweise der weisungsgebundenen

Staatsanwaltschaft muss umgehend in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss

aufgeklärt werden; die BürgerInnen haben das Recht, über die Ergebnisse dieser Prüfung

rasch und umfassend informiert zu werden.

 

Zum Spannungsverhältnis zwischen dem unabhängigen Untersuchungsrichter und der

weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des FP - Spitzelskandals und den

notwendigen Konsequenzen daraus führt Ronald Escher in den Salzburger Nachrichten

(24. März 2001, S.2) beeindruckend deutlich aus:

 

DER STANDPUNKT

 

Der Gegensatz

der Kräfte

 

RONALD ESCHER

 

Der Wiener Untersuchungsrichter Stefan Erdei ist ein mutiger Mann. In

den Vorerhebungen zur "Spitzelaffäre" hat er zwar nur die Aufträge

der Staatsanwaltschaft zu erfüllen und kann von sich aus nicht tätig

werden. Da er jedoch "seinen" Ermittlungsspielraum offenbar genau

nimmt, geriet er ins Schussfeld: Die FPÖ erging sich in Drohgebärden

gegen die Justiz, Klubchef Peter Westenthaler attackierte Erdei

persönlich.

 

Doch der Richter hat dem Druck standgehalten und jüngst in einem

Aktenvermerk sein Unverständnis über die Vorgangsweise der

Staatsanwaltschaft - interpretiert als „Behinderung“ - erkennen

lassen. Jetzt heißt es, ein von Erdei beauftragtes Gutachten zu einem

angeblichen Brief von Leibwächter Horst Binder an Jörg Haider komme

zu einem anderen Ergebnis als jener Graphologe, der in dem Brief eine

"Fälschung" sah.

Hier ein unabhängiger Richter, dort eine weisungsgebundene

Staatsanwaltschaft, von deren Anträgen oder Nicht - Anträgen Erdeis

Arbeit abhängig ist. Weisungsgebunden, das heißt: Was der zuständige

Staatsanwalt beantragt oder nicht beantragt, prüfen der Gruppenleiter

und der Behördenleiter, dann der zuständige Oberstaatsanwalt - in

diesem Fall einer, der sich mittlerweile von rechtslastigen

„Jugendsünden“ distanziert -, dann der Leiter der

Oberstaatsanwaltschaft. Und am Schluss der Kette steht der FPÖ -

Justizminister. Der hat allerdings zugesagt, keine Weisung zu geben.

 

Unabhängigkeit und Weisungsgebundenheit - das ist ein Gegensatz der

Kräfte. Andererseits: Eine Weisung wäre ja nur das Äußerste. Oft weiß

eh ein jeder von allein, was er zu tun und zu lassen hat. Es ist nur

zu hoffen, dass man sich auf allen Seiten auch der Sensibilität der

„Spitzelaffäre“ voll bewusst ist. Sonst bliebe zuletzt nur ein

parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

 

Der bisherige Höhepunkt des Spitzelskandals liegt jedoch in der geplanten Versetzung des

Untersuchungsrichters gegen dessen Willen an ein Bezirksgericht, wie Format in seiner

Ausgabe vom 26. März: 2001 berichtet. So:

 

   Unbequemer U - Richter. Der Grünenabgeordnete Peter Pilz vermutet

hinter der Aktion der weisungsabhängigen Staatsanwaltschaft eine

"politische Säuberungsaktion". Der Justizsprecher der SPÖ, Hannes

Jarolim, sieht die Richterschaft überhaupt im „Würgegriff‘ des

freiheitlichen Justizministers Dieter Böhmdorfer.

 

   Auch wenn der Leiter der Wiener Staatsanwaltschaft, Erich Wetzer,

diese Vorwürfe energisch zurückweist, werden Verdächtigungen dieser

Art schon bald neue Nahrung bekommen. Denn wie der unbequeme

U - Richter Stefan Erdei (FP -  Westenthaler: „Der hat sie doch nicht

alle") gegenüber FORMAT bestätigt, könnte er bald abgelöst werden:

„Es wird tatsächlich daran gedacht, mich zu versetzen. Das könnte

schon demnächst passieren. Darüber wurde ich bereits verständigt.“

 

Der junge Untersuchungsrichter ist einer von drei Ersatzrichtern

am Landesgericht für Strafsachen in Wien. Weil es dort zu viele

Richter gibt, wird überlegt, Erdei bald an ein Bezirksgericht zu

schicken. Der Richter: "Die Motive, die dahinterstecken, kenne ich

nicht. Wenn Sie mich fragen, ob ich weiter hier arbeiten möchte, ist

die Antwort ja. Laut Paragraph 77, Absatz 6 des

Richterdienstgesetzes könnte man mich sogar nach Kärnten versetzen.“

Damit gibt es deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Aufklärung des FP - Spitzelskandals

rund um Haider endgültig verhindert werden soll, was künftig überhaupt die Unabhängigkeit

der Richterschaft schwer beeinträchtigen könnte. Unbotmäßige Richter mussten in Zukunft

mit ihrer Versetzung rechnen.

 

Hier ist nun wirklich rasches Handeln notwendig: Ein Untersuchungsausschuss muss

dringlichst die Verantwortlichkeiten für diese willkürliche, den Rechtsstaat gefährdende

Versetzungsentscheidung aufklären und diesen rechtsstaatlichen Wahnsinn verhindern.

 

Der gesamte Justizskandal wird aber durch das nunmehr vorliegende 2. Gutachten des

Institutes für Kriminologie (Gutachter Univ. – Prof. Dr. Christian Grafl), das den Binder - Brief

für wahrscheinlich echt erklärt, noch um eine weitere Facette aufgefettet:

 

Zunächst der Binder - Brief im Wortlaut:

 

Horst Binder

Jakob - Ghon - Allee 1

9600 Villach

 

Villach, am 23.01.199

 

Sg. Herr Bundesobmann,

lieber Jörg!

 

Da verschiedene Anfragen von freiheitlichen Spitzenfunktionären – betreffend der am Beiblatt

ersichtlichen Person an mich herangetragen wurden, ich die einzelnen Beweggründe jedoch

nicht durchschauen konnte, übermittle ich Dir zwei Auszüge aus dem polizeiinternen Computer.

Wobei ich Dich ersuche diese nach Kenntnisnahme zu vernichten.

 

Für eventuelle Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

 

                                                                                              Mit besten Grüßen

 

                                                                                              Horst BINDER

 

 

Dazu hält Univ. – Prof. Dr. Christian Grafl in seinem Gutachten fest:

 

3 Gutachten

 

3.1 Die physikalisch - technische Untersuchung und die Analyse von Strichstruktur und Bewegungs -

führung der im Original vorliegenden Schriftstücke mit den fraglichen Eintragungen ergeben weder

Hinweise auf mechanische oder frei gestaltete langsame Nachahmungsfälschungen, die sich genau an

ein Vorbild halten, noch Anhaltepunkte für massiv verstellte, kaum schreiberspezifische Merkmale

enthaltende Handschriften. Die fraglichen Vermerke und Texte wurden vielmehr weitgehend zügig

und automatisiert zu Papier gebracht und sind daher grundsätzlich für eine schriftvergleichende

Untersuchung geeignet.

 

3.2 Der Vergleich des im Befund unter 2.2.1 beschriebenen fraglichen Vermerks mit den unter 2.3

aufgezählten Vergleichsschriften von Herrn Horst Binder ergibt mehrere, im Befund unter 2.4.1

detailliert angeführte Übereinstimmungen sowohl in sogenannten allgemeinen, formübergreifenden

Schriftmerkmalen als auch in der Gestaltung und Bewegungsführung einzelner Buchstaben und

Ziffern.

 

Den Übereinstimmungen stehen zwar einerseits keine Unterschiede gegenüber, die den Verdächtigen

als Urheber des fraglichen Vermerks ausschließen oder auch nur unwahrscheinlich machen würden.

Der sehr kurze fragliche Text weist aber anderseits zu wenig charakteristische Besonderheiten auf, um

ihn eindeutig oder auch nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließlich einer bestimmten Person

zuordnen zu können.

 

Die zusammenfassende Bewertung aller Gemeinsamkeiten ergibt unter Berücksichtigung der Kürze

und relativen Merkmalsarmut des fraglichen Textes sowie fehlender grundsätzlicher Abweichungen,

daß der unter 2.2.1 beschriebene fragliche Vermerk auf der Rückseite des mit 23.01.1994 datierten,

angeblich von Horst Binder unterschriebenen Briefes wahrscheinlich vom Verdächtigen Horst

Binder geschrieben worden ist.

 

3.3 Die Gegenüberstellung der im Befund unter 2.2.2 bis 2.2.4 beschriebenen fraglichen

Eintragungen auf dem Postaufgabeschein vom 23.1.1995 sowie den Datenausdrucken aus dem

Kriminalpolizeilichen Aktenindex und dem KFZ - Zentralregister mit den vorliegenden

Vergleichsschriften von Horst Binder ergibt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede, die im

Befund unter 2.4.2 ausführlich beschrieben worden sind.

 

Die Unterschiede stehen einerseits, wie oben unter 2.4.2 abschließend ausgeführt, in keinem

grundsätzlichen Widerspruch zur Schreibfähigkeit und den Schreibgewohnheiten von Herrn Binder.

Andererseits lassen Art und Zahl der festgestellten Unterschiede trotz mehrfacher Gemeinsamkeiten

aber auch keine positive Schreiberidentifizierung zu.

 

Die zusammenfassende Bewertung der einzelnen Befunde ergibt somit, daß die Frage, ob Horst:

Binder die unter 2.2.2 bis 2.2.4 beschriebenen fraglichen Eintragungen auf dem Postaufgabeschein

vom 23.1.1995 sowie den Datenausdrucken aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex und dem KFZ -

Zentralregister geschrieben hat, zumindest mit den vorliegenden Vergleichsschriften nicht

entscheidbar ist. Die Urheberschaft von Herrn Horst Binder kann hier also nicht einmal mit einfacher

Wahrscheinlichkeit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.

 

3.4 Da die schriftvergleichende Gegenüberstellung von Handschriften hier einmal zu einem im

       Wahrscheinlichkeitsbereich liegenden Ergebnis führt, lege ich abschließend noch die von mir

       verwendeten Abstufungen bei derartigen Wahrscheinlichkeitsaussagen dar. Wenn die Frage der

       Schrifturheberschaft zwar nicht eindeutig zu beantworten, aber dennoch entscheidbar ist,

       bezeichne ich ihr Vorliegen oder Ihren Ausschluß als

 

       „wahrscheinlich“,

       „hoch wahrscheinlich“ oder

       „sehr hoch wahrscheinlich“.

 

Diese Wahrscheinlichkeiten können in der Handschriftvergleichung derzeit nicht in exakten,

mathematisch eindeutig ableitbaren Prozentwerten ausgedrückt werden, entsprechen jedoch

unterschiedlichen Abstufungen. Als „wahrscheinlich“ bezeichne ich ein Ergebnis erst dann, wenn die

hierfür sprechenden Argumente bereits deutlich überwiegen. Diese Einstufung deckt einen weiten

Bereich ab. Die daran anschließende Einstufung "hohe Wahrscheinlichkeit“ umfasst hingegen einen

deutlich engeren Bereich, während die Einstufung „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ nur mehr den

schmalen Grenzbereich zu einem eindeutigen Ergebnis betrifft.

 

20. März 2001

 

                                               ao. Univ. - Prof. Dr. Christan Grafl

                               Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger

 

 

Bei Bekannt werden des Erstgutachtens bezeichnete die Rechtsvertreterin Jörg Haiders, Mag.

Huberta Gheneff - Fürst, den Binder - Brief als das Hauptbelastungsmittel gegen Jörg Haider,

welches damit in sich zusammengebrochen sei.

 

Landeshauptmann Haider führte damals aus, dass die gegen ihn geführte Kampagne im

Rahmen des Spitzelskandals durch die Tatsache, dass der Binder - Brief gefälscht sei,

endgültig zusammengebrochen wäre und forderte Konsequenzen für eine Reihe von

Gesetzesbrüchen durch führende Beamte. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete er als Skandal

von Kräften in Österreich, die mit gezinkten Karten versuchen, ihn schlecht zu machen.

 

Sein Statthalter Westenthaler führte dazu aus: „Beginn einer roten Staatsaffäre, gefälschtes

Beweismittel gegen Kärntner Landeshauptmann, parteipolitisch motivierte Ermittlungen.“

Auch er bezeichnete den Binder - Brief als das Hauptindiz gegen Jörg Haider.

 

Wir halten fest: Haider selbst, seine Rechtsvertreterin und der FP - Klubobmann haben

öffentlich - im Vertrauen auf das Erstgutachten - den Standpunkt vertreten, dass der Binder -

Brief das Hauptbelastungsmittel gegen Haider sei. Und dieses Beweismittel ist nach einer

wissenschaftlichen gutächtlichen Äußerung des Kriminologen Univ. Prof. Dr. Christian Grafl

nunmehr wahrscheinlich echt und keine Fälschung.

 

Es ist damit nachgewiesen, dass Binder im Auftrag von Haider illegale Datenabfragen im

Polizeicomputer vorgenommen hat und die Ergebnisse diesem übermittelte. Die Vorwürfe des

Datenmissbrauches durch hochrangige FP - Politiker hat sich daher bestätigt. Ein

Landeshauptmann, gegen den so schwerwiegende Verdachtsmomente der Spitzelei aus

politischem Interesse vorliegen, sollte sich umgehend bei den österreichischen BürgerInnen

entschuldigen und die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Darüber hinaus ist durch all diese Vorgänge auch der Ruf des österreichischen Rechtsstaates

in Europa wieder auf dem Prüfstand; so führt die angesehene Süddeutsche Zeitung am

26.3.2001 folgendes aus:

 

Unvollständige Akten

 

Im „Tatort“ hat man derlei noch nicht gesehen: Der

Untersuchungsrichter kann den/die Täter nichts Gescheites fragen,

weil das Aktenkonvolut über den Kriminalfall unvollständig ist. Im

Rechtsstaat Österreich ist dies ausgerechnet in einem Fall geschehen,

in den auch Politiker verwickelt sind: In der Polizeispitzel - Affäre,

in der FPÖ - Politiker Polizisten angestiftet haben sollen,

Personendaten illegal weiterzureichen. Vorwürfe gegen eine

Staatsanwaltschaft, die dem Justizminister weisungsgebunden ist, der

wiederum zur FPÖ - Mannschaft gehört.

 

Natürlich haben die Beschuldigten, zu denen im Grunde nun auch wieder

der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gehört, das ganze als

Komplott erkannt, um ihnen die Landtagswahl in der Hauptstadt Wien zu

verderben. Die Opposition sieht das Wirken politischer Obstruktion in

der unabhängigen Justiz. Abenteuerlich ist die Sache allemal. Und sie

hat einen anderen, symptomatischeren Kern. Seit die FPÖ/ÖVP - Regierung

in Österreich vor einem Jahr ihr Amt angetreten hat, sind in

Windeseile Unmengen von Gesetzen, Bestimmungen, Verordnungen

geändert, neugefasst worden. Fast alle mussten hinterher

nachgebessert, einige gar zurückgenommen werden. Grund waren

Schlamperei und Hast.

 

Genau dieser Dilettantismus scheint sich nun auch auf die

Ermittlungsbehörden gelegt zu haben. Nur diesmal mit überlangem Atem.

Wer glaubt schon, dass der Justizminister da selbst an irgendetwas

gedreht hat. Er hatte aber - ganz unmöglich als Herr des Verfahrens -

sofort bekundet, er halte einen Jörg Haider für „über jeden Verdacht

erhaben". Vielleicht hat man das im Ermittlungsapparat zu wörtlich

genommen. Fk.

 

Aus den erwähnten Gründen richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister

für Justiz folgende

 

ANFRAGE

 

1. Wie beurteilen Sie als zuständiger Bundesminister die Vorgänge bei der gerichtlichen

    Aufarbeitung der Spitzelaffäre, wenn der zuständige Untersuchungsrichter mit

    Aktenvermerk festhalten muss, dass die Staatsanwaltschaft die Aufklärung dieser

    hochsensiblen Materie erschwert?

2. Von der Staatsanwaltschaft wurde dieser Aktenvermerk als übliche

    Meinungsverschiedenheit heruntergespielt. Wie viele solcher Aktenvermerke von

    Untersuchungsrichtern über die Behinderung ihrer Arbeit durch die Staatsanwaltschaft hat

    es im letzten Jahr gegeben?

 

3. Welche Aktenvermerke oder Einsichtsbemerkungen und mit welchem genauen Wortlaut

    wurden im gegenständlichen Verfahren durch Mitglieder der Staatsanwaltschaft, auch

    Behördenleiter, angefertigt?

 

4. Gemäß profil vom 26.3.2001 soll die Einstellung einer Reihe von Verfahren auf eine

    "Einsichtsbemerkung" des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien zurückgehen. Wie

     genau lautet diese Einsichtsbemerkung?

 

5. Welche Aktenvermerke und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen

     Verfahren durch den Untersuchungsrichter angefertigt?

 

6. Welche Aktenvermerke und mit welchem genauen Wortlaut wurden im gegenständlichen

    Verfahren durch die am Verfahren beteiligten Organwalter der Exekutive insbesondere

    der Wirtschaftspolizei angefertigt?

 

7. Warum wurden dem Untersuchungsrichter Aktenteile - wie das Vernehmungsprotokoll

    von Kleindienst - nicht übermittelt?

 

8. Werden Sie dafür sorgen, dass der Untersuchungsrichter die Akten vollständig von der

    Staatsanwaltschaft erhält?

 

9. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Staatsanwaltschaft, wonach Unterlagen aus dem

    Zusammenhang gerissen übermittelt wurden und dadurch eine der Geschäftsordnung

    entsprechende Seiten - und Bandnummerierung durch den Untersuchungsrichter nicht

    erstellt werden konnte?

10. Wie schätzen Sie ein, ob der Untersuchungsrichter unter den gegebenen Umständen noch

       einen Gesamtüberblick über die Materie gewinnen kann?

       Gefährdet der Umstand, dass von 42 ursprünglichen Faktenkreisen Unterlagen zu

       lediglich 11 Faktenkreisen an den Untersuchungsrichter übermittelt wurden, nicht

       zwangsläufig den Aufbau jenes Überblickes, der notwendig wäre?

 

11. Wer hat in der Staatsanwaltschaft die Entscheidung getroffen, welche Akten dem

      Untersuchungsrichter übermittelt wurden?

 

12. Wurden in diesem Zusammenhang Weisungen erteilt oder Empfehlungen abgegeben und

       wenn ja von wem und welchen Inhalts?

 

13. Wer hat die Entscheidung getroffen, dass die Sonderkommission einen neuen Bericht zu

      erstellen hat?

 

14. Welchen Inhalt hat der neuerliche Auftrag an die Sonderkommission im Detail?

 

15. Wurde im gegenständlichen Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft Wien eine

      Weisung an die Wirtschaftspolizei gegeben, einen gekürzten Bericht vorzulegen?

      Wenn ja: Wie lautet die Weisung im Wortlaut?

 

16. Wurde in den Verfahren gegen FPÖ - Spitzenpolitiker u.a. ein Antrag gestellt, den Beamten

      Herbert Poimer als Beschuldigten oder als Zeugen zu vernehmen?

      Wenn ja: wurde der Beamte bereits einvernommen?

      Wenn nein: Warum nicht?

 

17. Wurde in den Verfahren gegen FPÖ - Spitzenpolitiker u.a. ein Antrag gestellt, Hilmar

      Kabas bzw. Michael Kreissl als Beschuldigten oder als Zeugen zu vernehmen?

      Wenn ja: wurden die Betreffenden bereits einvernommen?

      Wenn nein: Warum nicht?

 

18. Welchen Informationsstand haben Sie zu der von Ihnen im Budgetausschuss zum Kapitel

      Justiz nicht ausgeschlossenen Versetzung des Untersuchungsrichters Dr. Stefan Erdei?

   

19. Wer ist für eine solche Versetzung zuständig diese auszusprechen?

20. Wie beurteilen Sie als zuständiger Bundesminister die Bedeutung der Unabhängigkeit der

       RichterInnen für den österreichischen Rechtsstaat?

 

21. Was werden Sie unternehmen, um willkürliche Versetzungen von RichterInnen zu

       verhindern?

 

22. Welche Konsequenzen sind hinsichtlich des Binder-Briefes an Haider für Sie und/oder die

      Staatsanwaltschaft zu setzen, da nach dem Zweitgutachten „überwiegende Gründe für die

      Annahme sprechen, dass der Brief vom Verdächtigen stammt“ und dieser Brief - auch

      nach Aussage Haiders - den Hauptbelastungspunkt gegen seine Person in der

      Spitzelaffäre bildet?

 

23. Was werden Sie unternehmen, um den Ruf des österreichischen Rechtsstaates in Europa

       zu wahren bzw. wieder herzustellen?

 

24. Seitens Vertretern der Regierungspartei wurde wiederholt die Behauptung aufgestellt, der

      bei Binder gefundene Brief an LH Haider sei eine Fälschung. Dies impliziert den

      Vorwurf, dass ein gefälschtes Dokument entweder von den Beamten, die die

      Hausdurchsuchung und Sicherstellung vorgenommen haben, unterschoben wurde oder

      von unbekannten Tätern vorher an diesem Ort hinterlegt wurde.

      Gibt es in diesem Zusammenhang Untersuchungen wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt

      oder anderer Delikte gegen die einschreitenden Beamten der Kriminalabteilung

      Burgenland oder gegen unbekannte dritte Täter?

 

25. Wenn ja, wie lautet der Ermittlungsstand? Wenn nein, warum nicht?

 

26. Wie beurteilen Sie persönlich Aussagen, wonach der sogenannte Binder - Brief eine

      Fälschung sei?

 

27. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Qualifikation und Objektivität des

      Gutachters Muckenschnabel aufgrund diverser Äußerungen desselben in Medien?

28. Handelt es sich bei dem von der Wirtschaftspolizei an die Staatsanwaltschaft

      übermittelten Bericht um einen Endbericht oder um eine Zusammenfassung des

      Erhebungsstandes? Wie wurde dieses Dokument vom Verfasser bezeichnet?

 

29. Was qualifiziert eine schriftliche Zusammenfassung von Faktenlagen, welche durch die

      verfassende Behörde als „Endbericht“ qualifiziert wird, als „interne Zusammenfassung

      des Erhebungsstandes“?

      Wer qualifiziert ein obengenanntes Schriftstück mit welcher Konsequenz als Endbericht

      und wer ist zu einer Umqualifikation auf welcher Rechtsgrundlage berechtigt?

      Gibt es eine Rechtsgrundlage für den Begriff „interne Zusammenfassung des

      Erhebungsstandes“?

 

30. Ist ein Endbericht der Sonderkommission und/oder der Wirtschaftspolizei zum Akt zu

      nehmen? Wenn nein, warum nicht?

 

31. Ist eine „interne Zusammenfassung des Erhebungsstandes“ zum Akt zu nehmen?

 

32. Durch die Staatsanwaltschaft soll gemäß Medienberichten die Wirtschaftspolizei zu einer

      Bereinigung des Endberichtes aufgefordert worden sein und zwar durch Streichung jener

      Faktenkreise an welchen die Herren Haider und Stadler beteiligt gewesen sein sollen.

      Welche Faktenkreise genau betrifft diese angewiesene Bereinigung?

      Rechtfertigt diese Anweisung, dass von ursprünglich 42 Fakten nur 11 weiter verfolgt

      werden? Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Verfügung auf Bereinigung des

      Endberichtes? Handelt es sich bei dieser Verfügung um eine Weisung?

      Welche Verdächtigen sind im jeweiligen Faktenkreis, um den der Endbericht bereinigt

      werden soll, mitumfaßt?

 

33. Die Einstellungen gegen Haider und Stadler erfolgten auch mit dem Hinweis, dass die

       vorgeworfenen strafbaren Handlungen bereits verjährt wären? Wie wird die Verjährung in

       den einzelnen Fällen begründet?

       Ist ausgeschlossen, dass bei den weiteren im jeweiligen Faktenkreis mitbehandelten

       Personen eine derartige Verjährung nicht etwa durch fortgesetzte Handlungen

       ausgeschlossen ist?

34. Nach welchen Gesetzesstellen wurden die Verfahren gegen Haider und Stadler durch die

      Staatsanwaltschaft eingestellt?

      Besteht im Falle des Vorliegens neuer Verdachtsmomente und Fakten die Möglichkeit,

      das Verfahren wieder aufzunehmen?

 

35. Warum erfolgten die Einstellungen gegen Haider und Stadler vor der Einvernahme des

      Beamten Herbert Poimer, welcher der Leiter der Klagenfurter Datenstation war und in

      dieser Funktion laut Medienberichten (profil vom 26.3.2001) 50.000 EKIS - Abfragen

      durchgeführt hat, wobei diese gemäß Medienberichten zum einen Teil mit dem Ziel

      durchgeführt wurden, Informationen über politische Gegner zu erhalten und zum anderen

      Informationen zur Überprüfung der FPÖ nahestehender Personen?

 

36. Warum wurden dem Verteidiger von Kleindienst die Einsichtnahme in die gesamte Akte

       verwehrt?

      Welche Aktenteile wurden ihm vorenthalten und mit welcher Begründung?

 

37. Sind den Tagebüchern der am Verfahren beteiligten Staatsanwaltschaften Vermerke oder

      sonstige schriftliche Ausführungen zu entnehmen, aufgrund welcher das Handeln eines

      oder mehrerer Staatsanwälte oder der Exekutive beeinflußt werden konnte oder welche

      einen Hinweis darauf geben, dass eine derartige Beeinflussung stattgefunden haben

      könnte?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf

§ 93 Abs. 1 GOG verlangt.