2485/J XXI.GP
Eingelangt am: 18.05.2001
Der Abgeordneten Helmut Dietachmayr, Kurt Eder
Und Genossen
An den Bundesminister für Finanzen
betreffend Bundeswohnungen
Fünf gemeinnützige Gesellschaften (WAG - Linz, BUWOG und drei
Eisenbahnergesellschaften) sollen in der nächsten Zeit verkauft werden, wobei
immer von einem Verkaufserlös von 30 Milliarden Schilling die Rede war. Dieser
Betrag wird aber von Experten bezweifelt.
Die Gesellschaften unterliegen dem Gemeinnützigkeitsgesetz wo steht, dass
Gewinne aus Mieteinnahmen in den Gesellschaften bleiben und für den Bau weiterer
Wohnungen verwendet werden müssen. Gewinndeckelung und Miet - Höchstpreise
hielten bisher die Wohnpreise in Grenzen. Das soll nun anders werden. Der
Finanzminister lässt die Gemeinnützigkeit aufheben, um hohe Gewinne aus
Vermietung möglich zu machen.
Laut dem Linzer Volkswirten Prof. Schneider könnten nur vier Milliarden Schilling aus
dem Verkauf der Wohnungen eingenommen werden. Dem steht das Risiko
dramatischer Verteuerung des Wohnungsmarktes gegenüber. Die AK fürchtet, dass
nicht ausgeschöpfte Kategorie - Zinse sofort erhöht werden, Mietzinsobergrenzen bald
fallen könnten, neue Eigentümer höhere Kreditzinsen "akzeptieren",
Instandhaltungstarife stark steigen und Mietverträge nur noch befristet
abgeschlossen werden.
Nach Umfragen wollen nur rund zehn bis fünfzehn Prozent der Mieter ihre Wohnung
tatsächlich erwerben. Der Großteil der Betroffenen will Mieter bleiben. Um die
erhofften Budgeteinnahmen zu erzielen, müssen die Wohnungen somit an
Investoren verkauft werden. Immobilieninvestoren kaufen jedoch nicht ohne attraktive
Rendite - Möglichkeit. Voraussetzung für einen lukrativen Verkauf ist daher die
Einführung von Marktpreisen auch für gemeinnützige Wohnungen. Das würde die
Mieten massiv erhöhen, viele Mieter könnten sich die Wohnungen nicht mehr leisten,
Wohnbeihilfen in Milliardenhöhe wären erforderlich, die Bund, Länder und
Gemeinden tragen müssten. Falls die Immobilieninvestoren die Mieter wirklich zu
den bisherigen Konditionen übernehmen müssen, wird sich das Interesse privater
Investoren in Grenzen halten bzw. müssten die Bundeswohnungen sehr günstig
angeboten werden, wodurch der Verkaufserlös von 30 Milliarden Schilling völlig
unrealistisch wird.
Eine übereilte Abschaffung der Gemeinnützigkeit könnte negative Folgen auf die
Volkswirtschaft haben. Würden die Mieten künftig auf Marktniveau angehoben,
könnte das Bruttoinlandsprodukt sinken, die Inflationsrate wäre höher, die Mieter
würden dadurch weniger konsumieren, was wiederum Arbeitsplätze kostet. Länder
und Gemeinden müssten etliche Milliarden Schilling für die Stützung der Bedürftigen
verwenden - außer wir wollen
amerikanische Zustände.
Bei den Eisenbahnergesellschaften gibt es außerdem eine Besonderheit. Die
Wohnungen gehören ihr und damit dem Bund. Die meisten Grundstücke, auf denen
sie errichtet sind, gehören allerdings den Österreichischen Bundesbahnen. Die
Mieter würden daher nicht die Wohnung inklusive Grundanteil erwerben, sondern nur
die Wohnung selbst. Wie beim Baurecht üblich, fallen nach einer vereinbarten Zeit
die Bauten auf dem Grundstück an den Grundstückseigentümer. Die ÖBB waren
damit eher die Gewinner, die Mieter die Verlierer, denn die ÖBB müssten ihnen nur
ein Viertel des Verkehrswertes bezahlen.
Negativfolgen der Privatisierung sieht man in Deutschland. Dort wurde die
Gemeinnützigkeit 1990 aufgehoben. Die gravierendste Folge des Rückzugs der
öffentlichen Hand war soziale Ghettobildung, sodass nun die Wiedereinführung des
gemeinnützigen Systems überlegt wird.
Es besteht außerdem der Verdacht, dass die Bundesregierung nie vor hatte, die
Bundeswohnungen an die Mieter zu verkaufen, sondern gleich an
Immobilieninvestoren. So sind plötzlich Hürden für die Mieter eingebaut worden, da
nun mindestens 30 Prozent aller Mieter einer Wohnanlage ihre Wohnungen kaufen
müssen. Wird dieser Schwellenwert nicht erreicht, so soll es für die Mieter nicht
möglich sein, Wohnungseigentum zu erreichen. Die Wohnanlagen bzw. die
Gesellschaften werden dann als ganzes an Immobilieninvestoren verkauft. Weiters
sollen am Kauf interessierte Mieter 7500 Schilling für die Bewertung ihrer Wohnung
bezahlen.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den
Bundesminister für Finanzen nachstehende
ANFRAGE
1. Wie viele Wohnungen sollen tatsächlich verkauft werden?
2. Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Kaufinteressierten?
3. Wann werden Sie Ihre Ankündigung wahr machen und die Mieter zum Ankauf
einladen?
4. Wie ist die genaue Vorgangsweise beim Verkauf der Bundeswohnungen?
5. Gehen Sie immer noch von einem Verkaufserlös von 30 Milliarden Schilling aus?
Falls nein, wieviel erwarten Sie aus heutiger Sicht?
6. Beabsichtigen Sie die Verkaufserlöse zur Gänze zur Schuldentilgung des
Bundes aus den Unternehmen zu entnehmen?
7. In welcher Höhe haben Sie die Verkaufserlöse aus dem Verkauf von
Wohnungen, Wohnhäusern oder Unternehmensanteilen in den Budgets der
Jahre 2001 und 2002
vorgesehen?
8. Wie wollen Sie verhindern, dass es zu Mieterhöhungen kommen wird,
obwohl bisher nicht alle Möglichkeiten bei der Mietzinsgestaltung ausgeschöpft
wurden?
9. Was soll mit leerstehenden / freiwerdenden Wohnungen geschehen bzw. wem
sollen diese zum Kauf angeboten werden?
10. Wie wollen Sie verhindern, dass die Mietverträge künftig nur noch befristet
abgeschlossen werden sowie Mietzinsobergrenzen fallen und
Instandhaltungstarife stark steigen werden?
11. Wie wollen Sie verhindern, dass durch den Verkauf der Wohnungen und den
damit verbundenen negativen Folgen, das Bruttoinlandsprodukt sinken und die
Inflationsrate steigen könnte und die Länder und Gemeinden etliche Milliarden
Schilling für die Stützung der Bedürftigen verwenden müssten?
12. Wie werden Sie die geschilderten Nachteile für die Mieter der Eisenbahn -
gesellschaften verhindern?
13. Ist es richtig, dass Wohnanlagen in Bausch und Bogen an Immobilieninvestoren
verkauft werden sollen, falls weniger als 30 Prozent der Mieter am Kauf ihrer
Wohnungen interessiert sind?
Falls ja, haben Sie diese 30 Prozent - Marke festgesetzt, weil Sie wissen, dass
derzeit weniger als 30 Prozent der Mieter ihre Wohnungen kaufen wollen und
damit der Weg für den Verkauf an Immobilieninvestoren geebnet wird?
14. Ist es richtig, dass die am Kauf interessierten Mieter 7500 Schilling für die
Bewertung ihrer Wohnung zahlen sollen, obwohl dieser Vorgangsweise jede
Rechtsgrundlage fehlt?
Falls ja, warum wollen Sie die kaufinteressierten Mieter mit diesen Kosten
belasten?
15. Ist es richtig, dass Sie nie wirklich vorhatten, die Bundeswohnungen an die Mieter
zu verkaufen und deshalb Hürden (30% Marke, 7 500 Schilling für die Bewertung
der Wohnung) eingebaut werden?
Falls nein, welchen konkreten Zweck verfolgen Sie sonst mit diesen
Maßnahmen?
16. Haben Sie Erfahrungsberichte über Privatisierungen in Deutschland, in den
Niederlanden oder Großbritannien eingeholt?
Wenn ja, bei wem bzw. in welcher Form und wie bewerten Sie diese aus sozialer,
kommunaler und gesamtwirtschaftlicher Sicht?
17. Ist es richtig, dass die Folge der Privatisierung in Deutschland eine soziale
Ghettobildung war?
Falls ja, wie wollen Sie diese negativen Auswirkungen in Osterreich verhindern?