2513/J XXI.GP
Eingelangt am: 05.06.2001
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Vertretung der Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte.
Die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere die auf ihrer Grundlage
(Art. 26 EMRK) erlassene Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR), bestimmt, dass die Republik Österreich vor dem EGMR
durch die Bundesregierung vertreten wird, ihr die Beschwerden gegen die Republik
Österreich zuzustellen sind, und sie die Äußerung der Republik hiezu abzugeben
hat.
Den unterzeichneten Abgeordneten wurde nun bekannt, dass - im Gegensatz zu
Gesetzes - und Verordnungsprüfungverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof - die
Äußerungen der Republik Österreich zu den Beschwerden vor dem EGMR nicht im
Ministerrat behandelt und beschlossen werden, auch dann nicht, wenn die
Konventionswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung geltend gemacht wird,
sondern vielmehr ein im Völkerrechtsbüro des Außenministeriums angesiedelter
Prozessvertreter“ diese Stellungnahmen verfasst, ohne die Bundesregierung oder
ein anderes oberstes Organ hinsichtlich der in ihrem Namen der Republik gegenüber
dem EGMR eingenommenen Positionen zu konsultieren.
Der EGMR versteht die von dem ,,Prozeßvertreter“ auf Grund seiner (des EGMR)
Aufforderung an die Bundesregierung abgegebenen Stellungnahmen im Namen der
Republik als Stellungnahmen der österreichischen Bundesregierung („observations
of the government").
Art. 65 (1) B - VG bestimmt, dass der Bundespräsident die Republik nach außen
vertritt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Auf welcher (verfassungsrechtlichen) Rechtsgrundlage allenfalls auf welchem
Rechtsakt, beruht die Vertretungsbefugnis des ,,Prozessvertreters" der Republik
Österreich vor dem
EGMR?
2. Wer hat den ,,Prozessvertreter" mit der Vertretung der Republik Österreich vor
dem EGMR wann durch welchen Akt beauftragt und bevollmächtigt, die
Republik vor dem EGMR zu vertreten?
a. Wie ist dies mit Art. 65(1) B-VG vereinbar?
3. Wieso unterliegt der ,,Prozessvertreter" keiner Verpflichtung, hinsichtlich seiner
Vertretungshandlungen, insbesondere meritorischer Stellungnahmen zu
Beschwerden gegen die Republik, die Bundesregierung oder ein anderes
verfassungsmäßiges oberstes Organ zu konsultieren und dessen Zustimmung
einzuholen?
4. Wieso unterliegt der ,,Prozessvertreter" einer Verpflichtung im Sinne der Frage
3. nicht zumindest in Verfahren vor dem EGMR, in denen die
Konventionswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung geltend gemacht
wird?
5. Worin liegt die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Vorgansweise
in Gesetzes - und Verordnungsprüfungsverfahren vor dem
Verfassungsgerichtshof, in denen die Stellungnahmen der Regierung eines
Ministerratsbeschlusses bedürfen, einerseits und Verfahren vor dem EGMR, in
denen die Konventionswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung geltend
gemacht wird, andererseits?
6. Halten Sie es mit der verfassungsmäßigen Verantwortung der obersten Organe
der Vollziehung vereinbar, dass einem ,,Prozessvertreter" volle (inhaltliche)
Handlungsfreiheit hinsichtlich der Stellungnahmen im Namen der Republik
erteilt wird, ohne irgendeine Verpflichtung, die Bundesregierung hinsichtlich der
in ihrem Namen gegenüber dem EGMR eingenommenen Positionen zu
konsultieren?
Wenn ja, warum?
7. Werden Sie Initiativen dahingehend ergreifen, dass wie in Gesetzes - und
Verordnungsprüfungsverfahren vor dem VfGH - auch in Verfahren vor dem
EGMR, in denen die Konventionswidrigkeit eines Gesetzes oder einer
Verordnung geltend gemacht wird, die Bundesregierung ihre
verfassungsmäßige Verantwortung dadurch wahrnimmt, dass sie ihre
Stellungnahmen namens der Republik im Ministerrat behandelt und darüber
beschließt?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?