2591/J XXI.GP

Eingelangt am:22.06.2001

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend Verurteilung (§178 StGB) trotz Befolgung der Safer-Sex-Regeln im

Zusammenhang mit Hiv und Aids

 

Am 04.04.2001 richteten die unterzeichneten Abgeordneten an den Herrn

Bundesminister für Justiz aus Anlaß des folgenden Sachverhalts die Anfrage 2291/J

XXI.GP.

 

Vor kurzem musste ein Hiv - positiver Mann eine dreimonatige Haftstrafe unter

anderem deshalb verbüßen, weil er die Verhaltensmaßregeln des

Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen und der von ihm

finanzierten Aids - Hilfen befolgte.

 

Der heute 34jährige Mann wurde im Juli 1999 durch das Landesgericht Klagenfurt zu

einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, weil er als Hiv - positiver Mann mit anderen

Männern sexuelle Kontakte (Oral - und Analverkehr) hatte (LG Klagenfurt 19.07.1999,

13 Evr 70/99). Die Verurteilung beruht ausschließlich auf der Aussage des

Verurteilten, in der dieser angegeben hatte, dass er mit seinen Partnern stets

Analverkehr mit und Oralverkehr ohne Kondom hatte. Diese Aussage wurde von

einem seiner Partner bestätigt. Andere Beweisergebnisse gab es nicht. Dennoch

verurteilte das Gericht den Mann - aktenwidrig - nicht nur wegen Analverkehrs ohne

Kondom sondern auch wegen Oralverkehrs ohne Kondom.

 

Das Gericht qualifizierte nicht nur Analverkehr ohne Kondom (dies zwar rechtsrichtig

jedoch eben auf Grund aktenwidriger Feststellung) sondern auch Oralverkehr ohne

kondom generell (für einen Samenerguß in den Mund gab es keinerlei

Anhaltspunkte) als „Handlungen, die geeignet sind, die Gefahr der Verbreitung von

übertragbaren Krankheiten herbeizuführen" und verurteilte den Mann demgemäß auf

Grund des § 178 des Strafgesetzbuches („Vorsätzliche Gefährdung von Menschen

durch übertragbare Krankheiten"). Dies obwohl Oralverkehr ohne Kondom (und bei

Durchführung des Oralverkehrs an dem Hiv - Positiven: ohne Samenerguß in den

Mund) den von den österreichischen Gesundheitsbehörden und Aids - Hilfen

propagierten Verhaltensregeln („Safer Sex") entsprechen.

 

Weil er mit einem dieser Männer im Sommer 1997 ein Monat vor dessen 18.

Geburtstag sexuellen Kontakt hatte, verurteilte ihn das Klagenfurter Landesgericht

auch auf Grund des antihomosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 StGB. Obwohl

der damals 30 jährige Mann den 17 Jahre und 11 Monate alten jungen Mann lediglich

oral befriedigte sah der Richter auch in diesem Fall die Gefahr der Übertragung des

Hi - Virus (!) und damit den § 178 StGB als erfüllt an. Die Strafe: 1 Jahr Freiheitsstrafe,

davon drei Monate unbedingt.

Der Verurteilte verzichtete auf Anraten seines Verteidigers, der ein Rechtsmittel für

aussichtslos hielt, auf Rechtsmittel. Sie, sehr geehrter Her Bundesminister, lehnten

Ende Februar 2001 das Gnadengesuch „im Hinblick auf die Schwere der der

gegenständlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat (!) ab

(Präsidentschaftskanzlei GZ 910030/302 - STR/01), weshalb der Mann die

Freiheitsstrafe zwei Tage vor seinem 34. Geburtstag anzutreten hatte. Aus einem

unbedingten Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe gibt es auch keine vorzeitige

Entlassung.

 

Seit Jahren propagieren sowohl das Gesundheitsressort als auch die von ihm

finanzierten Aids - Hilfen als wirksame Prävention gegen eine Ansteckung mit Hiv

„Safer Sex" - Regeln für homo - und bisexuelle Männer, die neben der Verwendung

von Kondomen beim Analverkehr (Die Aids - Hilfen Osterreichs; Sicherer Sex für

schwule Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs; Sex unter schwulen

Sternen, 2000, S.3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales; Gib Aids keine Chance,

1999, 5. lif) auch die Hintanhaltung eines Samenergusses in den Mund des Hiv -

negativen Partners beinhalten (Die Aids - Hilfen Österreichs; Sicherer Sex für schwule

Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs; Sex unter schwulen Sternen, 2000,

S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales; Gib Aids keine Chance, 1999, S.1 if).

Die orale Befriedigung des Hiv - negativen Partners durch den Hiv - positiven wird stets

als generell völlig risikolos präsentiert (BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib

Aids keine Chance, 1999, S.11); die orale Befriedigung des Hiv - positiven Partners

durch den Hiv - negativen, zumindest dann, wenn kein Samenerguß in den Mund

erfolgt, als bloß theoretisches, entfernt denkbares, nicht jedoch praktisches

(Rest) Risiko, sowie dies etwa auch bei Analverkehr unter Verwendung von

Kondomen besteht, weshalb lediglich empfohlen wird, nicht in den Mund zu

ejakulieren (Die Aids - Hilfen Österreichs; Sicherer Sex für schwule Männer, 1994, S.

3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs; Sex unter schwulen Sternen, 2000, S. 3; BM für

Arbeit, Gesundheit und Soziales; Gib Aids keine Chance, 1999, S.11).

Diese Verhaltensempfehlungen entsprechen jenen in der Bundesrepublik

Deutschland (Detusche Aids - Hilfen; von Mann zu Mann, 1997, S.5; Bundeszentrale

für gesundheitliche Aufklärung; Safer Sex ... sicher, 1996, S. 15, 19), in den USA

(U.S. Department of Health and Human Services, National Institutes of Health; Safer

Sex Knowledge Base, NIH Information BBS, Washington D.C. 1993, ) und auf

internationaler Ebene (UNAIDS, A/DS and men who have sex with men, Technical

Update, May 2000, p. 4, 6), wobei UNAIDS zur Hiv - Prävention die Propagierung von

Oralverkehr anstatt Analverkehr (auch mit Kondom) sogar generell, ohne

Unterscheidung nach einem etwaigen Samenerguß in den Mund, empfiehlt

(UNAIDS, AIDS and men who have sex with men, Technical Update, May 2000, p.

6).

 

UNAIDS lehnt Tatbestände wie jene der §§ 178, 179 StGB ab, die über die

Körperverletzungstatbestände hinaus die Übertragung bzw. die Gefährdung durch

eine potentielle Übertragung des Hi - Virus kriminalisieren, weil sie einer effektivenn

Aids - Prävention zuwiderlaufen (UNAIDS, Handbook for Legislators on HIV/AIDS,

Law and Human Rights, 1999, p. 11, 50ff; UNAIDS, AlDS and men who have sex

with men, Technical Update, May 2000, p. 6). Für den Fall, dass sich Staaten

dennoch zu solchen Tatbeständen entschließen, sollten solche Tatbestände laut

UNAIDS restriktiv als ultima ratio Anwendung finden und die Befolgung der Safer

Sex Regeln jedenfalls eine Strafe ausschließen (UNAIDS, Handbook for Legis/ators

on HIV/AIDS, Law and Human Rights, 1999, p. 11, 53).

 

In seiner Anfragebeantwortung vom 31.05.2001 hat der Herr Bundesminister für

Justiz mitgeteilt, dass gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt keine

Bedenken obwalten und für ein Vorgehen nach den §§ 33, 362 StPO wie auch für

einen Gnadenvoschlag an den Herrn Bundespräsidenten kein Anlaß bestünde.

 

Der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen hat in seiner

Anfragebeantwortung hinsichtlich des geschilderten Falles vom 05.06.2001 2313/AB

XXI.GP jedoch seiner Meinung als Gesundheitsminister Ausdruck verliehen,

 

                               „dass die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung

                               Hiv - positiver Menschen für sexuelle Kontakte mit

                               Hiv - negativen Menschen trotz Befolgung der

                               Verhaltensempfehlungen der Gesundheitsbehörden

                               und der Aids - Hilfen dem Anliegen einer effektiven

                               Hiv - und Aids - Prävention zuwiderlaufen",

 

und verwies hinsichtlich einer Novellierung der §§ 178,179 StGB auf die

Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Justiz.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass die Durchführung von Fellatio durch

    einen Hiv - positiven Mann an einem Hiv - negativen Mann die (objektiven)

    Tatbestände der §§ 178,179 StGB erfüllt?

 

a. Wenn ja, warum?

b. Wen nein, wieso haben Sie (dennoch) keine Bedenken gegen das Urteil des LG

    Klagenfurt vom 19.07.1999 (13 Evr 70/99)?

 

2. Werden Sie Ihre Zuständigkeit wahrnehmen und Initiativen ergreifen, dass

    künftig Hiv - positive Menschen für sexuelle Kontakte mit Hiv - negativen

    Menschen trotz Befolgung der Verhaltensempfehlungen der

    Gesundheitsbehörden und der Aids - Hilfen nicht mehr strafrechtlich verfolgt und

    verurteilt werden können?

    Wenn nein, warum nicht?

    Wenn ja, welche Initiativen wann?

 

3. Für den Fall, dass Sie die Frage 2 verneinen: wie können Sie es mit der

    verfassungsrechtlichen Anforderung der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und

    Wirtschafltichkeit der gesamten staatlichen Verwaltung (Art. 126 b Abs. 5 B - VG)

vereinbaren, dass Strafbestimmungen, die zur Hintanhaltung der Verbreitung

übertragbarer Krankheiten dienen, und deren Vollziehung eine wirksame Aids -

Prävention verhindern und selbst zum Motor der Aids - Verbreitung werden?