2593/J XXI.GP
Eingelangt am:22.06.2001
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Gerichtliche Kriminalstatistik 2001 und Gewissensgefangene in
österreichischen Haftanstalten (§ 209 StGB)
Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat im Fall Sutherland bereits am
01.07.97 ausdrücklich höhere Altersgrenzen für homosexuelle als für heterosexuelle
Beziehungen als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8, 14
EMRK) erkannt. UNO, Europarat und EU verlangen seit Jahren einheitliche
Altersgrenzen. Das EU -Parlament hat Österreich in den letzten fünf Jahren fünfmal,
davon allein im Jahr 1998 dreimal, zweimal während seiner EU - Präsidentschaft,
zuletzt am 16.03.2000, dringend aufgefordert, § 209 endlich aufzuheben und alle
(auschließlich) danach zu Freiheitsstrafen Verurteilten zu begnadigen. Am 11.
November 1998 hat sogar der Menschenrechtsausschuß der Vereinten Nationen von
Österreich verlangt, das diskriminierende Mindestalter zu beseitigen („concluding
observations“ zu Österreichs Bericht gem. Art. 40 des Internationalen Paktes über
bürgerliche und politische Rechte, 11.11.1998). Die jüngste Aufforderung zur
Beendigung dieser Diskriminierung erging erst im September dieses Jahres durch
die Parlamentarische Versammlung des (41 Mitgliedstaaten West -, Mittel und
Osteuropas umfassenden) Europarates (Rec 1474(2000)).
Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte scharf verurteilt und ausdrücklich für
ebenso inakzeptabel erklärt wie Diskriminierung auf Grund von „Rasse‘ (Lustig -
Prean & Beckett v. United Kingdom (par. 90), Smith & Gradey v. United Kingdom
(par. 97), 27 Sept.1999) oder Religion (Salgueiro da Si(va Mouta v. Portugal (par.
36), 21. Dez. 1999) (ebenso jüngst OLG Graz 24.11.2000, 9 Bs 304/00 [16]; im
Grundsätzlichen ebenso OLG Linz 20.02.2001, 7 Bs 328100 [7f]). Die
Parlamentarische Versammlung des Europarates hat solche Diskriminierung erst
kürzlich als „besonders abscheulich“ (,,especially odious“) bezeichnet (Opinion 216
(2000); ebenso wieder Rec 1474(2000)). Auch der EG - Vertrag enthält seit dem
Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam ein ausdrückliches Verbot der
Diskriminierung auf Grund „sexueller Orientierung“ (Art.13 EGV). Ebenso die Charta
der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 21).
Die von § 209 StGB (zusätzlich zu anderen Tatbeständen) erfaßten "Taten“ sind
(auch in Österreich) im heterosexuellen und lesbischen Bereich völlig legal; sie
interessieren dort keine Sicherheits - und keine Strafverfolgungsbehörde. Sexuelle
Gewalt, „Schändung“, sexueller Mißbrauch von Kindern, Mißbrauch eines
Autoritätsverhältnisses, Zuführung zur Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel und
öffentliche sexuelle Handlungen sind samt und sonders nach anderen
Bestimmungen strafbar (§§ 201 - 218
StGB). Alleinige Funktion des § 209 StGB ist es,
einverständliche sexuelle Beziehungen von mündigen Staatsbürgern im Privaten zu
kriminalisieren, und dies ausschließlich zwischen Männern, während entsprechende
Beziehungen zwischen Frauen bzw. zwischen Frauen und Männern legal sind.
Personen, auf Grund des § 209 StGB in Haft gehalten werden, werden wegen ihrer
sexuellen Orientierung in Haft gehalten, sind also „Gewissensgefangene“ im Sinne
des Mandats von amnesty international.
Der kürzlich von der Statistik Austria publizierten Gerichtlichen Kriminalstatistik 1999
(Wien: Verlag Österreich 2001) ist nunmehr zu entnehmen, dass im Jahre 1999 auf
Grund des § 209 StGB
• Ein Mann rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitstrafe zwischen (mehr
als) einem Jahr und drei Jahren verurteilt worden ist (5 147) sowie
• Zwei Männer rechtskräftig in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher,
für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher bzw. für gefährliche Rückfallstäter
untergebracht worden sind (SW. 147).
Geht man von den allgemeinen Grundsätzen aus, nach denen die Gerichtliche
Kriminalstatistik erstellt wird (5. 9), so wurden diese drei Männer ausschließlich auf
Grund § 209 StGB oder neben § 209 StGB lediglich wegen Vergehen (§17 StGB)
verurteilt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie hoch war die Freiheitsstrafe genau, zu der jener Mann verurteilt wurde, der
in der Gerichtlichen Kriminalstatistik 1999 (5. 147) mit einer Verurteilung zu 1
bis 3 Jahren unbedingter Freiheitsstrafe aufscheint und wegen welcher Delikte
wurde dieser Mann von welchem Gericht genau verurteilt?
2. Um was für eine Maßnahme handelt es sich bei jenen zwei in der Gerichtlichen
Kriminalstatistik 1999 (5.147) jedoch pauschal nach den §§ 21(2), 22 oder 23
StGB) ausgewiesenen Unterbringungen von nach § 209 StGB Verurteilten
konkret (§ 21 Abs. 2, 22 oder 23 StGB)? Wegen welcher Delikte wurden diese
Männer von welchen Gerichten zu welchen Strafen verurteilt?
3. Wie alt genau waren die Verurteilten und die Jugendlichen, deretwegen in den
in oben 1 und 2. genannten Fällen eine Verurteilung erfolgte, zur ,,Tatzeit?
4. Befinden sich die oben in 1. und 2. genannten Personen noch im Straf - bzw, im
Maßnahmenvollzug?
5. Für den Fall, dass Sie die Frage 4
bejahen: In welcher Anstalt findet der
Vollzug statt und wann werden diese (Gewissens)Gefangenen entlassen?
6. Für den Fall, dass Sie die Frage 4 bejahen: werden Sie Amnesty international
und der „Plattform gegen § 209“ erlauben, mit diesen (Gewissens)Gefangener
Kontakt aufzunehmen und sie zu besuchen?
Wenn ja, was müssen diese Organisationen hiefür tun?
Wenn nein, warum nicht?
7. Werden Sie dem Herrn Bundespräsidenten hinsichtlich der oben in 1. und 2.
genannten Verurteilungen und Personen einen Gnadenvorschlag erstatten?
Wenn ja, wann und welchen Inhalts?
Wenn nein, warum nicht?