2615/J XXI.GP

Eingelangt am: 02.07.2001

 

 

ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

 

betreffend die psychotherapeutische Versorgung in Österreich sowie die Etablierung

und Ausbreitung von privaten Versorgungsvereinen nach dem Wiener Muster

 

Nach der Ablehnung des bereits ausverhandelten Gesamtvertrages über

„Psychotherapie auf Krankenschein“ durch die Verbandskonferenz des

Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger im letzten Jahr wird

die im ASVG vorgesehene Gesamtvertragslösung durch eine neue Entwicklung auch

für die Zukunft erschwert, wenn nicht sogar nachhaltig blockiert:

Einzelne Gebietskrankenkassen sind mit Zustimmung des Hauptverbandes dazu

übergegangen, unter Umgehung der einzigen bescheidmäßig anerkannten

gesamtvertragsfähigen Berufsvertretung der PsychotherapeutInnen, des

„Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie“ (ÖBVP), auf Landesebenen

sogenannte „Vereinslösungen zur psychotherapeutischen Versorgung“ anzubieten.

 

Zum Teil wird dabei auf bereits bestehende Vereine zurückgegriffen, zum Teil

werden PsychotherapeutInnen dazu animiert, solche Vereine eigens für diesen

Zweck zu gründen. Diesen privaten „Versorgungsvereinen“ werden Verträge

angeboten, über die ein begrenztes Kontingent an Psychotherapiestunden auf

Krankenschein abgewickelt werden soll. Der ÖBVP und namhafte Rechtsexperten

haben wiederholt darauf hingewiesen, daß diese Vorgangsweise nicht nur untauglich

für die Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung,

sondern auch rechtswidrig und unzulässig sei.

Diese Kritik wurde durch eine gerichtliche Entscheidung in der Steiermark bestätigt,

in der Rechtswidrigkeit und Unzulässigkeit derartiger Vereinsverträge ausdrücklich

festgestellt wird und man sich der Beurteilung anschließt, dass es sich hier um einen

Umgehungsversuch der im ASVG vorgesehenen Gesamtvertragslösung handelt.

 

Es liegt auf der Hand, dass die Etablierung eines solchen Systems privater

Versorgungsvereine das im ASVG geregelte bewährte System der

Sachleistungsvorsorge über einen Gesamtvertrag unterlaufen und faktisch ersetzen

würde. Damit würde naturgemäß auch die gesetzlich vorgesehene und

bescheidmäßig anerkannte Berufsvertretung der freiberuflich tätigen

PsychotherapeutInnen ausgebootet und über kurz oder lang ihrer Existenzgrundlage

beraubt. Dem Einkäufermonopol der Krankenkassen stünde eine zersplitterte Vielfalt

von abhängigen „Anbietern“ gegenüber, die faktisch ihrer einheitlichen

Berufsvertretung beraubt wären. Vereinslösungen sind kein adäquater Ersatz eines

Gesamtvertrages und sind auch als zwischenzeitliche Überbrückungs - und

Kompromisslösung insofern gefährlich, als sie zukünftige Verhandlungen mit

Sicherheit erschweren.

Dieser in Österreich bisher beispiellose Vorgang, mit dem der Wille des

Gesetzgebers gleich in mehrfacher Weise umgangen wird, wirft eine Reihe von

Fragen auf, die unmittelbar den Verantwortungsbereich des Bundesministers für

Soziale Sicherheit und Generationen betreffen.

 

Wir übersehen dabei allerdings nicht, dass ursprünglich ein Bemühen des

Hauptverbandes um einen Gesamtvertrag sicherlich vorhanden war.

Nicht die berechtigte Kritik zahlreicher PsychotherapeutInnen, als vielmehr die

Einwände einzelner Mitglieder des Hauptverbandes führten dann allerdings zum

Scheitern des Gesamtvertrages

 

Wir übersehen weiters nicht, dass die ebenso massiven wie häufig

ungerechifertigten politischen Vorwürfe einer defizitären Mißwirtschaft durch

Managementversagen und die politische Untätigkeit bei offensichtlichen

Finanzierungslücken den Wunsch der Kassen und des Hauptverbandes nach einer

Leistungs - und damit Kostenausweitung nicht gerade begünstigen.

 

Dennoch oder gerade deswegen sind die Kassen verpflichtet, ein flächendeckendes

Leistungsangebot, welches den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht,

sicherzustellen und wenn nötig auch auf die dafür notwendigen Rahmenbedingungen

einer budgetären Bedeckung politisch zu drängen.

Resignation und das Ersetzen wirklich befriedigender Lösungen durch

Angebotsverknappung und halbherzige sowie juridisch fragwürdige Provisorien sind

kein Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden und sozial gerechten

Gesundheitspolitik. Letztere wäre allerdings auch von der Bundesregierung

einzufordern.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Deckt sich die Rechtsauffassung des Ministeriums mit der im vorliegenden

    Gutachten von Univ. Prof. Dr. Wolfgang Mazal getroffenen und vom Grazer

    Gericht bestätigten Feststellung, dass Vereinsverträge der in Wien praktizierten

    und in anderen Bundesländern angebotenen Art einen rechtswidrigen und

    unzulässigen Versuch darstellen, die im ASVG vorgesehene

    Gesamtvertragslösung für Psychotherapie zu umgehen?

 

2. Was hat das Ministerium bisher unternommen und was gedenkt es im weiteren zu

    unternehmen, um dem mit diesen Vereinsverträgen eingeleiteten Systembruch im

    österreichischen Vertragspartnerwesen im Sozialversicherungsbereich zu

    begegnen?

 

3. Was hat das Ministerium bisher unternommen und was gedenkt es im weiteren zu

    unternehmen, um den Vertretungsanspruch der über Bescheid des Ministeriums

    als gesamtvertragsfähig anerkannten Berufsvertretung der freiberuflich tätigen

    PsychotherapeutInnen, des Österreichischen Bundesverbandes für

    Psychotherapie, faktisch sicherzustellen, der durch diese ,,Vereinslösungen"

    unterlaufen wird?

4. Was hat das Ministerium als Aufsichtsbehörde bisher unternommen und was

    gedenkt es im weiteren zu unternehmen, um den Hauptverband der

    österreichischen Sozialversicherungsträger und die ihm angehörenden

    Krankenversicherungsträger zu veranlassen, vom Versuch der rechts - und

    systemwidrigen Etablierung solcher ,,Vereinsmodelle“ Abstand zu nehmen und

    die Verhandlungen über die vom Gesetzgeber gewollte Gesamtvertragslösung

    wiederaufzunehmen?

 

5. Welche Maßnahmen wird das Ministerium ergreifen, um die Finanzierung der für

    eine Gesamtvertragslösung erforderlichen Mittel sicherzustellen? Die 50. ASVG -

    Novelle sah dafür einen Finazierungsbedarf vor, der sich nach damaliger

    Berechnungsweise auf eine allmähliche Steigerung bis zu einem Betrag von

    heute etwa 800 Millionen bis 1 Milliarde bezifferte. Dafür wurden damals auch die

    Krankenverischerungsbeiträge erhöht, diese Mehreinnahmen wurden dann aber

    von den Krankenkassen weitgehend anderweitig verwendet. Welche Maßnahmen

    wird das Ministerium ergreifen, um zu gewährleisten, dass die für diesen Zweck

    notwendigen und vorgesehenen Mittel auch tatsächlich im Rahmen einer

    Gesamtvertragslösung zur Finanzierung der psychotherapeutischen Versorgung

    durch freiberufliche PsychotherapeutInnen im Sinne des Psychotherapiegesetzes

    bereitgestellt und eingesetzt werden?