2621/J XXI.GP
Eingelangt am: 03.07.2001
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport
betreffend Komplizierung der Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes
Die Regierungsvorlage zum Kinderbetreuungsgeldgesetz sieht vor, dass das
Kinderbetreuungsgeld eine Leistung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) sein wird,
keine arbeitsmarktbezogene Leistung wie das derzeitige Karenzgeld.
Das Kinderbetreuungsgeld soll unter den gesetzlichen Voraussetzungen allen InländerInnen,
EU - BürgerInnen und diesen durch internationale Abkommen gleichgestellten
AusländerInnen (z.B. TürkInnen) zustehen. Bei anderen AusländerInnen (insbesondere
SlowenInnen, Kroatlnnen, Bosnierlnnen, SerbInnen, Ungarlnnen, TschechInnen,
SlowakInnen) gelten restriktivere Voraussetzungen bzw. eine der Familienbeihilfe ähnliche
Regelung.
Durch die Art der Leistung (FLAF) und der Vollziehung verwandter Materien
(Familienbeihilfe) durch die Finanzämter wäre es logisch, auch den Vollzug des
Kinderbetreuungsgeldes über die Finanzämter abzuwickeln. Im Gesetzesvorschlag ist
allerdings der Vollzug durch die niederösterreichische Gebietskrankenkasse vorgesehen, der
einen nicht unbedenklichen und aufwändigen Datentransfer mit sich bringen wird. Dies
widerspricht auch allen von Seiten der Regierung „gepredigten“ Zielen der angestrebten
Verwaltungsreform.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Vollzug nur deshalb gewählt wurde, um den
Finanzminister im eigenen Bereich vor einer Kostenexplosion und einem Vollzugschaos zu
bewahren und beides den politisch ungeliebten Gebietskrankenkassen „umzuhängen“. Wenn
dies tatsächlich eintritt, wird es seitens der Regierung (wieder einmal) heißen: Die
Krankenkassen sind zu teuer und ineffizient.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Warum soll die Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes durch die niederösterreichische
Gebietskrankenkasse
abgewickelt werden?
2. Erachten Sie Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung als Krankheiten? Welche
sachlichen Argumente lagen der Textierung des Entwurfs zugrunde?
3. Ist es zutreffend, dass die erforderlichen Daten (steuerlich relevanter Einkommen)
seitens der Finanzämter an die niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelt
werden müssen?
4. Warum werden nicht direkt die Finanzämter mit der Vollziehung betraut?
5. Weshalb sollen künftig zwei Leistungen (Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld) eines
Fonds (FLAF) von zwei verschiedenen Einrichtungen vollzogen werden?
6. Wieso wurde die niederösterreichische Gebietskrankenkasse ausgewählt?
7. Wieso wurde nicht auf die regionalen Interessen der Bevölkerung in ganz Österreich
durch Vollziehung einer bundesweit präsenten Vollzugsstruktur (Finanzämter) Rechnung
getragen?
8. Welche Mehrkosten sind für AntragstellerInnen in West - oder Süd - Österreich durch
höhere Telefonkosten, längere und teurere Anreisen im Falle von persönlichen
Kontakten zu erwarten?
9. Wie hoch werden die der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse als
Selbstverwaltungskörper voraussichtlich entstehenden Mehrkosten sein?
10. Wieviele Personen werden bei der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mit dem
Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes betraut sein?
11. Wie hoch wären die Kosten im Falle des Vollzugs durch die Finanzverwaltung gewesen?
12. Wird die niederösterreichische Gebietskrankenkasse die Mehrkosten durch den Vollzug
des Kinderbetreuungsgeldes ersetzt bekommen? Wenn nein, warum nicht?
13. Halten Sie es für zulässig, der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine
beträchtliche Verwaltungsmehrtätigkeit außerhalb des gesetzlichen Auftrages
aufzubürden?
14. Wurde die Verfassungskonformität des gewählten Vollzuges geprüft? Wie lautet der
entsprechende Passus des Gutachtens des Verfassungdienstes?
15. Durch die gesetzliche Diskriminierung zahlreicher AusländerInnen werden ebenfalls
gewaltige Vollzugskosten entstehen, da zwar etliche Länder bzw. deren
Staatsangehörige aufgrund von staatsrechtlichen Normen gleichgestellt oder teilweise
gleichgestellt sind, nicht aber alle. Welche Verwaltungsmehrkosten werden durch die
höchst unterschiedliche Behandlung verschiedener AusländerInnen verursacht?
16. Ist die unterschiedliche Regelung für verschiedene AusländerInnen unter Bedachtnahme
auf das
Bundesverfassungsgesetz aus 1982, welches sämtliche Diskriminierungen
bestimmter StaatsbürgerInnen verbietet, verfassungskonform? Wie lautet das
entsprechende Gutachten des Verfassungsdienstes?
17. Wie viel hat die Vollziehung des Karenzgeldes in den letzten 5 Jahren jeweils pro Jahr
gekostet?
18. In der Umstellungsphase werden durch die Systemumstellung erhebliche Mehrkosten
auftreten. Wie hoch sind die Umstellungskosten veranschlagt und wie hoch sind die
Kosten für den Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes für die Jahre 2002 und 2003
veranschlagt?
19. Das Kinderbetreuungsgeldgesetz statuiert in § 8 einen neuen Einkommensbegriff, der
für die betroffenen Personen nicht ohne ExpertInnenwissen selbst ermittelbar ist, und
durch den eine rechtliche Grauzone bei Personen mit Einkommen an der
Zuverdienstgrenze verursacht wird. Wie hoch sind die Vollzugsmehrkosten, die sich
durch Beratung, Vollziehung und allenfalls Abwicklung von Rückforderungsansprüchen
aufgrund dieses komplizierten Einkommensbegriffes ergeben werden?
20. Halten Sie die Bestimmungen über eine Rückforderung von ausbezahlten
Kinterbetreuungs - Beiträgen im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des
Verfassungsgerichtshofes für verfassungskonform? Wie lautet das entsprechende
Gutachten des Verfassungsdienstes?
21. Halten Sie es für verfassungskonform, dass im Falle einer von der Finanzverwaltung
festgestellten Überschreitung der jährlichen Zuverdienstgrenze z.B. um 20.000 ATS als
Konsequenz eine Rückzahlung von bis zu 72.000 ATS droht? Wie begründen Sie die
Verfassungskonformität dieser Bestimmung?
22. Halten Sie die unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich des Ermessensspielraumes der
Behörde bei Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit für
verfassungskonform? Wie lautet das entsprechende Gutachten des Verfassungsdienstes?
23. Halten Sie es im Sinne der Minimierung von Verwaltungskosten für ratsam, einen
Entwurf mit zahlreichen verfassungsrechtlichen „Problemzonen“ zu beschließen?
24. Welche volkswirtschaftlichen Kosten verursacht die Behebung einer
verfassungswidrigen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof sowie die
Erarbeitung einer Neufassung, die neuerliche Beschlussfassung im Parlament und die
Neueinschulung der Vollzugsorgane im Durchschnitt?
25. Wie schlüsseln sich die volkswirtschaftlichen Durchschnitts kosten der Reparatur einer
verfassungswidrigen Norm auf?
26. Werden Sie die bereits jetzt erkennbare Kostenexplosion und das prognostizierbare
Verwaltungschaos dem amtierenden oder einem künftigen Generaldirektor des
Hauptverbandes anlasten?