2622/J XXI.GP

Eingelangt am: 03.07.2001

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Komplizierung der Vollziehung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes

 

 

Die Regierungsvorlage zum Kinderbetreuungsgeldgesetz sieht vor, dass das

Kinderbetreuungsgeld eine Leistung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) sein wird,

keine arbeitsmarktbezogene Leistung wie das derzeitige Karenzgeld.

Das Kinderbetreuungsgeld soll unter den gesetzlichen Voraussetzungen allen InländerInnen,

EU - BürgerInnen und diesen durch internationale Abkommen gleichgestellten

AusländerInnen (z.B. TürkInnen) zustehen. Bei anderen AusländerInnen (insbesondere

SlowenInnen, KroatInnen, BosnierInnen, SerbInnen, UngarInnen, TschechInnen,

SiowakInnen) gelten restriktivere Voraussetzungen bzw. eine der Familienbeihilfe ähnliche

Regelung.

 

Durch die Art der Leistung (FLAF) und der Vollziehung verwandter Materien

(Familienbeihilfe) durch die Finanzämter wäre es logisch, auch den Vollzug des

Kinderbetreuungsgeldes über die Finanzämter abzuwickeln. Im Gesetzesvorschlag ist

allerdings der Vollzug durch die niederösterreichische Gebietskrankenkasse vorgesehen, der

einen nicht unbedenklichen und aufwändigen Datentransfer mit sich bringen wird. Dies

widerspricht auch allen von Seiten der Regierung „gepredigten“ Zielen der angestrebten

Verwaltungsreform.

 

Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieser Vollzug nur deshalb gewählt wurde, um den

Finanzminister im eigenen Bereich vor einer Kostenexplosion und einem Vollzugschaos zu

bewahren und beides den politisch ungeliebten Gebietskrankenkassen „umzuhängen“. Wenn

dies tatsächlich eintritt, wird es seitens der Regierung (wieder einmal) heißen: Die

Krankenkassen sind zu teuer und ineffizient.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Warum soll die Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes durch die niederösterreichische

    Gebietskrankenkase abgewickelt werden?

 

2. Brachten Sie Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung als Krankheiten? Welche

    sachlichen Argumente lagen der Textierung des Entwurfs zugrunde?

3. Ist es zutreffend, dass die erforderlichen Daten (steuerlich relevanter Einkommen)

    seitens der Finanzämter an die niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelt

   werden müssen?

 

4. Warum werden nicht direkt die Finanzämter mit der Vollziehung betraut?

 

5. Weshalb sollen künftig zwei Leistungen (Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld) eines

    Fonds (FLAF) von zwei verschiedenen Einrichtungen vollzogen werden?

 

6. Wieso wurde die niederösterreichische Gebietskrankenkasse ausgewählt?

 

7. Wieso wurde nicht auf die regionalen Interessen der Bevölkerung in ganz Österreich

    durch Vollziehung einer bundesweit präsenten Vollzugsstruktur (Finanzämter) Rechnung

    getragen?

 

8. Welche Mehrkosten sind für AntragstellerInnen in West - oder Süd - Österreich durch

    höhere Telefonkosten, längere und teurere Anreisen im Falle von persönlichen

    Kontakten zu erwarten?

 

9. Wie hoch werden die der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse als

    Selbstverwaltungskörper voraussichtlich entstehenden Mehrkosten sein?

 

10. Wieviele Personen werden bei der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mit dem

      Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes betraut sein?

 

11. Wie hoch wären die Kosten im Falle des Vollzugs durch die Finanzverwaltung gewesen?

 

12. Wird die niederösterreichische Gebietskrankenkasse die Mehrkosten durch den Vollzug

      des Kinderbetreuungsgeldes ersetzt bekommen? Wenn nein, warum nicht?

 

13. Halten Sie es für zulässig, der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine

      beträchtliche Verwaltungsmehrtätigkeit außerhalb des gesetzlichen Auftrages

      aufzubürden?

 

14. Wurde die Verfassungskonformität des gewählten Vollzuges geprüft? Wie lautet der

      entsprechende Passus des Gutachtens des Verfassungdienstes?

 

15. Durch die gesetzliche Diskriminierung zahlreicher AusländerInnen werden ebenfalls

      gewaltige Vollzugskosten entstehen, da zwar etliche Länder bzw. deren

      Staatsangehörige aufgrund von staatsrechtlichen Normen gleichgestellt oder teilweise

      gleichgestellt sind, nicht aber alle. Welche Verwaltungsmehrkosten werden durch die

      höchst unterschiedliche Behandlung verschiedener AusländerInnen verursacht?

 

16. Ist die unterschiedliche Regelung für verschiedene AusländerInnen unter Bedachtnahme

      auf das Bundesverfassungsgesetz aus 1982, welches sämtliche Diskriminierungen

      bestimmter StaatsbürgerInnen verbietet, verfassungskonform? Wie lautet das

      entsprechende Gutachten des Verfassungsdienstes?

17. Wie viel hat die Vollziehung des Karenzgeldes in den letzten 5 Jahren jeweils pro Jahr

      gekostet?

 

18. In der Umstellungsphase werden durch die Systemumstellung erhebliche Mehrkosten

      auftreten. Wie hoch sind die Umstellungskosten veranschlagt und wie hoch sind die

      Kosten für den Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes für die Jahre 2002 und 2003

      veranschlagt?

 

19. Das Kinderbetreuungsgeldgesetz statuiert in § 8 einen neuen Einkommensbegriff, der

      für die betroffenen Personen nicht ohne Expertinnenwissen selbst ermittelbar ist, und

      durch den eine rechtliche Grauzone bei Personen mit Einkommen an der

      Zuverdienstgrenze verursacht wird. Wie hoch sind die Vollzugsmehrkosten, die sich

      durch Beratung, Vollziehung und allenfalls Abwicklung von Rückforderungsansprüchen

      aufgrund dieses komplizierten Einkommensbegriffes ergeben werden?

 

20. Halten Sie die Bestimmungen über eine Rückforderung von ausbezahlten

      Kinterbetreuungs - Beiträgen im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des

      Verfassungsgerichtshofes für verfassungskonform? Wie lautet das entsprechende

      Gutachten des Verfassungsdienstes?

 

21. Halten Sie es für verfassungskonform, dass im Falle einer von der Finanzverwaltung

      festgestellten Überschreitung der jährlichen Zuverdienstgrenze z.B. um 20.000 ATS als

      Konsequenz eine Rückzahlung von bis zu 72.000 ATS droht? Wie begründen Sie die

      Verfassungskonformität dieser Bestimmung?

 

22. Halten Sie die unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich des Ermessensspielraumes der

      Behörde bei Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit für

      verfassungskonform? Wie lautet das entsprechende Gutachten des Verfassungsdienstes?

 

23. Halten Sie es im Sinne der Minimierung von Verwaltungskosten für ratsam, einen

      Entwurf mit zahlreichen verfassungsrechtlichen „Problemzonen“ zu beschließen?

 

24. Welche volkswirtschaftlichen Kosten verursacht die Behebung einer

      verfassungswidrigen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof sowie die

      Erarbeitung einer Neufassung, die neuerliche Beschlussfassung im Parlament und die

      Neueinschulung der Vollzugsorgane im Durchschnitt?

 

25. Wie schlüsseln sich die volkswirtschaftlichen Durchschnitts kosten der Reparatur einer

      verfassungswidrigen Norm auf?

 

26. Werden Sie die bereits jetzt erkennbare Kostenexplosion und das prognostizierbare

      Verwaltungschaos dem amtierenden oder einem künftigen Generaldirektor des

      Hauptverbandes anlasten?