2655/J XXI.GP
Eingelangt am:04.07.2001
der Abgeordneten Dr. Jarolim und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend „Straffreiheit“ für eine Gewalttat an einem homosexuellen Mann in Wels
Im Mai 2000 wurde in Wels ein 28jähriger Homosexueller von einem 18jährigen Mann überfallen,
zu Boden geworfen, durch Tritte mit Händen und Füßen verletzt und um 20.000 ATS erpresst -
alles mit der „Begründung“, dass er sich dem l8jährigen zwei Jahre zuvor einmal sexuell genähert
habe.
Gegenüber den von Dritten gerufenen und einschreitenden Polizeibeamten bestätigte der 28jährige
den zwei Jahre zurückliegenden Sachverhalt, erklärte aber zusätzlich, dass sich der damals nahezu
l7jährige ihm gegenüber als über 18 ausgegeben hatte. Vor dem Landesgericht Wels stellte der
18jährige dies in Abrede, die Staatsanwaltschaft Wels und das Gericht glaubten seinen Angaben,
obwohl er vor Gericht freimütig eingestand, den Beschuldigten zu „hassen“. Das Gericht verurteilte
den 28jährigen Homosexuellen ausschließlich auf Grund der Darstellung des Gewalttäters wegen
Versuchs nach § 209 StGB zu drei Monaten Haft (11 EVr 666/00, Hv 66/00). Die Berufung blieb
erfolglos.
Das Strafverfahren gegen den 18jährigen wegen Körperverletzung und Erpressung hingegen wurde
bereits einen Tag (!) nach Einlangen der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wels von der
Staatsanwaltschaft Wels eingestellt (7 St 207/2000y). Hinsichtlich der versuchten Erpressung
wegen angeblicher Nichterweisbarkeit trotz Geständnis des Täters und hinsichtlich der
Körperverletzung wegen Geringfügigkeit (§ 42 StGB) (!). Der 28jährige Homosexuelle erlitt durch
die Tat Verletzungen im Bereich des rechten Jochbeins, des rechten Schultergelenks und im Bereich
des Rückens.
Diskriminierungen auf Grund der sexuellen Orientierung hat der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte scharf verurteilt und ausdrücklich für ebenso inakzeptabel erklärt wie
Diskriminierung auf Grund von „Rasse“. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat
solche Diskriminierung und Gewalt erst kürzlich als „besonders abscheulich“ („especially odious“)
bezeichnet (Opinion 216 (2000); ebenso Rec 1474(2000)). Auch der EG - Vertrag enthält seit dem
Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung auf
Grund „sexueller Orientierung“ (Art. 13 EGV), ebenso die Charta der Grundrechte der Europäischen
Union (Art. 21).
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Teilen Sie die Auffassung der Staatsanwaltschaft Wels, dass im gegebenen Fall keine
ausreichenden Verdachtsgründe für die Verfolgung des 18jährigen wegen Erpressung
(§144 StGB) vorliegen (nicht einmal für eine Abklärung des Sachverhalts im Rahmen von
Vorerhebungen), obwohl er eingestand, den Geldbetrag gefordert zu haben nachdem er den
28jährigen Homosexuellen zusammengeschlagen hatte und dieser auf die Forderung nur
deswegen eingegangen war, weil er sich vor weiteren Gewalttaten sichtlich
fürchtete?
2. Wenn Sie die Frage 1 mit Ja beantworten:
A) Aus welchen Gründen?
B) Werden Sie Initiativen zur Änderung der offenbar täterbegünstigenden Rechtslage setzen,
damit Erpresser auch tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden können? Wenn nein, warum
nicht?
3. Wenn Sie die Frage 1 mit Nein beantworten: Werden Sie die Staatsanwaltschaft Wels
anweisen, das Strafverfahren wegen versuchter Erpressung (§§ 15, 144 StGB) einzuleiten?
Wenn nein: Warum nicht?
4. Teilen Sie die Ansicht der Staatsanwaltschaft Wels, dass die an dem 28jährigen
Homosexuellen begangene und vom Täter eingestandene Körperverletzung nicht
strafbedürftig ist (§ 42 StGB)?
5. Wenn Sie die Frage 4 mit Ja beantworten:
A) Woraus leiten Sie die Annahme ab, dass im vorliegenden Fall die Schuld des Täters, wie
dies die ständige Rechtsprechung für die Anwendung des § 42 StGB verlangt, atypisch
gering ist, gegenüber den Durchschnittsfällen leichter Körperverletzungen deutlich abfällt
und der Unrechts - und Schuldgehalt hinter diesen erheblich zurück bleibt? Wo insbesondere
nach höchstgerichtlicher Judikatur die Anwendung des § 42 StGB eine besonders geringe
Intensität des Tätersvorsatzes (hier Misshandlungsvorsatzes [ § 83 Abs. 2 StGB)) voraussetzt
(SSt 60/78) und eine rohe Vorgangsweise und insb. Tätlichkeiten gegen bereits am Boden
liegende Opfer eine geringe Schuld ausschließen (OGH 15.06.1978, 13 Os 72/78; OGH
04.09.1984, 9 Os 134/85; JBl 1992, 265).
B) Worauf beruht Ihre Annahme, dass die dem 28jährigen Homosexuellen zugefügten
Verletzungen „unbedeutend“ sind (§ 42 Z. 2 StGB), insb. keine mehr als dreitägige
Gesundheitsschädigung verursachten (EvBl 1989/189; JBl 1990, 124), wo keinerlei
ärztliches Gutachten über die Dauer der Gesundheitsschädigung eingeholt worden ist,
obwohl der 28jährige Homosexuelle noch eineinhalb Tage nach der Tat wegen seiner
Schmerzen das Krankenhaus aufgesucht hatte und die dortigen Ärzte die Verletzungen
diagnostizierten?
C) Worauf beruht Ihre Annahme, dass die Bestrafung des Täters aus spezial - bzw.
generalpräventiven Gründe nicht geboten ist (§ 42 Z. 3 StGB), obwohl Gewalttäter nur allzu
oft „leichte Opfer“ (wie zum Beispiel Homosexuelle) auswählen und das Unterbleiben einer
Bestrafung eines Gewalttäters diese Personenkreise in ihrer Haltung bestärken würde, da der
Eindruck entstünde, man könne Homosexuelle folgenlos zusammenschlagen?
6. Wenn Sie die Frage 4 mit Nein beantworten: Werden Sie die Staatsanwaltschaft Wels
anweisen, das Strafverfahren wegen Körperverletzung (§ 83 StGB) einzuleiten?
Wenn nein: Warum nicht?
7. Teilen Sie die Ansicht, dass der vorliegende Fall menschenrechtlich höchst problematisch
ist, weil der (geständige) Gewalttäter unbehelligt bleibt, stattdessen das Opfer, noch dazu auf
Grund eines menschenrechtswidrigen anti-homosexuell en Sonderstrafgesetzes (§ 209
StGB), strafrechtlich verfolgt und verurteilt wird?
Wenn nein: Warum nicht?
Wenn ja: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
8. Werden Sie dem Herrn Bundespräsidenten hinsichtlich des verurteilten 28jährigen
Homosexuellen einen Gnadenvorschlag erstatten?
Wenn ja: Wann und welchen Inhalts?
Wenn nein: Warum nicht?