2666/J XXI.GP

Eingelangt am:05.07.2001

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Verkauf von arisiertem Liegenschaftsbesitz durch die Österreichischen

Bundesforste

 

Der in der Öffentlichkeit und den Medien diskutierte Verkauf der Güter Pölsen und

Autal hat das Augenmerk zu Recht auf die nie aufgearbeiteten Vermögenszuwächse

gelenkt, die der Republik Österreich - und hier im konkreten Fall den

Österreichischen Bundesforsten - auf Umwegen als Ergebnis der Entziehung

jüdischen Eigentums zugekommen sind.

 

Wie immer man im Zeitabstand von mehr als 50 Jahren das Verhalten

österreichischer Politiker und Behörden in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu

erklären versucht, das Resultat dieses Verhalten und der damaligen, heute

weitgehend unbegreiflichen Rechtslage und Rechtspraxis war die weitgehende

Verweigerung der Rückstellung entzogenen jüdischen Eigentums an die Vorbesitzer

bzw. deren Erben.

 

Es ist höchst betrüblich, dass die damals offenbar vorherrschende

Rechtsauffassung, es habe im „Großdeutschen Reich“ so etwas ähnliches wie einen

Rechtsstaat gegeben, auch heute noch nachwirkt: Die Behauptung von Vertretern

der ÖBF, beim „Verkauf‘ der beiden genannten Güter sei auch von der SS „gezahlt

worden“, kann im Lichte des heutigen Wissens um die Praktiken des NS - Regimes

(Sperrkonten, Reichsfluchtsteuer, Judenvermögensabgabe...) nur als Hohn

angesehen werden.

 

Unabhängig davon, dass der Wille der in diesem Fall anspruchsberechtigten Erben,

sich mit einer - nach Meinung der AnfragestellerInnen unverhältnismäßig geringen -

Abfindung zufrieden zu geben, selbstverständlich zu respektieren ist, werden durch

diesen Fall grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die weiter diskutiert werden müssen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Sind Sie der Auffassung, dass in der NS - Zeit Rahmenbedingungen gegeben

    waren, die bei Rechtsgeschäften mit Juden und Jüdinnen jenen Grad an

Freiwilligkeit und Selbstbestimmung ermöglichten, wie er in einem Rechtsstaat

als selbstverständlich unterstellt wird?

 

2. Sind Sie der Meinung1 dass bei solchen Rechtsgeschäften unterstellt werden

    kann, dass ein aktenmäßig aufscheinender Verkaufserlös dem Verkäufer

    tatsächlich zukam?

 

3. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die im Standard vom 15.5.2001

    berichteten Aussagen des Sprechers der ÖBF, Erwin Klissenbauer, die Besitzerin

    habe „ja damals auch von der SS einen Betrag erhalten“?

 

4. Wie hoch ist der den Erben nach dem Besitz der Güter Pölsen und Autal

    ausbezahlte Entschädigungsbetrag?

 

5. Betrachten Sie den den Erben nach dem Besitz der Güter Pölsen und Autal

    nunmehr von den ÖBF ausgezahlten Abfindungsbetrag als angemessen?

 

6. Ist gesichert, dass allen Erben ein Teil dieses Betrages zukommt?

 

7. Wie hoch ist der Verkaufspreis der Güter Pölsen und Autal den die ÖBF nunmehr

    erhält?

 

8. Sind Sie sich darüber im klaren, dass es sich beim gegenständlichen Grundstück

    um einen möglichen Fall nach Teil 2 des Entschädigungsfondsgesetzes (BGBl I

    Nr.12/2001 handeln könnte, der von der Schiedsinstanz zu klären ist? Meinen

    Sie nicht, dass es daher zielführend ist bis zu dieser Klärung zuzuwarten, da

    ansonsten eine echte Naturalrestitution nicht möglich wäre und sich somit die

    Republik Österreich in geradezu mutwilliger Weise ihrer völkerrechtlichen

    Verpflichtung entzöge?

 

9. Welche Maßnahmen werden sie ergreifen, dass die ÖBF ihren gesamten

    Grundbesitz daraufhin überprüft, welche weiteren heute in ihrem Eigentum

    stehenden Liegenschaften in den Jahren 1938 bis 1945 unter rechtsstaatlich und

    moralisch bedenklichen Umständen jüdischen Voreigentümern entzogen oder

    „abgekauft“ wurden?

 

10.Wann ist mit einem diesbezüglichen Bericht zu rechnen?

 

11.Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, ihrer

     gemäß im Abkommen BGBl III Nr.121/2001 Anhang A 3 (p) verankerten

     völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen?

 

12.Wann ist mit einer vollständigen Erfassung der Provenienz der im Sinne des

     genannten Abkommens im Bundeseigentum stehenden Liegenschaften zu

     rechnen?