2667/J XXI.GP
Eingelangt am: 05.07.2001
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Verkauf von arisiertem Liegenschaftsbesitz durch die Österreichischen
Bundesforste
Der in der Öffentlichkeit und den Medien diskutierte Verkauf der Güter Pölsen und
Autal hat das Augenmerk zu Recht auf die nie aufgearbeiteten Vermögenszuwächse
gelenkt, die der Republik Österreich - und hier im konkreten Fall den
Österreichischen Bundesforsten - auf Umwegen als Ergebnis der Entziehung
jüdischen Eigentums zugekommen sind.
Wie immer man im Zeitabstand von mehr als 50 Jahren das Verhalten
österreichischer Politiker und Behörden in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu
erklären versucht, das Resultat dieses Verhalten und der damaligen, heute
weitgehend unbegreiflichen Rechtslage und Rechtspraxis war die weitgehende
Verweigerung der Rückstellung entzogenen jüdischen Eigentums an die Vorbesitzer
bzw. deren Erben.
Es ist höchst betrüblich, dass die damals offenbar vorherrschende
Rechtsauffassung, es habe im „Großdeutschen Reich“ so etwas ähnliches wie einen
Rechtsstaat gegeben, auch heute noch nachwirkt: Die Behauptung von Vertretern
der ÖBF, beim "Verkauf" der beiden genannten Güter sei auch von der SS „gezahlt
worden“, kann im Lichte des heutigen Wissens um die Praktiken des NS - Regimes
(Sperrkonten, Reichsfluchtsteuer, Judenvermögensabgabe...) nur als Hohn
angesehen werden.
Unabhängig davon, dass der Wille der in diesem Fall anspruchsberechtigten Erben,
sich mit einer - nach Meinung der AnfragestellerInnen unverhältnismäßig geringen -
Abfindung zufrieden zu geben, selbstverständlich zu respektieren ist, werden durch
diesen Fall grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die weiter diskutiert werden müssen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Sind Sie der Auffassung, dass in der NS - Zeit Rahmenbedingungen gegeben
waren, die bei
Rechtsgeschäften mit Juden und Jüdinnen jenen Grad an
Freiwilligkeit und Selbstbestimmung ermöglichten, wie er in einem Rechtsstaat
als selbstverständlich unterstellt wird?
2. Sind Sie der Meinung, dass bei solchen Rechtsgeschäften unterstellt werden
kann, dass ein aktenmäßig aufscheinender Verkaufserlös dem Verkäufer
tatsächlich zukam?
3. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die im Standard vom 15.5.2001
berichteten Aussagen des Sprechers der ÖBF, Erwin Klissenbauer, die Besitzerin
habe „ja damals auch von der SS einen Betrag erhalten“?
4. Wie hoch ist der den Erben nach dem Besitz der Güter Pölsen und Autal
ausbezahlte Entschädigungsbetrag?
5. Betrachten Sie den den Erben nach dem Besitz der Güter Pölsen und Autal
nunmehr von den ÖBF ausgezahlten Abfindungsbetrag als angemessen?
6. Ist gesichert, dass allen Erben ein Teil dieses Betrages zukommt?
7. Wie hoch ist der Verkaufspreis der Güter Pölsen und Autal den die ÖBF nunmehr
erhält?
8. Sind Sie sich darüber im Klaren, dass es sich beim gegenständlichen Grundstück
um einen möglichen Fall nach Teil 2 des Entschädigungsfondsgesetzes (BGBl I
Nr.12/2001 handeln könnte, der von der Schiedsinstanz zu klären ist? Meinen
Sie nicht, dass es daher zielführend ist bis zu dieser Klärung zuzuwarten, da
ansonsten eine echte Naturalrestitution nicht möglich wäre und sich somit die
Republik Österreich in geradezu mutwilliger Weise ihrer völkerrechtlichen
Verpflichtung entzöge?
9. Welche Maßnahmen werden sie ergreifen, dass die ÖBF ihren gesamten
Grundbesitz daraufhin überprüft, welche weiteren heute in ihrem Eigentum
stehenden Liegenschaften in den Jahren 1938 bis 1945 unter rechtsstaatlich und
moralisch bedenklichen Umständen jüdischen Voreigentümern entzogen oder
„abgekauft“ wurden?
10. Wann ist mit einem diesbezüglichen Bericht zu rechnen?
11. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, ihrer
gemäß im Abkommen BGBl III Nr. 121/2001 Anhang A 3 (p) verankerten
völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen?
12. Wann ist mit einer vollständigen Erfassung der Provenienz der im Sinne des
genannten Abkommens im Bundeseigentum stehenden Liegenschaften zu
rechnen?