2754/J XXI.GP
Eingelangt am: 12.07.2001
der Abgeordneten Helmut Dietachmayr
und GenossInnen
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Abschaffung der Rezeptgebühr und Krankenscheingebühr
Ihr Vorschlag, die Rezeptgebühr und Krankenscheingebühr abzuschaffen, sorgt angesichts der
erst kürzlichen Diskussion um die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen allseits für
Verwunderung. Im Jahr 2001 werden die Krankenkassen mehr als 4 Milliarden Schilling
durch die Rezeptgebühr einnehmen. Es liegt die Vermutung nahe, dass Sie das österreichische
Gesundheitswesen trotz hoher Akzeptanz und ausgezeichneter internationaler Reputation
zerschlagen wollen.
Dieses System hat aber auch eine Reihe von Problemen, die Analyse zeigt zwei
Hauptursachen: eine einnahmenseitige und eine ausgabenseitige. Einnahmenseitig ist eine
Beitragseinnahmenerosion festzustellen, das heißt die Einnahmen im Gesundheitswesen
wachsen schwächer als die Wirtschaftskraft unseres Landes. Ausgabenseitig sind
insbesondere die explodierenden Medikamentenkosten bemerkenswert.
Daher liegt ein wesentlicher Teil der ausgabenseitigen Gesundheitsreform in der Dämpfung
des Zuwachses bei den Heilmittelkosten. Österreich liegt im Europavergleich bei den
Medikamentenkosten bei den Industriepreisen im letzten Drittel (hinter uns sind nur
Griechenland, Spanien, Portugal und Frankreich), aber im Großhandel und bei den Apotheken
kommen wir durch die Aufschläge insgesamt über dem europäischen Durchschnitt zum
liegen.
Während die SPÖ einen Maßnahmenkatalog für die Schließung der Finanzierungslücke der
Krankenkassen erarbeitet und in die parlamentarische Beratung eingebracht hat haben Sie das
Finanzierungsproblem für die Krankenkassen drastisch verschärft und den
Hauptverbandspräsidenten per Gesetz abgelöst.
Das Sofortmaßnahmenprogramm der SPÖ zur Senkung der Medikamentenkosten um 3 Mia.
ATS enthält folgende Punkte:
1. Senkung der Großhandelsspannen auf EU - Niveau (Kostenersparnis rund 170 Mio. ATS).
2. Senkung der Apothekenspannen auf EU - Niveau (Kostenersparnis rund 624 Mio. ATS).
3. Direkteinkauf der Hausapotheken beim Großhandel (bringt 150 Mio. ATS).
4. Direktmedikamentenabgabe in Spitalsambulanzen an die Patienten (bringt
100 Mio. ATS).
5. Direkteinkauf der Sozialversicherung für chronisch kranke Menschen (z.B. Diabetiker,
Dialyse, etc.,) (bringt rund 500 Mio. ATS).
6. Voller Ausgleich der Mehrwertsteuer auf Medikamente (bringt 1 Mia. ATS).
7. Beschleunigung der Zulassung von Generika.
8. Substitutionsgebot für Apotheker bei wirkstoffidenten Produkten die kostengünstigsten
abzugeben.
9. Im Heilmittelverzeichnis sind zusätzliche Hinweise auf günstigere Produkte, z.B. durch
die Hervorhebung preisgünstiger Generika bzw. der Verweis auf in der Regel
preisgünstigere Indikationsgruppen, aufzunehmen.
10. Die niedergelassenen Ärzte und die Spitalsärzte müssen mehr Verantwortung für
wirtschaftliche Verschreibung und Beratung übernehmen.
11. Die Vertragspartner und die Sozialversicherung sollen im Sinne der
Verwaltungsvereinfachung für Patienten verpflichtet werden, dass chefärztliche
Bewilligungen per Fax oder e - mail eingeholt werden.
12. Verpflichtung der Krankenanstalten, sich an die Richtlinien über die ökonomische
Verschreibweise/Heilmittelverzeichnis zu halten.
13. Maßnahmen auf EU - Ebene
• Adaptierung der Heilmittel - Transparenzrichtlinie auf Grund der Amsterdamer
Verträge (gesundheits - und sozialpolitische Ziele)
• Nachfolgeprodukt zu Eudramat, um die Preistransparenz im EU - Binnenmarkt
bei Heilmitteln zu Gewähr leisten
• Verkürzung des Patentschutzes von Originärprodukten zur Förderung von
Generika
14. Auflage eines verständlichen Gebrauchsinformations - Kompendiums in Apotheken.
Hingegen lässt Ihr Verhalten immer mehr die Vermutung aufkommen, dass Sie unser
Gesundheitssystem durch Milliardenbelastungen ruinieren wollen, damit Sie der Bevölkerung
die Notwendigkeit einer totalen Systemänderung verkaufen können.
Auch Ihre Äußerung, dass man die bestehenden Selbstbehalte auf mittlerem Niveau
vereinheitlichen sollte, bestärkt unseren immer wieder geäußerten Verdacht, dass Sie die
Kranken mit Selbstbehalten stärker belasten wollen, um damit die Unternehmer zu entlasten
(Lohnnebenkostendiskussion). Es ist an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen und klar
zu sagen, wie Ihre Pläne mit dem Gesundheitssystem tatsächlich aussehen.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für
soziale Sicherheit und Generationen nachstehende
1. Wann wollen Sie, die Rezeptgebühr und die Krankenscheingebühr tatsächlich abschaffen?
2. Wie werden Sie den Einnahmenentfall konkret ausgleichen?
3. Wann wollen Sie die Pflichtversicherung (Sozialversicherung) durch die
Versicherungspflicht (Privatversicherung) ersetzen?
4. Was bedeutet Ihre Aussage, dass man die bestehenden Selbstbehalte auf mittlerem Niveau
vereinheitlichen sollte, in konkreten Auswirkungen auf die kranken Menschen?
5. Wollen Sie generelle Selbstbehalte für alle?
a. Falls ja, in welcher Höhe?
6. Wie sehen Ihre Pläne zur Lösung des Finanzproblems der Krankenkassen konkret aus‘?
7. Warum setzen Sie den 14 Punkte Plan der SPÖ, der Einsparungen in der Höhe von
zumindest drei Milliarden Schilling bewirken könnte, nicht um?
8. Denken Sie an Zweckbindungen - z.B. der Tabak - und Alkoholsteuer - für das
Gesundheitswesen?
9. Warum wurden die neuen Vertragsbediensteten mit 1.1.2001, im Zweig der
Krankenversicherung, in die Zuständigkeit der Versicherungsanstalt öffentlich
Bediensteter übertragen?
10. Warum wurde die Bestimmung, die Ausgleichszahlungen zwischen der
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter und den Gebietskrankenkassen, für den
Entfall der Beiträge der neuen Vertragsbediensteten des Bundes (die in der BVA
versichert wurden) und für die „alten“ Vertragsbediensteten (die weiter in den
Gebietskrankenkassen versichert bleiben) gestrichen?
11. Mit welchen Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen müssen die
Gebietskrankenkassen im Jahr 2001 und in den nächsten 10 Jahren, durch die Streichung
der Ausgleichsbestimmung, rechnen?