2787/J XXI.GP
Eingelangt am: 13.07.2001
des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Weiterführung der Psychiatriereform
Psychische Erkrankungen sind in allen Industrieländern im Steigen begriffen. Nach
Schätzungen der WHO stellt die Depression derzeit die vierthäufigste Krankheit dar
und wird in etwa 20 Jahren weltweit die zweithäufigste Erkrankung sein.
Im Durchschnitt ist jeder vierte Mensch einmal in seinem Leben von einer massiven
psychischen Beeinträchtigung betroffen.
Im heurigen Frühjahr wurde der erste Österreichische Psychiatriebericht präsentiert.
Aus diesem Bericht geht hervor, daß fast die Hälfte aller Aufnahmen mit der
Hauptdiagnose einer psychiatrischen Erkrankung in nicht - psychiatrische Abteilungen
erfolgte.
Im ÖKAP wurde richtigerweise eine Dezentralisierung der stationären
psychiatrischen Akutversorgung festgelegt und mit dem Ausbau eines regionalen
ambulanten und rehabilitativen gemeindepsychiatrischen Versorgungssystem
junktimiert.
Dieser Ausbau läßt jedoch auf sich warten und die seit Jahrzehnten andauernde
Psychiatriereform ist vielfach nur Systemkosmetik.
Mangelnde Dezentralisierung der stationären Behandlung sowie der fehlende
Aufbau qualitativer außerstationärer ambulanter und rehabilitativer Strukturen
kennzeichnet die heutige psychiatrische Versorgung in weiten Teilen Österreichs.
Verlierer dieser "Reform" sind in erster Linie Menschen mit schweren psychischen
Erkrankungen und Behinderungen und ihre Familien. Psychisch behinderte
Menschen werden in großem Umfang in Pflegeheime und ähnliche Strukturen
verlagert, deren BewohnerInnen in keiner der Krankenanstaltenstatistiken
aufscheinen. Zudem steigt der Anteil von Menschen mit schweren psychischen
Erkrankungen in der Obdachlosigkeit an.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Der Ausbau und der Betrieb extramuraler Strukturen für die Behandlung,
Rehabilitation und Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und
Behinderungen ist Ländersache. Wie werden Sie die Länder an die bestehende
15a - Vereinbarung
„erinnern“ und diesen Ausbau einfordern?
2. Durch welche Maßnahmen wollen Sie erreichen, daß in Österreich eine
bedürfnisgerechte gemeindepsychiatrische Versorgung von psychisch kranken
Menschen aufgebaut wird?
3. Werden Sie sich dafür einsetzen, daß ausreichende rehabilitative Strukturen
(Arbeit, Beschäftigung, Freizeit, Kommunikation und Tagesgestaltung) für
psychisch erkrankte Menschen aufgebaut werden?
4. Derzeit werden stationäre, ambulante, rehabilitative und Pflegeleistungen aus
verschiedenen Budgettöpfen finanziert. Diese Spaltung in Gesundheits - und
Sozialbudgets behindert eine sinnvolle Reform.
Werden Sie sich für die Schaffung eines „globalen Psychiatriebudget“ einsetzen?
Wenn nein, warum nicht?
5. Ein weiteres Problem ist die geringere Bewertung psychiatrischer Leistungen und
Behandlungen nach dem LKF - System im Vergleich zu anderen Leistungen (z.B.
Chirurgie, Interne,...). Werden Sie dafür sorgen, daß psychiatrische
Erkrankungen höher als derzeit bepunktet werden?