2903/J XXI.GP
Eingelangt am: 9.10.2001
der Abgeordneten Heidrun Silhavy
und GenossInnen
an den Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen
betreffend polemische Briefe von Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck
Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauptverbandes der Österreichischen
Sozialversicherungsträger ist mit 13.8.2001 ein unterzeichnetes Schreiben des Staatssekretärs
für Gesundheit Univ - Prof. Dr. Reinhart Waneck zugegangen.
In diesem Brief ist unter anderem festgehalten (Zitat):
„...Stattdessen wurde jenes Medienspektakel abgefeiert, das Ihnen wohlbekannt ist.
Damit haben jene Herren, die dieses Spektakel veranstaltet haben, weder der Demokratie,
noch der Gesundheitsversorgung einen Dienst erwiesen. Ich bedauere zutiefst, dass tausende
ehrlich besorgte Menschen dazu missbraucht wurden, persönlichen Machtinteressen einiger
weniger zu verteidigen. Das hat nichts mit der Aufrechterhaltung unseres Gesundheitswesen
zu tun. Das ist schlicht und einfach Partei - und Machtpolitik, die den Boden unserer
Konsensdemokratie längst verlassen hat. Auf der Straße werden wir unser komplexes
Gesundheitssystem nicht reformieren können. Das können wir nur in Verhandlungen und
Gesprächen mit ehrlich interessierten Fachleuten und Experten.
Ich appeliere daher an Sie, sich nicht als Spielball fremder Machtinteressen benutzen zu
lassen. ...(Zitatende).“
Dieses Schreiben veranlasst die unterfertigten Abgeordneten zur Feststellung, dass der Herr
Staatssekretär sein Amt missbraucht, um parteipolitisch motivierte Agitation bei den
Bediensteten der Österreichischen Sozialversicherung zu betreiben.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten
nachstehende
Anfrage:
1. War der zitierte Brief mit Ihnen abgestimmt?
a) Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie im Rahmen Ihrer
Ministerverantwortung gegenüber Ihrem Staatssekretär setzen?
2. Entspricht die Diktion „Medienspektakel“ auch Ihrem Demokratieverständnis, wenn
maßgebliche Verfassungsrechtler (Prof. Funke, Prof. Öhlinger, Prof. Mayer)
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorgangsweise in Bezug auf den
Hauptverband äußern?
a) Wenn nein, welche Konsequenzen werden Sie im Rahmen Ihrer
Ministerverantwortung gegenüber Ihrem Staatssekretär setzen?
3. Wer sind die zitierten „Herren“, die nach Meinung Ihres Staatssekretärs dieses
Spektakel veranstaltet haben?
4. Wie wurden tausende ehrlich besorgte Menschen dazu missbraucht, persönliche
Machtinteressen einiger weniger zu verteidigen?
5. Sehen Sie das Vorlegen von Beschlüssen von obersten Gerichten (z. B. das
Verwaltungsgerichtshoferkenntnis, das Hans Sallmutter als Präsident des
Hauptverbandes bestätigt hat) als Partei - und Machtpolitik, die den Boden unserer
Konsensdemokratie längst verlassen hat?
a) Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie im Rahmen Ihrer
Ministerverantwortung gegenüber Ihrem Staatssekretär treffen?
6. Wer sind die fremden Machtinteressen, die nach Meinung Ihres Staatssekretärs die
Mitarbeiter der Sozialversicherung als Spielball benutzten?
7. Wie werden Sie künftig verhindern, dass Ihr Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck
seine Position nicht für polemische und parteipolitisch motivierte Briefe an die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauptverbandes der Österreichischen
Sozialversicherungsträger
missbraucht?
Beilage:
Univ.Prof.Dr. Reinhart Waneck
An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Hauptverbandes der Österreichischen
Sozialversicherungsträger Wien, 13.08.2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
viel ist in den vergangenen Tagen und Wochen über die von der Bundesregierung
eingeleitete Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger berichtet
und geschrieben worden. Dabei wurde nicht alles korrekt wiedergegeben. Daher
möchte ich Sie als unmittelbar betroffene Mitarbeiterinnen persönlich informieren.
Wir befinden uns am Beginn eines neuen Jahrtausends. Vieles, das in der
Vergangenheit gut und erfolgreich war, entspricht heute nicht mehr den
Anforderungen der Zukunft. Dies trifft besonders auf unser Gesundheitssystem zu,
an dem Sie entscheidend mitgearbeitet haben. Sie sind dafür verantwortlich, dass
unsere österreichische Gesundheitsversorgung zu einer der besten der Welt zählt.
Dafür gebührt Ihnen im Namen aller Österreicherinnen Dank und Anerkennung, die
ich Ihnen hiermit aussprechen möchte.
Kein anderes System hat sich In den vergangenen Jahren so rasant entwickelt, wie
die Gesundheitsbranche. Neue bessere Behandlungsmethoden, neue bessere
Medikamente, neue bessere medizintechnische Geräte, neue revolutionäre
wissenschaftliche Erfolge, wie etwa die Entschlüsselung des Genoms, die
ungeahnte Wege in der Heilung von Krankheiten öffnen wird. Auf diese, für uns alle
positiven, Entwicklungen muss eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik
reagieren.
Wer ein gutes System erhalten möchte, muss es ständig verändern, das heißt an die
neuen Gegebenheiten anpassen und für die Zukunft fit machen. Nichts anderes will
die Bundesregierung mit der Reform des Hauptverbandes. Im Laufe der
vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben sich Strukturen gebildet. in denen
effizientes Wirtschaften für den Versicherten nicht mehr möglich ist. Zu viele
Entscheidungsträger blockieren einander gegenseitig - nicht aus Unwillen oder
Unwissen - sondern schlicht und einfach aus dem Umstand heraus, dass sie in
Ihrem System nicht mehr so operieren können, wie es in einem 140 Milliarden
Schilling Unternehmen wie der
Krankenversicherung notwendig ist. Dadurch entsteht
Frustration und letztendlich ein Nachteil für alle Österreicher, die sich auf ihre
Gesundheitsversorgung verlassen.
Die Bundesregierung hat daher entschieden, dem Hauptverband eine neue
Verwaltungsstruktur zu geben. Dazu ist Wochen und Monate, lang mit den
Sozialpartnern verhandelt worden. In fast allen Punkten wurde Übereinstimmung
erzielt, da auch den Sozialpartnern bewusst war und ist, dass unser
Gesundheitssystem nur‚ gerettet werden kann, wenn Veränderungen stattfinden. Zu
meinem größten Bedauern ist buchstäblich in letzter Minute die bereits fixierte
Konsenslösung geplatzt, der alle Sozialpartner, also auch Gewerkschaft und
Arbeiterkammer zugestimmt hätten. Stattdessen wurde jenes Medienspektakel
abgefeiert, das Ihnen wohlbekannt ist.
Damit haben jene Herren, die dieses Spektakel veranstaltet haben, weder der
Demokratie, noch der Gesundheitsversorgung einen Dienst erwiesen. Ich bedauere
zutiefst, dass tausende ehrlich besorgte Menschen dazu missbraucht wurden,
persönlichen Machtinteressen einiger weniger zu verteidigen. Das hat nichts mit der
Aufrechterhaltung unseres Gesundheitswesens zu tun. Das ist schlicht und einfach
Partei - und Machtpolitik, die den Boden unserer Konsensdemokratie längst
verlassen hat. Auf der Straße werden wir unser komplexes Gesundheitssystem nicht
reformieren können. Das können wir nur in Verhandlungen und Gesprächen mit
ehrlich interessierten Fachleuten und Experten.
Ich appelliere daher an Sie, sich nicht als Spielball fremder Machtinteressen
benutzen zu lassen. Helfen Sie auch weiterhin mit ein Gesundheitssystem aufrecht
zu erhalten, das für alle Österreicher zugänglich bleibt. Eine Zweiklassenmedizin,
wie dies immer behauptet wird, will in Österreich niemand, auch ich nicht. Ich will ein
Gesundheitssystem, das auch in Zukunft jedem Österreicher - unabhängig von
Einkommen und sozialem Status - die beste medizinische Versorgung bietet, die es
gibt.
Wir müssen uns daher gemeinsam anstrengen, um diese hohen Anforderungen
auch finanzierbar zu machen. Dabei zähle ich auf ihr Engagement und Ihr
Fachwissen. Gemeinsam - mit Menschlichkeit und Kompetenz - werden wir es
schaffen dieses für alle Österreicher so wichtige Ziel zu erreichen.