3670/J XXI.GP

Eingelangt am: 21.03.2002

ANFRAGE

des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur

betreffend Diskriminierung von ausländischen Mitbürgerinnen durch ein an
österreichischen Schulen verwendetes Schulbuch.

Im Lesebuch Bücherwurm 3 von Bauer, Bugram, Lukarsch und Rogner, Verlag
Veritas, findet sich auf Seite 71 folgender Artikel über die Wohn- und
Lebensverhältnisse einer armenischen Familie in Österreich.

In der eigenen Wohnung

Ein Mitarbeiter der Sozialfürsorge berichtet:

Ich besuche eine armenische Familie. Der Vater ist tüchtig, die Familie hat sogar

eine eigene Wohnung. Zwar nur ein Zimmer aber immerhin eine eigene Wohnung.

Der Vater sitzt beim Tisch, neben sich einen Wassereimer, in dem Wein gekühlt

wird. Auf dem Teller liegen Tomatenscheiben, Gurken, Brothappen, sogar schwarze

Oliven, appetitlich angerichtet. Aus dem Tonbandgerät schallen türkische Lieder.

Im Hintergrund sitzen zwei Mädchen, zwölf und dreizehn Jahre alt, über ihren

Hausaufgaben. Es gefällt ihnen hier, antworten sie auf meine Frage. Sie gehen

gerne zur Schule.

Ich spreche mit der Mutter, ziemlich laut, damit sie mich neben der Musik versteht.

Sie antwortet leise. Ich rücke meinen Stuhl näher zu ihr.

"Zigarette!", sagt der Vater.

Eine Tochter springt auf, holt die Zigaretten aus dem Kasten neben dem Vater und

reicht sie ihm. Dann setzt sie sich wieder zu ihren Büchern.

Eine Weile später steht der Vater auf, streckt sich und sagt: "Es ist fast sechs. Ich

hoffe, es gibt etwas Gutes zum Abendessen."

Die Mutter erschrickt sichtlich und beginnt sofort, Gemüse zu schneiden.

Der Vater wäscht sich lange und gründlich die Hände.

Dann ruft er: "Handtuch, bitte! Schnell, Mädchen!"

Die zweite Tochter läuft quer durchs Zimmer, nimmt das Handtuch vom Haken

neben dem Waschbecken und reicht es dem Vater. Er trocknet sich ab, gibt es ihr

zurück und sie hängt es auf.

"Übrigens, morgen kannst du nicht zur Schule gehen", sagt der Vater. "Ich muss auf

ein Amt, du musst als Übersetzerin mitkommen."

Dieser Text von Renate Welsh zeigt den armenischen Familienvater als
rücksichtslosen Despoten, dessen Familie sich jedem seiner Befehle beugt. Die
Mutter wird als völlig eingeschüchtert dargestellt und kommt im Text nicht zu Wort.
Die Töchter müssen ihre Hausaufgaben unterbrechen um den Vater zu bedienen.
Auch den Schulbesuch verbietet der Vater seiner Tochter für den nächsten Tag, da
er das Mädchen für Dolmetscherdienste benötigt.


Zweifeisohne gibt es Verhältnisse wie die beschriebenen auch in österreichischen
Familien. Diese Zuschreibung der Verhältnisse an eine armenische Familie in
Österreich ist als fremdenfeindlich einzustufen, weil der Eindruck erweckt wird, es
handle sich um ein armenisches Spezifikum.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.      Halten Sie es für gerechtfertigt machohaftes Verhalten in Schulbüchern
ausgerechnet am Beispiel einer Migrantenfamilie zu thematisieren?

2.     Wenn ja, warum?

3.     Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen um solche Darstellungen
abzustellen?

4.     Teilen Sie die Auffassung, das sich armenische Schülerinnen in Österreich
durch diese Darstellung diskriminiert fühlen müssen?

5.     Welche für den Unterrichtsgebrauch in Österreich zugelassenen Bücher und
Unterrichtsmaterialien enthalten Informationen über oder Erwähnungen von
Lebensverhältnissen von MigrantInnen bzw. Ausländerinnen in Österreich?

6.      In welchen dieser Bücher bzw. Unterrichtsmaterialien sind Informationen über
Migrantenfamilien oder Ausländerinnen, die geeignet sind MigrantInnen oder
Ausländerinnen zu diskriminieren?