3720/J XXI.GP

Eingelangt am: 11.04.2002

Anfrage

der Abgeordneten Dr.Trinkl, Amon


und Kollegen

an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

betreffend GKK Steiermark; Chaos, Köpferollen, EDV- und Finanzdebakel

Die unterzeichneten Abgeordneten mussten den Medien unter anderen folgende Meldungen
entnehmen:

Die Kleine Zeitung meldete am 8. April 2002:

GKK: Chaos-Projekt sorg für Riesenkrach

Eigene Fraktion beschloss den roten GKK-Direktor außer Dienst zu stellen. Obmann
vollzog Beschluss nicht und kommt nun selbst in Nöte.

Heiß hergehen wird es heute bei einer internen Sitzung der Fraktion Sozialistischer
Gewerkschafter in der Gebietskrankenkasse: Stein des Anstoßes ist ein EDV-Projekt, bei dem
die Kosten explodiert sind und sich dem Vierfachen der Auftragssumme (rund 13 Millionen
Euro) nähern. Der politische Wirbel geht jedoch darüber hinaus: Vor knapp zwei Wochen hat
die rote Fraktion schon einmal getagt und dabei nichts weniger als die Außer-Dienst-Stellung
des vermeintlich verantwortlichen Kassendirektors Herbert Gritzner beschlossen. Nebst der
fristlosen Entlassung der weiteren verantwortlichen Herren.

Inzwischen ist auch der Chef der von der SPÖ dominierten Selbstverwaltung, Kassenobmann

Erwin Spindelberger, in ein schiefes Licht geraten, weil er nicht ganz so uniformiert über das
EDV-Debakel gewesen sein dürfte, wie es zunächst den Anschein hatte, und weil er dem
Fraktionsbeschluss von vor zwei Wochen nicht Folge leistete. So könnte es denn heute sogar
heißen: Gritzner oder Spindelberger, einer von beiden muss gehen. Spindelberger meinte
dazu gestern nur knapp: ,,Das höre ich zum ersten Mal. " (Siehe auch Interview rechts.)

Am 19. April tagt der Kassenvorstand in einer Sondersitzung. Spätestens dann werden die
Konsequenzen zu ziehen sein, wobei nicht zuletzt der Minister selbst ein mehr als wachsames
Auge darauf hat. Die Chronologie der Ereignisse:

*    Für alle österreichischen Gebietskrankenkassen sollte die steirische GKK ein EDV-
Projekt verwirklichen. Die beiden Hauptverantwortlichen, heute in Pension, unterschätzten
bei weitem Kosten und Aufwand. Dass das Soll schon lange nicht mit dem Ist übereinstimmte,
kann allerdings auch Hauptverband und Lenkungsausschuss (mit Repräsentanten anderer
Kassen) aufgrund der ständigen Budgetaufstockungen nicht entgangen sein.

*    Im Jänner schrie der neue Projektleiter endgültig Alarm, sein Chef, GKK-Direktor
Herbert Gritzner informierte den Hauptverband.

*    In der Folge hielt ein Unternehmensberater eineinhalb Tage lang Einschau, hörte nur
Probleme und verfasste einen katastrophalen Prüfbericht. Den Bericht erhielt pikanterweise
über den Hauptverband auch FPÖ-Minister Herbert Haupt, nicht aber der Vorstand der
GKK. Entsprechend sauer sind vor allem die roten Funktionäre.

*    Haupt stellte GKK-Obmann Erwin Spindelberger zur Rede. Es soll sogar von
Amtsenthebung die Rede gewesen sein.

*    Spindelberger unterrichtete seine Fraktion - und stellte es so dar, als sei er selbst in Wien
überrascht und brüskiert worden, was von den Anwesenden nur als Verfehlung Gritzners


interpretiert werden konnte. Das Gremium beschloss Gritzner außer Dienst zu stellen und die

fristlose Entlassung der Verantwortlichen.

*    Spindelberger vollzog den Beschluss nicht. Manche vermuten, weil er sehr wohl
informiert gewesen ist. Andere halten es mit Vize-Obmann und Christgewerkschafter Erich
Leinler sowie Kontrollausschuss-Chef Franz Schrank, die keine dienstrechtlichen
Verfehlungen sehen. Heute wird Tacheles geredet.

*    Am 21. April soll ein zweites Gutachten vorliegen, das eine Bestandsaufnahme und eine
Bewertung der fehlenden Projektteile vornimmt.

*    Am 24. April wird sich der Hauptverband auf Basis dieses Gutachtens mit den
Konsequenzen beschäftigen. "

Die APA meldete am 7. April 2002:

Teures EDV-Projekt in steirischer Gebietskrankenkasse wird geprüft

UtL: Kolportiertes Köpferollen abgesagt - Entscheidung nach Bericht-Vorlage

am 24. April

Graz (APA) - Ein von den Kosten und der Dauer her aus dem Ruder gelaufenes EDV-
Projekt sorgt in der steirischen Gebietskrankenkasse für Wirbel. Nachdem am Wochenende
Medien in diesem Zusammenhang von einem bevorstehenden Köpferollen in der Führung
wissen wollten, waren am Montag die offiziellen Gremien um Entwarnung bemüht: Die
maßgebliche SPÖ-Fraktion sprach Generaldirektor Herbert Gritzner und Obmann Erwin
Spindelberger das Vertrauen aus, Spindelberger sieht den Grund für die Entwicklung in der
Gesetzesflut der letzten zwei Jahre.

"Die veröffentlichte Meinung ist nicht Meinung der sozialdemokratischen Fraktion der
GKK", stellte Fraktionsvorsitzender Kurt Gennaro klar. Gennaro legte den Fahrplan in
Sachen EDV-Projekt und die Konsequenzen daraus fest: Am 19. April werde sich der
Vorstand mit dem vom Hauptverband beauftragten Prüfbericht der Firma Unisys
beschäftigen, am 24. komme dieser Bericht in den Lenkungsausschuss des Hauptverbandes,
weil das EDV-Projekt ein österreichweites ist und in dem Gremium alle auftraggebenden
Gebietskrankenkassen vertreten sind. Dort werde dann die weitere Vorgangsweise festgelegt,
so Gennaro.

Für Obmann Spindelberger geht es jetzt um das Feststellen etwaiger Fehlerquellen,
die zur Verzögerung und Verteuerung geführt haben......Die Kosten des bisher zu 70 Prozent

realisierten Projekts betragen mittlerweile 13 Mill. Euro, angeblich vier Mal mehr als
ursprünglich geplant. "

Salzburger Nachrichten, 10. April 2002:

“EDV-Kosten: Haupt beauftragt Rechnungshof

WIEN (SN-via). Sozialminister Herben Haupt (FPÖ) hat den Rechnungshof mit einer
Sonderprüfung der steirischen Gebietskrankenkasse beauftragt. Dies teilte sein Sprecher am
Dienstag mit. Grund für die Entsendung der Prüfer sind die Verzögerungen und
Verteuerungen im Zusammenhang mit dem Erstellen des Standard-EDV-Progammes "Melde-,
Versicherungs- und Beitragswesen ". Dieses hätte die GKK Steiermark für alle anderen
Gebietskrankenkassen von 1995 bis 1998 erarbeiten sollen. Fertig ist es immer noch nicht.


Weshalb, nach Informationen aus dem Hauptverband, den GKK insgesamt Mehrkosten von

bis zu 70 Mill. Euro entstanden sein sollen.

Auch der Hauptverband hat nun eine externe Prüfung aller Standardprogramme in Auftrag
gegeben. Das Ergebnis soll noch im April vorliegen. "

Diese Meldungen lösen einiges Erstaunen und Erklärungsbedarf, aber auch Sorge um das
Funktionieren der Krankenversicherung in diesem Bereich aus. Die unterzeichneten
Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
folgende

Anfrage:

1.   Trifft es zu, dass das gegenständliche EDV-Projekt bereits 1998 hätte fertig sein
sollen, aber bis heute nicht fertiggestellt ist, wenn ja, welche Gründe können dafür genannt
werden?

2.   Trifft es zu, dass die Gebietskrankenkassen durch das gegenständliche EDV-Projekt
ein Standardprodukt hätten erhalten sollen, durch das auch bei den einzelnen Trägern EDV-
Adaptierungskosten im Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen aus Anlass des Jahres
2000 und aus Anlass der Euro-Umstellung erspart worden wären?

3.   Trifft es zu, dass diese Ziele nicht erreicht wurde?

4.   Trifft es zu, dass dadurch völlig vermeidbare zusätzliche Umstellungskosten bei den
einzelnen KV-Trägem entstanden sind?

5.   Wie hoch waren die Kosten (Personalkosten, Sachkosten, Investitionsausgaben) durch
die aus Anlass des Jahres 2000 und aus Anlass der EURO-Umstellung ausgelösten EDV-
Adaptierungen im Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen der Gebietskrankenkassen
insgesamt?

6.   Wie hoch waren die ursprünglich (1995) veranschlagten und genehmigten
Projektkosten?

7.   Welche Projektkosten sind im Laufe der Zeit dazugekommen?

8.   Welche dieser Projektkosten wurden auch ordnungsgemäß von der Selbstverwaltung

genehmigt?

9.   Wie hoch werden die Projektkosten nach aktuellen Schätzungen insgesamt werden?

10. Welche Genehmigungen liegen dafür vor?

11. Kann das offenbar um mindestens 5 Jahre verzögerte Projekt angesichts der rasanten
EDV-Entwicklung überhaupt noch sinnvoll verwirklicht werden oder sind nach Ihrer
Einschätzung die gesamten bisherigen Projektkosten “in den Sand gesetzt"?


12. Welcher Schaden ist daher insgesamt entstanden, wenn man die in den oben
genannten Presseartikeln genannten Kostenexplosionen und die bei ordnungsgemäßem
Projektfortschritt vermeidbaren Kosten der ändern Krankenversicherungsträger aus der “Jahr
2000"- und der EURO-Umstellung zusammenzählt?

13. Wie lautete der - entsprechend den Medienberichten vom leitenden Angestellten
veranlasste, angeblich “katastrophale" - Prüfbericht des Unternehmensberaters im vollen
Wortlaut, wem und jeweils wann wurde dieser Prüfbericht zur Kenntnis gebracht?

14. Wann, von wem und mit welchem Ergebnis wurde das Projekt seit 1995 sonst
geprüft?

15. Hat der leitende Angestellte im Vorstand der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse
regelmäßig über den Projektfortschritt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes
berichtet, also über die Einhaltung des Projektplanes hinsichtlich Termine, Finanzen und
Ergebnisse entsprechend einem ordnungsgemäßen Projektcontrolling?

16. Wenn ja, wann, und wie lauteten seine Berichte?

17. Wie lauteten die aufgrund dieser Berichte oder sonst in diesem Zusammenhang
gestellten Anträge im Vorstand, welche dieser Anträge wurden beschlossen und welche nicht,
und wenn nicht, aus welchen Gründen im Einzelnen?

18. Welche Maßnahmen hat der Obmann sonst aufgrund der ihm offenbar bekannten
verheerenden Informationen über dieses Projekt ergriffen?

19. Wenn der leitende Angestellte die oben erwähnten Berichte nicht oder nicht
ausreichend erstattet hat: warum ist dies nicht geschehen, wann genau hat der Obmann im
Vorstand jeweils derartige Berichte urgiert, welche Maßnahmen hat er aufgrund fehlender
oder unzureichender Berichte veranlasst?

20. Welche rechtlichen Folgen kann es für den leitenden Angestellten bzw. für den
Obmann der Steiermärkischen Gebietskrankenkassen haben, wenn sich herausstellt, dass sie
im Zusammenhang mit diesem in den Medien berichteten EDV-Debakel ihre Pflichten
verletzt haben?

21. Werden Sie als oberste Aufsichtsbehörde dafür sorgen, dass die Vorfalle rasch und
gründlich aufgeklärt werden, und die Verantwortlichen gegebenenfalls zum Schadenersatz
heranziehen bzw. auch strafrechtlich belangen?

22. Wie lange wird das dauern und werden Sie dem Nationalrat über das Ergebnis von
sich aus berichten?

23. Was haben Sie bisher zur Aufklärung, zur Beweissicherung und zur Abwehr weiteren
Schadens unternommen?

24. Warum wurde “das Köpferollen abgesagt"?

25. Welche Rolle hat der leitende Angestellte in dieser Angelegenheit nach Ihrer
Einschätzung gespielt: war er Aufdecker des in den Medien berichteten Chaos oder
(Mit)Verantwortlicher?


26. Wenn er Aufdecker war, warum sollte er dann außer Dienst gestellt werden?

27. Wenn er (Mit)Verantwortlicher war, warum wurde er nicht außer Dienst gestellt?

28. Welche Rolle hat der Obmann in dieser Angelegenheit nach Ihrer Einschätzung
gespielt, hat er ihm bekannte Vorgänge gedeckt und die Dinge unverantwortlich lange treiben
lassen oder hat er nichts gewusst und hat sich auch nicht dafür interessiert?

29. Werden Sie den Obmann seines Amtes entheben, wenn ja, wann ?

30. Wenn nein, warum nicht?

31. Können Sie ausschließen, dass der Obmann bzw. der leitende Angestellte, solange sie
im Amt sind, die Überprüfung und Aufklärung behindern, wenn ja, aus welchen Gründen
können Sie das ausschließen?

32. Wenn nein, was werden Sie unternehmen, um eine Behinderung der Untersuchungen
hintanzuhalten?

33. Hat die in den Medien erwähnte “SPÖ-Fraktion" aufgrund des ASVG die Befugnis zu

beschließen, dass der leitende Angestellte außer Dienst gestellt wird und dass andere
Angestellte entlassen werden?

34. Muss der Obmann die Beschlüsse der “SPÖ-Fraktion" vollziehen?

35. Wenn die “SPÖ- Fraktion" also offenbar über Missstände informiert war, warum
wurde nicht der Vorstand mit dieser Angelegenheit befasst?

36. Hat die “SPÖ-Fraktion" nach Ihrer Einschätzung eine “defacto"-Geschäftsführung in

der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse ohne gesetzlichen Auftrag ausgeübt, sodass im
Vorstand, dem zuständigen Selbstverwaltungskörper nur mehr nachvollzogen werden musste,
was in der “SPÖ-Fraktion" bereits entschieden worden war?

37. Wenn ja, wie kommt die “SPÖ-Fraktion" dazu, die Steiermärkische
Gebietskrankenkasse offenbar wie ihr Privateigentum zu betrachten?

38. Wenn ja, trifft oder übernimmt dann die “SPÖ-Fraktion" auch eine rechtliche
Verantwortung aufgrund der angemaßten Geschäftsführung für das Projektchaos, das
mangelnde Controlling und den finanziellen Schaden oder sollen die Verluste nach altem
sozialistischem Muster wieder auf die Allgemeinheit abgewälzt werden?

39. Der Obmann erklärte auch in einem Interview in der Kleinen Zeitung, gegen 5
Projektmitarbeiter seien interne Vorerhebungen eingeleitet worden. Welche Entscheidungs-
und Genehmigungsbefugnisse und welche konkreten Aufgaben hatten diese Mitarbeiter im
Projekt, wie lauteten die an diese Mitarbeiter nachweislich erteilten Aufträge, wie lauteten
ihre letzten beiden Dienstbeschreibungen, wie sind sie gem. §§ 37f. der Dienstordnung für die
Angestellten der österreichischen Sozialversicherungsträger eingestuft?

40. Warum wurden keine Vorerhebungen gegen den leitenden Angestellten eingeleitet?


41. Gibt es irgendwelche Ermittlungen, die sich gegen den Obmann richten?

42. Werden Sie als oberste Aufsichtsbehörde sicherstellen, dass die Aufklärung ohne
Ansehen der Person erfolgt, dass die Verantwortung der vom Obmann genannten Mitarbeiter
in einem fairen Verfahren geprüft wird und dass sie nicht zu Sündenbocken für allenfalls
verantwortliche SPÖ-Funktionäre gemacht werden?