3763/J XXI.GP
Eingelangt am: 18.04.2002
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gertrude
Brinek,
und Kollegen
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend
parteipolitische Vereinnahmung einer Schulbehörde
durch die SPÖ
Die Präsidentin des Wiener
Stadtschulrates, Dr. Susanne Brandsteidl, hat in
einem Interview mit der Tageszeitung “Die Presse" am Montag, den 8.
April
2002, auf die Frage, wer in der SPÖ die Bildungspolitik bestimme, ohne
lange
zu zögern geantwortet, dass dies die in Wien für Schulen
zuständige
Vizebürgermeisterin Grete Laska und sie selbst sei. Die “politische
Tochter"
Laskas, wie Brandsteidl sich selbst bezeichnet hat, will nach der kommenden
Nationalratswahl als Wiener Mandatarin in den Nationalrat einziehen.
Dann könne die Wiener
Schulbehörde im Parlament wieder die Linie
vorgeben - “als Headquarter der SP-Bildungspolitik", wie Brandsteidl
sagt.
Die unterfertigten Abgeordneten sehen in
dieser Aussage Brandsteidls einen
für die Demokratie gefährlichen Griff der Wiener SPÖ nach der
Macht über die
Schulen.
Dass eine Behörde zur
bildungspolitischen Zentrale einer Partei ernannt wird,
hat es in der Geschichte der
2. Republik noch nicht gegeben. Daran sieht
man, welche undemokratischen Missstände drohen, wenn die SPÖ das
alleinige Sagen hat, wie das in Wien derzeit der Fall ist.
Es stellt sich aber auch die
Frage nach dem Demokratieverständnis und dem
Umgang mit den Grundprinzipien der Bundesverfassung, denn diese sehen
einerseits eine klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen dem Bund und
den Ländern vor und andererseits eine Gewaltentrennung zwischen
Verwaltungsbehörden, die
Gesetze des Nationalrates zu vollziehen haben,
und der Legislative, die mit
ihren Gesetzesbeschlüssen die Aufträge an die
Verwaltung erteilt. Überlegungen, nach welchen eine Kommunalpolitikerin
und
eine Verwaltungsbehörde dem Gesetzgeber die Linie vorgeben sollen, sind
daher aus demokratiepolitischer Sicht nicht nur bedenklich, sondern stellen
eine Bedrohung der Grundprinzipien unserer Verfassung dar.
Eine Verwaltungsbehörde
und deren Mitarbeiter haben parteiunabhängig die
Interessen aller Bürgerinnen und Bürger zu wahren, unabhängig
davon,
welche politischen Überzeugungen sie als Menschen haben. Die
Vereinnahmungsversuche für eine politische Partei sind nicht nur
gegenüber
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtschulrates eine Zumutung,
sondern sind auch ein Offenbarungseid über die Denkweise mancher
sozialistischer
Kommunalpolitiker, die Wien offensichtlich als ihr Eigentum
oder ihren Herrschaftsbereich in absolutistischer Form betrachten.
Bedauerlich ist, dass der letztendlich
politisch Verantwortliche, Bürgermeister
und Landeshauptmann Dr. Häupl, als Präsident des Stadtschulrates (die
amtsführende
Präsidentin ist nur seine Vertreterin) zu diesen
demokratiepolitisch höchst bedenklichen Aussagen schweigt und sich bis
heute zu keiner Klarstellung durchringen konnte, dass der Stadtschulrat
für
Wien eine Behörde für alle Bürgerinnen und Bürger und nicht
nur für
Parteimitglieder und -funktionäre ist.
Damit verabschieden sich die
politisch Verantwortlichen für das Wiener
Schulwesen aber vor allem auch von der etwa in den Bundesländern gelebten
guten Tradition, dass die Bildungspolitik möglichst auf einem breiten
gesellschaftlichen Konsens beruhen soll und über Parteigrenzen hinaus
immer
das Wohl der Kinder und Jugendlichen als Maßstab angelegt wird.
Nachdem Dr. Kurt Scholz als
offenbar zu unabhängig abgelöst wurde, ist dies
nun wieder der Griff der Häupl-SPÖ nach der Macht in der Wiener
Schulbehörde und auf die Bildungspolitik, wie sich dies auch an Tatsachen
zeigt, wie etwa dass ein der
SPÖ-nahestehender Bezirksschulinspektor als
Initiator eines “unabhängigen" Bildungsvolksbegehrens auftritt.
Dr. Brandsteidl zeigt mit der
parteipolitischen Auslegung ihres Amtes ein sehr
problematisches Amtsverständnis. Eine politische Gesinnung steht jedem
Menschen zu, aber parteipolitische Vereinnahmung öffentlicher
Dienststellen
ist entschieden abzulehnen.
Diese und zahlreiche andere Aktionen
zeigen, dass hinter dem
parteipolitischen Griff der SPÖ nach den Kindern und Jugendlichen ein
System steht, wie z.B. die unverantwortliche Kampagne der Sozialistischen
Jugend an den Schulen zur Verharmlosung von Drogen.
Man erinnere sich aber auch an die
geplanten SPÖ-Veranstaltungen an den
Wiener Schulen im Oktober 2000, die sogar Präsident Scholz selbst
unterbinden musste, oder an den gescheiterten Versuch der SPÖ im Februar
2001, das Kollegium des Wiener Stadtschulrates parteipolitisch zu
instrumentalisieren.
Nachweislich versuchten Wiener SPÖ-Funktionäre im
Wiener (Vor)Wahlkampf, durch Fehlinformationen über angebliche
Einsparungsmaßnahmen Schüler, Lehrer und Eltern zu verunsichern.
Während von den Regierungsfraktionen
Versuche gestartet werden, ein für
eine AHS-Oberstufenreform fruchtbares Gesprächsklima zwischen den
Fraktionen zu schaffen, antwortet also die Wiener SPÖ mit ihrem
Machtanspruch.
Bei einer gesamthaften Betrachtung zeigt
sich, dass die SPÖ
verantwortungslos agiert, die Interessen der österreichischen Kinder und
Jugendlichen hinter parteipolitische Strategie reiht, für substantielle
Gespräche
zu Weiterentwicklungen keine verlässlichen Ansprechpartner zur
Verfügung
stellt, wie dies durch das Zurückziehen eines bereits unterschriebenen
gemeinsamen Antrages überdeutlich unter Beweis gestellt wurde, sondern vor
allem, dass Parteistrategie und Machtausübung mit allen Mitteln verfolgt
werden, getreu dem Grundsatz “der Zweck heiligt die Mittel".
Daher stellen die unterzeichneten
Abgeordneten an die Bundesministerin für
Bildung, Wissenschaft und Kultur folgende
Anfrage:
1) Welchen
rechtlichen, in der Bundesverfassung verankerten Charakter
hat der “Wiener Stadtschulrat"?
2) Halten
Sie es für zulässig, dass die Verwaltungsbehörde
“Stadtschulrat
für Wien" zum “Headquarter" der SPÖ-Bildungspolitik
umfunktioniert
wird?
3) Wie
viele Schüler kommen im statistischen Schnitt auf einen Mitarbeiter
im Stadtschulrat für
Wien, im österreichischen Durchschnitt auf die
Mitarbeiter der Landesschulräte und des Stadtschulrates und welche
Bundesländer haben den höchsten und niedrigsten Wert im
Verhältnis
Schüler/Mitarbeiter des Landesschulrates/Stadtschulrates?
4) Wer ist
im Zusammenhang mit der AHS-Reform von Seiten der SPÖ als
Ihr Ansprechpartner für
Verhandlungen nominiert worden: Dr. Antoni,
DDr. Niederwieser, Mag. Andrea Kuntzl, Dr.
Gusenbauer, Grete Laska
oder Dr. Brandsteidl?
5) Gibt es bereits ein Ergebnis der Evaluierung der AHS/HS-
Schulversuche auf der
Sekundarstufe l in Wien und wenn ja, was sind
die wesentlichen Erkenntnisse?