3959/J XXI.GP

Eingelangt am: 23.05.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Silhavy

und GenossInnen.

an den Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen

betreffend gesetzwidriger Postenschacher in der Sozialversicherung

Die Regierung traf bisher personalpolitische Entscheidungen, welche die Steuerzahler Millionen Euro
kosten. Die Abfertigungszahlungen für politisch nicht mehr genehme - wenn auch wirtschaftlich
erfolgreiche - Vorstände sind noch in Erinnerung. Auch in der Sozialversicherung wurden politische
Maßstäbe statt fachlicher angelegt. Der Präsident des Hauptverbandes, Hans Sallmutter, wurde per
Gesetzesbeschluss entfernt.

In der fusionierten Großpensionsversicherungsanstalt droht lt. Medienberichten ein Postenschacher, an dem
auch der Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen beteiligt sein soll. Demnach habe am
15.5.2002 eine Sitzung im Parlament statt gefunden, zu dem es ein Protokoll gebe, das einigen Medien
vorliege.

Die zitierten Medien sind: NEWS Nr. 21 vom 23.Mai 2002 und APA Meldung Nr. 290 vom 23.5.2002.
Beide behaupten, dass ihnen das vertrauliche Protokoll der Sitzung vorliege.

Der wörtliche Bericht aus News lautet wie folgt:

"News" Nr. 21/02 vom 23.05.2002                               Seite: 38 Ressort: Politik Von: Alfred Worm Innenpolitik
Schmäh-Ausschreibung
ÖVP und FPÖ traten an, um den Parteienproporz im Staat zurückzudrängen. Sie selbst schanzen sich Posten zu.

Die endgültige Entscheidung trifft, verrät Francois Jennewein als "beratender Personalberater", der so genannte
"Überleitungsausschuss" offiziell und formell am 27. Mai. Parteipolitische Geheimgespräche im Vorfeld dieser
Entscheidung gebe es keine - alles werde vollkommen legal und korrekt abgewickelt.

Jennewein irrt: Die wichtigsten Posten der von der ÖVP-FPÖ-Koalition zur Groß-"Pensionsversicherungsanstalt"
fusionierten PV für Arbeiter (PVArb) und PV für Angestellte (PVAng) wurden zwar öffentlich ausgeschrieben, aber die
Leitungsfunktionen -Leitender Angestellter (Generaldirektor), dessen Vize (Generaldirektorstellvertreter), Chefarzt und
Chefarztstellvertreter - sind schon längst politisch vorausgepackelt.

Die öffentliche Postenausschreibung war ein Pflanz. Noch ehe der "Überleitungsausschuss" (Vorsitz: Karl Haas von
der Gewerkschaft Metall-Bergbau) am 2 7. Mai "beraten " und danach eine "sachliche " Entscheidung treffen wird,
stehen die "Sieger" dieser Ausschreibung längst fest:

* Hofrat Dr. Ewald Wetscherek (ÖVP) wird Generaldirektor der neuen Groß-Pensionsversicherungsanstalt (PV);

* Reinhart Gaugg Nationalratsabgeordneter der FPÖ, wird dessen Stellvertreter;

* Leitender Arzt wird Chefarzt Hofrat Dr. Klaus Schneider (derzeit PVArb);

* dessen Stellvertreter Oberarzt DDr. Michael Walgram (derzeit Arzt in Weikendorf).

Schneider wird gezwungen, sich mit einer Funktionsdauer von 1,5 Jahren zu begnügen. Ihm wird - auch das steht
bereits jetzt fest - Chefarzt Prof. Dr. Rudolf Müller (derzeit: PVAng) nachfolgen. Sollte sich Schneider weigern, eine
Funktionsdauer von anderthalb Jahren zu akzeptieren, wird er sofort durch Rudolf Müller ersetzt.


Öffentliche Ausschreibung. Vor einem Vierteljahr wurden die Leitungsfunktionen für die Groß-PV öffentlich
ausgeschrieben. Für die Funktionen des "Leitenden Angestellten" und dessen ständigen Stellvertreters" bewarben sich
32 Personen (7 aus PVArb, PVAng, 25 extern). 21 Bewerber (13 aus PVArb, PVAng und Hauptverband der
Sozialversicherungen, 8 extern) wollten "Leitender Arzt bzw. dessen ständiger Stellvertreter" werden. Die 53
Bewerberinnen hatten alle darauf gehofft, dass ihr Ansuchen objektiv geprüft und ihr Jobanspruch fair behandelt wird.
Der so genannte "Überleitungsausschuss", der PVarb und PVang zur Groß-PV zusammenführen sollte, hätte - quasi als
Aufsichtsrat der neuen Großanstalt - Ende Mai auch die Leitungsfunktionen vergeben sollen.

"Vertraulich". Noch ehe aber der "Überleitungsausschuss" als Entscheidungsgremium zusammentreten konnte, tagten
bereits hinter verschlossenen Polstertüren die Opinion-Leaders von ÖVP und FPÖ. Am 14. Mai, um Punkt 17 Uhr,
trafen sich im Parlamentsklub der FPÖ folgende Personen zur "Sitzung betr. Pensionsversicherungsanstalt":
Sozialminister Herbert Haupt(FPÖ), Nationalratsabgeordneter Martin Graf(FPÖ), NR Max Hoffmann (FPÖ, Freier
Wirtschaftsverband), NR Walter Tancsits (ÖVP, ÖAAB), Landtagspräsident Johann Römer und weitere Personen.
Darunter auch Hofrat Ewald Wetscherek – der "Gewinner" der öffentlichen Scheinausschreibung.

Da in dieser "Sitzung betr. Pensionsversicherungsanstalt" auch ein Protokoll ("Vertraulich - nicht kopieren - nicht
weitergeben ") verfasst wurde, sind die Sitzungsinhalte schwarz auf weiß bekannt:

Politiker packeln sich die Führungsjobs aus. Neu an dieser Aktivität ist nur, dass Hofrat Wetscherek sich in dieser
Sitzung selbst zum neuen Obergeneraldirektor ernannte. Und neu daran ist auch, dass mit der Ernennung des FPÖ-
Abgeordneten Reinhart Gaugg nicht einmal mehr der Anschein einer Postenobjektivierung erweckt wird: ÖVP und
FPÖ haben die neue Groß-Pensionsversicherungsanstalt quasi im politischen Handstreich übernommen. Erstaunlich
dabei ist, dass sich der Personalsearcher Francois Jennewein als Feigenblatt für diese Schieberei (zu NEWS:
"Entschieden ist meines Wissens noch nichts, aber es zeichnen sich gewisse Entscheidungen ab") hergab. Oder dass
über seinen Kopf hinweg entschieden, er also missbraucht wurde.

Das weitere Prozedere. In dieser Geheimsitzung vom 14. Mai, an der - übrigens gesetzwidrig - auch ein Minister
teilnahm, wurde auch die weitere Vorgangsweise in der Causa Postenvergabe PV besprochen. So wurde beschlossen,
dass wichtige Sozialisten, die jetzt schon in den Pensionsversicherungsanstalten leitend tätig sind, auch in irgendeiner
Funktion beschäftigt werden sollen. Chefarzt Schneider wurde, weil er ja auch Sozialist ist, zum Übergangskandidaten
abgewertet. Das Protokoll vermerkt wörtlich: "Dr. Müller bekommt Zusage, Dr. Schneider nachzufolgen ... Klaus
Schneider zeitlich befristet auf ca. 1,5 Jahre. Andernfalls wird Dr. Müller Chefarzt."

So deutlich wurde noch nie das Ergebnis von öffentlichen Ausschreibungen vorweggenommen, die erst 2004 stattfinden
werden.

Auch Subchefs politisch. Aber nicht nur die großen Bosse der PV neu werden politisch bestellt, auch die Unterchefs
werden von der parteipolitischen Prozedur nicht ausgenommen. Über sie wird aber erst später gepackelt. Wörtlich
heißt es im Protokoll: "Weiters wird vereinbart, dass hinsichtlich der Landesstellen (Geschäftsführer und Chefarzt)
noch Gespräche stattfinden werden. Vereinbart ist, dass zur Zeit keine Entscheidungen getroffen werden."

Eine Vorgangsweise wie diese ist ein eklatanter Widerspruch zum Ausschreibungsgesetz.

Jennewein. Personalberater Jennewein (ÖVP) wird übrigens auch im Geheimprotokoll eingehend gewürdigt. Ihm
wird "betreffend Pressearbeit... ein Auftrag erteilt". Und zwar soll er "eine mediale Begleitung bereits ab Do. den 16.
5. 02 vornehmen " - die Journalisten sollen also bereits zu einem Zeitpunkt auf "die Neuen " eingestimmt
werden, zu dem es sie - zumindest offiziell - noch gar nicht gibt.

Wörtlich weiters: "Dr. Jennewein wird am 27. 5. 02, nach der Bestellung des Leitenden Angestellten, eine
Pressekonferenz gemeinsam mit dem neuen' (Anm.: das Geheimprotokoll setzt das Wort selbstironisch unter
Anführungszeichen) Leitenden Angestellten ... durchführen. Jennewein wird den LA und die anderen Personen
präsentieren. Die Vorbereitung erfolgt gemeinsam mit der Pressestelle der PVAng - GD Wetscherek koordiniert dies
mit den Beteiligten."

Womit des ÖVP-Mannes Wetscherek Rolle schön rund und allmächtig ist: Er bestellt sich selbst, leitet die PV selbst
und präsentiert sich auch selbst.

Öffentlich Ausgeschrieben, geheim gepflanzt
Vier Sieger und 49 Verlierer


An der Ausschreibung Leitungsfunktionen für die PV neu haben sich folgende 53 Personen beworben:
Generaldirektor, Generaldirektorstellvertreter: Gerhard Bergauer, Ferdinand
Ehrenstein, Robert Freitag, Margarete Krösswang, Johann Ritschl,
Ewald Wetscherek (Sieger), Gerhard Zöllner, Reinhart Gaugg (Sieger),
Helga Schwager, Michael Heiplik, Wolf-Dietmar Liewehr, Günter Haas,
Brigitte Eichinger, Bernhard Janousek, Anton Wendrinsky, Horst
Weissenborn, Ingeborg Kobsik, Otto Freiberger, Andrea Richter, Azam
Puffler-Bassiri, Walter Basta, Thomas Luttenfelder, Daniela Wallner,
Ernst Haslbauer, Martin Bundschuh, Manfred Löffler, Josef Dornhackl,
Elisabeth Schöbinger, Peter Pristusek, Siegfried Finz, Renata
Prokopiuk, Djordje Pavlov plus 21 Ärztinnen für den Arztposten.
Sieger: Klaus Schneider und Michael Walgram.

Bild: Das Geheimprotokoll. Dieses Papier wurde am 15. Mai in den

Räumen des FPÖ-Parlamentsklubs aufgenommen. Es reguliert die

gesetzwidrige Aufteilung der Pensionsversicherungsposten.
Bild: Sozialminister Herbert Haupt. Seine Aufgabe wäre es gewesen,

die Jobvergabe in der Sozialversicherung objektiv abzuwickeln.

Aber er mischte vorher mit.
Bild: Berater Jennewein: Er bereitete die öffentliche

Postenausschreibung beratend vor und wird die "Neuen "

präsentieren. Am 27. Mai endet die Postenfarce.
Bild: PV-Vizeboss Gaugg: Im FPÖ-Klub erkoren, ist er der ideale

Kämpfer gegen Parteienproporz.
Bild: PV-Boss Wetscherek: Selbst bestellt und selbst präsentiert -

der neue Stil.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Soziale Sicherheit
und Generationen folgende

Anfrage:

1.   Sind Sie in Kenntnis einer Sitzung, wie in der Anfragebegründung bzw. in den Medienberichten
zitiert?

2.   Haben Sie an dieser Sitzung zu irgend einem Zeitpunkt teil genommen?

3.   Hat Ihr Pressesprecher Gerald Grosz an dieser Sitzung zu irgend einem Zeitpunkt teil
genommen?

4.   Wenn Frage 2 oder 3 mit ja beantwortet: Was war Gegenstand der Sitzung?

5.   Wenn Frage 2 oder 3 mit nein beantwortet: Werden Sie bzw. Ihr Pressesprecher die genannten
Medien klagen?

6.   Welche Kompetenz bzw. welchen Auftrag hatten die in der Runde anwesenden Personen
bezüglich der Postenbesetzungen?

7.   Wie lautet die Reihung der Bewerberinnen für den Posten des Generaldirektors bzw.
Stellvertreter der Pensionsversicherungsanstalt?

8.   Wie lautet die Reihung der Bewerberinnen für den Posten des Chefarztes bzw. Stellvertreter der
Pensionsversicherungsanstalt?


9.   Wie lauten die qualifikatorischen Begründungen für die ersten drei Kandidatinnen für den
Generaldirektorsposten?

10. Wie lauten die qualifikatorischen Begründungen für die ersten drei Kandidatinnen für den
Chefarztposten?

11. Von wem wurde dem Personalberater Jennewein im Zusammenhang mit den Postenbesetzungen
der Auftrag erteilt, “eine mediale Begleitung bereits ab Do., den 16.5.02 vorzunehmen"?

12. Was sollte vom Personalberater Jennewein ab 16.5.02 medial begleitet werden?

13. Wie lautet der Gesamtauftrag für Personalberater Jennewein?

14. Wie hoch sind die dafür veranschlagten Kosten?

15. Aus welchem Budget werden diese Kosten bezahlt?

16. Sind weitere Termine der zitierten Runde für die Gespräche über die Besetzung der Posten in
den Landesstellen bekannt?

17. Wie wird die Ablöse von Dr. Schneider durch Dr. Müller nach 1 1/2 Jahren begründet?

18. Welche Verwendung wird für die nicht bedachten, derzeit amtierenden Generaldirektoren und
Generaldirektoren-Stellvertreter (Ferdinand Ehrenstein, Robert Freitag und Dr. Margarete
Krösswang) in der neuen Pensionsversicherungsanstalt gefunden werden?

19. Entspricht es den Tatsachen, dass laut Dienstordnung es zu keiner bezugs- und
verwendungsrechtlichen Verschlechterung kommen darf?

20. Wie lässt sich mit den Sparzielen der Bundesregierung vereinbaren, dass es drei
Generaldirektoren-Stellvertreter bezugsrechtlich geben wird?

21. Werden Sie als oberste Aufsichtsbehörde einem Sondervertrag mit Nationalratsabgeordneten
Gaugg mit den enormen Gehaltsforderungen von kolportierten 200.000 Euro jährlich
zustimmen?

22. Beabsichtigen Sie, auf Grund der Umstrukturierungen - ähnlich wie im öffentlichen Dienst -
Mitarbeiterinnen der Sozialversicherungsanstalten in Zwangspension zu schicken?