4070/J XXI.GP
Eingelangt am: 14.06.2002
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter
und GenossInnen
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Vergabe des LKW-Mautsystems
Seit längerem werden von der
Bundesregierung Maßnahmen zu einer
raschen
Einführung eines LKW-Mautsystems mit bemerkenswerter
Konsequenz
verschleppt.
Zuletzt erfolgte durch die
ASFINAG im Rahmen eines in jeder Hinsicht
problematischen Ausschreibungsverfahrens der Zuschlag zu einem System,
welches
in Fachkreisen einhellig als antiquiert und keinesfalls
zukunftsorientiert
bezeichnet wird.
So soll demnächst ein
europaweites Bemautungssystem auf Basis des
modernen und weltweit
führenden GSM/GPS-Systems eingeführt werden.
Dieses System ist multifunktional einsetzbar und gegenüber dem von der
ASFINAG offenbar ausschließlich
gewünschten Mikrowellensystem
wesentlich zukunftstauglicher.
Trotzdem wurde ein Anbieterkonsortium des GSM/GPS-Systems
schon im
Vorfeld auf eine Weise aus dem Verfahren ausgeschieden, welche - gelinde
gesagt - Zweifel an der Objektivität
der Vergabe als gerechtfertigt erscheinen
lassen. Entgegen einer Empfehlung
der Bundesvergabekontrollkommission,
mit einem von der ASFINAG
ausgeschiedenem Konsortium sowie mit anderen
Anbietern in Verhandlungen
einzutreten, ist diese sachliche Empfehlung von
der ASFINAG beharrlichst ignoriert
worden.
Die ASFINAG würde durch das
GSM/GPS-Systems und den wesentlich
früheren Start der
Bemautung bereits Mitte 2003 zusätzliche Einnahmen in
Höhe von 150 Mio. Euro lukrieren. Diese Zusatzeinnahmen sind weit
größer
als die Preisdifferenz des GSM/GPS-Systems
gegenüber dem
Mikrowellensystem.
Der Eurovignettenverbund (Deutschland,
Benelux, Dänemark und
Schweden) und somit
insbesondere Deutschland ist der größte Handels-,
Tourismus- und Verkehrspartner
Österreichs. Es scheint daher als eine
absolute Notwendigkeit, ein Mautsystem einzuführen, das die
Handhabung
der Bemautung in den beteiligten Staaten kompatibel und so einfach wie
möglich macht.
Beim
gegenwärtigen Mikrowellensystem kann zwar ein deutscher LKW mit
einer deutschen On Board Unit in Österreich bemautet werden, umgekehrt
ist jedoch ein zusätzliches Gerät
notwenig.
Die Verknüpfung von Road Pricing
mit Location Based Services (LBS)
ermöglicht
eine Vielzahl von Mehrwertdiensten in den Bereichen
Verkehrstelematik
(Verkehrsmanagement und Verkehrsinformation) sowie e-
Logistics.
Mit diesen Zusatzdiensten wäre auch ein beträchtlicher
volkswirtschaftlicher
Effekt verbunden, da durch verbesserte
Verkehrssteuerung und Transportoptimierung die
Transportzeiten verringert
würden. Das System trägt auch zur Stauvermeidung und zur Verbesserung
der Umweltsituation bei. Verkehrsstaus kosten der Volkswirtschaft heute
laut ÖAMTC jährlich ca. 18,7 Mrd.
EUR.
Das GPS-GSM System wäre voll in die
europäische
Verkehrstelematikoffensive
integrierbar, ein Mikrowellensystem ist dafür
nicht
geeignet.
Der Verkehrsministerrat hat im Juni
1999 beschlossen, dass die europäische
Kommission
gemeinsam mit der europäischen Weltraumorganisation ein
Netz von Satelliten
entwickeln soll, das in Aufbau und Funktionalität dem
amerikanischen Global Positioning System
(GPS) überlegen ist. Diese
Satellitennavigationssystem ist ein europäisches Projekt unter dem
Namen
Galileo. Die Realisierung ist sowohl für die EU als auch für
Österreich von
strategischem Verkehrs- und technologiepolitischem
Interesse.
Die österreichische Wirtschaft wird von den
technologischen Entwicklungen
im Rahmen von GALILEO enorm profitieren.
Ein wesentlicher positiver
Aspekt ist die verstärkte Einbindung der Klein- und
Mittelunternehmen und
damit die Herstellung fairer Bedingungen bei
der Vergabe der
Entwicklungsaufträge.
Bereits vor zwei Jahren hat Österreich durch die
Einrichtung des GALILEO
Contact Point Austria den Willen bekundet, eine Vorreiterrolle in diesem
wichtigen und zukunftsorientierten
Technologiefeld zu übernehmen. Eine
Entscheidung gegen ein GPS-GSM System
widerspricht den bisherigen
Intentionen Österreichs.
Im 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung und
technologische Entwicklung
ist explizit die GSM-Norm erwähnt
sowie als Ziel die Entwicklung der
nächsten Generation mobiler Kommunikationssysteme definiert. Auch
der
Aufbau des europäischen
Satellitennavigationssystem GALILEO wird als
Maßnahme festgeschrieben.
Wenn Österreich nicht rechtzeitig auf diese
Entwicklungen reagiert, verliert
unser Land den Anschluss an die neuen stark
wachsenden
Wirtschaftsräume. Ziel muss sein, die Qualität der
Infrastruktur durch den
Einsatz modernster Technologien zu
optimieren.
Durch die EU-Erweiterung wird nicht nur der
Güterverkehr zunehmen, es
wird auch die Frequenz des Personenverkehrs ansteigen. Derzeit pendeln
täglich rund 9.000 Personen aus Ungarn, Slowenien, Tschechien und der
Slowakei in den Großraum Wien. Bis zum Jahr 2010 wird sich dieser Anteil
auf etwa 30.000 Pendler erhöhen. Insgesamt werden dann aus diesen vier
Nachbarländern etwa 58.000 Tagespendler nach Österreich kommen. Wird
der Öffentliche Verkehr nicht ausgebaut, werden 88 % davon mit dem Pkw
fahren. (VCÖ, EU-Erweiterung
- verkehrspolitische Chance für Österreich,
Schriftenreihe Wissenschaft
und Verkehr 2/2002)
Eine Ausweitung der Bemautung
auf den PKW -Verkehrs ist zwar momentan
nicht geplant, angesichts der Verkehrsprognosen aber durchaus möglich.
De Facto gibt
es bereits mit der
"Autobahnvignette" eine zeitabhängige
Gebühreneinhebung
für den PKW-Verkehr.
Eine Umstellung auf eine
streckenabhängige Bezahlung
wäre mit GPS/GSM Technologie jederzeit - im
Gegensatz zum Microwellensystem - ohne
bedeutende Zusatzinvestitionen
möglich.
Die Realisierung des
Microwellensystems macht den Bau von 800 primitiven
Überkopfbalken an den
Autobahnen notwendig. Sollte sich die ASFINAG in
Zukunft für ein moderneres System
entscheiden (im Vertrag ist die
Möglichkeit für einen
Systemwechsel enthalten), stellt sich die Frage, was mit
800 Metallkonstruktionen in der österreichischen Landschaft geschehen
soll.
Die unterzeichnenden Abgeordneten
stellen daher an den Bundesminister für
Verkehr,
Innovation und Technologie nachstehende
Anfrage:
1. Kann die ASFINAG bzw. die Republik
Österreich auf gesicherte
Mehreinnahmen in Höhe
von 150 Mio. EUR verzichten, die bei einer früheren
Inbetriebnahme des Mautsystems
gewährleistet sind ?
2. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten,
dass das österreichische Mautsystem kompatibel (wechselseitig einsetzbar)
mit Österreichs wichtigsten Transportpartnern Deutschland und Holland -
die sich bereits für das GPS-GSM System
entschieden haben - ist ?
3. Ist es Österreichischen Frachtern zumutbar, dass
Sie für Fahrten bei
ihren größten Handelspartnern, die das GPS-GSM System benützen,
jeweils
eine weitere, kompatible On Board Unit mitführen müssen ?
4. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten,
dass das GPS-GSM System vielfältige Möglichkeiten im Bereich
Telematik-
Dienste bietet ?
5.
Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten,
dass die "Verkehrstelematikoffensive 2002 plus" des
Bundesministeriums für
Verkehr, Innovation und Technologie rasch und effizient realisiert wird ?
6. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten, am
Zukunftsmarkt der
Satellitennavigation (Projekt GALILEO) teilzunehmen ?
7. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten,
dass Österreich in der Entwicklung der
Zukunftstechnologie GPS-GSM
Mauterfassung und Telematik eine führende Rolle einnimmt ?
8. Kann die ASFINAG bzw. die Republik
Österreich darauf verzichten,
dass das
GPS-GSM System konform mit den im 6. EU-Rahmenprogramm für
Forschung
und technologische Entwicklung aufgelisteten Normen im Bereich
Informationstechnologie
ist ?
9. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten,
dass das GPS-GSM System jederzeitige ohne
Zusatzinvestionen auf andere
Bemautungsstraßen ausweitbar
ist ?
10. Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich
darauf verzichten,
dass das GPS-GMS System jederzeitig ohne
bedeutende Zusatzinvestitionen
auf andere mautpflichtige Fahrzeugkategorien
(z. B. PKW) ausweitbar ist ?
11. Kann die ASFINAG bzw. die Republik
Österreich die erhebliche
Beeinträchtigung
des österreichischen Landschaftsbildes durch primitive
Überbauung
der Autobahnen an rund 800 Stellen mit komplexen
Metallstrukturen vertreten ?
12.
Kann die ASFINAG bzw. die Republik Österreich darauf verzichten,
dass die für das österreichische Mautsystem eingesetzten On Board
Units
konform mit den Normen des Europäischen Komitees für Normung (CEN)
und dem Europäischen Institut für
Telekommunikationsstandards (ETSI)
sind ?
13. Was sind die tatsächlichen Gründe für
die versuchte bemerkenswerte
Bevorzugung
eines veralterten Microwellesystems?