4184/J XXI.GP

Eingelangt am: 10.07.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend unzutreffende Aussagen der Bundesregierung und des Verkehrsministers
über ein angeblich “klares Konzept zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrswege"
(Generalverkehrsplan)

In einer mehrseitigen Werbepostille der HL-AG mit dem irreführenden Titel “Schienen in die
Zukunft", die jüngst unter anderem mehreren Tageszeitungen beigelegt war, ist ein
umfangreiches Interview mit BM Reichhold wiedergegeben. Der Minister trifft darin erneut
öffentlich Falschaussagen zur Finanzierung der Bahninfrastruktur und zur angeblichen
Finanziertheit der Bahnprojekte aus dem Generalverkehrsplan. Da das Setzen neuer
Prioritäten kategorisch abgelehnt wird, wird zugleich die im Generalverkehrsplan
festgeschriebene falsche Prioritätensetzung Straße vor Schiene - wenn man von den
relevanten Größen der Ausgaben in den nächsten Jahren und der Finanzierungssicherheit
und nicht wie die Regierungs-PR vom irrelevanten Vergleich völlig fiktiver Gesamtsummen
ausgeht - aufrechterhalten. Bereits im Vorfeld der Präsentation des GVP-
Zwischenergebnisses durch die Bundesregierung im Jänner 2002 haben die Grünen
detailliert Kritik an den nicht nachvollziehbaren Vorstellungen der GVP-Autorlnnen bzw. der
Bundesregierung zur Finanzierung insbesondere der Bahnprojekte geübt. Diese Kritik wurde
inzwischen unter anderem vom Rechnungshof vollinhaltlich bestätigt. Anderslautende
Aussagen von BM Forstinger, ihrem GVP-koordinierenden Kabinettschef und von BM
Reichhold werden damit als Wunschdenken und Irreführung der Bevölkerung enttarnt.

Dennoch versucht die Regierung mit BM Reichhold an der Spitze, die Fiktion aufrecht zu
halten, sie hätte erstens ein sachlich und finanziell nachvollziehbares Konzept zur
Verkehrsinfrastruktur, würde dieses zweitens auch wie “geplant" umsetzen und würde damit
drittens einen Schwerpunkt auf umweltfreundliche Verkehrswege setzen und so zur
Verkehrsverlagerung weg von der Straße beitragen. Aktuell wird dies tatsachenwidrig auch
in teuren Inseraten der sogenannten Informationsinitiative der Bundesregierung zur EU-
Erweiterung (“Chance EU-Erweiterung: Verkehrspolitik") behauptet.

Real ist das genaue Gegenteil der Fall: Das Konzept GVP ist

+ nicht sachlich, sondern als Summe von Wunschlisten zustandegekommen,

+ es ist finanziell insbesondere im Schienenbereich mehr als neblig,

+ es wird mitnichten in der vorliegenden Form umgesetzt - jede Menge Änderungen sind

bereits paktiert bzw. werden nahezu täglich diskutiert. Zugleich wird seitens des Ministers

offen zugegeben, dass im Falle zusätzlicher Gelder von anderswo jedes andere Projekt oder

jede Projektbeschleunigung möglich sei, womit zugleich über die sachliche Qualität und

Haltbarkeit der hochgelobten “Prioritätensetzung" im GVP alles gesagt ist,

+ es wird in den nächsten Jahren überwiegend auf Straßenbau gesetzt, während die beiden

größten Schienen-Pakete 1b und 2 erwiesenermaßen nicht finanziert sind,


+ und das Verpulvern von Riesensummen in Maximalplanungen für Schienen- und
Wasserstraßenausbauten kann letztlich das Gegenteil von “umweltfreundlichen
Verkehrswegen" zum Ergebnis haben und überdies volkswirtschaftlich und aus Sicht einer
unweitverträglichen Verkehrspolitik ineffizient, ja kontraproduktiv sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.  Wie begründen Sie Ihre in der jüngsten HL-AG-Werbeschrift wiedergegebene
Aussage, wonach neue (gegenüber dem GVP) Prioritäten hinsichtlich des
Ausbaus der Schiene “sicher nicht" gesetzt werden, wo Sie doch im Gegenteil
sehr wohl bereits Veränderungen vollzogen und angekündigt haben?

2.  Wie begründen Sie Ihre Aussage, dass Finanzierungen, die “unser Budget"
(sprich das Bundesbudget) nicht belasten, dazu führen, dass “alles möglich
ist", also auch, dass Infrastrukturprojekte, die im GVP aus (angeblich?)
sachlichen Gründen mit nachrangiger Priorität versehen oder gar nicht
aufgenommen wurden, doch realisiert bzw. früher bzw. größer als im GVP
vorgesehen realisiert werden?

3.  Wird nicht durch eine rein der finanziellen Machbarkeit untergeordnete
Prioritätensetzung im Infrastrukturbereich der gesamte mühevoll
aufrechterhaltene Anspruch der Bundesregierung Lügen gestraft, wonach der
GVP ein nach sachlichen Erfordernissen gestaltetes Konzept und eine
verbindliche Grundlage weiterer Infrastrukturentwicklung des Bundes sei?

4.  Sind Finanzierungsformen, die ganz oder teilweise Vorfinanzierungscharakter
haben und damit zwar das aktuelle Bundesbudget nicht belasten, künftige
Bundesbudgets und/oder Budgets anderer Gebietskörperschaften jedoch sehr
wohl und dies durch nötige Zinszahlungen in zum Teil erheblich höherem
Ausmaß, für Sie

a) zulässig,

b) nachhaltig (im Hinblick auf künftige Generationen und deren budgetäre
Spielräume),

c) Schulden oder keine Schulden,

d) ein Beitrag zu einem Kurzzeit-“Nulldefizit" auf Kosten künftiger
Budgetspielräume?

5.   Ist für Sie eine Mischfinanzierung von Infrastruktur aus Bundes- und

Landesmitteln “Public-Private-Partnership", und wenn ja, wie begründen Sie
dies?

6.  Bei welchen Verkehrsinfrastrukturprojekten des Bundes ist konkret eine
Mischfinanzierung a) mit Einbindung tatsächlich Privater bzw. b) mit
Einbindung anderer Gebietskörperschaften (bitte aufgliedern) in Planung bzw.
in Überlegung, und bis wann werden die Entscheidungen jeweils fallen?

7.  Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Bericht des Oberösterreichischen
Landesrechnungshofes über die “Initiativprüfung Umfahrung Ebelsberg", der
sich mit dem ersten großen PPP-finanzierten und -errichteten
Verkehrsinfrastrukturprojekt Österreichs befasst und in der gut begründeten
“Empfehlung" mündet, “grundsätzlich eine Nachahmung des Modells kritisch
zu überdenken bzw. zu unterlassen", insbesondere angesichts der Tatsache,
dass ein federführend in dieses Projekt eingebundener oberösterreichischer


Finanzierungsexperte auch Berater im GVP-Prozeß und in weiteren PPP-
Überlegungen des BMVIT ist?

8.  Wie können Sie Ihre in der HL-AG-Schrift enthaltene Aussage belegen, dass
die Mittel für den Ausbau der Schiene wie im GVP vorgesehen “auf jeden Fall"
gesichert seien, wo doch von Ihnen selbst und zusätzlich vom
Rechnungshofspräsidenten abwärts klar und wiederholt festgehalten wurde,
dass die Schienen-Pakete 1b und 2 des GVP nicht finanziert sind?

9. Auf welche der Öffentlichkeit bisher vorenthaltenen zusätzlichen Fakten oder
Finanzierungskanäle stützen Sie Ihre Überzeugung (im Zusammenhang unter
anderem mit dem Semmeringbasistunnel, vgl. auch 3525/AB, Antwort zu
Fragen 8-12), dass einige “sehr wichtige" Projekte aus dem Paket 1b “schon
aus dieser Sicht" (nämlich weil sie sehr wichtig sind) realisiert werden, obwohl
sie nachweislich nicht finanziert und auch - aufgrund hoffentlich sachlicher
Erwägungen - mit nachrangiger Priorität versehen sind?

10. Welche Projekte sind die von Ihnen in 3525/AB (Antwort zu Fragen 8-12)
angesprochenen “sehr wichtigen" Projekte, und welche Kriterien sind für die
Unterscheidung zwischen diesen “sehr wichtigen" und anderen - offenbar
unwichtigen, aber trotzdem in dieselben Pakete des GVP aufgenommenen -
Projekten maßgeblich?

11. Auf welchen objektiven Kriterien wie beispielsweise Verkehrszahlen beruht
der geplante autobahnmäßige Ausbau der S10 als TEN-Transitachse, wo
doch im selben Bundesland für die bis zum 31.3.2002 gleichrangig geführte
B309 Richtung Steyr trotz höherer Verkehrszahlen ein zweispuriger Ausbau
für völlig ausreichend gehalten wird?

12. In welcher Weise ist der Ausbau und die verstärkte Nutzung der
Summerauerbahn und ihrer tschechischen Anschlussstrecke(n) in die
Prognosen eingegangen, die den Ausbauplänen für die S10 zugrundeliegen?

13. Wie verträgt sich Ihre auf die GVP-Inhalte bezogene Aussage in 3626/AB
“Die grundsätzliche und sehr weitgehende Förderung umweltfreundlicher
Verkehrsträger drückt sich in den entsprechend hohen Anteilen, insbesondere
der Schiene, am Gesamtinvestitionsvolumen aus" mit der von Ihnen selbst
zutreffend eingestandenen Realität, dass die überwiegenden Anteile dieses
Gesamtinvestitionsvolumens im Schienenbereich (Paket 1b und 2) nicht
finanziert und somit virtuell sind?

14. Wird das angekündigte Autobahnprojekt Klagenfurt-St.Veit a) aus

Bundesmitteln mitfinanziert, b) in das Bundesstraßennetz rücküberantwortet?

15. Wird mit dem angekündigten Autobahnprojekt Klagenfurt-St.Veit eine

“Landesautobahn" geschaffen, und wenn ja, wie ist dies mit der Zuständigkeit
des Bundes für “Straßen mit Bedeutung für den Durchzugsverkehr" nach Art.
10 Z 9 B-VG sowie mit Ihrer Aussage in 3626/AB (Antwort zu Frage 17),
wonach “der Bund (...) für Autobahnen und Schnellstraßen zuständig ist",
vereinbar?

16. Sie treffen in 3626/AB (Antwort zu Frage 8) die klare Festlegung, daß
Fördermaßnahmen für den Gütertransport auf der Donau und Maßnahmen
zum Donauausbau unterhalb Wiens nur sinnvoll seien, “wenn zugleich auch
ein entsprechender Ausbau in den Nachbarländern stromauf- und
stromabwärts erfolgt". Werden Sie - da hievon insbesondere unterhalb
Österreichs auf Jahrzehnte keine Rede sein kann - daher von
kontraproduktiven Kombiverkehrs-Subventionen, die die ebenfalls
subventionierte Schiene konkurrenzieren, auf der Donau und von im GVP
enthaltenen überdimensionierten Donau-Ausbauprojekten Abstand nehmen?


17. Wann werden Sie die von Ihnen mit monatelanger Verspätung in der letzten
Sitzung des Verkehrsausschusses angekündigte Informationsrunde für den
Verkehrsausschuß über den GVP und die daran seit der Präsentation
vorgenommenen und in Aussicht genommenen Änderungen einladen?

18. Können Sie die Prüfungskriterien, Prüfungsabläufe und Ergebnisse der von
Ihnen in 3487/AB (Antwort zu Frage 7) angekündigten “nochmaligen
Wirtschaftlichkeits- und Dringlichkeitsprüfungen" für die seit Präsentation des
GVP in Angriff genommenen Investitionsprojekte im Schienenbereich
wiedergeben?

19. Warum ist im Gegensatz zu Schienenbauvorhaben für GVP-
Straßenbauvorhaben keinerlei “nochmalige Wirtschaftlichkeits- und
Dringlichkeitsprüfung" vor Inangriffnahme der Umsetzung vorgesehen?

20. Durch Anwendung welcher standardisierter, transparenter, nachvollziehbarer
Kriterien und Methoden wird im einzelnen sichergestellt, dass im GVP
vorgesehene Ausbaumaßnahmen im Straßennetz “möglichst effizient"
durchgeführt werden, wie von Ihnen in 3626/AB (Antwort zu Frage 21)
behauptet?

21. Wie begründen Sie Ihre in der Sitzung des Verkehrsausschusses am
26.6.2002 getroffene Aussage, wonach es beim Lärmschutz an der
Tauernautobahn-Scheitelstrecke offenbar aufs Geld ankommt, beim Bau
zweiter Tunnelröhren jedoch nicht? Warum sind insbesondere keine Abstriche
von kapazitätssteigernden und damit problemvergrößernden Bauvorhaben
möglich, von nötigen Lärmschutzmaßnahmen in diesem Zusammenhang
jedoch sehr wohl?

22. Was ist im einzelnen Inhalt und Verhandlungsstand der neun von Ihnen über
die Medien angekündigten Verträge zu den ehemaligen Bundesstraßen mit
den Bundesländern, die offenbar die mit der überhasteten Verwaltungsreform
und Veränderung verbundenen Abstimmungsprobleme, Koordinationsmängel
und Mehraufwände wenigstens in diesem Teilbereich regeln sollen?

23. Welche Kosten sind mit dem sachlich unrichtigen Transit-Inserat - das
jedenfalls Ihren Vollzugsbereich berührt - im Rahmen der erwähnten EU-
Erweiterungs-Werbekampagne der Bundesregierung verbunden, und wer    
trägt diese Kosten?