4220/J XXI.GP
Eingelangt am: 11.07.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten
Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend die Absicht der
Regierung, bei der Postbus-“Privatisierung" ein kartell- und
EG-rechtlich fragwürdigen Beinahe-Monopol "Austro-Bus" im
österreichischen
Kraftfahrliniensektor herbeizuführen
Im Zusammenhang mit den geplanten
Eigentumsveränderungen bei der Postbus AG
sind mittlerweile eine Vielzahl an rechtlich fragwürdigen oder klar
rechtswidrigen
Maßnahmen und Schritten gesetzt beziehungsweise angekündigt worden.
Speziell
der Ministerratsvortrag von BM Grasser vom 14. 5. 2002, Grundlage eines
Regierungsbeschlusses, strotzt vor solchen Aussagen, daneben aber auch die
Aussagen von BM Reichhold und mehrerer involvierter wie interessierter
Unternehmen bis hin zur ÖIAG.
Unabhängig von der Beurteilung des
“Geschäftes" Postbus aus verkehrspolitischer
und dienstnehmerlnnenseitiger Perspektive vermittelt diese Vorgangsweise der
Regierung einen chaotischen, europa- und kartellrechtlich laienhaften Eindruck:
Aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 14.5.2002 hat die Hauptversammlung
der ÖIAG am 6.6.2002
beschlossen, 100 % der Aktien der österreichischen
Postbus AG an die ÖBB AG
abzugeben. Dieser Schritt steht bereits im Widerspruch
zum ÖIAG-Gesetz (insbesondere §§ 7 und 8), das keine
Veräußerung an ein
Unternehmen im Staatsbesitz, sondern vielmehr die Privatisierung der
Unternehmen
im Besitz der ÖIAG vorsieht. Offensichtlich ist weiters eine
öffentliche
Interessentensuche unterblieben, obwohl sie im Sinne des Verfassungsgebotes der
Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit erforderlich und
zur Vermeidung
beihilfenrechtlicher Schwierigkeiten (Verkauf öffentlichen Eigentums unter
dem
Marktpreis ist eine verbotene Beihilfe i S d Art 87 Abs 1 EG-V) bzw. im Sinn
eines
fairen und unverfälschten Wettbewerbs (vgl Urteil des EuGH in der Rs
C-324/98,
"Telaustria", wesentlich auch Judikatur zu “Golden share")
geboten ist. Dies führt im
Ergebnis dazu, dass ein Marktpreis des zu veräußernden Unternehmens
nicht
ermittelt wurde. Alles deutet darauf hin, dass nicht der Unternehmenswert der
Postbus AG oder der Marktpreis, sondern die Zahlungsbereitschaft des einzigen
zugelassenen Kaufinteressenten den Verkaufspreis bestimmen. Gutachten über
den
Unternehmenswert liegen ebensowenig vor. Wie somit die Vorgabe erfüllt
werden
sollte,
dass "beider Vertragsgestaltung... sämtliche maßgeblichen
inländischen und
EU-Rechtsvorschriften
zu beachten (sind)" (Ministerratsvortrag BMF, GZ 040701/83-
Pr.4/02
v. 14.5.02), bleibt unerfindlich.
Um das parallel zwingend
auftretende Risiko einer kartellrechtswidriger Schaffung
einer marktbeherrschenden Stellung bzw. ihres Missbrauchs (KartG § 34 und
inbes.
42 a) hintan zu halten, wird zwar in Aussicht gestellt, dass von der ÖBB
in Folge
rund 30% der Österreichischen Postbus AG an private Unternehmen
weiterveräußert
werden sollen. Allerdings ist weder im Ministerratsvortrag noch im Beschluss
der
ÖIAG verbindlich geregelt, was (Unternehmensanteile oder
"Marktanteile" ?)
weiterverkauft werden soll, und nichts
über eine justitiable Durchsetzbarkeit dieser
Vorgabe ausgesagt. Mittlerweile hat die ÖBB AG mitgeteilt, sie
"evaluiere" die
Umsetzbarkeit dieses "Wunsches"
der Bundesregierung.
Als Interessenten hat ein Konsortium
bestehend aus den drei größten privaten
Busunternehmen - Blaguss, Dr. Richard und SAB Tours - bereits am 8. April ein
Angebot gelegt; noch vor dem Ministerratsvortrag und Regierungsbeschluß
haben
nachgewiesenermaßen einzelne Unternehmen bereits mit den ÖBB
über Anteile des
“noch nicht erlegten Bären" Postbus verhandelt; angeblich
(Schreiben des
Fachverbandes der
Autobusunternehmer in der Bundeswirtschaftskammer vom
5.6.02) nicht im eigenen Interesse, sondern damit "die Privaten als
'player' in dem
bereits stattfindenden Verhandlungspoker überhaupt Ernst genommen"
werden.
Auch wenn die privaten Busunternehmen ein "transparentes, für alle
Interessenten
offenes Verfahren" fordern, kann nach der aktuellen Beschlusslage zum
derzeitigen
Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass eine öffentliche
Interessenten-
Suche in die Wege geleitet wurde oder wird bzw. im Ernst ein transparentes und
faires wettbewerbliches Verfahren stattfinden soll.
Regionale mittelständische Anbieter,
ansonsten gerne Bestandteil der Politrhetorik
von ÖVP und FPÖ, erhalten so keinerlei Möglichkeit, ihre
Verkehrsdienste
anzubieten. Damit wird zugleich eine Regionalisierung der Verkehrsdienste mehr
als
erschwert und der gesetzlich verankerte Gestaltungsspielraum der Länder
bzw. der
Gemeinden und ihre Rolle als verantwortliche Aufgabenträger für den
ÖPNRV
untergraben, ja sogar sabotiert. Dem Land und den Gemeinden kommt ja in ihrer
Funktion als Aufgabenträger gemäß §§11 und 13 des
ÖPNRV-G 2000 die
Verpflichtung bzw. das Recht zu, öffentlichen Personenregionalverkehr
sowie in
Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden öffentlichen Personennahverkehr
zu
gewährleisten.
Im Ministerratsvortrag (des
Finanzministers) ist ausgeführt: "Nach dem Abbau von
Parallelleistungen
zwischen Bahn und Postbus sollen integrierte Verkehrskonzepte
gemeinsam
mit den Verbundorganisationen und anderen Anbietern im öffentlichen
Nahverkehr
entworfen werden, um die Eigenwirtschaftlichkeit zu steigern und eine
Erhöhung des Kundennutzens zu erreichen." Diese Passage zeigt,
dass ein
Verkehrsunternehmen,
nämlich der zukünftige österreichische Beinahe-Monopolist
"ÖBB-Postbus-3Private-Kartell", entgegen den klaren Bestimmungen
des ÖPNRV-G
(§§ 11, 15, 18 insbes. Z. 7 - 9), wonach die
Gebietskörperschaften wie Gemeinden
und Land (und deren Verbundorganisationsgesellschaften) für die Planung
der zu
bestellenden Verkehre zuständig sind, die Gestaltung des Öffentlichen
Verkehrs aus
der Hand nehmen soll. Mit dem prioritären Ziel der Eigenwirtschaftlichkeit
(des
Verkehrsunternehmens) werden zudem die Aspekte der für die
Bevölkerung
unerlässlichen und von den Gebietskörperschaften zu
gewährleistenden
ausreichenden Versorgung mit ÖPNRV-Dienstleistungen hinangestellt. Hier
verwechselt die Republik ihre
Interessen als Eigentümerin eines
Verkehrsunternehmens mit der
gemeinsamen Gewährleistungsrolle aller
Gebietskörperschaften. Damit würde sich auch die für die
Gebietskörperschaften
untragbare Situation der letzten Jahre verstärken, in der Verkehrsplanung
nach den
Bilanzerfordernissen der Verkehrsunternehmen erfolgt, anstatt den politischen
Zielsetzungen ökonomisch, ökologisch und sozial gerecht zu werden.
Gerade wegen der Notwendigkeit der Wahrung
der Aufgabenträgerrolle der
Gemeinden und Länder, die eine ausreichende ÖPNRV-Versorgung zu
gewährleisten und die Verkehrsdienstleistungen zu bestellen haben, ist die
von der
"österreichischen Lösung" angestrebte marktbeherrschende
Stellung der neuen
"Austro-Bus-Gesellschaft"
verheerend.
Von verschiedener Seite
(Wirtschaftskammer, Gewerkschaft, in- und ausländische
Verkehrsunternehmen) wurden
bereits Klagen gegen die im Ministerratsvortrag
skizzierte Vorgangsweise angekündigt. Aufgrund der mangelnden
Konformität mit
dem EG-Recht ist auch ein
Einschreiten von Organen der Union (im Sinn der
Beihilfenaufsicht und/oder
der Fusionskontrolle und Verhinderung des Missbrauchs
einer marktbeherrschenden Stellung) nicht auszuschließen.
Es spricht alles dafür,
das "Paket" wieder aufzuschnüren und Verhandlungen über
eine echte Regionalisierung der ÖPNRV-Dienstleistungen zu führen -
auch mit dem
Ziel, in einem fairen und transparenten, präzise regulierten und
kontrollierten
Wettbewerb eine Versorgung der Bevölkerung mit Verkehrsdienstleistungen
hoher
Qualität zu den geringsten Kosten für die öffentliche Hand zu
sichern.
Die Hoffnung auf ein seriöses
Vorgehen wird jedoch immer wieder enttäuscht.
Neuerdings hat Verkehrsminister Reichhold der geplanten neuen Busgesellschaft
in
seiner Öffentlichkeitsarbeit den Namen “Austrobus" verpasst.
Dabei handelt es sich
allerdings um eine seit 1932 bestehende Marke, seit mehr als drei Jahrzehnten
im
Eigentum der Dr. Richard-Gruppe, des größten privaten
Busunternehmens
Österreichs. Ob dies möglicherweise ein Vorgriff auf bereits
abgesprochene
Veränderungen der Eigentümerstruktur beim Postbus oder Ausfluß
kartellrechtlich
bedenklicher Vorabsprachen ist, ist noch nicht bekannt.
Vielsagend ist auch, dass im Zusammenhang
mit einem kürzlichen Beschluß des
Tiroler Landtags zu dieser Frage die ÖVP ihre Zustimmung davon
abhängig gemacht
hat, dass eine Passage, demzufolge die Eigentumsveränderungen “in
EG-
rechtskonformer Weise" erfolgen sollte, aus dem Antragsentwurf entfernt
wird. Es ist
verwunderlich, wenn ausgerechnet die angebliche Europa-Partei ÖVP die
Unterordnung unter geltendes Recht dieser Gemeinschaft ablehnt wenn dieses
Recht Handlungen der Bundesregierung als fragwürdig erscheinen lässt
und also die
ÖVP als Regierungspartei diesem Recht unterworfen werden sollte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie werden Sie im einzelnen die Konformität der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen
bei der Postbus AG mit dem ÖIAG-Gesetz sichern
bzw. dazu in Ihrem Zuständigkeitsbereich beitragen?
2. Wie werden Sie im einzelnen die Konformität der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen
bei der Postbus AG mit dem österreichischen
Kartellrecht sichern bzw. dazu in Ihrem Zuständigkeitsbereich beitragen?
3. Wann wird sich
insbesondere der Bundeskartellanwalt mit dem im Entstehen
begriffenen
“Austro-Bus-Kartell" Postbus-ÖBB-Blaguss-Dr.Richard-SAB
befassen?
4. Wie werden Sie im einzelnen die Konformität der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen bei der Postbus AG
mit dem ÖPNRV-G sichern
bzw. dazu in Ihrem Zuständigkeitsbereich beitragen?
5. Wie werden Sie im einzelnen die Konformität der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen bei der Postbus AG
mit dem EG-Recht sichern
bzw. dazu in Ihrem Zuständigkeitsbereich beitragen?
6. In welcher Weise
wollen Sie insbesondere europarechtskonform, und unter
besonderer Beachtung der rezenten "golden-share"-Judikatur des EuGH
(Rs.
C-367/98, C-483/99,
C-503/99 vom 4.6.02), eine “österreichische Lösung" bei
der beabsichtigten Eigentumsveränderungen
bei der Postbus AG umsetzen?
7. Wie werden Sie im einzelnen die Konformität der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen bei der Postbus AG
mit dem Markenschutz sichern
bzw. dazu in Ihrem Zuständigkeitsbereich durch Nichtaneignung
geschützter
Markennamen wie “Austrobus" beitragen?
8. Warum wurde die im
Ministerratsvortrag vom 14.5.2002 wiedergebene Linie
eingeschlagen, wenn diese doch in einem Optionenpapier unter drei
Möglichkeiten als diejenige mit den meisten Nachteilen identifiziert
wurde?
9. Welche Gutachten im Zusammenhang mit der beabsichtigten
Eigentumsveränderungen bei der Postbus AG
wurde von Ihnen bzw. von
Ihrem bzw. in Ihrem Haus beauftragt, was waren
deren Kosten und
Ergebnisse bzw. werden deren Kosten (wenn noch laufend) sein?
10. Auf welcher Grundlage
wird behauptet, dass ÖIAG und ÖBB Teile eines
Konzerns wären und die geplanten Abläufe daher
fusionskontrollmäßig
irrelevant wären, wenn doch zwei im Amtsblatt C 66 vom 02.03.1998
veröffentlichte Mitteilungen der EU-Kommission zur Anwendung der
Fusionskontroll-VO 4064/89 EWG, insbesondere in der Frage des sog.
"Konzernprivilegs", das Gegenteil belegen?
11. Welche Beihilfen im
österreichischen Stadt- und Vororteverkehr wurden
bisher der EU-Kommission im Einklang mit der
Verordnung 1107/70 EWG
notifiziert?
12. Können Sie den
Verdacht auf unerlaubte Beihilfeleistung wegen Verkaufs
unter dem Marktpreis und auf Vereitelung der Realisierung der
Grundfreiheiten des EG-Vertrags, etwa der
Niederlassungsfreiheit, beim
Postbus-Deal entkräften, und wenn ja, wie?
13. Können Sie
ausschließen, dass die ÖBB den Kaufpreis für die Postbus AG
ganz oder teilweise aus Kompensationszahlungen für Verpflichtungen des
öffentlichen Dienstes bzw. Zahlungen für Verkehrdienstverträge
entrichten
wird, und wenn ja, auf welcher Grundlage?
14. Wie können Sie
angesichts der bisher fehlenden Kostenrechnung beim
Bahnbus eine Weitergabe der angekündigten Effizienzgewinne an die Kunden
garantieren?
15. Wann und von wem wurde ein Feststellungsantrag/wurden
Feststellungsanträge auf
kartellrechtliche Genehmigung des Postbus-
Verkaufs an die ÖBB eingebracht?
16. Wird dieser/werden diese
nach der kartell- und wettbewerbsrechtlichen
Rechtslage vor oder nach dem 1.7.2002 abgehandelt?
17. Werden Sie der Forderung
von Gewerkschaft und SPÖ nach Ausschreibung
nachkommen, und wenn nein, warum nicht?
18. Ist
Ihrer Ansicht nach das Kraftfahrliniengesetz in der geltenden Fassung mit
EG-Recht vollumfänglich kompatibel?
19. Ist
Ihrer Ansicht nach das ÖPNRV-G in der geltenden Fassung mit EG-Recht
vollumfänglich
kompatibel?
20. Sind
die Gerüchte zutreffend, wonach der derzeitige FPÖ-Verkehrssprecher
zum Chef eines Post-Bahn-Bus-Unternehmens gemacht werden soll?