Stenographisches Protokoll

15. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 14. März 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

15. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 14. März 2000

Dauer der Sitzung

Dienstag, 14. März 2000: 12.02 – 12.06 Uhr

15.02 – 18.23 Uhr

*****

Inhalt

Nationalrat

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend erneute Zuweisung des Mandates an Bundesminister außer Dienst Dr. Michael Krüger 8

Personalien

Verhinderungen 8

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 244/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 9

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 55

Redner:

Dr. Michael Spindelegger 55

Rudolf Edlinger 57

Hermann Böhacker 58

Mag. Franz Steindl 58

Mag. Werner Kogler 59

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 60

Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 56/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Entschädigung der Gemeinden für den Entfall der Getränkesteuer gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 20. März 2000 zu setzen – Ablehnung 9, 61

Unterbrechung der Sitzung 9

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend Ausführungen des Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer im Zuge seiner Begründung der Dringlichen Anfrage 18


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15. Sitzung / Seite 2

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit der Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 18

Wortmeldungen betreffend Ausführungen eines Bundesministers im Rahmen einer Debatte über eine schriftliche Anfragebeantwortung:

Dr. Peter Kostelka 60

Dr. Martin Graf 60

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet Arbeitsplätze – kein Verschleudern von öffentlichem Eigentum" (467/J) 10

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 14

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 19

Debatte:

Rudolf Edlinger 26

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 28

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 30

Dr. Alexander Van der Bellen 32

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 34

Friedrich Verzetnitsch 37

Mag. Gilbert Trattner 39

Mag. Helmut Kukacka 41

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 43

Sophie Bauer 46

Reinhart Gaugg 47

Karl Donabauer 48

Franz Riepl (tatsächliche Berichtigung) 50

Dr. Gabriela Moser 50

Mag. Reinhard Firlinger 52

Doris Bures 53

Dr. Andreas Khol 54

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend Forcierung der Mitarbeiterbeteiligung – Annahme (E 4) 50, 54

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 8

52: Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden

Berichte 8

III-32: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998; Bundeskanzler

Vorlage 10 BA: Bericht gemäß § 27 (3) beziehungsweise § 28 (4) BHG, BGBl. Nr. 213/1986, in Zusammenhang mit P 3 des Allgemeinen Teiles des


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15. Sitzung / Seite 3

Fahrzeugplanes und P 4 des Allgemeinen Teiles des Planes für Datenverarbeitungsanlagen für das Jahr 1999; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend Schulterschluss gegen die EU-vertragswidrigen, diskriminierenden Sanktionen gegen Österreich (105/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend gemeinsame Maßnahmen aller im Nationalrat vertretenen Parteien zur Beendigung der weitgehenden außenpolitischen Isolation Österreichs (106/A) (E)

Dr. Gertrude Brinek, Dr. Martin Graf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Akkreditierungsgesetz geändert wird (107/A)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Einrichtung eines Mitgliedes der Bundesregierung, das vorrangig beziehungsweise ausschließlich Umweltinteressen wahrnimmt (108/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Einrichtung eines Mitgliedes der Bundesregierung, das vorrangig beziehungsweise ausschließlich Fraueninteressen wahrnimmt (109/A) (E)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Maßnahmen, die der seit Jahren fortschreitenden Zersplitterung der Kompetenzverteilung im Bereich "Wissenschaft und Forschung" entgegenwirken (110/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Erhaltung einer eigenständigen Sozial-, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik bei der Organisation der Bundesministerien (111/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Maßnahmen, die der fortschreitenden Zersplitterung der Kompetenzverteilung im Bereich "KonsumentInnenpolitik und -schutz" entgegenwirken (112/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Ratifikation des internationalen Übereinkommens ILO Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker (113/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Einbindung der im Menschenrechtsbereich tätigen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) in die Ausarbeitung von Grundlagen der österreichischen Menschenrechtspolitik (114/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Information des österreichischen Nationalrats und der zuständigen Ausschüsse über die Standpunkte und Vorhaben der Bundesregierung betreffend EU-Grundrechtscharta (115/A) (E)

Dieter Brosz und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wählerevidenzgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) sowie das Bundesgesetz über die Führung ständiger Evidenzen der Wahl- und Stimmberechtigten bei Wahlen zum Europäischen Parlament (Europa-Wählerevidenzgesetz) geändert werden (Senkung des aktiven Wahlalters bei Nationalratswahlen, Bundespräsidentenwahlen, Wahlen zum Europäischen Parlament sowie bei Volksabstimmungen, -befragungen und -begehren) (116/A)


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15. Sitzung / Seite 4

Anfragen der Abgeordneten

Inge Jäger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (ab 1.4. Bundesministerin für Soziale Sicherheit und Generationen) betreffend die Zukunft von Einrichtungen und Projekten, die mit und für Frauen arbeiten (458/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zusammenlegung des Wissenschaftsministeriums mit dem Unterrichtsministerium sowie negative Folgen durch Regierungsbeteiligung der FPÖ auf die Wissenschaft (459/J)

Peter Schieder und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Resolution der Südtiroler Volkspartei im Europäischen Parlament (460/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Österreichische Polizei-Zeitung" (ÖPOL) und andere so genannte Exekutivzeitungen – Maßnahmen des BMI (461/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend PKW-Verkauf nach Italien (Selbstimporte) – Immatrikulationsprobleme für KonsumentInnen (462/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Freies Gewerbe – Lenken von Kraftfahrzeugen (463/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Freies Gewerbe – Lenken von Kraftfahrzeugen (464/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rechtsfragen und gesundheitliche Bedenken beim Piercen und Tätowieren (465/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Rechtsfragen und gesundheitliche Bedenken beim Piercen und Tätowieren (466/J)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet Arbeitsplätze – kein Verschleudern von öffentlichem Eigentum" (467/J)

Dr. Sylvia Papházy MBA und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Gewaltverhalten an den Schulen (468/J)

Rainer Wimmer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Auswirkungen des Bundesministeriengesetzes, Zerschlagung beziehungsweise Auflösung von Teilen der Bundesgebäudeverwaltung (469/J)

Rainer Wimmer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Auswirkungen des Bundesministeriengesetzes, Zerschlagung beziehungsweise Auflösung von Teilen der Bundesgebäudeverwaltung (470/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kreditzinsenskandal – Aufgedeckt durch die AK-Niederösterreich: Aufsichtsmaßnahmen? (471/J)


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15. Sitzung / Seite 5

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Zell am See (472/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Tamsweg (473/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes St. Johann im Pongau (474/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die österreichische Bundesregierung betreffend "Sofia-Connection mit österreichischer Beteiligung (z. B. Firma Augustin, Salzburg, und Firma Walter, Niederösterreich)?" (475/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verdacht auf Inobjektivität und Verfahrensmängel bei der Personalsuche für den ÖIAG Aufsichtsrat (476/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Kürzung der Bundesmittel für steirische EU-Projekte (477/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kürzung der Bundesmittel für steirische EU-Projekte (478/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Graz als Kulturhauptstadt 2003 (479/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rechtsnachfolge der Frauenministerin (480/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rechtsnachfolge der Frauenministerin (481/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend das Nutzungspotential von Stevia rebaudiana (Zuckerblattpflanze) (482/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Forschung im Bereich Tierzucht für den Biologischen Landbau (483/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Landfriedensbruch (§ 274 StGB) (484/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundeskanzler betreffend behindertengerechte Wahllokale (485/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend autonome Polizisten? (486/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend dienstrechtliche Diskriminierung behinderter Menschen (487/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend behindertengerechte Portierlogen (488/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Flugverkehr in Österreich (489/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Flugverkehr in Österreich (490/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend begründete Stellungnahme der EU-Kommission


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15. Sitzung / Seite 6

gemäß Artikel  226 des EG-Vertrages vom 21. Jänner 2000 hinsichtlich der Mängel bei der Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie (491/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abhören des Handy-Funkverkehrs (492/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Veto beim EU-Beitritt Sloweniens (493/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Böhmdorfer/Stapo (494/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Böhmdorfer/Stapo (495/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "routinemäßige Überprüfung mittlerer Bundesbeamter" (496/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend 4. Linzer Donaubrücke (497/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend City-S-Bahn für Linz (498/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Summerauer Bahn (499/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend 60 000-Schilling-Wertgrenze (500/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend 60 000-Schilling-Wertgrenze (501/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an die Vizekanzlerin betreffend 60 000-Schilling-Wertgrenze (502/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend 60 000-Schilling-Wertgrenze (503/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend 4. Linzer Donaubrücke (504/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ausbau der Innkreisbahn (505/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Westbahn und Innviertler Bahn (506/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Verwendung der ungarischen Amtssprache im Burgenland (507/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Traunverordnung (508/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Ausbau der B 125/310 (509/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausbau der B 125/310 (510/J)


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15. Sitzung / Seite 7

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Murau (511/J)

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Knittelfeld (512/J)

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Gendarmerie im Bereich des Bezirkes Judenburg (513/J)

Gabriele Binder und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Förderung von Frauen- und Mädcheneinrichtungen (514/J)

Franz Riepl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen (515/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die anti-homosexuelle Sonderstrafbestimmung § 209 StGB angesichts geplanter Verschärfungen bei "Sexualdelikten" (516/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Österreichische Sporthilfe" (517/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "World Sports Awards of the Century" III (518/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (237/AB zu 240/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (238/AB zu 247/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (239/AB zu 250/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen (240/AB zu 237/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (241/AB zu 276/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (242/AB zu 292/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz Gradwohl und Genossen (243/AB zu 325/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger und Genossen (244/AB zu 378/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (245/AB zu 239/J)


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15. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 12.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 15. Sitzung des Nationalrates, die auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens nach § 46 Abs. 7 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 12., 13. und 14. Sitzung des Nationalrates sind vorschriftsmäßig in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gelten daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Aumayr, Mag. Mainoni, Dr. Krüger, Dr. Einem, Gaál, Dr. Niederwieser, Dr. Bruckmann und Dr. Heindl.

Mitteilung der Bundeswahlbehörde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herrn Bundesminister außer Dienst Dr. Michael Krüger das Mandat, welches er aus Anlass seiner Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung zurückgelegt hat, erneut zugewiesen wurde.

Da der Genannte für die heutige Sitzung als entschuldigt gemeldet ist, wird die Angelobung zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen sein.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 458/J bis 466/J.

2. Anfragebeantwortungen: 237/AB bis 245/AB.

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem ein Biozid-Produkte-Gesetz erlassen wird sowie das Lebensmittelgesetz 1975 und das Chemikaliengesetz 1996 geändert werden (52 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 27 (3) bzw. § 28 (4) BHG, BGBl. Nr. 213/1986, in Zusammenhang mit P 3 des Allgemeinen Teiles des Fahrzeugplanes und P 4


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15. Sitzung / Seite 9

des Allgemeinen Teiles des Planes für Datenverarbeitungsanlagen für das Jahr 1999 (Vorlage 10 BA).

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verfassungsausschuss:

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-32 der Beilagen).

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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


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15. Sitzung / Seite 10

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen haben das Verlangen gestellt, die schriftliche Anfrage 467/J der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet Arbeitsplätze – kein Verschleudern von öffentlichem Eigentum" dringlich zu behandeln.

Die Durchführung der Dringlichen Anfrage wird im Sinne der Bestimmungen, die Sie ja alle kennen, für 15 Uhr festgesetzt.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 244/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass das nach § 92 der Geschäftsordnung eingebrachte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 244/AB der Anfrage 378/J der Abgeordneten Dr. Spindelegger und Genossen betreffend Amtsübergabe durch den Bundesminister für Finanzen durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die Kurzdebatte im Anschluss an die Dringliche Anfrage stattfinden.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters gebe ich bekannt, dass Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen beantragt hat, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 56/A (E) der Abgeordneten Van der Bellen und Genossen betreffend Entschädigung der Gemeinden für den Entfall der Getränkesteuer eine Frist bis 20. März dieses Jahres zu setzen.

Dieser Antrag wird nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung, das heißt, nach der Kurzdebatte zur Abstimmung gebracht werden.

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Weitere Mitteilungen sind nicht vorzunehmen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr und mache noch darauf aufmerksam, dass für 12.30 Uhr eine Sitzung des Hauptausschusses einberufen wurde.

Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 12.06 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie einladen, die Plätze einzunehmen. Ich nehme die unterbrochene Sitzung zur angegebenen Zeit wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet Arbeitsplätze – kein Verschleudern von öffentlichem Eigentum" (467/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Verhandlung steht die Behandlung der schriftlichen Dringlichen Anfrage 467/J an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese Anfrage inzwischen vervielfältigt und allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Frau Schriftführerin.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Nach dem Bundesministeriengesetz fallen unter anderem die allgemeine Regierungspolitik und die wirtschaftliche Koordination in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers. Als eine der wesentlichen Zielsetzungen der FPÖ/ÖVP-Regierung zeigt sich die Veräußerung der im Eigentum der Republik Österreich stehenden Unternehmen.

Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion fordert daher auch die Verantwortung von Bundeskanzler Dr. Schüssel hinsichtlich der unprofessionellen, undemokratischen, unternehmensschädigenden und mitarbeiterfeindlichen Vorgangsweise im Rahmen der Privatisierungsvorhaben dieser Regierung ein.

Die inhaltlichen Zielsetzungen des ÖIAG-Privatisierungsgesetzes, die geplante Vorgangsweise bei der Behandlung auf parlamentarischer Ebene sowie die Missachtung einer gesetzlich vorgesehenen Einbeziehung der berechtigten Interessen der betroffenen Unternehmens- und Arbeitnehmerverantwortlichen lässt erneut die industrie- und arbeitnehmerfeindlichen Konturen der blau-schwarzen Regierung mit erschreckender Klarheit hervortreten:

Nahezu wöchentlich wird seitens der Regierung ein Belastungsangriff auf Arbeitnehmer, Verbraucher, deren Gesundheit, deren Pensionen, Jugendausbildung und Arbeitsplätze gestartet, verbunden mit gezielten Begünstigungen für Unternehmer und Großbauern.

Diese Regierung holt mit ihrer ÖIAG-Gesetzesvorlage und dieser ungeheuerlich undemokratischen Vorgangsweise zum nächsten Schlag aus.

Waren bei den letzten ÖIAG-Gesetzesnovellen trotz fehlender Begutachtungen alle Sozialpartner im Rahmen zum Teil wochen- und monatelanger Verhandlungen miteingebunden, versucht die Regierung nun nach Verhinderung einer Begutachtung diese Gesetzesvorlage auch auf parlamentarischer Ebene ‚raschest‘ mit einer ‚Kurzbegutachtung‘ mit eingeschränkter Teilnehmerzahl durchzupeitschen.

Die Bundesregierung hat unter Ihrer Vorsitzführung dem Vernehmen nach im Ministerrat am 29.2.2000 ohne Durchführung einer Begutachtung beschlossen, in einer ersten Phase folgende Unternehmen zu 100 Prozent zu privatisieren: Österreichische Staatsdruckerei GesmbH, Dorotheum, Auktions-, Versatz- und Bank-GesmbH, Printmedia Austria AG, Flughafen Wien AG, P.S.K. AG, Telekom Austria AG und Austria Tabak AG.

In einer zweiten Tranche ist die Regierung zumindest bereit, eine hundertprozentige Privatisierung noch zu prüfen. Es handelt sich dabei um die VOEST Alpine Stahl AG, OMV AG, Böhler Uddeholm AG, VA Technologie AG, AUA und die Österreichische Post AG.

Dieser Privatisierungsbeschluss im Ministerrat ist bis heute nicht veröffentlicht!


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15. Sitzung / Seite 11

Bisher bestand eine wesentliche Aufgabe der ÖIAG laut ÖIAG-Gesetze 1993 und 1997 darin, ‚dass österreichische Industriebetriebe und industrielle Wertschöpfung, so weit wirtschaftlich vertretbar, erhalten bleiben‘. Diese wichtige Zielsetzung ist im vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr enthalten!

Darüber hinaus ist im blau-schwarzen Regierungsprogramm ‚grundsätzlich vorgesehen‘, dass die Republik Österreich bei Unternehmen, an denen sie im Wege der ÖIAG Miteigentumsanteile hält, die Rolle des Kernaktionärs aufgibt, also unter die aktienrechtliche Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie geht!

Diese Zielsetzungen sind für die österreichische Wirtschaft, für die betroffenen Unternehmen, deren Beschäftigte und Zukunft der falsche Weg!

Da es in Österreich weit gehend an großen privaten Investoren mangelt, hat bisher der Staat die wirtschaftspolitisch wichtige Funktion eines ‚strategischen‘ Eigentümers wahrgenommen. Dadurch sind wichtige Industriekonzerne und Schlüsselsektoren unter österreichischem Einfluss geblieben. Die Erhaltung starker Industriekerne ist eine wichtige Voraussetzung für einen attraktiven Wirtschaftsstandort und damit für die Schaffung und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Gibt der Staat diese Funktion auf, ist ein Ausverkauf von österreichischen Schlüsselunternehmen ins Ausland kaum zu verhindern!

Der vorliegende Gesetzentwurf in Verbindung mit der geplanten Vorgangsweise hätte folgende Auswirkungen:

durch die unprofessionelle Vorgangsweise droht die Verschleuderung öffentlichen Eigentums unter dem tatsächlichen Wert,

es droht ein Ausverkauf österreichischer Paradebetriebe,

eine Gefährdung von mehr als 120 000 Arbeitsplätzen,

eine schwere Beeinträchtigung der Börsenkurse der betreffenden Unternehmen, die bereits begonnen hat,

die Verabschiedung der öffentlichen Hand von jeder industriepolitischen Ambition für die Zukunft,

unabsehbar sind die Auswirkungen etwa auf die 520 Zulieferer mit einem Volumen von 720 Millionen Schilling bei der ATW und ebenso die Konsequenzen für mehr als 1 000 österreichische Zulieferer bei der ÖIAG,

sowohl das derzeit nicht besonders gute Börseklima als auch die beschränkte Aufnahmefähigkeit der Wiener Börse sprechen nicht für eine rasche und vollständige Privatisierungseuphorie,

ein Wertschöpfungsverlust bei der AT durch Wegfall von Lizenz- und Handelsmarken, Lohnfertigung und Produktionsverlagerung.

Selten noch war eine derart wichtige Gesetzesvorlage von allen Seiten quer durch alle Interessensgruppen, aber auch seitens einer breiten Öffentlichkeit unter Beschuss gekommen.

Die in Aussicht genommene Vorgangsweise einer Pauschalermächtigung zur Totalprivatisierung unter großem Zeitdruck birgt die große Gefahr eines Ausverkaufs und lässt darüber hinaus jede Professionalität und Seriosität vermissen.

In dieser ernsten Situation ist von allen Interessengruppierungen und Fraktionen dieses Hauses eine umfassende und breite demokratische Diskussion gefordert, welche die Interessen unseres Landes, der betroffenen Betriebe und der dort arbeitenden Menschen an vorderste Stelle stellt. Es kann und darf nicht sein, dass die eben erwähnten Interessen kurzfristigen, kurzsichtigen und parteipolitischen Vorteilen geopfert werden.


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15. Sitzung / Seite 12

Wie oft wurden der Untergang und der Tod der Verstaatlichten Betriebe schon herbeigeredet! Dem selbst ernannten ‚Beschützer des kleinen Mannes‘ war es vorbehalten, bereits 1986(!) die sofortige Schließung des Werkes in Donawitz zu fordern. Darüber hinaus wollte er ein eigenes Volksbegehren gegen die verstaatlichte Industrie einleiten. Beides ist ihm damals nicht gelungen. Es war wieder einmal bloß ein ‚Haider-Gag‘ – auf dem Rücken einer in Bedrängnis geratenen Donawitzer Belegschaft.

Sozialdemokraten haben stattdessen dafür gesorgt, dass die Unternehmen der verstaatlichten Industrie modernisiert und in neue zukunftsträchtige Eigentümer-strukturen eingebettet wurden.

Der ehemaliger Vizekanzler Dr. Busek – kürzlich zum Ost-Europa-Beauftragten ernannt –, von dem man damals erwartet hätte, dass er sich mit aller Kraft für das Vermögen der ihm anvertrauten Republik einsetzt, verglich diese Unternehmungen 1993 mit Museen. Bereits 1995, also nur zwei Jahre später, schrieb die damals am heftigsten attackierte Voest Alpine Stahl wieder die höchsten Gewinne dieser Gruppe!

Den Gipfel der Geschmacklosigkeit lieferte in diesem Zusammenhang die ÖAAB-Fraktion des Unternehmens. Ihre Vertreter verteilten Partezettel zum Tod und Begräbnis der Voest Alpine!

‚Wiener Börse ist Opfer der Politik‘ titelte die Wirtschaftswoche am 10.3.2000: Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), meinte, dass das Börseklima derzeit nicht für größere Privatisierungen geeignet ist. Der EU-Boykott gegen die österreichische Regierung trifft seiner Ansicht nach vor allem den Aktienmarkt. Felderer meint, dass diese schlechte Entwicklung eine direkte Folge der EU-Sanktionen ist.

‚Man stelle sich vor, ein amerikanischer Fondsmanager, der nicht viel über Österreich weiß und Milliarden zu verwalten hat, hört, dass die EU Sanktionen gegen das Land verhängt hat. Der wirft doch sofort die paar österreichischen Papiere, die er hat, auf den Markt.‘

Damit jedoch nicht genug. Jörg Haider sorgte mit seinem ‚Aschermittwochauftritt‘ dafür, dass alle jene, die bis dahin aus Unsicherheit der Wiener Börse den Rücken gekehrt hatten, nunmehr sicher sein konnten, den richtigen Schritt gesetzt zu haben.

Die bisherige österreichische Erfolgsstory – einer bisher maßvollen und einem langfristigen Gesamtkonzept folgenden Privatisierung – wird sich mit den geplanten Gesetzesvorlagen, aber auch mit der Vorgangsweise, die die Bundesregierung nunmehr einschlägt, nicht fortschreiben lassen. Die Umsetzung der Konzepte der FPÖVP-Regierung würde eine gefährliche Zäsur bedeuten, die unserer Ansicht nach gegen die Interessen dieser erfolgreichen Unternehmen, gegen die Interessen der dort Beschäftigten und gegen jene der Republik Österreich gesichert ist.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die oben angeführten Unternehmen bereits bisher privatwirtschaftlich und sehr erfolgreich geführt werden. Ein Großteil der Unternehmen der ÖIAG-Gruppe notiert an der Börse.

Durch eine Totalprivatisierung quasi automatisch eine weitere Effizienzsteigerung zu erwarten, ist eine Illusion. Allenfalls entsteht zusätzlicher Druck zur stärkeren Gewichtung des Shareholder Value, auf Kosten der Belegschaften und der Arbeitsplätze.

Ein Weg zu einer Versachlichung dieser Thematik ist sicherlich, aus der genaueren Beobachtung der erfolgreichen Privatisierungen seit dem Jahre 1993 die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Seit dem ÖIAG-Privatisierungsgesetz 1993 wurden umfangreiche, intelligente und maßvolle Privatisierungsmaßnahmen durchgeführt.

Zur Absicherung der Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich und zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Beschäftigungssituation ist es erforderlich, den Bestand wichtiger Industrien sowie sonstiger Schlüsselsektoren wie Infrastrukturunternehmen national-strategisch abzusichern und damit die Konzernzentralen in Österreich zu halten.


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Zu diesem Zweck müsste die ÖIAG von einer reinen Privatisierungs- beziehungsweise Finanzholding in eine Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Eigentumsrechte des Bundes im Sinne von gesetzlich klar definierten strategischen Zielsetzungen umgewandelt werden. Dazu bedarf es einer entsprechenden Abänderung der ÖIAG-Novellierung, um eine Verpflichtung zum Halten von zumindest 25 Prozent plus 1 Aktie bei den alten ÖIAG-Beteiligungen (OMV, VA Stahl, VA Tech, BUAG), sowie auch bei den anderen wichtigen Unternehmungen sicherzustellen.

Die Erhaltung starker strategischer Industriekerne ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass unser Land zum Globalisierungsgewinner und nicht -verlierer wird!

Der strategische Einfluss, der notwendig ist, um dieses Ziel zu erreichen, sollte daher auch von dieser Bundesregierung nicht in ausländische Hände gegeben werden.

Wichtige Industrien und Schlüsselsektoren müssen Österreich erhalten bleiben, um zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreichs beizutragen. Davon hängt zu einem wesentlichen Teil die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Beschäftigungssituation in unserem Land ab!

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1. Welches sind die zu privatisierenden Gesellschaften beziehungsweise Unternehmungen gemäß § 8 Abs. 2 ÖIAG-Gesetzentwurf?

2. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgewählt beziehungsweise werden Sie diese auswählen?

3. Warum wurde der Privatisierungsbeschluss des Ministerrates nicht veröffentlicht?

4. Wie will die österreichische Bundesregierung mit diesem Privatisierungskonzept sicherstellen, dass die Unternehmen weiterhin am Standort Österreich investieren, forschen und den Mitarbeiterstand absichern beziehungsweise ausweiten?

5. Halten Sie den österreichischen Kapitalmarkt für ausreichend aufnahmefähig oder planen Sie die Platzierung von Aktien an ausländischen Börseplätzen?

6. Welche Erlöse erwarten Sie aus Ihrem Privatisierungsvorhaben?

7. Werden diese Erlöse die Höhe der Gesamtschulden erreichen?

8. Wie wollen Sie künftig feindliche Übernahmen bei den börsennotierten Gesellschaften verhindern?

9. Wollen Sie das Konzept des stabilen Mehrheitseigentümers (Kern-Aktionärs) im Rahmen des Privatisierungskonzeptes aufgeben?

10. Inwiefern findet mit dem neuen ÖIAG-Gesetz eine Entpolitisierung statt, wenn der erste Aufsichtsrat von der Bundesregierung ausgesucht wird und der Finanzminister sich das Recht vorbehält, jederzeit unerwünschte Mitglieder des Aufsichtsrats abzuberufen?

11. Was ist die Zielsetzung, dass die in aufsichtsratspflichtigen Kapitalgesellschaften bisher selbstverständliche Vorgangsweise, dass Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unabhängig vom Eigentümer bestellt, beziehungsweise abberufen wurden, nicht mehr beibehalten wird und der Finanzminister Einfluss auf die Wahl und Abberufung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nimmt?

12. An welche Umstrukturierungsmaßnahmen haben Sie im § 10 Gesetzentwurf konkret gedacht?


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13. Wann wird die Verschmelzung von ÖIAG/PTA/PTBG durchgeführt werden?

14. Welches Konzept liegt dieser Vorstellung zu Grunde?

15. Welche Maßnahmen werden Sie künftig als Eigentümervertreter setzen, um weitere Kursverluste der ÖIAG-Unternehmen zu verhindern?

16. Wie weit stehen Sie zu der von Finanzminister Grasser geäußerten Änderung der Sichtweise, wonach nunmehr – im Gegensatz zu früheren Äußerungen seitens der FPÖ/ÖVP – sehr wohl von Fall zu Fall über die positive Rolle eines Kern-Aktionärs beziehungsweise von Sperrminoritäten die Rede ist?

17. Sind Sie bereit, die bisherigen Refundierungsverpflichtungen aufrechtzuerhalten, um die ÖIAG nicht in Liquiditätsprobleme zu bringen?

Unter einem wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung der Anfrage erhält der Erstanfragesteller, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, das Wort, wobei die Redezeit nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung 20 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer, Sie haben das Wort.

15.03

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Lassen Sie mich, bevor ich auf die aus meiner Sicht verfehlte Politik der Bundesregierung, die ÖIAG-Unternehmen abzuverkaufen, auf einen grundsätzlichen Aspekt des Wirtschaftsstandortes Österreich eingehen, der ein Kernproblem der heutigen Situation darstellt.

Die Regierung hat Österreich in die internationale Isolation geführt und ist selbst nicht mehr imstande, unser Land wieder herauszuführen. Die Sozialdemokratie ist eine verantwortungsvolle Oppositionspartei, die zu einem gemeinsamen Agieren bereit ist, wenn es um die Interessen unseres Landes geht. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Die Isolation nach außen, die ÖVP und FPÖ verursacht haben, schadet Österreich und den Menschen in unserem Land (Beifall bei der SPÖ), unser oberstes Ziel ist es jedoch, Schaden von Österreich abzuwenden. (Rufe bei der ÖVP: Von wem? Von wem?) Ich erinnere daher an mein Angebot an die Regierung eines gemeinsamen Krisenmanagements bei einem Gipfel mit allen Botschaftern in den EU-Staaten. Das ist abgelehnt worden. Ich habe dieses Angebot mehrmals erneuert – ohne Reaktion darauf.

Werter Herr Bundeskanzler! Es nützt nichts, von nationalen Aktionen zu reden, aber alle Vorschläge abzulehnen, wenn es jemand ernst mit Ihnen meint. (Beifall bei der SPÖ.)

Es nützen auch die ständigen Versuche nichts, die Opposition zum Handlanger machen zu wollen für Aktionen, die nur die Regierung reinwaschen sollen, denn was hat Österreich davon, wenn nach der Regierung auch die Opposition in Europa und der Welt unglaubwürdig wird.

Die EU hat klargestellt: Das wirkliche Problem dieser Regierung und damit Österreichs ist die Regierungsbeteiligung der FPÖ und damit die Glaubwürdigkeit der gesamten Regierungspolitik. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache, Herr Präsident!) Also machen wir ein neues Angebot, um Österreich internationales Ansehen zurückzugeben. Wir bieten Ihnen an, die Einhaltung der Präambel des Regierungsübereinkommens, die aus der Feder des Bundespräsidenten stammt, durch eine Beobachtergruppe über einen längeren Zeitraum zu überprüfen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Zur Sache! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Es geht um jenes Vorwort, dem Sie, Herr Bundeskanzler, quasi Gesetzeskraft zumessen und das von der FPÖ in den vergangenen Wochen laufend gebrochen wurde. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dabei ist die Wahrung dieser Grundsätze entscheidend für die Akzeptanz Österreichs in Europa. Nehmen Sie dieses Angebot an, um dem Land einen guten Dienst zu erweisen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich höre allerdings, dass die Regierung aus den Fehlern nicht lernt und erneut diese ausgestreckte Hand nicht annehmen will. Ich kann daraus nur schließen: Es geht Ihnen um Ihre eigenen Interessen und nicht um die Interessen Österreichs. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Falsche Rede!)

Nun zum eigentlichen Thema unserer Dringlichen Anfrage. Wir sind nicht gegen Privatisierung, aber wir sind gegen den Abverkauf. Wir sind dagegen, dass international erfolgreiche, wertvolle österreichische Unternehmen wie Meterware auf einem Wühltisch gehandelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind dagegen, dass Volksvermögen auf den Markt geworfen wird und ein industrieller Winterschlussverkauf veranstaltet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie vorhaben, ist aber offensichtlich nichts anderes. Denn es gibt offensichtlich keine Strategie und keine industriepolitischen Vorstellungen, keine Konzepte für die Zukunft der betroffenen Betriebe. Nach dem Regierungsprogramm wird beim Abverkaufen offensichtlich nicht differenziert, da fährt die Ideologie der 100 Prozent wie ein Rasenmäher drüber, ohne auch nur einen Seitenblick auf die spezifische Situation der einzelnen Unternehmen zu werfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie sich jemals überlegt, was Ihr Abverkaufskonzept zum Beispiel bei den Austria Tabak Werken auslöst, wo heute die ATW Lizenzprodukte in starker Eigenproduktion an drei Standorten herstellt? Durch den Abverkauf dieses traditionsreichen österreichischen Unternehmens an einen großen ausländischen Tabakkonzern würde von einem Tag auf den anderen die Lizenzproduktion in Frage gestellt werden. Es würde für die Beschäftigten der ATW heißen, dass drei Standorte gefährdet sind und dass in Zukunft nicht nur eine Gefahr für die ATW selbst besteht, sondern auch für die 520 Zulieferer, die immerhin 720 Millionen Schilling erwirtschaften. (Beifall bei der SPÖ.)

Haben Sie sich überlegt, was das für die Trafiken und die Nahversorgung bedeutet, angesichts der Tatsache, dass wir in Österreich 9 000 Trafiken haben, die alleine 3 500 behinderte Menschen in diesem Land beschäftigen? Haben Sie sich überlegt, welches Interesse ein internationaler Tabakkonzern an der Aufrechterhaltung dieses Verschleißsystems haben wird? Wenn einmal abverkauft wird, wird zugesperrt! Das ist die Folge Ihrer Pläne. (Beifall bei der SPÖ.)

Haben Sie sich einmal überlegt, was es für die Zukunft der Austrian Airlines bedeutet, wenn das öffentliche Eigentum sich zurückzieht und damit internationale Verkehrs- und Landerechte verloren gehen und wie dieses Unternehmen im harten internationalen Wettbewerb bestehen soll?

Haben Sie sich jemals überlegt, was es für die Zukunft der österreichischen Telekommunikation bedeuten wird, wenn Sie das öffentliche Eigentum in Streubesitz übergeben werden und damit die Telecom Italia mit 25 Prozent zum bestimmenden Eigentümer des wichtigsten österreichischen Telekommunikationsunternehmens wird? (Der Redner blickt die meiste Zeit in Richtung SPÖ-Bankreihen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Er spricht über die eigenen Genossen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist keine Strategie, das ist kein Konzept für die Zukunft unserer Unternehmungen! Wir sind der Auffassung: Bevor solch weitreichende Verkaufsentscheidungen getroffen werden, muss es eine klare Positionierung, muss es ein klares Zukunftskonzept für diese österreichischen Unternehmungen geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder haben Sie sich eigentlich überlegt, was das für die P.S.K. bedeutet? Es besteht ein großer Unterschied, ob es einen strategischen Partner gibt, der an einer wirklichen Partnerschaft interessiert ist, oder ob die P.S.K. an ein Konkurrenzunternehmen abverkauft wird, das ausschließ


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lich auf Schließung und Stilllegung der P.S.K. ausgerichtet ist und eine Monopolstellung erlangen möchte. Das macht für die Zukunft dieses Unternehmens einen ganz vehementen Unterschied aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie reden darüber, was der geplante Abverkauf kurzfristig bringen kann. Natürlich: Er bringt schnelles, frisches Geld, aber zu wenig Geld bei jemandem, der verkaufen muss, denn jeder Verkäufer, der in Not ist, wird auf dem Markt nie jenen Preis erzielen können wie einer, der eine gezielte Strategie hat. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Abverkauf kostet letztendlich österreichisches Vermögen, und es handelt sich dabei um das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher. Es geht um die Standortqualität und letztendlich um hochwertige Arbeitsplätze in unserem Land. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Trattner, Mag. Haupt und Fischl.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ihr Geschrei bringt uns nicht weiter. (Abg. Mag. Trattner  – in Richtung SPÖ –: Da sind die Verursacher! – Abg. Haigermoser: Da war der Fuhrmann noch besser!)

Nur damit klar ist, worüber wir reden: Jene Unternehmungen, die von dieser Regierung hastig auf den Markt geworfen werden, sind nicht irgendwelche Unternehmungen, sondern die Unternehmungen mit ÖIAG-Beteiligung gehören zu den Schlüssel- und Zukunftsindustrien unseres Landes. Es sind das Unternehmungen mit 121 000 Beschäftigten, die insgesamt 36 Prozent der ATX-Werte an der Wiener Börse ausmachen und die Jahr für Jahr 20 Milliarden Schilling an Steuern und Dividenden an die öffentliche Hand abliefern.

Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um diese Unternehmungen selbst, sondern es geht auch um die mehr als tausend Zulieferbetriebe in Österreich, die sehr stark davon abhängen, ob diese Großabnehmer auch in Zukunft erhalten bleiben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Es geht um die Telekommunikation, es geht um Verkehr, es geht um Versorgung, es geht letztendlich um strategisch lebensnotwendige Bereiche unserer Volkswirtschaft. Und das setzen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, aufs Spiel! (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich ist leider nicht in der Situation wie Deutschland, wo es genügend andere starke heimische Investoren gibt, die sicherstellen, dass nationale Interessen gewahrt bleiben und die Entscheidungen im Land fallen. – Nein, bei uns in Österreich führt eine Totalprivatisierung ohne Weg und Ziel letztendlich zum Abverkauf an ausländische Großkonzerne, die sich das leisten können. (Abg. Dr. Stummvoll – Bezug nehmend darauf, dass der Redner überwiegend in Richtung SPÖ-Bankreihen blickt –: Reden Sie auch zu uns? ) Und Sie machen ihnen ein hervorragendes Angebot: Diese Großkonzerne bekommen zum besten Preis beste Technologie und ausgereifte Forschungsergebnisse, so quasi im Vorübergehen. Und was Sie damit in Wirklichkeit machen, ist, die Grundlage für feindliche Übernahmen zu legen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung kommt immer mit dem Vorwurf, wir würden uns mit unserem politischen Konzept gegen ausländische Unternehmungen richten. – Das ist völlig falsch! Zwischen dieser schwarz-blauen Regierung und der Sozialdemokratie gibt es jedoch einen gewaltigen Unterschied (Ruf bei den Freiheitlichen: Allerdings!): Wir Sozialdemokraten wollen ausländische Investoren dazu einladen, in Österreich Betriebe anzusiedeln und die Beschäftigung auszubauen. Sie hingegen laden ausländische Großkonzerne zu billigen feindlichen Übernahmen ein, durch die die Zahl der Beschäftigten letztendlich abgebaut wird.

Wir Sozialdemokraten wollen, dass in neue Standorte investiert wird, Sie hingegen wollen offensichtlich, dass bestehende Standorte sozusagen filetiert werden. Und das ist der Unterschied zwischen uns und dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Und ich stelle fest, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der Präsident der Industriellenvereinigung Peter Mitterbauer in dieser Frage offensichtlich die gleiche Auffassung vertritt wie die Gewerkschaft, wenn er sagt: Privatisierung ja, aber mit Hirn. Der oberste Vertreter der Industrie bekennt sich auch zu österreichischen Kern-Aktionären, wenn er sagt, dass Kerneigen


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tum in österreichischer Hand bleiben muss und die Kernzentralen mit den strategischen Entscheidungen auch in Zukunft in Österreich verbleiben müssen. Diese starken Bedenken müssen Ihnen doch eine sehr deutliche Warnung sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als stabiler großer österreichischer Kern-Aktionär ist die ÖIAG derzeit ohne Alternative. Und sie hat gut gewirtschaftet. Seit dem Dezember 1993 lag der Börsenindex der ÖIAG-Unternehmen immer über dem Wert des ATX an der Wiener Börse. Wir wollen diese österreichischen Unternehmen, die international erfolgreich sind. Wir wollen, dass das Geschäft auf den Weltmärkten gemacht wird, aber die Entscheidungen in Österreich getroffen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen daher, dass sich die ÖIAG zu einer Beteiligungsholding des Bundes weiterentwickelt, die das letztendlich sicherstellt.

Wir wollen kein Stopfen von Budgetlöchern durch Verschleudern von Familiensilber. Und wir wollen kein Abwandern von Wertschöpfung ins Ausland, denn es geht um österreichische Wirtschaftskraft und um österreichische Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung sieht das offensichtlich anders, denn in ihrem Regierungsprogramm ist vorgesehen, dass die Republik Österreich die Rolle des Kern-Aktionärs aufgibt. Die zentrale Aufgabe der österreichischen ÖIAG, österreichische Industriebetriebe und industrielle Wertschöpfung zu erhalten, gibt es in ihrem Regierungsprogramm nicht mehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen Ihrer industriepolitischen Auffassung und unserer. (Abg. Dr. Pumberger: Hier sind wir! – Abg. Mag. Trattner: Er redet nur zu seinen Genossen! Die Vorwürfe gehen alle dorthin!)

Diese Regierung hat in der Zeit, in der sie im Amt war, relativ wenig Verständnis für jene Werte entwickelt, die letztendlich Österreich zu einem Land des wirtschaftlichen Erfolges und zum sozialen Ausgleich geführt haben. Sie haben in den letzten Wochen auch klar gezeigt, dass Sie wenig Gefühl haben für den Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und das ist offensichtlich auch der Grund, warum Sie das ÖIAG-Gesetz ursprünglich im Schnellverfahren durchziehen wollten: damit über die Schwächen Ihrer Politik nicht in aller Breite gesprochen werden kann. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Nur um irgendwelchen Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin für eine geordnete Privatisierung, die diesen Namen verdient. Wir haben im Jahre 1993 unter dem seinerzeit zuständigen Minister Klima eine Privatisierung durchgeführt, die den Grundstein dafür gelegt hat, dass die betroffenen ÖIAG-Unternehmen binnen kürzester Zeit nicht nur zu Börsenrennern geworden sind, sondern auch ihre wirtschaftliche Ertragskraft unerhört erhöht haben. Und bis zum Antritt dieser Bundesregierung sind diese Aktien und Unternehmen auch auf den internationalen und nationalen Finanzmärkten gut gelegen. Was aber ist jetzt passiert? Seit Beginn dieses Jahres gibt es einen Wertverlust der ÖIAG-Aktien im Ausmaß von 5 Prozent, und der Kernbereich der zur Privatisierung anstehenden Aktien ist sogar um 6,5 Prozent gefallen. Jeder, der nur ein gewisses Verständnis von Informationsgesellschaft hat, wird zur Kenntnis nehmen müssen: Diese Regierung hat unsere eigenen österreichischen Werte hinuntergeredet. Das ist die Bilanz Ihrer Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind dann für Privatisierung, wenn Sie das Beste für die Zukunft der betroffenen Unternehmen ist (Abg. Großruck: Dann stimmen Sie zu!), aber mein Verständnis hört dort auf, wo Privatisieren zum Abverkauf wird und wo pure Ideologie die wirtschaftliche Vernunft ablöst, wo die Brechstange der Ideologie anstatt maßvoller Politik eingesetzt wird. Das ist die Trennlinie zwischen uns und dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Leider ist schon großer Schaden für den Standort Österreich und den Finanzplatz Wien entstanden, aber Sie sind drauf und dran, ihn noch größer zu machen. In Sorge um das österreichische Vermögen, das Sie aufs Spiel setzen, und in Verantwortung um den Standort und die


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Arbeitsplätze kann ich Sie nur davor warnen. Sie allerdings reden von Panikmache und negieren völlig die Aussagen namhafter Manager und Experten, die sich täglich zu Wort melden.

Gibt es Ihnen nicht zu denken, wenn etwa der Chef des Instituts für Höhere Studien sagt, jetzt zu privatisieren sei dasselbe wie zu verschenken, und wenn nüchterne Wirtschaftsforscher analysieren, was der Grund dafür ist, dass der Börsenindex um 11 Prozent gesunken ist? – Ihr neues Regieren bedeutet letztendlich Schaden für den Kapitalmarkt und Schaden für die Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser  – in Richtung ÖVP –: Mit wem redet er? Er schaut immer zur SPÖ hinüber!)

Was die Investoren am meisten abschreckt, ist die Unsicherheit, die Sie produzieren. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur einen renommierten österreichischen Wirtschaftsjournalisten zu zitieren, der der Regierung einen Satz zugerufen hat, dem es nichts mehr hinzuzufügen gibt, nämlich: Stoppt den Unfug, ehe es zu spät ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Politik zeigt deutlich, dass Sie offensichtlich vom erfolgreichen Weg der österreichischen Wirtschaftspolitik abgehen wollen. Dieser erfolgreiche Weg bestand aus einem vernünftigen Interessenausgleich der Sozialpartner, Investitionen in den Industriestandort Österreich und seine Infrastruktur, einem exzellenten Bildungssystem mit fairen Bildungschancen für alle, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und einer stabilitätsorientierten Währungspolitik. – Dieser Weg darf unserer Auffassung nach nicht verlassen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Kostelka und Gusenbauer – kein Vergleich!)

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sich darüber einig, dass zu einer stabilitätsorientierten Budget- und Währungspolitik und einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik auch eine gemeinsame Beschäftigungs- und Sozialpolitik gehört. Unter österreichischer Präsidentschaft ist das Kapitel Beschäftigung letztendlich zum Thema Nummer eins in der Europäischen Union gemacht worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (fortsetzend) : Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage mich, wie Sie diesen erfolgreichen Weg einer österreichischen Wirtschaftspolitik fortsetzen wollen, wenn sich in Ihren Reihen Leute befinden, die den Euro als "Fehlgeburt" bezeichnen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Danke für die Wortmeldung! – Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol gemeldet. – Bitte.

15.24

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gusenbauer hat sich am Beginn seiner Ausführungen längere Zeit mit einem Thema beschäftigt, das nichts mit der Dringlichen Anfrage zu tun hatte. Die Dringliche Anfrage betrifft die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, aber er hat zu den Maßnahmen der 14 EU-Länder gesprochen, die Österreich ungerechtfertigt diskriminiert haben.

Sie haben den Ruf zur Sache nicht erteilt, Herr Präsident. Ich gehe daher davon aus, dass auch alle nachfolgenden Redner zu den 14 EU-Staaten und ihren ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich sprechen dürfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Khol! Ich stelle mir vor – und ich bitte Sie, sich das auch vorzustellen –, wie es gewesen wäre, wenn der Herr Bundeskanzler oder ein anderer Redner der Regierungsparteien bei einer Dringlichen Anfrage zum Thema Wirtschaftspolitik mit einigen Sätzen auf das Problem Sanktionen und Wirtschaftsstandort Österreich eingegangen wäre und ich einen Ruf zur Sache erteilt hätte. Ich glaube nicht, dass das als richtig empfunden


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worden wäre, aber dies muss für beide Seiten – Regierung und Opposition – in gleicher Weise gelten. (Abg. Dr. Khol: Das meinte ich!)

Natürlich hat der Herr Bundeskanzler das Recht, auf die Ausführungen des Vorredners einzugehen, und ich glaube, so wie ich ihn kenne, wird er das auch tun. (Heiterkeit.)  – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.25

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident, Sie kennen mich richtig. Ich danke auch sehr für die Klarstellung, dass ich zu diesem Punkt auch etwas sagen kann, denn es ist mir schon wesentlich, festzuhalten, dass es mir – und ich glaube, der gesamten Bundesregierung und dem Land – wichtig wäre, wenn wir heute, wenige Tage vor dem entscheidenden Europäischen Rat in Lissabon, Rückenstärkung durch eine gemeinsame Entschließung aller vier im Parlament vertretenen Parteien bekämen, die die Maßnahmen der Vierzehn als ungerechtfertigt, unfair, über das Ziel schießend und die Würde unseres Landes verletzend darstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ich war gestern in Brüssel und habe mit dem Ratsvorsitzenden von Portugal, Ministerpräsident Guterres, gesprochen. Wir befinden uns derzeit in einer sehr entscheidenden Phase. Er fährt in dieser Woche durch die wichtigsten Hauptstädte Europas, und wir haben in diesem Zusammenhang einige persönliche Gespräche und auch Möglichkeiten ausgeleuchtet. Ich glaube, es würde der Sache gut tun, würde nicht ein gespaltener Nationalrat das Bild eines gespaltenen Landes vermitteln, sondern wenn Österreich, vertreten durch seine Volksvertretung, gemeinsam auftritt, wenn uns Unrecht geschieht. – Ich ersuche Sie darum. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen auch sehr klar dazu, dass ich in all meinen Reden und Wortmeldungen immer dafür plädiere, größtmögliche Sensibilität und Augenmaß zu wahren. Ich halte es für falsch, andere europäische Staatsmänner in irgendeiner Weise abzuqualifizieren. Aber ich sage Ihnen auch ganz offen: Stellen Sie sich vor, ein österreichischer Minister, ein österreichisches Mitglied des Europäischen Rates würde öffentlich erklären, es sei das Ziel der österreichischen Regierung, die Regierung eines anderen Landes – ich nenne den Namen jetzt nicht – zu stürzen. Wie wäre da die internationale Reaktion?

Ich frage Sie: Wer in Europa hat uns verteidigt? Und gab es hier im Parlament einen Aufschrei aller politischen Parteien dagegen? – Ich sage Ihnen offen: Ich bedauere, dass hier mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, denn das geht nicht in der heutigen Zeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einen nehme ich aus: Heute hat sich – ich habe gerade die Pressemeldung bekommen – der flämische Minister für Außenhandel, also des flämischsprachigen Teiles von Belgien, in einer Aussendung im Namen des offiziellen Flandern von diversen schädlichen Aussagen einiger belgischer Prominenter distanziert. – Auch dieses Beispiel verdient es, hervorgehoben zu werden, denn ich bin überzeugt, das ist ihm viel schwerer gefallen, als es uns fallen würde, gemeinsam gegen die Diskriminierung von österreichischen Bürgern oder auch gegen die Abwertung und Ausgrenzung unseres Landes aufzutreten.

Ich bitte Sie daher wirklich: Versuchen wir alles, heute eine gemeinsame Entschließung zustande zu bringen, und bitte verlagern wir doch die Diskussion ins Parlament!

Meine Damen und Herren! Die Kontrolle der österreichischen Regierung, gebildet aus ÖVP und FPÖ, kann niemals durch außenstehende Experten erfolgen, kann niemals an Experten delegiert werden, wovon je drei der Herr Bundespräsident, die Regierungsparteien und die Opposition aussuchen, sondern die Kontrolle einer demokratischen Regierung erfolgt hier im Parlament: durch Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie daher sehr direkt: Trauen Sie sich nicht zu, dass hier im Parlament eine normale, demokratische, sachliche Auseinandersetzung stattfindet? – Wir brauchen keinen Tugendausschuss, wie es ihn früher einmal gegeben hat, der eigentlich das Parlament, den Bundesprä


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sidenten und im Grunde auch die politischen Parteien ersetzt. Das macht keinen Sinn in einer Demokratie im 21. Jahrhundert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das ist eine Frechheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, nun zum eigentlichen Thema des Tages. Die SPÖ hat ja eine Sondersitzung zum Thema Privatisierung eines Teiles der österreichischen Industrie verlangt, hat eine Dringliche Anfrage eingebracht, und ich bin gerne bereit, dazu im Detail Stellung zu nehmen.

In der Begründung der Anfrage gibt es allerdings eine Reihe von Feststellungen, die ich nicht unwidersprochen stehen lassen kann.

Wir belasten nicht einseitig, wir sparen nicht um des Selbstzweckes willen, sondern, meine Damen und Herren, wir sanieren das Budget, damit wir in zwei Jahren endlich wieder Spielraum haben.

Wir privatisieren Unternehmen nicht um des Selbstzweckes oder des Ausverkaufes willen, sondern damit der Steuerzahler nie mehr haften muss für die Schulden der Vergangenheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir verlangen von den Krankenkassen Entscheidungen, damit das erstklassige und hohe medizinische Versorgungsniveau in Österreich gewahrt wird und keine Beitragserhöhungen den Standort Österreich gefährden. – Das haben wir bewiesen, und das wollen wir weiterhin tun.

Wir erhalten das österreichische Bankgeheimnis, das zu den Besten der Welt gehört, und bewirken mit der Aufhebung der Sparbuch-Anonymität die Abwendung einer schweren Vertrauenskrise in den österreichischen Finanzmarkt.

Wir haben in der Bundesregierung das Ziel vereinbart, soziale Gerechtigkeit am Arbeitsplatz durchzusetzen, und wir be lasten damit nicht, sondern wir ent lasten, wir helfen den Arbeitern, die gleichen sozialen Rechte wie die Angestellten im Krankheits- oder Verhinderungsfall zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir belasten nicht, sondern wir stehen zu der großzügigen Steuerreform, die mit 1. Jänner dieses Jahres in Kraft getreten ist und nach dem Willen früherer Minister sehr viel kleiner hätte ausfallen sollen – und zusätzlich wollen wir ein Entlastungspaket für jeden österreichischen Haushalt durch Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte erreichen. Und es wird ein Maßnahmenpaket für billigeres Wohnen, für geringere Wohnkosten erarbeitet, das ebenfalls den kleinen Leuten helfen soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In Lissabon wird Romano Prodi namens der EU-Kommission einen Vorschlag machen, wie man in den nächsten zehn Jahren die Kinderarmut halbieren kann. Mit der Steuerreform und mit unseren familienpolitischen Zielsetzungen, die wir in den nächsten drei Jahren umsetzen werden, halbieren wir die Kinderarmut in Österreich jetzt schon um die Hälfte. Und darauf sind wir stolz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Privatisierungsstrategie der ÖIAG liegt auf der gleichen Linie. Entgegen dem, was Sie hier behauptet haben, ist dieses neue ÖIAG-Gesetz ein klarer Vorteil für die Betriebe, für die Manager, für die Aufsichtsräte, für die Mitarbeiter in den Betrieben, denn erstmals gibt es klare und eindeutige Richtlinien: Es gibt einen unabhängigen, nur mehr qualifizierten Aufsichtsrat, der nicht durch irgendwelche politische Herkunft bestimmt ist, sondern der von unabhängigen Headhuntern und Personalberatern ausgesucht, dann von der Bundesregierung bestätigt wird und sich dann immer wieder alle zwei Jahre selbst ergänzt. – Davon können Sie von der SPÖ nur träumen! Sie haben diesen politischen Einfluss niemals aufgegeben! Wir hingegen sind dazu bereit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Überdies gibt es Klarstellungen, dass der Aufsichtsrat im entscheidenden Worst-Case-Fall, also im schlimmsten Fall, nur dann abberufen werden kann, wenn, wie es in der Satzung festgehalten wird, wichtige Fragen verletzt werden. Dazu gibt es eine ausjudizierte Rechtslage in


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Österreich, und damit wird dieser Gesetzentwurf eine Reihe ganz entscheidender Vorteile bringen.

Erstens: eine klar formulierte Verwendung der Privatisierungserlöse. Damit bekommt die ÖIAG die Möglichkeit, den totalen Schuldenabbau in dieser Legislaturperiode vorzunehmen.

Ich frage: Wo war denn Ihre Wachsamkeit, als in den letzten drei Jahren 9 Milliarden Schilling an Privatisierungserlösen nicht zur Rückzahlung von Schulden, für die der Steuerzahler haftet, verwendet, sondern einfach nur für Zinszahlungen ausgegeben wurden?! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo waren Sie?!  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Wir haben heute die gleiche Zahl an Schulden, wie das auch schon vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Verantwortlich dafür war Ihr damaliger Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit wird ein klarer Schlussstrich unter die bisherige Politik der kurzfristigen Orientierung und der unsinnigen Verwendung von Privatisierungserlösen ausschließlich für Zinszahlungen der ÖIAG-Schulden gezogen.

Im Gegensatz zum bisherigen ÖIAG-Gesetz hat der neue ÖIAG-Vorstand, der noch von Ihnen mit ausgewählt wurde, alle Möglichkeiten der Beteiligungspolitik zur Verfügung: Er kann vollständig privatisieren, er kann strategische Partnerschaften oder Allianzen eingehen, und er kann bei Kapitalerhöhungen mitziehen. Und niemand von der Politik wird sich dabei einmischen! Die Vorstände und die Aufsichtsräte entscheiden im Interesse der Betriebe, im Interesse der Mitarbeiter und der Aktionäre, welche Instrumente sinnvoll sind. Das heißt, nichts wird für ewig festgeschrieben, auch nicht der 25-Prozent-Anteil, sondern es ist auch eine strategische Partnerschaft möglich, wenn dadurch eine bessere Entwicklung erreicht werden kann.

Ich bin davon überzeugt: Dieses Gesetz ist ein erstklassiges Modell, wie man aus der früheren, aus der alten Verstaatlichten-Politik eine neue Industriepolitik machen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und es ist ja nicht so, wie behauptet wird, dass morgen alles verkauft wird. – Wir haben einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der jetzt im Parlament beraten wird. Dieses Gesetz soll mit 1. Mai 2000 in Kraft treten, zeitgleich wollen wir auch in der Bundesregierung einen neuen, völlig unabhängigen ÖIAG-Aufsichtsrat bestellen, und dann hat der ÖIAG-Vorstand die Möglichkeit, innerhalb der nächsten Monate sorgfältig und professionell zwei ganz wichtige Vorhaben vorzubereiten.

Das erste Vorhaben ist die vollständige Privatisierung der P.S.K. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; diesbezüglich ist ja bereits mit der Vorbereitung begonnen worden. Die Durchführung soll bis Ende 2000, Anfang 2001 durchgesetzt werden.

Das zweite große Modell wird eine Börseneinführung der Telekom Austria sein, und zwar mit dem Ziel, heuer etwa 30 Prozent zu veräußern. – Das stellt eine der ganz großen Belebungen der Wiener Börse dar, und ich glaube, das wird eine höchst erfolgreiche Privatisierung in Österreich werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, Oppositionschef der SPÖ! Ich darf hier schon darauf hinweisen, dass zwei der erfolgreichsten Privatisierungsbeispiele international und in Europa vorbildlich sind; einer hat gerade mit einem solchen Beispiel eine Wahl gewonnen, nämlich der spanische Ministerpräsident José María Aznar, der die Telefónica zu 100 Prozent privatisiert hat. Und kein Mensch kommt auf die Idee, dass die Entscheidungen der Telefónica nicht in Spanien fallen! Und auch die British Telecom, die ebenfalls zu 100 Prozent an die Börse gebracht wurde, ist ein erstklassiges Beispiel dafür, wie man es macht: nicht durch Bremsen, durch Abblocken, sondern durch professionelles Privatisieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben aber zu Recht darauf hingewiesen, dass einzelne Manager sehr unterschiedliche, auch kritische Bemerkungen zu unserem Vorschlag gemacht haben. – Ich gehe gerne darauf ein. Schauen wir uns doch an, was nach Bekanntwerden der endgültigen Texte die wichtigsten Verantwortlichen dazu sagen!


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15. Sitzung / Seite 22

Claus Raidl, Chef von Böhler-Uddeholm, wird in der heutigen Ausgabe des "Standard" folgendermaßen zitiert:

"Das ÖIAG-Gesetz ist nun eine gute Basis für die weitere Privatisierung und die dauerhafte Entpolitisierung, da der Stiftungsgedanke mit diesen Änderungen stärker zum Ausdruck kommt und der Einfluss der Politiker sinkt". – Zitatende. – Großartig! Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was, Herr Abgeordneter Gusenbauer, sagt der noch unter der früheren Regierung eingesetzte ÖIAG-Vorstand zu diesem neuen Gesetz? In diesem Vorstand gibt es immerhin zwei ehemalige Minister, nämlich Rudolf Streicher und Johannes Ditz. Beide sind sehr wesentlich mit Fragen der Industrie-, der Wirtschafts- und Verstaatlichtenpolitik befasst.

Wörtlich sagt der ÖIAG-Vorstand – ich zitiere aus der heutigen Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" –:

"Mit diesen Rahmenbedingungen können die Betriebe, die Mitarbeiter und die ÖIAG gut leben. Das ist eine solide Basis für die Zukunft." – Zitatende. – So positiv wird dieses neue Gesetz beurteilt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, die Sondersitzung kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt, damit man das auch ausdiskutieren kann.

"Für eine ,Panikmache‘" – wörtlich! – ",in Richtung Ausverkauf‘ gebe es daher keinen Anlass: ,Industrie- und beschäftigungspolitische Effekte können nur aus der Wettbewerbsstärke kommen. Alles andere wäre ein Rückfall in den Dirigismus der Vergangenheit.‘ Erstmals", sagt Ditz, "gebe es klare mittelfristige Rahmenbedingungen für die Privatisierung. ... Künftig würden automatisch die Dividenden für die Zinsen ... und die über die Buchwerte hinausgehenden Privatisierungserlöse zur Tilgung der Schulden ... verwendet." Und und und.

Ebenfalls wörtlich am Ende dieses Artikels: "Die Sondersitzung des Nationalrates zum Thema Privatisierung sei ,vielleicht gut gemeint, aber für den Kapitalmarkt extrem schädlich‘, meint Ditz. ,Alle müssten interessiert sein, dass dieses Gesetz sehr rasch in Kraft tritt und wieder Ruhe einkehrt.‘" – Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den Fragen im Einzelnen, nachdem wir im Grundsatz die Punkte abgehandelt haben.

Zur Frage 1: Welches sind die zu privatisierenden Gesellschaften gemäß dem Gesetzentwurf?

Die Antwort: Die Liste der Betriebe ist völlig identisch mit der Liste jener Betriebe, die auch laut schriftlich formuliertem, aber nicht unterschriebenem SPÖ/ÖVP-Pakt hätten privatisiert werden sollen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Jedenfalls umfasst diese Liste die Staatsdruckerei, das Dorotheum, die Printmedia AG, Flughafen Wien, P.S.K., Telekom und Austria Tabak; Privatisierung bis zu 100 Prozent. Weitere Privatisierungen – Börse, Hereinnahme strategischer Partner, und so weiter – sind von den Organen der ÖIAG unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit zu entscheiden.

Zur Frage 2: Nach welchen Kriterien wurde diese Liste erstellt? 

Teilweise ist, wie schon erwähnt, auf bestehenden Privatisierungsüberlegungen und -absichten aufgebaut; Staatsdruckerei und so weiter waren ja schon der ÖIAG zur Privatisierung übertragen. Darüber hinaus spielen natürlich die Überlegungen, wie durch die Privatisierungen ein bestmöglicher wirtschaftlicher Ertrag erzielbar ist, eine Rolle. Insbesondere P.S.K., wie ich schon sagte, und Telekom scheinen auf Empfehlung von Experten für eine Privatisierung, für eine erste Privatisierungstranche wirtschaftlich sinnvoll und notwendig.

Zur Frage 3 – da muss ich ein bisschen schmunzeln –: Warum wurde der Privatisierungsbeschluss des Ministerrates nicht veröffentlicht?


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Bitte, Herr Abgeordneter Gusenbauer, darf ich Ihnen Folgendes sagen: Dieser Privatisierungsauftrag ist wörtlich im Ministerratskommuniqué des Bundespressedienstes vom 29. Februar dieses Jahres wiedergegeben, veröffentlicht und von der Frau Vizekanzler und mir in einer Pressekonferenz sogar erläutert und dargestellt worden. Also ein Mehr an Veröffentlichungen ist ja wirklich nicht möglich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Pressereferat auswechseln!)

Zur Frage 4: Wie will die Bundesregierung mit diesem Privatisierungskonzept sicherstellen, dass Unternehmen weiterhin am Standort Österreich investieren, forschen und den Mitarbeiterstand absichern?

Wir wollen einerseits die Lohnnebenkosten senken. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Bereich, der allen Betrieben, aber selbstverständlich auch den ÖIAG-Betrieben zugute kommt.

Gerade jetzt im Europäischen Rat in Lissabon wird vor allem über die verstärkte Einbindung und Nutzung der Informationstechnologie geredet. Wir wollen mit diesem Schwerpunkt Forschung und Entwicklung stärken: 2,5 Prozent eigener Forschungstopf, Konzentration aller Forschungseinrichtungen bei einem Infrastrukturministerium. Ich persönlich glaube, da liegt viel Musik drinnen für den Standort Österreich.

Ich glaube, dass man das Land beziehungsweise die Wirtschaft wirklich nicht krankreden soll. Wir haben bis jetzt 475 Anfragen von internationalen Konzernen, die sich jetzt in Österreich ansiedeln wollen. Coca Cola hat gerade Wien als weltweit drittgrößten Standort ausgesucht, von wo aus insgesamt 34 Länder gemeinsam betreut werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auf dem Opernball hat mir der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz erklärt, Daimler-Benz werde in den nächsten zehn Jahren 50 Milliarden Schilling in den Standort Graz investieren. – Also kein Grund zu Krisengerede!

Meine Damen und Herren! Seien wir stolz auf unseren Standort und tun wir alles, ihn weiter zu verbessern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 5: Halten Sie den österreichischen Kapitalmarkt für ausreichend aufnahmefähig?

Die Antwort lautet: Natürlich! Das wirkliche Problem für den Börseplatz Wien ist – das hat der gerade neugewählte Vorsitzende der Börse Wien, ein sehr interessanter Mann namens Dr. Zapotocky, der ja zehn Jahre lang voll im Wertpapier- und Aktiengeschäft tätig gewesen ist, gesagt – Folgendes:

Wenn Sie die Börsen miteinander vergleichen, dann kommen Sie drauf, dass Wien pro Tag ein Handelsvolumen von 100 Millionen Euro hat, die Zürcher Börse das 20fache davon, London das 60fache, und von den Amerikanern reden wir überhaupt nicht. – Zitatende.

Vergleichen wir die Verhältniszahlen, die Erträge: Wien führt ein Schattendasein. – Aber, bitte, nicht wegen dieser Bundesregierung; seien Sie bitte so objektiv. Wir haben ein Riesenproblem: zu wenig Interessierte, viel zu wenig Werbung für das Klima auf diesem Standort; viel zu wenig Österreicher kaufen Aktien, 4 bis 5 Prozent gegenüber einem Vielfachen in anderen europäischen Ländern. Daher versuchen wir – der Finanzminister vor allem – jetzt schrittweise durch Abschaffung der Börsenumsatzsteuer, durch Nichteinführung der Spekulationssteuer endlich einmal den Kapitalmarkt zu beleben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dann kommt natürlich auch dazu, dass unsere Veranlagungsvorschriften sehr restriktiv sind. Ich werde in Lissabon dafür eintreten, dass die Pensionsfonds liberalere Veranlagungsformen bekommen. Das sind die am schnellsten wachsenden Fonds und institutionellen Anleger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dort finden Sie auch genau den institutionellen Kern, den wir für unsere Betriebe suchen, damit etwa die Entscheidung in Österreich bleibt. Das ist ja genau das Konzept, das wir auch gemeinsam vertreten wollen.


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Nun zur Frage 6: Welche Erlöse erwarten Sie aus den Privatisierungen?

Zunächst einmal muss ich sagen, dass man jetzt schwer alle Erlöse prognostizieren kann, denn da werden sehr tief gehende Analysen und Bewertungen vorzunehmen sein. Aber ich erwarte schon, dass wir zumindest in dieser Legislaturperiode den gesamten aushaftenden Schuldenstand – das sind jetzt für ÖIAG plus ehemalige Post Schulden von etwa 80 Milliarden Schilling – auch wirklich wegbekommen. Wenn wir das schaffen, in Verbindung mit einer Art "Volksaktie", in Verbindung mit einer Werbung für eine Mitarbeiterbeteiligung, dann haben wir mehr für den Standort gemacht, als in den letzten zehn Jahren geschehen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frage 7 ist damit miterledigt.

Zur Frage 8: Wie wollen Sie künftig feindliche Übernahmen verhindern?

Darf ich offen sagen: Mich stört dieses Defensive, denn in Wahrheit ist Wirtschaft natürlich nie eine Einbahnstraße. Schauen Sie sich die lebendige österreichische Wirtschaft in den letzten paar Jahren doch an: Die AT, aus der Sie jetzt eigentlich fast einen Krisenfall gemacht haben, hat um 7,5 Milliarden Schilling Swedish Match gekauft. Die Wienerberger, auch die VOEST natürlich oder viele andere haben sich doch zu kleinen internationalen Multis entwickelt. Fürchten wir uns doch nicht ständig vor den feindlichen Übernehmern und vor den großen Ausländern, sondern vertrauen wir auf die Kraft unserer Betriebe und helfen wir ihnen dabei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich hat die ÖIAG jede Chance, strategische Allianzen einzugehen. Das ist auch absolut sinnvoll. Warum soll sie nicht – so wie etwa bei der Austrian Airlines oder in der Bankenlandschaft, auch in der Frage der ATW – industriepolitisch geeignete Allianzen eingehen können? Aber bitte nicht unter politischem Druck und nicht durch die Verzögerung von Reformen!

Ich darf noch ein sehr ernstes Wort sagen: Was mich persönlich getroffen hat, war etwa, dass wir gerade im Telekombereich nicht jene Performance haben, die wir eigentlich haben sollten. Und wissen Sie, warum? Ich war dabei, ich war Zeitzeuge: weil der damalige Verstaatlichtenminister und Verkehrsminister – Sie wissen, wer es war –, sehr lange verhindert hat, dass man aufteilt und die einzelnen wettbewerbsfähigen Bereiche und Branchen der ehemaligen Post, die ein Ganzes war, an die Börse bringt und partnerfähig macht. Wir haben Jahre dadurch verloren. Wenn man bedenkt, wie die letzte Personalentscheidung vor 16, 18 Monaten verlaufen ist, die ja, wie ich höre, nicht ganz politikfrei verlaufen sein soll, wenn man bedenkt, dass jetzt praktisch der ganze Vorstand geht, dann, so meine ich, ist das nicht gerade ein Musterbeispiel für industriepolitische Erfolge oder für das Konzept, für das Sie gerade in Ihrer Rede eingestanden sind.

Seien wir doch ehrlich! Versuchen wir einen anderen Weg, einen moderneren Weg, wie er in vielen anderen Ländern bereits sehr erfolgreich gegangen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 9 hinsichtlich des stabilen Kern-Aktionärs.

Ich habe bereits gesagt, da gibt es einige Möglichkeiten: Pensionsfonds, Banken, strategische Allianzen; da könnte man sich vieles überlegen. Nicht haben möchte ich jedoch, dass das exklusiv immer der Staat oder öffentlich-rechtliche Körperschaften sein sollen. Da ist ein wenig mehr Phantasie gefordert. Wir haben auch bereits einige Studien in diesem Bereich in Auftrag gegeben. Ich bin überzeugt davon, dass uns da etwas gelingen wird, das durchaus spannend werden kann.

Zur Frage 10: Entpolitisierung.

Ich habe es bereits erwähnt: Wir werden eine völlige Neukonstruktion des Aufsichtsrates machen. Wir wollen Personalberater einschalten, die uns eine Liste erstklassig qualifizierter


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Fachleute vorlegen. Und bei der Erstbestellung des Aufsichtsrates wird die Bundesregierung auf dieses Motiv Bedacht nehmen.

Das Abberufungsrecht des Eigentümervertreters soll sicherstellen, dass die Eigentümerverantwortung bleibt, aber um die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit des Aufsichtsrates zu gewährleisten, ist eine solche Abberufung des Gesamtaufsichtsrates nur aus wichtigen Gründen möglich. Außerdem erfolgt selbstverständlich auch die Nachbesetzung wiederum nach dem Prinzip der Selbstergänzung.

Zur Frage 11 bezüglich Arbeitnehmervertreter:

Hiezu ist zu sagen: Mangels Konzernverhältnis zwischen ÖIAG und den Beteiligungsgesellschaften bestünde ohne gesetzliche Regelung überhaupt kein Entsenderecht für Interessenvertreter der Arbeitnehmer. Wir wollen aber eine solche sozialpartnerschaftliche Mitbestimmung, und daher ist die Bestimmung des § 5 Abs. 1 eine Drittelparitätsregelung sui generis, die übrigens weit über europäische Rechtsnormen hinausgeht. Wir stehen dazu! Wir wollen das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Mitglieder werden – genauso wie im geltenden ÖIAG-Gesetz – von der Bundesarbeitskammer nominiert, die Bestellung und Abberufung durch die Hauptversammlung entspricht den üblichen Bestimmungen des Aktienrechtes.

Zu den Fragen 12 bis 14 hinsichtlich Verschmelzung von ÖIAG/PTA/PTBG:

Auch dabei handelt es sich um ein Konzept, das eins zu eins in der vorherigen Bundesregierung andiskutiert wurde – und auch außer Streit war. Es geht um die Fusion per Verschmelzung durch Gesetz mit In-Kraft-Treten des ÖIAG-Gesetzes Anfang Mai, aber rückwirkend zum 31. Dezember 1999 auf Basis der Bilanzen 1999.

Wie schon erwähnt, wird die Regierung keinen politischen Einfluss mehr auf die Vorgänge in diesem Unternehmen ausüben. Das führt dazu, dass die Investoren natürlich auch wesentlich mehr Vertrauen in solche Werte haben. Ich hoffe sehr, dass auch die Opposition das begrüßt, der im Übrigen zu danken ist, weil ja damit die Auseinandersetzung – was ich sehr begrüße – erstmals wieder hier im Parlament stattfindet. Aber wir sollten eben auch diesen Betrieben helfen, und wir sollten ganz bewusst zurückhaltend sein mit Aussagen, mit denen natürlich auch die Märkte beeinflusst werden können.

Die Verschmelzung ist notwendig, um eine flache Entscheidungshierarchie – insbesondere bei Telekom und Post – und einen einzigen Rechnungskreis zu erreichen. Das ist der einzige Weg, alle betroffenen Unternehmungen und damit den Steuerzahler von der gesamten Schuldenlast der ehemaligen Verstaatlichten zu befreien. Und damit wird natürlich die Entwicklungschance der ÖIAG – auch im Hinblick auf spätere Beteiligungen der ÖIAG – deutlich verbessert.

Zur Frage 15: Welche Maßnahmen werden wir als Eigentümervertreter setzen, um weitere Kursverluste der ÖIAG-Unternehmen zu verhindern?

Wir wollen durch die Privatisierung bewusst Vertrauen bei den Investoren schaffen. Ich meine, dass die Klarstellungen, die jetzt getroffen wurden, und auch die Aussagen der fachlich Verantwortlichen helfen werden, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Wir wollen ganz bewusst auch dem Börsenplatz Wien helfen. Sie können sicher sein, dass im Herbst die erfolgreichsten Privatisierungsaktionen der Geschichte in Wien anlaufen, und dann werden wir, so meine ich, anhand von Fakten diese Situation beurteilen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur letzten Frage hinsichtlich der Refundierungsverpflichtungen:

Die Refundierungsverpflichtungen werden Schritt für Schritt zeitgleich mit dem Abbau der Schulden abgebaut und werden natürlich in den relevanten Bilanzen enthalten sein. Der Wegfall erfolgt Zug um Zug.


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Insgesamt, meine Damen und Herren, danke ich Ihnen sehr für das Stellen dieser Dringlichen Anfrage, geben Sie uns doch damit die Möglichkeit, erstmals einem breiten Publikum, das ja auch via Fernsehen zuschaut, uns genau auf die Finger und auf den Mund schaut, zu zeigen, was wir wirklich vorhaben. Da ist also kein Horror-Szenario geplant, sondern eine behutsame, professionelle, unabhängige Privatisierung: im Interesse der Betriebe, der Aktionäre und der Mitarbeiter. – Ich danke Ihnen. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Geschäftsordnung ist bekannt: Jede Fraktion hat 25 Minuten Redezeit; die Einzelredezeiten sind maximal 10 Minuten pro Abgeordnetem.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Edlinger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

15.56

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vor Eingang in dieses Thema doch einige Bemerkungen zu den von Herrn Abgeordnetem Gusenbauer und dem Herrn Bundeskanzler gemachten Äußerungen betreffend die internationale Situation Österreichs machen.

Die österreichische Bundesregierung hat in der Tat internationale Probleme. In den letzten Tagen waren nicht nur der Herr Bundeskanzler und der Herr Finanzminister in Brüssel, sondern auch viele sozialdemokratische Mandatare, frühere Mitglieder der Bundesregierung pflegen jene Kontakte, die dazu beitragen sollen, die Situation zwischen der österreichischen Bevölkerung einerseits und unseren Freunden innerhalb der Europäischen Union andererseits zu normalisieren. Und zum Unterschied von amtierenden Regierungsmitgliedern finden Sozialdemokraten in Europa Gesprächspartner. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, haben heute davon gesprochen, dass Sie sich einen Schulterschluss wünschen. Da muss man bitte schon die Frage stellen, zu welchem Inhalt Sie einen solchen Schulterschluss haben wollen. Wenn es darum geht, Misslichkeiten für die österreichische Bevölkerung abzuwenden, dann sind wir Sozialdemokraten zu einem solchen Schulterschluss bereit. Das geht aber nicht, wenn Sie mit laschen Papieren und Entschließungsanträgen die Ursache, die zu dieser Isolation Österreichs geführt hat, nicht ansprechen. Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und die Ursachen sind die menschenverachtenden, die inhumanen und die rechtsextremen Äußerungen einzelner Mitglieder dieser Regierung und einer Partei im besonderen Maße. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und solange das nicht aufhört, hat auch ein Schulterschluss keinen Sinn, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben sich sehr viel eingebildet auf die Präambel Ihrer Regierungserklärung, aber, sehr geehrter Bundeskanzler, ich vermisse, dass Sie über die Einhaltung dieser Präambel, und zwar durch alle Mitglieder Ihrer Regierung, wachen. Sie, Herr Bundeskanzler, versagen in dieser Funktion – wie in vielen anderen auch! Und das gehört auch in aller Deutlichkeit hier gesagt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen einer Debatte über eine Dringliche hat ein Redner nur 10 Minuten Zeit, und daher werde ich mich jetzt dem eigentlichen Thema widmen.

Die heutige Diskussion ist deshalb dringlich, weil nicht nur das Parlament, sondern vor allem auch die Öffentlichkeit das Recht hat, zu erfahren, was diese Bundesregierung mit wichtigen österreichischen Unternehmen vorhat, und sie ist auch deshalb dringlich, weil die Äußerungen wichtiger Vertreter der Regierungsparteien unterschiedlich waren und heftige Reaktionen nicht nur in der Opposition oder in den Gewerkschaften, sondern auch bei namhaften Experten im wirtschaftlichen Bereich ausgelöst haben.


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15. Sitzung / Seite 27

Sie ist nicht zuletzt auch deshalb erforderlich, weil der Weg der ÖIAG seit 1994 unter sozialdemokratischer Führung extrem erfolgreich war. Sie haben mehrmals darauf hingewiesen, dass wir es heute mit hervorragenden österreichischen börsennotierten, international operierenden Unternehmungen zu tun haben. Es ist aber offenbar Ihr Ziel, diese Unternehmungen vom Standort Österreich zu entfernen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll hat gestern in seiner Pressekonferenz dankenswerterweise von der "Erfolgsstory der Privatisierung" gesprochen. – Ich bekenne mich zu jener Form der Privatisierung, wie wir sie seit 1994 verfolgt haben. Aber es ist ebenso schlecht und passt nicht zusammen, wenn Sie, Herr Abgeordneter Stummvoll, auf der einen Seite die positive Entwicklung der Unternehmungen begrüßen und auf der anderen Seite im selben Atemzug feststellen: Erfolgsstory der Unternehmen, aber der Staat ist ein schlechter Unternehmer!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher meine ich, dass es ganz wesentlich ist, dass das, was man in der Literatur und auch in der wirtschaftlichen Realität als den bestimmenden Faktor in einer Aktiengesellschaft, wenn Sie wollen, als den Kern-Aktionär, bezeichnet, unter sicherer österreichischer Vorherrschaft bleibt. Und da ist in den nächsten Jahren keine andere Alternative als die ÖIAG zu sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun verfolgt diese Bundesregierung eine Strategie, die in einen totalen Abverkauf mündet. Es sollte – wie ich meine: überfallsartig – ein ÖIAG-Gesetz ohne öffentliche Begutachtung beschlossen werden. Erst nach langer Intervention wurde eine solche zugesagt, und ich hoffe, dass das heute abends im entsprechenden Ausschuss sichergestellt wird.

Der Herr Bundeskanzler hat nach dem Regierungsbeschluss von einem umfassenden Entstaatlichungsprogramm gesprochen – man muss auf der Zunge zergehen lassen, welche Tendenz in einer solchen Äußerung zum Ausdruck kommt! –, und Herr Grasser sagt die Wahrheit. (Zwischenrufe.) Es geht ihm nicht um die Betriebe, sondern darum, möglichst hohe Erlöswerte zu erzielen, wie er nach der Sitzung der Bundesregierung am 29. erklärt hat. Das heißt, ihm geht es nicht darum, die Existenz dieser Betriebe zu sichern, sondern darum, Erlöse herauszuziehen, und das Schicksal der Beschäftigten, aber auch das Schicksal des Industriestandortes Österreich ist ihm völlig egal. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Totalprivatisierung großer wichtiger österreichischer Wirtschaftsunternehmungen wäre ein für die Wirtschaft unseres Landes, die Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort Österreich aus vielerlei Gründen falscher Weg. Und ich zitiere nicht nur jenen Wirtschaftsredakteur, der gemeint hat: Stoppt den Unsinn, der von der Regierung losgetreten worden ist!, sondern weise auch auf die Kritik hin, dass vieles nachträglich gar nicht mehr korrigiert werden kann, denn der versuchte Anschlag, diese Repolitisierung im Bereich der Aufsichtsräte, diese Diskussion allein hat genug Schaden angestellt (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) und den Wert dieser Unternehmungen in den Keller hinuntergefahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mit großem Interesse vernommen, dass Sie jene Aufsichtsräte, die heute da tätig sind, faktisch als Parteiknülche bezeichnet haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Eigentor!) Und ich habe mehrmals gefragt, wen Sie meinen. Sagen Sie in der Öffentlichkeit, wer diese Parteiknülche, die faktisch von Sekretariaten die Empfehlungen holen, sind! Herr Kehrer, Herr Koren, Herr Wolfsberger, Herr Scharinger, Herr Rothensteiner, Herr Wenckheim, Herr Wailand, Herr Krejci, also hervorragende Persönlichkeiten sitzen im Aufsichtsrat österreichischer Unternehmungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie diese Männer diskriminieren, dann ist das etwas, was Sie selbst mit ihnen auszumachen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zwei Bemerkungen zum Schluss: Ich stehe nicht an, grundsätzlich zu sagen, dass eine Neuorganisation der ÖIAG erforderlich ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Gott sei Dank, Konsens!) Ich habe auch als Finanzminister kein Hehl daraus gemacht. Erstens sollte neben der Erfüllung des Privatisierungsauftrags eine klare Beteiligungsholding aus der ÖIAG geschaffen werden. Das ist ein ganz entscheidender Schritt in die Zukunft. Zum Zweiten steht die notwendige Fusion von PTBG/PTA in die ÖIAG vor der Tür. (Abg. Dr. Martin Graf: Was haben Sie in den 30 Jahren


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gemacht?) Dazu ist es aber notwendig – die Vorbereitungen sind fristgerecht erfolgt –, ein mehrjähriges und kluges Konzept zu erstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist für maßvolle weitere Privatisierungsschritte dort, wo es zweckmäßig ist. Wir sind dafür, dass ein Maximum an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Österreich gehalten wird. Wir sind für die Sicherung von Kerneigentum, um die Standortfragen bestimmen zu können. Es darf keine Verschleuderung des Familiensilbers geben. Die Betriebsräte aller Fraktionen haben massiv davor gewarnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Rudolf Edlinger (fortsetzend): Was Sie machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht Fortschritt, sondern es ist ein Rückschritt in den Wirtschaftsliberalismus des 19. Jahrhunderts. Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren: Stoppen Sie diesen Unfug! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Ja, Herr Ex-Finanzminister, es ist Schluss mit lustig, es ist Schluss mit lustig Schulden-Machen, das ist richtig. Und es ist auch Schluss, Herr Abgeordneter Gusenbauer, auf das Kurzzeitgedächtnis der Bevölkerung zu zählen. Vor sechs bis acht Wochen noch haben Sie Koalitionsverhandlungen geführt. Da war die Privatisierung gerade dieser Unternehmungen, die wir heute zur Diskussion stellen, ein Kernpunkt Ihrer Aktion, die Schulden der ÖIAG und der Post zurückzuzahlen. Und jetzt, weil nicht Sie das machen, weil Sie in Opposition sind, ist die ordnungsgemäße Privatisierung in Frage gestellt. Ganz klar, weil Sie nicht mehr dabei sind. Ihre Partei, die Sozialdemokratische Partei, hat 30 Jahre lang den Bundeskanzler gestellt. Sie haben vor 30 Jahren, im Jahre 1969, in Österreich, einem schuldenfreien Land, zu regieren begonnen. Im Jahre 1999 übergaben Sie dieses Land mit 1 700 Milliarden Schilling Schulden der nächsten Regierung. Sie haben es in diesen 30 Jahren geschafft, die verstaatlichte Industrie um 100 000 Arbeitsplätze zu bringen. Jetzt stellen Sie sich hierher und sagen: Die Arbeitsplätze sind bei einer Privatisierung gefährdet. – Da kann ich doch wohl nur lachen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Haben Sie vergessen, was die Sanierung der Länderbank gekostet hat? Haben Sie vergessen, was die Sanierung der VOEST gekostet hat? Haben Sie die 120 Milliarden Schilling vergessen, die aus dem Budget hineingeflossen sind?

Haben Sie auch vergessen, dass die Kontrollbank heute noch Umschuldungen machen muss, weil sie Aufträge der verstaatlichten Industrie finanziert hat, bei denen man von Anfang an wusste, dass sie nicht bezahlt werden, ob in Russland oder woanders, alles unter sozialdemokratischer Führung. Das ist die Entwicklung der ÖIAG unter Ihrer Führung!

Zusätzlich haben Sie dem Steuerzahler die höchste Steuerquote, die höchste Abgabenquote in den EU-Ländern zugemutet. Das höchstverschuldete Land haben Sie uns übergeben mit 2 Prozent Neuverschuldung – ganz entgegen dem Trend der 15 Länder in der Europäischen Union. Wir haben einen Zuwachs bei den Gesamtschulden – ganz entgegen dem Trend der europäischen Länder. All das noch sozusagen als Draufgabe.

Das heißt, Sie haben vom Steuerzahler abkassiert, Sie haben die verstaatlichte Industrie um 100 000 Arbeitsplätze erleichtert. Gerade Ihr Ex-Kanzler Klima war es, der eine Garantie für die Telekom-Arbeitsplätze abgegeben hat. Er hat gesagt: Unter meiner Führung als Verkehrsminister wird es keinen Verlust von Arbeitsplätzen geben! – 12 000 Arbeitsplätze waren gleich weg! Und vor der Situation stehen wir heute. Daher kann ich Ihnen nur sagen: Die SPÖ hat als Unternehmerin auf allen Linien versagt. Sie wissen es selbst! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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15. Sitzung / Seite 29

Ihre Privatisierungsbemühungen haben nur einmal einen Höhepunkt erreicht. Wissen Sie, wann das war? – Im Jahre 1997, als die Bank Austria dringend nach ao. Erträgen gesucht hat und diese ao. Erträge durch Übernahme der CA gefunden hat, denn diese war nicht unter ihrer Führung. Dort sind die Gewinne hergekommen. Das war Ihre einzige echte Privatisierung, indem Sie das Geld von der CA in Richtung Bank Austria geschaufelt haben. Alle anderen Privatisierungen seit 1991, also der letzten zehn Jahre, waren bestenfalls 10 Prozent dessen, was Sie sich vorgenommen haben. Sie haben sich von 1991 bis 1998 Privatisierungen im Ausmaß von in etwa 80 Milliarden Schilling vorgenommen und haben davon sage und schreibe – ausgenommen die CA-Privatisierung – ganze 8 Milliarden Schilling realisiert. Das war es!

Wir müssen jetzt die Privatisierungen vornehmen, die Sie zwar immer in Ihr Programm aufgenommen haben, die Sie aber, obwohl Sie dringend notwendig sind, nicht gemacht haben.

In der Zwischenzeit haben Sie den "Konsum" – heute ist der fünfte Jahrestag der "Konsum"-Pleite – ordentlich in die Pleite geführt. Zusätzlich haben Sie gerade – der letzte Auftrag des Herrn Viktor Klima – erklärt, für die Parteifinanzen seien Sie erst ab 1. April zuständig, soweit ich das richtig verstanden habe. Erst ab 1. April erklären Sie sich dafür zuständig. Bis dahin müssen noch ein paar hundert Millionen Schilling in Ihren Parteifinanzen gefunden werden, denn auch dort haben Sie sich als wirklich schlechter Unternehmer, als schlechter Finanzmanager entlarvt. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Sie als "kreativer Buchhalter" sind mir immer aufgefallen. Da die Schulden im Budget nicht hoch genug waren, haben Sie noch 300 Milliarden Schulden außerhalb des Budgets gemacht. So einen "kreativen Buchhalter" wünsche ich mir in meiner Firma! Nur Schulden machen, Herr Ex-Schuldenminister! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber ich muss Ihnen noch etwas sagen: Das, was Sie wirklich schmerzt, ist, dass Sie bei der Verstaatlichten einen zusätzlichen Verlust Ihrer Machtstruktur hinnehmen müssen. Darauf kommt es an! Privilegien, Proporz: All das hat Ihre Handschrift getragen!

In einem Buch über Ihren Exkanzler Vranitzky steht: Vranitzky erhielt umgerechnet rund 8 000 S Stundenlohn für seine Tätigkeit in der Länderbank. – Die Tatsache, dass Sie immer weniger solcher Positionen infolge der von uns durchgeführten Privatisierung besetzen können, bedeutet jenen Machtverlust, dem Sie heute schon nachweinen. Sie wissen, dass es solche Positionen für Sie in Zukunft nicht mehr geben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ob Sie es bei der AUA gemacht haben, ob Sie den Abgeordneten Kaufmann am Flughafen untergebracht haben, ob Sie den Exsekretär von Klima Marc Hall in die OMV hineingebracht haben – Sie wissen auf jeden Fall genau, wie es funktioniert. Da das dem Ende zugeht, sind Sie jetzt gegen eine Privatisierung. Sie können in Zukunft nicht mit unterschreiben und sagen: Da überall setzen wir uns zusätzlich hinein!

An den Nutzen der Mitarbeiter in den Unternehmen haben Sie nie gedacht. Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter in der verstaatlichten Industrie zu sein, der jeden Tag in der Zeitung liest: Der verstaatlichten Industrie geht es schlecht, Mitarbeiterabbau et cetera. – Daran haben Sie nie gedacht! Das waren die 100 000 Leute, die unter Ihrer Ägide die Verstaatlichte abgebaut hat. Merken Sie sich das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundeskanzler hat es schon gesagt: International ist der Rückzug des Staates aus der Wirtschaft angesagt. Es gibt kein Land in Europa, in welchem die Privatisierung nicht zu einem durchschlagenden Erfolg für Arbeitsplätze und für Unternehmungen wurde. Sie haben in Sachen Privatisierung Ansagen gemacht, jedoch nichts realisiert. Sie haben die Grundstofflastigkeit der österreichischen verstaatlichten Industrie belassen, Sie sind nicht in neue Technologien gegangen. Sie haben bei Telekom jeden Tag einen Wertverlust zu verantworten, weil alternative Anbieter da sind und Ihr Vertrag mit der Mobil Italia ein ganz schlechter ist, an dem wir jetzt bei dieser Privatisierung noch einigermaßen zu beißen haben werden.


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Die ÖIAG kann ihre eigenen Schulden nicht decken. Das war Ihre Politik, Herr Ex-Minister Edlinger! Die 50 Milliarden Schilling Schulden der ÖIAG können Sie allein aus den Assets, aus den Vermögenswerten der ÖIAG und aus den Dividenden nicht tilgen. Der Herr Bundeskanzler hat es gesagt: 9 Milliarden Schilling an Dividenden wurden für nichts anderes als für Zinsenzahlungen verwendet. Daher sage ich Ihnen: Jetzt müssen wir noch die Post in die ÖIAG hineinfusionieren, damit wir die Schulden der ÖIAG berappen können.

Ich sage Ihnen mit Nachdruck: Jede Hausfrau schaut auf ihre Sparzinsen. Die Kapitalrendite der verstaatlichten Industrie ist unter jeder Kritik. Deswegen kam es dazu, dass die VOEST-Alpine und die OMV, die einen sehr geringen Börsenwert und eine sehr geringe Kapitalrendite haben und nicht einmal die Zinsen eines besser angelegten Sparbuches verdienen, unter Ihrer Führung so weit gekommen sind.

Jetzt ist Schluss mit lustig, jetzt ist eine neue Regierung da! Diese wird eine neue Politik machen und dem Steuerzahler das zurückgeben, was Sie ihm weggenommen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.16

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister und Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sinne einer guten Diskussionskultur möchte ich mich zunächst bei Ihnen von der sozialistischen Fraktion für die heutige Sondersitzung bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie wissen es – und ich mache kein Hehl daraus –, dass die Volkspartei in den letzten Jahren oft folgendes Problem gehabt hat: erstklassige Leistung, hervorragende Konzepte schlecht verkauft. – Die Kombination von parlamentarischen Sondersitzungen und ORF-Übertragungen sind für uns ein großer Vorteil. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehe davon aus, dass nach der heutigen Sondersitzung die Meinungsforscher das Gleiche sagen werden wie nach der letzten Sondersitzung, nämlich: Jeder Auftritt des Bundeskanzlers im Fernsehen ist ein Pluspunkt für die Bundesregierung, meine Damen und Herren. (Oh-Rufe. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zunächst noch ein Wort zu den Ausführungen von Kollegen Gusenbauer. (Abg. Mag. Trattner: Der Begründer ist gar nicht mehr da! Nur für das Protokoll! Er bereitet sich wahrscheinlich auf den nächsten Parteitag vor! – Abg. Dr. Khol: Kollege Kostelka telefoniert!) Er ist zwar nicht mehr da, offensichtlich hat er Wichtigeres zu tun, als bei der Sondersitzung anwesend zu sein, die er mit seiner Fraktion einberufen hat. – Er hat den nationalen Schulterschluss angesprochen. Es war unsere Außenministerin Ferrero-Waldner und es war der Bundeskanzler vorher schon und heute wieder, die Sie eingeladen haben, an diesem nationalen Schulterschluss teilzunehmen. Österreich ist stärker, wenn alle vier Fraktionen hier im Parlament geschlossen auftreten. Es war die sozialdemokratische Fraktion, die es bisher abgelehnt hat, die unfairen, überzogenen und die europäische Idee schädigenden Sanktionen zu verurteilen. Machen Sie sich ein Bild daraus, meine Damen und Herren! Das hat die SPÖ bisher immer abgelehnt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang ein Glückwunsch an den Herrn Bundeskanzler. Ich habe heute die angesehene "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gelesen. Da heißt der erste Satz in einem Kommentar: "Schüssel war in Brüssel, er war nicht in Canossa. Österreich ist aus der Auseinandersetzung, die Schüssel geführt hat, als moralischer Sieger hervorgegangen." – Das schreibt die angesehene "Frankfurter Zeitung". Herr Bundeskanzler, herzlichen Glückwunsch für den "moralischen Sieger"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Aber auch der Finanzminister!) Auch der Finanzminister sei mit einbezogen.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte auch ganz offen sagen, was mich an der bisherigen Debatte stört. Wir  – und das gilt für beide Regierungsfraktionen – nehmen die Sorgen der Menschen um ihre Arbeitsplätze ernst. Aber zwischen Sorgen ernst nehmen und Angst machen, wie Sie es tun, ist ein gewaltiger Unterschied. Wir nehmen Sorgen ernst, Sie machen Angst, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist in der Tat unverantwortliche Panikmache, wenn Sie hier vom Rednerpult aus erklären, 120 000 Arbeitsplätze seien gefährdet, es gehe um den Ausverkauf des Familiensilbers. – Ja bitte, sagen Sie die ganze Wahrheit! Das Familiensilber ist mit 80 Milliarden Schilling Schulden belastet! Das Erbe Kreisky, das Erbe Sinowatz, das Erbe Vranitzky und das Erbe Klima: Das ist die volle Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Ich glaube ja nach wie vor, Herr Ex-Finanzminister, dass hinsichtlich der Terminwahl für diese heutige Sondersitzung Sigmund Freud bei Ihnen ein bisschen mitgewirkt hat. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Fast genau auf den gleichen Tag ereignete sich vor fünf Jahren die "Konsum"-Pleite in der Geschichte dieses Landes (Rufe bei der ÖVP: Ah so!), und zu diesem Zeitpunkt eine Sondersitzung mit dem Thema "Ausverkauf des Landes" abzuhalten, ist schon eine gewaltige Leistung! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir können stolz darauf sein, dass die Wirtschaftsgeschichte der Zweiten Republik, der letzten 50 Jahre eine Erfolgsstory war – mit zwei großen Ausnahmen: Verstaatlichten-Desaster und "Konsum"-Pleite. (Abg. Dr. Khol: "Konsum"!) Wir alle wissen, wie das verursacht wurde. Es wurde dadurch verursacht, meine Damen und Herren (Abg. Dr. Khol: Punktgenau!), dass sozialistische Gewerkschaftsfunktionäre geglaubt haben, sie müssten Unternehmer spielen. Das geht immer schief, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen) , und leider hat das der Steuerzahler sehr schmerzvoll erfahren müssen.

Auch aus diesem Grund unternehmen wir einen neuen Schwung in Richtung Privatisierung. Wir fühlen uns als Anwalt des Steuerzahlers. Wir werden es nicht zulassen, dass neuerlich – nur, damit einige Gewerkschaftsfunktionäre Ihrer Fraktion (in Richtung SPÖ) eine industriepolitische Spielwiese haben – der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Wir werden – im Gegenteil! – im Interesse des Steuerzahlers die genannten 80 Milliarden Schilling Schulden aus Privatisierungserlösen zurückzahlen – im Interesse des Steuerzahlers und im Interesse der Sicherung der Zukunft unseres Landes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich kritisiere auch Ihr falsches Verständnis von Industriepolitik. Industriepolitik kann doch in der heutigen Zeit nicht heißen, dass der Staat in Industriebetriebe eingreift. Industriepolitik ist heute Standortpolitik. Wir müssen Voraussetzungen dafür schaffen, dass es attraktiv ist, in Österreich zu investieren – auch für ausländische Investoren. Wenn Sie hier sagen, dass dann, wenn im Zuge der Privatisierung ausländische Investoren zum Zug kommen, Arbeitsplätze aus Österreich sozusagen vertrieben werden, dann ist das im Grunde eine ungeheure Beleidigung aller ausländischen Investoren. Unternehmen wie Philips, Siemens und viele andere haben in den letzten Jahren hunderttausende Arbeitsplätze in Österreich geschaffen. Sie tragen zur Forschungs- und Entwicklungsleistung in Österreich mehr als 60 Prozent bei. Weltweit werben wir dafür, dass ausländische Investoren nach Österreich kommen, aber Sie beleidigen sie mit dieser Argumentation.

Ja merken Sie nicht, wie schizophren diese Argumentation ist? Weltweit werben wir: Bitte, kommt nach Österreich! Investiert hier! Doch Sie erklären hier: Wenn Ausländer kommen, gehen Arbeitsplätze verloren, wird Vermögen vernichtet. – Das ist eine schizophrene Argumentation, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Gegenteil ist der Fall. Erst vor kurzem hat die OECD, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, eine Studie im angesehenen Wirtschaftsmagazin "The


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Economist" veröffentlicht, erschienen im Jänner dieses Jahres, mit dem Nachweis, dass der Beschäftigungszuwachs in privatisierten Betrieben in aller Regel höher ist als jener in nicht privatisierten Betrieben – ein eindeutiger Beweis durch die OECD, nachzulesen in der Jänner-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins "The Economist", meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber das wissen Sie natürlich alles nicht. Sie treten hier an das Rednerpult und machen mit billiger Polemik den Menschen Angst. Und das verurteilen wir! Politik soll nicht Angst machen, Politik soll Mut machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dass man mit mutigen Privatisierungskonzepten sogar wichtige Wahlen gewinnen kann, haben wir erst vor wenigen Tagen in Spanien erlebt: Es gab ein mutiges Privatisierungskonzept von Aznar und einen gewaltigen Erfolg bei den Wahlen.

Ich bin davon überzeugt, dass das, was diese Bundesregierung hier in Angriff nimmt, genauso zu jenem Wahlerfolg werden wird, wie es zu einer Fortsetzung dieser Erfolgsstory werden wird, nämlich die Privatisierung von Unternehmen in Österreich im Sinne einer dauerhaften Zukunftssicherung, im Sinne einer dauerhaften Sicherung von Arbeitsplätzen. Ich stimme dem zu, was gestern im Fernsehen Professor Felderer gesagt hat: Arbeitsplätze in privatisierten Betrieben sind immer noch sicherer als in halb verstaatlichten Betrieben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Minister auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Offenbar beginnt jeder Redner heute mit einer kurzen Bemerkung zur Situation Österreichs im Verhältnis zu den 14 der EU. Dann tue ich das eben auch. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Herr Bundeskanzler! Sie versuchen immer, mit dem Wort "wir" zu suggerieren (Abg. Schwarzenberger: Wir Österreicher!), dass es so eine Art Eintopf gibt aus Volkspartei, Freiheitlichen, Sozialdemokraten und Grünen. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber es gibt Österreicher, Herr Kollege!)  – Ja, schon. Ich sage Ihnen dazu nur eines: Ich fahre als guter österreichischer Patriot, wie ich hoffe, morgen nach Paris, übermorgen und auch am Freitag werde ich in London sein. (Abg. Haigermoser: Ihre Reisepläne interessieren uns nicht!) Ich werde bei dieser Reise genau das tun, was wir bisher schon getan haben, nämlich dafür werben ... (Zwischenruf des Abg. Haigermoser.  – Abg. Dr. Martin Graf: Ich hoffe, Sie gehen nicht gegen Österreich demonstrieren!)  – Auch der Herr Haigermoser wird vielleicht einmal 10 Sekunden zuhören können. Wenn nicht, bin ich gezwungen, fortzufahren. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie zündeln, nicht?!)

Bei diesen Reisen mache ich immer Folgendes, nämlich ich bemühe mich, dafür zu werben, dass es keine überschießenden Reaktionen gibt, dass die Beziehungen des so genannten Auslandes – die EU-14 sind kein Ausland für uns – in kultureller Hinsicht, in wirtschaftspolitischer Hinsicht, bei den Schülern, bei den Wissenschaftern, bei den Kunstschaffenden und so weiter ausgebaut werden und nicht eingeschränkt – gerade in der Situation, in der wir uns heute befinden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Frau Kollegin Petrovic geht demonstrieren im Ausland gegen Österreich!)

Mein weiteres Bemühen richtet sich darauf, dass wir auf mittlere Sicht auf EU-Ebene ein Verfahren brauchen, das in gewisser Weise jenem ähnelt, das es auf einem ganz anderen Gebiet schon gibt, und zwar im Stabilitätspakt. Egal, wie man inhaltlich zu der Konzeption dieses Paktes stehen mag, aber darin gibt es auf EU-Ebene ein Verfahren mit Berichtspflichten, mit Reaktionen der Kommission, des ECOFIN-Rates, des Ministerrates und so weiter, und wenn alles schief geht, sieht der Pakt auch Sanktionen vor.


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Etwas Ähnliches brauchen wir auch in einem Fall wie diesem, sage ich jetzt einmal ganz neutral. Österreich ist der Anlassfall. Es kann aber demnächst auch andere Länder treffen, Beitrittsländer zum Beispiel und so weiter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) Es bestehen ja schon Vorarbeiten im Sinne der Erarbeitung eines europäischen Grundrechtskatalogs – das ist genauer zu definieren (Abg. Dr. Martin Graf: Was wollen Sie den Beitrittskandidaten damit ausrichten?) –, damit sich nicht jeder sozusagen mehr oder weniger – wie sagt man? – libertär oder jedenfalls ohne genaue Abgrenzung dieser Begriffe darauf berufen kann.

Noch etwas, Herr Bundeskanzler: Ich bin ja auch skeptisch bezüglich des SPÖ-Vorschlages hinsichtlich dieses Neuner-Gremiums, dieser Beobachtergruppe. Ich verstehe jedoch nicht ganz, warum Sie das – meiner Meinung nach – abqualifizierend als "Tugendausschuss" bezeichnet haben. Da geht es immerhin, sofern ich die SPÖ richtig verstanden habe, beispielsweise um die Beobachtung, ob es rassistische Äußerungen gibt, und generell um die Beobachtung, ob die Präambel des Koalitionsvertrages eingehalten wird. (Abg. Dr. Martin Graf: In Frankreich? In allen Ländern? – Abg. Dr. Ofner: Wir sind ja kein Protektorat!) Das hat vielleicht etwas mit Tugend und Untugend zu tun, aber ich habe Ihre Äußerung als sehr abqualifizierend empfunden. (Beifall bei den Grünen.)

Nun zum eigentlichen Tagesordnungspunkt. Ich fühle mich ja etwas ... (Abg. Dr. Khol: Ein Zwischenruf!)  – Ein Zwischenruf. (Abg. Dr. Khol: Halten Sie die EU-Sanktionen für gerechtfertigt oder nicht? Ein klares Wort dazu!)  – Ich habe das schon oft gesagt. Die Sanktionen gegenüber der Bundesregierung sind auf Grund der Regierungsbeteiligung der FPÖ absolut verständlich (Unruhe bei der ÖVP – Abg. Böhacker: Sie beleidigen 1,3 Millionen Wähler!), aber es hat in einer Reihe von Fällen überschießende, nicht gutzuheißende Reaktionen gegeben. Wir streiten dafür, dass diese Reaktionen aufhören. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich werde mich jetzt nicht mehr von der Tagesordnung abbringen lassen (Abg. Mag. Steindl: Jaja!)  – ganz egal, was die rechte Seite des Saales dazu sagt. Ich habe mich bei dieser Dringlichen Anfrage etwas unbehaglich gefühlt, weil man bei der SPÖ den Eindruck gewinnen kann: Na eigentlich wäre es das Beste, wenn alles beim Alten bliebe. (Abg. Dr. Khol: Ja! Das stimmt!) Der Status quo ist das Beste. – Ich weiß schon, dass Sie das nicht so meinen, aber dieses Gefühl konnte man nach den bisherigen Äußerungen haben. (Abg. Dr. Khol: Strukturkonservativ!) Bei der Volkspartei hingegen (Abg. Dr. Khol: Jetzt kriegen wir es!)  – ich werde es dann gleich nuancieren, differenzieren – konnte man in den vergangenen Tagen manchmal den Eindruck eines spiegelverkehrten Vulgärmarxismus gewinnen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Marx sagt: Alles Übel dieser Welt liegt im Privateigentum an den Produktionsmitteln. – Spiegelverkehrt die ÖVP: Wir brauchen nur zu privatisieren, und alles ist leiwand. – Nicht? (Abg. Dr. Khol: Ich verstehe!) Das meinte ich mit meiner Charakterisierung. (Abg. Mag. Steindl: Sie kriegen nicht einmal Applaus von Ihrer eigenen Fraktion!)

Bundeskanzler Schüssel hat sich ja heute wesentlich nuancierter erklärt, muss ich sagen. Ich bejahe zum Beispiel das Ziel, dass der Schuldenstand von 80 Milliarden Schilling in absehbarer Zeit abzubauen ist, ich halte das für ein durchaus legitimes Ziel. (Ruf bei den Freiheitlichen: Machen Sie nur weiter so, Herr Professor!) Ich frage mich zwar zwischendurch: Wo sind denn die anderen Milliarden von der Post geblieben? – Da fehlen ja noch einige Milliarden, aber sagen wir einmal: 80 Milliarden Schilling stehen derzeit zur Debatte.

Ich hätte es für gescheiter gehalten, wenn dieser Auftrag als Globalauftrag an die ÖIAG beziehungsweise an die neu zu konstruierende Holding erteilt worden wäre und nicht gleich sozusagen durch eine politische Intervention des Ministerrats dahin gehend, wie bei den einzelnen Firmen vorzugehen ist. Das sollen Fachleute entscheiden. Warum denn Politiker?, und seien es auch so "hoch qualifizierte" wie die jetzigen in der Bundesregierung – ironisch gemeint, sonst ist es irreführend im Protokoll. (Abg. Dr. Stummvoll: Der war schlecht! – Abg. Schwarzenberger: Das haben Sie durchaus ehrlich gesagt! – Abg. Böhacker: Das war eine Freudsche Fehlleistung!)


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Ich glaube, dass es auch ein Fehler war, die Diskussion dahin entgleiten zu lassen, dass es dabei primär um fiskalische Fragen geht. Ich halte das für ganz falsch. Es ist schon wichtig, wie viel der Bund in Summe erlöst, aber der Höchstbieter ist nicht immer der Bestbieter, wie wir wissen, und das gilt auch in diesem Fall. Was das Beste für ein bestimmtes Unternehmen ist, ist für einen Outsider immer recht schwer zu beurteilen. Ist es der neue strategische Partner? Ist es der alte strategische Partner? Ist es ein neuer oder alter Kernaktionär? Ist es die Privatisierung von weiteren 5 oder 10 Prozent über die Börse und so weiter? – Das muss man ja in jedem Einzelfall prüfen. Das steht alles nicht im Gesetz – das ist klar, das kann auch nicht im Gesetz stehen –, aber ich halte es für einen Fehler, dass die Bundesregierung diesbezüglich schon so weite Vorgaben gemacht hat.

Es sind meiner Meinung nach auch handwerkliche Fehler passiert. Als handwerklichen Fehler betrachte ich zum Beispiel Äußerungen von Minister Grasser, die aber ihrerseits, so glaube ich, durch entsprechende Beschlüsse der Bundesregierung gedeckt sind, etwa bei der VOEST Alpine Stahl nicht klar anzugeben, was jetzt geplant ist. Die Abgabe von weiteren 10 Prozent über die Börse wäre ja noch unproblematisch, nehme ich an. (Abg. Mag. Kukacka:  ... die ÖIAG, nicht der Finanzminister!) Aber dann dazuzusagen, die nächsten 25 Prozent stünden demnächst auch schon zur Debatte, das verunsichert den Kapitalmarkt, das muss den Kurs senken. Das Unternehmen weiß dann erst recht nicht, woran es ist, es weiß nicht, ob es sich in Zukunft auf einen Kernaktionär beziehen kann oder nicht. 

Ich sehe schon, Sie haben mich mit dem Thema der EU-14 genug abgelenkt. Ich komme daher nur noch auf einen Punkt zu sprechen, und der betrifft die Besetzung der Aufsichtsräte.

Wenn es Ihnen gelingt, die Aufsichtsräte zu entpolitisieren, dann ist das etwas Schönes. Die bisherige Vorgangweise lässt natürlich nicht unbedingt das Beste erwarten. Minister Grasser muss noch erklären, warum er die Firma Zehnder in wenigen Minuten oder Stunden als Vertragspartner annehmen wird, eine Firma, die eher darauf schließen lässt, dass es zu einem neuen Nepotismus, allerdings ohne Parteibuch, kommen wird. Ich möchte nicht, dass der rot-schwarze Proporz erstens durch einen blau-schwarzen Proporz oder zweitens durch einen Nepotismus ohne Parteibuch ersetzt wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf die Ausgabe der Tageszeitung "Die Presse" vom 10. März, in der ausführlich beschrieben ist, dass die Firma Zehnder beziehungsweise deren Geschäftsführer ein Naheverhältnis zur FPÖ hat. – So geht es, glaube ich, nicht! Damit geben Sie die falschen Signale, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend: Viele der Sorgen, die die Vertreter der SPÖ hier vorgetragen haben, sind nachvollziehbar. Sie stehen aber als solche, als Fakten nicht im Gesetz, sondern Sie interpretieren etwas, von dem Sie erwarten, dass es in der Praxis passieren wird. Es kann auch anders kommen. Die Idee, Aufsichtsräte auf acht Jahre nach dem Muster der Europäischen Zentralbank zu bestellen, ist ja nicht schlecht. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Deswegen ist es so wichtig, wie die Erstausstattung ausschaut.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Der Schlusssatz lautet: Das Gesetz gibt einen allgemeinen Rahmen, der in der Praxis auszufüllen sein wird. In drei Jahren werden wir wissen, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes war. Heute bleibt diese Frage offen. (Beifall bei den Grünen.)

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Redner in der Debatte der Herr Finanzminister. Die Redezeit beträgt ebenfalls 10 Minuten. – Bitte.

16.35

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Werter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Frage, weshalb diese österreichische Bundesregierung ein umfassendes Privatisierungsprogramm in den Mittelpunkt ihres Koalitionsübereinkommens gestellt hat, ist aus


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meiner Sicht einfach zu beantworten. Ich möchte das, was Kollege Van der Bellen ausgeführt hat, durchaus positiv aufgreifen. Ich stimme Ihnen zu: Wir wollen den monetären Aspekt nicht unbedingt in den Vordergrund rücken. Das ist ein positiver Nebeneffekt. Es ist vor allem eine grundsätzliche wirtschaftspolitische Überzeugung, warum "mehr Privat – weniger Staat!" einfach positiv für die Mitarbeiter und für die Unternehmen in Österreich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt somit zwei Aspekte, warum wir privatisieren wollen, nämlich deshalb – da spielt durchaus auch der monetäre Aspekt eine Rolle –, weil wir folgenden Zustand übernommen haben: In der ÖIAG und im Postbereich mussten wir ein schweres Erbe mit mehr als 80 Milliarden Schilling Schulden – mehr als 80 Milliarden Schilling Schulden! – übernehmen. Jetzt ist es uns ein riesiges Anliegen, sicherzustellen, dass diese Schulden nicht auf die Bevölkerung über mehr Steuern beziehungsweise Abgaben zurückfallen. Wir wollen für ordentliche Finanzverhältnisse sorgen, dafür, dass es eine solide Finanzierung unserer Unternehmen gibt, und wir wollen diesen Rucksack der Altschulden in der Höhe von mehr als 80 Milliarden Schilling aus der Vergangenheit loswerden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen weiters deshalb privatisieren, weil wir einfach der Überzeugung sind, dass es wirtschaftspolitisch gescheit, ja grundvernünftig ist, mehr Unternehmertum in Österreich zu haben, mehr Privat in den Vordergrund zu stellen. Das ist ein Erfolgsprogramm, das es in den meisten Ländern in Europa gegeben hat – ein Erfolgsprogramm, das auch die Europäische Kommission in Empfehlungen an die einzelnen Mitgliedsländer aufgreift, indem sie sagt: Privatisiert mehr!

Es gibt Untersuchungen der Europäischen Union, es gibt Untersuchungen der OECD, aus denen ganz klar Folgendes hervorgeht: Das ist für die Wertschöpfung gescheit, das ist für den Arbeitsmarkt vernünftig, das schafft Arbeitsplätze, das schafft Wertschöpfung, das ist somit ein Erfolgsprogramm für jede Regierung in Europa. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die österreichische Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte ansieht, so muss man bilanzieren, dass lange Zeit eine sehr strukturkonservative Politik betrieben wurde, eine Politik, die darauf aufgebaut hat, Wettbewerb zurückzudrängen. Man hat versucht, Konkurrenz so weit wie möglich auszuschalten. Man hat versucht, über Förderungen Abhängigkeiten aufzubauen und die Unternehmer ein wenig am Gängelband zu halten, um ihnen zu zeigen, dass der Staat auch mitreden möchte.

Der Staat war auch zentraler Ansatzpunkt in der Wirtschaftspolitik, man hat gesagt: Ohne Staatseigentum kann es in Österreich nicht gehen! – Das mag, obwohl nicht unserer Überzeugung nach, für die siebziger Jahre vielleicht ein durchaus richtiger Ansatz gewesen sein, aber wenn wir heute hier eine Privatisierungsdebatte führen, in der man ernsthaft in Zweifel ziehen will, dass diese Bundesregierung einen modernen, innovativen Ansatz zur Privatisierung hat, dann möchte ich ins Gedächtnis rufen, wozu diese Verstaatlichungspolitik in Österreich in den achtziger Jahren geführt hat, nämlich zu einer Krise, zum Zusammenbruch der VOEST im Jahre 1986. Das war der Auslöser für eine der größten Wirtschaftskrisen in Österreich bisher – eine Krise, die mehr als 100 Milliarden Schilling an Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher vernichtet hat, eine Krise, die mehr als 50 000 Arbeitsplätze in Österreich gekostet hat!

Meine Damen und Herren! Diese Politik wollen wir nicht wiederholen, wir wollen es grundsätzlich anders machen, nämlich auf moderne Art und Weise für die Bevölkerung, im Sinne der Sicherung der Arbeitsplätze und der Industrie in unserem Land! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele nennen, wie man es nicht machen sollte. Erstes Beispiel, meine Damen und Herren: die AMAG, ein Unternehmen, dem, weil man von staatlicher Seite her nicht in der Lage war, es positiv zu führen, der Steuerzahler in den Jahren 1991 bis 1993 11,2 Milliarden Schilling zuschießen musste – 11,2 Milliarden Schilling vom Steuerzahler zur AMAG! (Abg. Dr. Stummvoll: Schrecklich!) –, ein Unternehmen, bei dem man er


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kannt hat, dass es der Staat nicht führen kann. Deshalb hat man sich im Jahre 1996 dazu entschlossen, dieses Unternehmen zu verkaufen. Oder soll man besser sagen, zu verschenken?

Nachdem also mehr als 1 000 Arbeitsplätze weg waren, nachdem man mehr als 11 Milliarden Schilling dazugezahlt hatte, wurde gesagt: Wir geben dieses Unternehmen für einen Schilling her, und wir legen von staatlicher Seite – von Steuerzahlerseite! – sogar noch 1,2 Milliarden Schilling drauf, damit uns jemand dieses Unternehmen abnimmt! Dieses Unternehmen wurde im November des Jahres 1996 von Hammerer und der Constantia-Gruppe übernommen (Abg. Dr. Stummvoll: Sozialistische Gewerkschaftspolitik!), und 1997/1998, also etwas mehr als ein Jahr nach der Privatisierung dieses Unternehmens, konnte man in der AMAG 306 Millionen Schilling Gewinn machen.

Meine Damen und Herren! Daran sehen Sie den Unterschied zwischen staatlicher Politik in der Vergangenheit und Privatisierung in der Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Hostasch. )

Ich möchte Ihnen noch ein weiteres Beispiel bringen, und zwar jenes der Austria Tabak, welches zeigt, wie die Bundesregierung und mein Vorgänger im Amte des Finanzministers Wirtschafts- und Industriepolitik definiert haben. Es wurde Vermögen des Bundes in Gestalt der Austria Tabak in den letzten Jahren verkauft. Und alles, was an Privatisierungserlösen der Austria Tabak eingenommen wurde, jeder Schilling, der durch Privatisierung hereingekommen ist, wurde für die Zahlung von Zinsen für Altschulden verwendet. Dieser Umstand wurde auch in einem Brief der Kollegen Streicher und Ditz aufgegriffen, die meinten, das könne so nicht geschehen, weil es keinen Sinn mache, Unternehmen, also Volksvermögen zu verkaufen, um Zinsen für Altschulden zurückzuzahlen, weil diese Strategie dahin führt, dass man zum Schluss draufkommt: Die Altschulden sind noch immer da, aber das Vermögen der Bevölkerung ist weg! Altschulden hier, Zinsen an die Banken bezahlt – und das Vermögen ist weg!

Meine Damen und Herren! Das ist nicht die Strategie dieser Bundesregierung. Wir haben gesagt: Wir zahlen die Altschulden zurück. Wir machen eine klare Finanzpolitik. Wir befreien die ÖIAG von diesem Rucksack mit Altschulden, damit sie wirklich unternehmerisch arbeiten kann, wettbewerbsfähig wird und damit Arbeitsplätze schaffen kann! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Bringen Sie ein drittes Beispiel! Das Verkehrsbüro war auch gut!)

Meine Damen und Herren! Es geht meiner Ansicht nach eigentlich darum, zu erkennen, dass sich die Welt ein bisschen schneller zu drehen begonnen hat. Die Voraussetzungen für unternehmerischen, für wirtschaftlichen Erfolg in der Welt haben sich einfach grundlegend geändert. Industriepolitik kann heute nicht mehr über direkte Beeinflussungen funktionieren, indem man sagt, das müsse Staatseigentum sein. Es kann Industriepolitik nicht mehr über Förderungspolitik funktionieren. Es kann Industriepolitik auch nicht mehr die politische Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten sein.

Sehr geehrter Herr Kollege Edlinger! Ich habe hier die gesamte Liste der Aufsichtsräte vor mir, als Beispiel bringe ich Ihnen nur den Aufsichtsrat der ÖIAG: Kollege Braumann, Sekretär des Herrn Lacina, sitzt dort im Aufsichtsrat, Frau Schmied, die als Mitarbeiterin Ihres Kabinetts von Ihnen in den Aufsichtsrat der ÖIAG entsandt wurde (Rufe bei den Freiheitlichen: Aha! – Abg. Ing. Westenthaler: Und aus dem Kabinett!), Frau Hagen die als Sekretärin des ehemaligen Bundeskanzlers in diesen Aufsichtsrat entsandt wurde. Diese Liste kann man fortsetzen. All das waren politische Besetzungen von Aufsichtsräten.

Ich kann Ihnen versichern: Diese österreichische Bundesregierung wird einen Proporz, wie Sie ihn betrieben haben, nicht mehr fortsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wir werden hingegen wirtschaftliche Expertise, wir werden Kompetenz, wir werden Know-how einbringen, wir werden Persönlichkeiten in die Aufsichtsräte setzen, die in der Privatwirtschaft und in der Wissenschaft gezeigt haben, dass sie ihr Geschäft verstehen und dass sie positive Beiträge für diese Unternehmen zu liefern in der Lage sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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15. Sitzung / Seite 37

Meine Damen und Herren! Industriepolitik heißt weiters nicht, Mauern um Österreich zu bauen, Wettbewerbsbeschränkungen aufzubauen. Auch so funktioniert Industriepolitik nicht mehr, denn zu drohen, keine Telefonanschlüsse mehr herzustellen beziehungsweise zu machen, ist der beste Weg, sich wegzurationalisieren, das Unternehmen in die Erfolglosigkeit, in die Verlustzone zu bringen, weil es heute viele Anbieter gibt, die dieses Produkt ebenso gut an die Kundschaft bringen können. Das kann daher nicht die Strategie im Interesse Österreichs sein!

Meine Damen und Herren! Moderne Industriepolitik bedeutet moderne Rahmenbedingungen, und diese heißen: schnelle Unternehmensgründung, die Kostenseite für die Unternehmer im Auge zu haben, Lohnnebenkosten zu senken – so wie es diese Bundesregierung sich auch vorgenommen hat, und zwar in der Größenordnung von 15 Milliarden Schilling –, um mehr Unternehmertum zu schaffen und dazu beizutragen, dass es mehr Beschäftigte in Österreich gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Moderne Rahmenbedingungen heißt des Weiteren: mehr Mitarbeiterqualifikation, mehr Flexibilität, Durchlässigkeit auf dem Arbeitsmarkt, Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen! Dadurch wird unsere Industrie in Zukunft wettbewerbsfähiger.

Ich bin der Überzeugung, dass diese Strategie der österreichischen Bundesregierung, nämlich jene Unternehmen zu privatisieren, die auch die SPÖ im alten Koalitionsübereinkommen mit der ÖVP, das sie dann nicht unterschreiben wollte, aufgelistet hat – und das sind die Telekom, die Postsparkasse als Bank, die dringend einen privaten Input braucht, der Flughafen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister, bitte die Redezeit zu beachten, die ich zu Beginn genannt habe!

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): ... und, zum Schluss kommend, auch die Austria Tabak –, weiterzuführen ist. Das betrifft 28 000 Mitarbeiter, aber ich darf Ihnen versichern, dass ich die Betriebsräte eingeladen habe, um ein Miteinander von Regierung und Belegschaftsvertretung, also den Mitarbeitern, sicherzustellen. Es wird also eine gemeinsame Privatisierung im Interesse der Beschäftigten und der Industrie in Österreich geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Edlinger, da schauen wir aber sehr alt aus gegen den jungen Mann! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger  – in Richtung des Abg. Mag. Schweitzer  –: Sie schauen aber auch alt ...! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

16.48

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen eine Bemerkung zu den heute schon mehrfach angesprochenen Problemen mit den anderen 14 EU-Staaten machen: Wer einen Schulterschluss einfordert, der soll die Ursache nicht verleugnen! Dann können Sie auch von uns einen Schulterschluss haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Ausrede, Herr Verzetnitsch! Schulterschluss ist Schulterschluss, und Patriot ist Patriot!)

Meine Damen und Herren! Wer die wechselhafte Vergangenheit der ÖVP im Zusammenhang mit der Geschichte der verstaatlichten Industrie, der staatsnahen Betriebe verfolgt, der hat auch eine dementsprechend "gute" Erklärung zur Hand.

Beim ersten Verstaatlichungsgesetz kam es dazu, dass diese ÖVP mit Mehrheit eingefordert hat, dass diese Betriebe nicht zu Marktpreisen verkaufen, sondern den Aufbau der österreichischen Wirtschaft mit Preisen unter dem Marktwert stützen, das heißt mit Subventionen, die man den Unternehmen geben konnte. Heute hat man das Gefühl, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, jetzt kann er abtreten, jetzt privatisieren wir auf Teufel komm raus. (Beifall bei der SPÖ.)


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15. Sitzung / Seite 38

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat vorhin die Stahlkrise als Beispiel angeführt. – Tun wir doch nicht so, als ob das nur ein Problem der VOEST oder der VA Stahl gewesen wäre! (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht nur!) In den achtziger Jahren hat es eine internationale Stahlkrise gegeben. Jede Tonne Stahl ist in dieser Zeit in Österreich mit rund 350 S subventioniert worden, in den damals 12 EU-Ländern im Durchschnitt mit 420 S – ganz zu schweigen von Irland, wo mit fast 2 000 S pro Tonne subventioniert wurde. Wenn wir also schon von Krisen reden, Herr Minister, dann sollten wir korrekt zitieren und nicht in einer ganz bestimmten Absicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Gleiche gilt in Wirklichkeit auch für Herrn Generalsekretär Stummvoll, der gerne Nebel wirft. – Sie haben von der Macht der Arbeitnehmer geredet. Ich kenne eigentlich keinen Unterschied zwischen dem Arbeitsverfassungsgesetz für privatwirtschaftliche Unternehmen und jenem für die vom Staat geführten Unternehmen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. ) Daher ist es für uns keine Machtfrage, sondern wir sind Gegenmacht, und zwar dann, wenn Sie in Wirklichkeit etwas tun wollen, was gegen die Interessen der Industrie, der Privatwirtschaft und der dort Beschäftigten ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben den "Konsum" zitiert – übrigens ein Mitgliedsbetrieb auch der Wirtschaftskammer! Zitieren wir doch auch den Gewerken Assmann, Alexander Maculan, Josef Taus, Gebrüder Bauknecht, Rohrmoser, Arnsteiner, Rosenstingl, Riegler oder die Fremdenverkehrswerbung, wenn wir über solche Dinge reden, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Sie haben ihr privates Vermögen verloren!)

Sie spielen die rote Karte, vergessen aber, dass vor kurzem auch die FCG beim Herrn Klubobmann mit dabei war und dort auch darüber gesprochen worden ist – aus politisch unterschiedlicher Sicht, aber in der Sache einig –: Keine Privatisierung auf Teufel komm raus, sondern unter vernünftigen Bedingungen! – Also spielen Sie nicht dauernd die rote Karte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Überhaupt kein Problem!)

Es wurde auch in den Raum gestellt, die OECD sage doch in Wirklichkeit, die Privaten seien die Renner. Da ist es durchaus ein Problem der Darstellung. OECD-Konferenzen, bei denen über Corporate Governance, über gute Unternehmensführungen geredet wird, bei denen man darüber spricht, die Mitarbeiter mit einzubeziehen, bei denen man davon spricht, dass nicht nur der Shareholder Value, sondern auch der Steakholder Value anzuwenden ist – über die schweigen wir! Nur der Private führt die Unternehmen besser, heißt es bei Ihnen.

Meine Damen und Herren! Sie müssen doch aus Erfahrungen in der Wirtschaft wissen, wie es in der Realität ausschaut. Gibt es Insolvenzen nur in den verstaatlichten Betrieben? (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Wieso fuhr Präsident Maderthaner vor wenigen Tagen nach Ägypten, um dort für die VA Stahl zu werben und zu sagen: Ein Super-Unternehmen!? – Also, wie hätten wir es denn gerne? (Abg. Dr. Stummvoll: Privatisieren!)  – Entweder so oder so, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Da wir nun über eine Grundsatzdiskussion reden: Ich bin froh darüber, dass diese Sondersitzung stattfindet, denn sie ist der Beweis dafür, dass wir diese Grundsatzdiskussion bisher nicht geführt haben. Was wäre denn geschehen, hätten wir nicht die Notbremse gezogen? – Sie wären mit Ihrer Regierungsvorlage sofort, ohne sie vorher einer Begutachtung zu unterziehen, in den Industrieausschuss gegangen, hätten sie dort sofort beschlossen und wären dann an die Öffentlichkeit gegangen.

Heute ist ganz anderes von Ihnen zu vernehmen. Positiv denken ist angesagt, hat der Herr Bundeskanzler gesagt. Da bin ich an seiner Seite! Aber wie hat denn die Botschaft vorher gelautet? – In der Regierungserklärung steht: Hundertprozentiger Verkauf der Austria Tabak, des Flughafens. Und das sofort, sagt Herr Stummvoll, das muss noch im Jahre 2000 budgetwirksam werden! Wie hätten wir es denn gerne? (Abg. Dr. Stummvoll: Wann habe ich das gesagt? Zitat! Das möchte ich sehen! Herzeigen!)  – Ihre Presseaussendungen, Ihre eigenen Wortmeldungen, lesen Sie das in der APA nach, dann werden Sie sehen, was Sie selber gesagt haben! (Beifall bei der SPÖ.)


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15. Sitzung / Seite 39

Aber wir werden der Panikmache bezichtigt! Ich bin gerne in einem Panikorchester, mit Herrn Felderer, mit dem IHS, mit verschiedenen anderen Wirtschaftsforschern, mit Kommentatoren aus dem Wirtschaftsbereich, die jetzt von Ihnen erfahren, dass sie und wir heute eine Abänderung zu einem bereits vorgelegten Gesetz dieser Bundesregierung kennen lernen werden. Wir wissen das zwar noch nicht genau, aber man ist offenbar auf einmal doch draufgekommen, dass es nicht ganz gescheit ist, was diesbezüglich in Wirklichkeit geplant war.

Mitarbeiterbeteiligung – im Prinzip durchaus nichts Schlechtes! Publikumsaktien – im Prinzip durchaus nichts Schlechtes! Aber, meine Damen und Herren, vergessen wir nicht die Realität! Wie ist das denn mit den Publikumsaktien im Burgenland bei der Elektrizitätswirtschaft ausgegangen? – Auf einmal war die EVN der Eigentümer dieser Publikumsaktien und nicht das Publikum im breitesten Sinne. (Abg. Schwarzböck: Und schlecht?) Wie ist es denn mit den Publikumsaktien beziehungsweise der Mitarbeiterbeteiligung bei der VA Stahl ausgegangen? – 20 Prozent der Mitarbeiter haben dort Aktien gezeichnet, der aktuelle Stand jedoch lautet: Nur mehr 10 Prozent haben diese noch, die anderen haben sie verkauft. (Abg. Dr. Stummvoll: Na, 10 Prozent – das ist ja etwas!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren? Wenn wir schon über all diese Dinge reden, dann muss ich sagen: Ich bin der Auffassung, dass wir einen Eigentümervertreter, der in Wirklichkeit gar nicht das Eigentum schützen will, sondern auf Teufel komm raus privatisieren will, nicht brauchen. Und wenn diese Sondersitzung einen Sinn hat, dann den, dass man jetzt eine Kehrtwendung dieser Regierung erkennen kann, denn jetzt sagt sie, sie habe es gar nicht so gemeint.

Sollten wir nicht den Eindruck vermeiden, dass die Veräußerung überhastet erfolgt? Soll man den nicht vermeiden? – Herr Stummvoll, das sind Ihre Worte, die Worte Ihrer Stellungnahme, die wir heute bekommen haben! Am Schluss steht: Man sollte daher die Wortfolge "möglichst rasche Privatisierung" aus dem Gesetzestext herausnehmen. (Rufe bei der SPÖ: Da schau her! Sehr gut!)

Also, wir haben gelernt, wir nehmen zur Kenntnis, dass diese Regierung lernfähig ist und sich wieder dem nähert, was von Ihnen seit Beginn an – nachzulesen etwa im Wirtschaftsbericht 1999; Sie tun jetzt so, als ob die ÖVP nie dabei gewesen wäre –, zu hören war: Die Kern-Aktionärsfunktion ist das Entscheidende für den Industriestandort Österreich. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber nicht der Staat!)

Und wenn man über das Geld redet, darüber, woher der Kernaktionär kommen soll, dann werden wir an der ÖIAG als Beteiligung nicht vorbeikommen, und nicht nur privatisieren können. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Haupt: Das war ein super Auftrittsapplaus! – Abg. Mag. Trattner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Danke!)

16.55

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Präsident Verzetnitsch, man kann im Leben immer dazulernen. Niemand hat das Meinungsmonopol, dass er immer Recht hat. Aber an Ihre Adresse sei auch etwas gesagt, nämlich darüber, wie Sie bisher mit Regierungsvorlagen etwa zur Änderung des ÖIAG-Gesetzes beziehungsweise des Postsparkassengesetzes umgegangen sind.

ÖIAG-Gesetz und ÖIAG-Finanzierungsgesetz-Novelle 1996: keine Begutachtung, das wurde durchgepeitscht. (Abg. Gaugg: Interessant!)

Privatisierungsgesetz, Bundesgesetzblatt 97 aus 1997, eine Regierungsvorlage: Begutachtung durch einzelne Ministerien beziehungsweise Wirtschaftskammer, ÖGB und Industriellenvereinigung.


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15. Sitzung / Seite 40

Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG: keine Begutachtung!

Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG, Bundesgesetzblatt 87/1998: keine Begutachtung!

ÖIAG-Gesetz, ÖIAG-Finanzierungsgesetz-Novelle 1993, bei der es damals immerhin auch um die Auflösung der Austrian Industries gegangen ist: keine Begutachtung! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Herr Präsident! Tun Sie jetzt von diesem Rednerpult aus nicht so wehleidig! Sie haben in der Vergangenheit eine Politik betrieben, bei der Sie über alles drübergefahren sind und bei der Sie die Opposition nicht einmal haben mitdiskutieren lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Präsident! Wir wollen einen anderen Weg gehen! Ihre Sorge wäre ja berechtigt, würde es sich tatsächlich so abspielen, würden wir die Arbeitsplätze gefährden, würden wir das Aktienpaket der verstaatlichten Betriebe beziehungsweise der Betriebe in öffentlicher Hand verschleudern. Aber das geschieht ja alles nicht! Schauen Sie sich nur die internationale Statistik in Bezug darauf an, was passiert, wenn Betriebe privatisiert werden, sehen Sie sich an, wie die Entwicklung bei ausländischen Beteiligungen ausschaut! (Abg. Verzetnitsch  – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Kollege Trattner, kennen Sie das?)

Eine OECD-Studie besagt, dass es in Österreich, Großbritannien und Frankreich in Betrieben mit ausländischer Beteiligung bei den Beschäftigten einen Zuwachs von 1,6 Prozent, in inländischen Betrieben aber ein Minus von 2,7 Prozent gibt. An der Forschungsquote haben laut dieser Studie in Großbritannien Betriebe mit internationaler Beteiligung einen Anteil von 40 Prozent, in Österreich haben Unternehmen mit ausländischer Beteiligung nahezu 60 Prozent Anteil. Als Beispiele gelten hier, wie schon erwähnt, Siemens und Philips.

Wir wollen ja in dieser Frage einen Weg gehen, der die Beschäftigung in Österreich sichert. Wir wollen aber auch den Weg gehen, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen, sich an den eigenen Unternehmen zu beteiligen, und zwar in Form einer Mitarbeiterbeteiligungsaktion, in deren Rahmen den Mitarbeitern ein Aktienpaket zur Verfügung gestellt wird, auf das sie eine Option haben, das sie also kaufen können. Damit ist außerdem gesichert, dass sich die Mitarbeiter als Miteigentümer mit dem Unternehmen identifizieren und dieses Auseinanderklaffen zwischen den Interessen der Arbeitgeber und jenen der Arbeitnehmer endlich einmal ein Ende hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dabei geht es um ein gemeinsames positives Vorgehen. Wir machen das Ganze ja nicht aus Jux und Tollerei. Sie waren es, die damals blockiert haben. Die Bundesregierung hatte sich ursprünglich vorgenommen, im Zeitraum von 1991 bis 1998 ein Privatisierungsvolumen in einer Größenordnung von 80 Milliarden Schilling zu erlösen. Tatsächlich realisiert haben Sie aber nur ein Volumen von 8 Milliarden Schilling. Mit dem Erlös aus der Privatisierung der ATW, der 4 Milliarden Schilling betrug, haben Sie lediglich die Zinsen bezahlt und sonst nichts.

Hätten Sie schon damals diese Privatisierungsmaßnahmen gesetzt – also das Ganze ernst genommen – und die daraus erzielten Erlöse zur Tilgung der so genannten außerbudgetären Schulden verwendet, dann hätten wir heute einen ganz anderen Spielraum für eine Steuerreform und eine Beschäftigungsoffensive.

Heute müssen wir zunächst einmal sicherstellen, dass wir in den nächsten zwei Jahren diesen Bundeshaushalt, den Sie, Herr Ex-Finanzminister, uns so hinterlassen haben, sanieren, damit wir dann nach zwei Jahren eine Steuerreform in Gang setzen können, die weitere strukturpolitische Maßnahmen für Österreich möglich macht und den Wirtschaftsstandort Österreich sichert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Das schau’ ich mir an!)


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15. Sitzung / Seite 41

Warum sprechen wir davon? – Das ist ja der Weg zum Konsolidierungsziel 2000 bis 2003. Sie wissen selbst ganz genau, wo die Zinsen hingewandert sind: "Punktgenau" wandern die Zinsen nach oben, "punktgenau"! Die Mehrbelastung an Zinsen wird im Jahre 2001 eine Höhe von 5,2 Milliarden Schilling, im Jahre 2002 eine solche von 10,2 Milliarden Schilling und im Jahre 2003 – ich betone: die zusätzliche Belastung! – ein Ausmaß von 14,4 Milliarden Schilling erreichen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Hätten Sie diese Politik schon damals betrieben, dann würden diese zusätzlichen Zinszahlungen nicht anfallen, denn es fallen natürlich auch außerbudgetäre Schulden ins Budget hinein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das sind zwei Paar Schuhe!)

Herr ehemaliger Finanzminister Edlinger! Es ist jetzt endlich einmal Folgendes klarzustellen: Diese Bundesregierung will nicht Ihren versteinerten Weg weitergehen, denn wir haben das Ziel vor Augen, statt zu betonieren zu modernisieren und zu privatisieren, und zwar in die Richtung, dass die Privatisierungserlöse für die Staatsschuldenbedienung beziehungsweise für die Bedienung der außerbudgetären Schulden in der Form verwendet werden, dass in Zukunft aus den Altschulden keine Belastungen mehr auf die Bevölkerung zukommen. Das ist das Ziel dieser Bundesregierung, und dieses Ziel werden wir verfolgen.

Wir werden Sie dazu einladen, konkret Ihre Stellungnahmen zu unserem Programm abzugeben. Aber die destruktive Art, die Sie heute hier an den Tag gelegt haben, Herr Kollege Edlinger, beweist, dass die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei aus der 30-jährigen Vergangenheit nichts gelernt haben. Ich persönlich glaube, dass Sie weiterhin so versteinert da sitzen werden und den Menschen in Österreich keine Zukunft geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

17.03

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Auch diese heutige Dringliche Anfrage der SPÖ beweist doch wieder: Die SPÖ ist durch ihren Abschied von der politischen Macht zutiefst irritiert. Nicht nur, dass diese Debatte zur schonungslosen Abrechnung über die Fehler der sozialistischen Verstaatlichtenpolitik geworden ist, wird von der SPÖ heute sogar jenes Privatisierungsprogramm wütend bekämpft, das noch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ gemeinsam mit ihr ausverhandelt und festgelegt wurde! Meine Damen und Herren, das ist doch im höchsten Maße schizophren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dieser Machtverlust ist es auch, der vor allem für die Arbeiterkammern und die sozialistischen Gewerkschaften der Grund für die maßlos überzogene Kritik ist, ja sogar zum Aufruf und zur Drohung mit politischen Kampfmaßnahmen geführt hat, wie wir das in den letzten Tagen erleben konnten. Meine Damen und Herren! Das halten wir für unverantwortlich. Diese Haltung schädigt gerade auch die teilverstaatlichten Unternehmen und bringt auch den Wirtschaftsstandort Österreich in Misskredit. Diese Politik lehnen wir ab! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht endlich darum, Abschied zu nehmen von einer antiquierten und rückwärts gewandten Wirtschaftspolitik, die sich an den siebziger Jahren orientiert und die weltweite Liberalisierung der Märkte und die Globalisierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen noch immer nicht zur Kenntnis nehmen will.

Was die Sozialistische Partei heute mit ihrer Dringlichen Anfrage betreibt, das ist die Bekräftigung ihres wirtschaftspolitischen Linksruckes seit Gusenbauer, ist ideologische Denkmalpflege für eine wirtschaftspolitische Konzeption, die ihre politische Bewährungsprobe nicht bestanden hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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15. Sitzung / Seite 42

Meine Damen und Herren! Die bisherigen Erfahrungen in Österreich und im Ausland verdeutlichen: Alle maßgeblichen Privatisierungen haben bisher dazu geführt, dass die Kunden die angebotenen Leistungen besser und effizienter erhalten haben, dass die Unternehmen wirtschaftlich weiter expandieren konnten und dadurch zusätzlich international wettbewerbsfähige Arbeitsplätze geschaffen wurden. Das ist es, was auch wir zum Ziel haben.

Außerdem sollen Proporz und Parteieneinfluss beseitigt werden. Deshalb wird ja auch ein neuer Bestellungsmodus für den Aufsichtsrat festgelegt, in den nur mehr Top-Experten mit fundierter Wirtschaftserfahrung gelangen werden. Und dieser Aufsichtsrat soll sich in Zukunft auch selbst erneuern.

Der Finanzminister kann diesen Aufsichtsrat auch nur mehr aus wichtigen Gründen abberufen, damit zumindest sichergestellt wird, dass er seine Eigentümerverantwortung so lange wahrnehmen kann, solange es im betreffenden Unternehmen eine staatliche Beteiligung gibt.

Meine Damen und Herren! Die Art der Aufsichtsratsbestellung ist übrigens der einzige wesentliche Unterschied zu jenem Privatisierungskonzept, das wir mit der SPÖ im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ausgehandelt haben. ÖVP und FPÖ haben dieser Vereinbarung im Wesentlichen nur ein Kapitel hinzugefügt, nämlich die Bestellung eines parteipolitisch unabhängigen und kompetenten ÖIAG-Aufsichtsrates. Wir haben damit für die notwendige Entpolitisierung der Unternehmensorgane gesorgt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist in Wahrheit der einzige Unterschied zwischen dem Privatisierungskonzept, das damals mit der SPÖ verhandelt wurde, und jenem, das jetzt von der Regierung umgesetzt wird! Und es ist bezeichnend, dass es gerade diese Frage der Entpolitisierung ist, die uns in diesem Punkt unterscheidet, denn eine Entpolitisierung und Objektivierung war mit den Sozialdemokraten gerade in diesem sensiblen politischen und wirtschaftlichen Bereich nicht zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird zu keinen unüberlegten Radikalprivatisierungen kommen, denn überall dort, wo die Unternehmen auf einen gewissen Mindeststaatsanteil angewiesen sind – es ist darauf hingewiesen worden: etwa durch die vertraglichen Bedingungen, denen die OMV oder die AUA gegenüberstehen –, wird die ÖIAG den unbedingt erforderlichen Anteil an ihren Beteiligungen auch in Zukunft halten und die österreichischen Interessen auch entsprechend vertraglich absichern.

Auch die von den Kritikern gezeigte Aufgeregtheit über den angeblich zu raschen und totalen Abverkauf beziehungsweise den zu frühen Zeitpunkt der Privatisierung ist ja völlig überzogen und auch nicht gerechtfertigt, denn Form und Zeitpunkt werden die ÖIAG und ihre Organe erst bestimmen.

Meine Damen und Herren! Insbesondere die Telekom-Privatisierung soll auch dazu beitragen, dass die Wiener Börse wieder stärker auf die Beine kommt. Die Privatisierung der Telekom wird also nicht nur Geld in die Staatskasse bringen, sondern auch für eine Wiederbelebung der Wiener Börse sorgen, so wie das im Herbst 1996 auch beim Gang der deutschen Telekom an die Börse in Frankfurt gelungen ist.

Meine Damen und Herren! Nur durch diese umfassende und weit gestreute Privatisierung, durch die entsprechende Beteiligung und Bevorzugung von Kleinaktionären kann auch die Wiener Börse wieder für Anleger interessant werden. – Das ist die Meinung aller wichtigen Börse-Analysten und Fondsmanager, und diese teilen auch wir.

Meine Damen und Herren! Man sollte die Wiener Börse nicht immer nur mit der Börse in Frankfurt vergleichen. Vergleichen wir sie etwa auch mit Börsen in Amerika, etwa mit der Börse in New York! Man sieht, dass dort interessanterweise der Dow Jones seit Jahresanfang mehr verloren hat als der ATX. Und wenn man nach Brüssel schaut, meine Damen und Herren, dann sieht man, dass es dort dem TOP 20-Index schlechter geht als dem ATX – auch das sollte einmal gesagt werden –, doch in Brüssel regiert bekanntlich keine Mitte-Rechts-Regierung,


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15. Sitzung / Seite 43

sondern jene Links-Regierung, die sich an der Ausgrenzungspolitik Österreichs besonders heftig beteiligt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die von der Bundesregierung angestrebte Privatisierung soll vor allem auch zum Anlass für eine Mitarbeiterbeteiligung genommen werden, denn die bisher in den Kinderschuhen steckende Mitarbeiterbeteiligung soll und muss einen wichtigen Impuls bringen. Es soll den Mitarbeitern ermöglicht werden, steuerbegünstigte Vorzugsaktien zu erwerben. Diese historische Chance darf nicht vertan werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade privates Eigentum an Produktionsmitteln schafft wirtschaftliche Unabhängigkeit, schützt vor kollektiver Bevormundung, schafft einen wichtigen Anreiz zur beruflichen Selbstverwirklichung und führt auch zur Identifikation mit dem Unternehmen, in dem man beschäftigt ist.

Meine Damen und Herren! Ich bin, ehrlich gesagt, entsetzt darüber, dass die Gewerkschaften diesem Ziel offensichtlich nicht zustimmen wollen. Es ist gerade die Möglichkeit der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, wovor die SPÖ und deren Gewerkschaft in Wirklichkeit Angst haben. Sie haben Angst davor, dass sich die Mitarbeiter und die Aktionäre von der SPÖ-Gewerkschaft emanzipieren und sich weniger als Mitglied der Gewerkschaft als vielmehr als Teil des Unternehmens fühlen! Genau das will die SPÖ verhindern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gibt keinen sachlichen Grund, die Idee der Mitarbeiterbeteiligung abzulehnen und damit den Trend der Zeit zu verpassen. Im Gegenteil: Wir bekennen uns dazu, und wir wollen und werden sie einführen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.13

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Murauer: Was haben Sie mitgebracht? Aktion!) Dazu komme ich schon noch. Ich werde die Reihenfolge diesmal umdrehen, aber Sie können es offenbar kaum erwarten. (Abg. Dr. Trinkl: Wie halten Sie es mit Österreich?)

Meine Damen und Herren! Ich habe aus der vorhergehenden Debatte den Eindruck gewonnen, dass hier zwei völlig diametrale Konzepte einander gegenüberstehen: da der Ruf nach völliger Verstaatlichung, dort die Privatisierung als Allheilmittel. Ich meine, wenn die Debatte so weiter geführt wird, dann kann daraus kaum etwas Positives für dieses Land gewonnen werden.

Eines muss im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage schon gesagt werden – Herr Stummvoll hat sich gerade davon distanziert beziehungsweise wurde gesagt, dass es nicht mehr um die schnellstmögliche Privatisierung geht (Abg. Großruck: Sie kennen sich in Österreich gar nicht mehr aus!) –: Der § 8 der uns präsentierten Vorlage enthält zumindest eine Option nicht mehr: dass nämlich die ÖIAG aus bestimmten Gründen zu dem Schluss kommen kann, ein bestimmtes Unternehmen, einen bestimmten Betrieb zum Beispiel aus nationalem Interesse zu halten. Und wenn diese Option kategorisch ausgeschlossen wird (Abg. Mag. Kukacka: Stimmt doch gar nicht!), dann frage ich Sie schon, ob denn das nicht eine Ideologie ist, für die Sie letztlich die Begründung schuldig geblieben sind.

Es ist in der Tat so, dass öffentliches Interesse und öffentliche Zielsetzungen tendenziell leichter durch einen öffentlichen Eigentümer oder durch eine öffentliche Eigentümerin verwirklicht werden könnten – ich sage ausdrücklich "könnten" –, etwa ökologische Interessen oder soziale Zielsetzungen. Aber dann muss man auch den politischen Mut haben, für diese Ziele einzutreten!

Wenn man aber eine ganz gewöhnliche Profitstrategie fährt, wenn man nicht die Ökologie oder soziale Anliegen in den Vordergrund stellt, dann ist es in der Tat so, dass die Begründung für


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15. Sitzung / Seite 44

das öffentliche Eigentum zweifelhaft wird. Und dieser Vorwurf ist in aller Form auch der Sozialdemokratie für ihre Politik in der Vergangenheit zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Es war nämlich nicht nur die Bundeswirtschaftskammer, sondern auch die ÖIAG, die etwa die Beschlussfassung über eine Umwelthaftung abgelehnt haben. Das wäre ein Marktinstrument gewesen, um Umweltschutz auch für Betriebe lohnend zu machen. Es waren beide genannten Gruppen, die maßgeblichen Anteil daran hatten, dass wir ein so wichtiges, marktkonformes Instrument nicht umsetzen konnten. Daher meine ich, dass eine solche rein ideologisierte Debatte sehr wenig bringt.

Wie gesagt, meine Haltung ist: Öffentliches Eigentum kann etwas bringen, aber es gehört dann auch der politische Mut dazu, für die entsprechenden Ziele einzutreten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite steht das Hohelied auf die private Wirtschaft, so, als ob es in Österreich wirklich eine scharfe Grenze zwischen privater und öffentlicher Wirtschaft gäbe. Hier im Hohen Hause sitzen sehr viele Vertreter der Sozialpartnerschaft, die immer mit dabei sind bei jenen Verhandlungen, bei denen es um Förderungen geht, bei denen sich die vielen privaten Unternehmen, auch die grossen Konzerne, die Sie angesprochen haben, um Förderungen anstellen, bei denen sie die Hand um Förderungen weit aufhalten. Dabei geht es um dreistellige Millionenbeträge, manchmal sogar um Milliardenbeträge, die schon gewährt worden sind.

Es sitzen auch Unternehmer in diesem Hohen Haus, zum Beispiel auch von der freiheitlichen Fraktion, etwa aus der Unternehmensgruppe des Herrn Prinzhorn, die schon satte Förderungen erhalten haben. Dann ist es leicht, das Hohelied des privaten Unternehmers anzustimmen, wenn man zuvor die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Kasse gebeten hat! So stelle ich mir privates Unternehmertum nicht vor! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben erst vor wenigen Tagen in diesem Hohen Hause die Besprechung einer Anfragebeantwortung gehabt, und ich bin dabei aus dem Staunen nicht herausgekommen. Da wurden etwa die Förderungen für die Bergbaubetriebe aufgelistet, und darunter fanden sich so grosse und mächtige Unternehmen wie Rio Tinto, der weltgrösste Bergbau-Konzern mit Milliarden britischen Pfund an Gewinnen nach Steuern! – Und so etwas bezeichnet man als sehr erfolgreich.

Aber ich frage: Was passiert, wenn diese Unternehmen Schaden anrichten? Was passiert, wenn etwas wie in Lassing geschieht? Wer wird dann zur Kasse gebeten: der private Unternehmer oder die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler? Wenn Sie über Privatisierungen reden, dann reden Sie bitte auch über diese Scheinheiligkeiten! (Beifall bei den Grünen.)

Ich könnte noch viele Unternehmen anführen, rein private Unternehmen, die sich zuerst mit offenem Händchen um Förderungen angestellt haben, aber dann trotzdem in die Insolvenz gegangen sind. – Um diese Debatte werden Sie nicht herumkommen; sie wird im Ausschuss zu führen sein.

Eines ist mir völlig abgegangen, nämlich eine Bewertung des Industriesektors insgesamt. Die industrielle Beschäftigung ist in allen entwickelten Industriestaaten und Dienstleistungsstaaten rückläufig. Wenn Sie sich hier derartige ideologische Gefechte über die Privatisierung oder Nichtprivatisierung liefern, dann befürchte ich sehr, dass die eigentlichen Zukunftsbranchen, der Tertiärsektor, auch der Kunst- und Kulturbetrieb – das sind wichtige Beschäftigungsträger in ganz Europa –, in Österreich vergessen werden. Diese Bereiche werden kaputt gespart, und das ist jedenfalls ein in die Vergangenheit orientiertes Konzept, das von allen drei größeren Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, verfolgt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme nun zum Wirtschaftsstandort Österreich insgesamt. Ob private Eigentümer, öffentliche Eigentümer, Industrie, Dienstleistungssektor, neue Medien: Ich meine, dass es für alle Wirtschaftsbranchen wichtig ist, wie das Ansehen Österreichs im Ausland beschaffen ist und


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15. Sitzung / Seite 45

welche Bereitschaft die Bundesregierung zeigt, über diese Frage offen zu sprechen – und nicht einseitig, Herr Bundeskanzler, so wie dies heute der Fall war.

Sie verlangen von der Opposition das Eintreten gegen die EU-Sanktionen, Sie verlangen den so genannten Schulterschluss – ich mag dieses männlich-martialische Wort nicht –, Sie verlangen offenbar eine gemeinsame Vorgangsweise. Reden wir doch ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Ja, ich weiß schon, diese Bezeichnung passt den Herren von der ÖVP nicht, aber jetzt bin ich am Redepult, und Sie werden zuhören. (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es geht vor allem um ein Rückgrat, das scheinen manche von Ihnen nicht mehr zu haben, und das finde ich sehr traurig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Im Zusammenhang mit dem Rückgrat wäre es auch erforderlich, dass hier nicht diese Einseitigkeit an den Tag gelegt wird, sondern dass Sie sich, Herr Bundeskanzler, die anderen Mitglieder der Bundesregierung und die Mitglieder der Regierungsparteien hier auch endlich einmal der Kritik stellen, wenn wir darüber reden, was dieses Land und alle Parteien gemeinsam tun können, um aus dieser Situation der Sanktionen herauszukommen, um vielleicht auch ein gemeinsames Procedere zu entwickeln, um das erschütterte europäische Vertrauen wieder herzustellen – das ist eine Grundvoraussetzung dafür! Diese Kritik ist nicht irgendwie nebulos, und es handelt sich auch nicht um eine Verschwörung, sondern die Kritik stützt sich auf Aussprüche wie jene, die ich Ihnen jetzt überreiche und die den Gegenstand eines parlamentarischen Antrages der Grünen bilden. (Die Rednerin überreicht dem auf der Regierungsbank sitzenden Bundeskanzler Dr. Schüssel mehrere Schriftstücke.)

Es würde mich freuen, wenn Sie bereit wären, darüber zu sprechen, oder über die Entgleisungen Ihres Regierungspartners, die täglich passieren – Sie kennen sicherlich die neue Broschüre der Wiener Freiheitlichen. Ich frage Sie: Glauben Sie, das sind nur dumpfe Ressentiments aus Europa – oder was glauben Sie? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie jemand "Westentaschen-Napoleon" nennen würde? (Abg. Gaugg: Was hat der Herr Voggenhuber gesagt? – Abg. Dr. Martin Graf: Was hat der Voggenhuber gesagt? – Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Das macht doch auch eine sachliche Kritik unmöglich.

Es wird über die Frage, wie weit Parteien in Europa als rechtsextrem oder sogar als faschistoid einzustufen sind, zu reden sein.

Ich frage Sie wirklich: Was halten Sie von der Resolution des Europäischen Parlaments, in der Äußerungen von Vertretern Ihrer Partei verurteilt worden sind? Sind alle Personen, die diese Äußerungen verurteilen, Phantasten?

Oder, weil Sie auf Berlin Bezug genommen haben – ich war dort, unter anderem gemeinsam mit Vertretern der CDU (Abg. Dr. Martin Graf: Sie fahren ins Ausland und demonstrieren gegen Österreich!) –: Herr Landowski und die anderen Mitglieder der Fraktion der CDU sind gemeinsam zu einer Resolution gestanden, in der das Auftreten rechtsradikaler Gruppen unter Berufung auf die Regierungsbildung in Österreich zurückgewiesen wurde. Ich habe Sie dort vermisst! Wo waren Sie, als ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist schon zu Ende. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): ... hochgehalten worden sind? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dorthin hätten Sie gehört, und dort hätten klare Worte fallen müssen!

Ich sage Ihnen Folgendes: Solange Sie nur den Schulterschluss verlangen, ohne darüber zu reden, wird es sehr, sehr schwierig sein, dass die Schädigung Österreichs insgesamt, die Sie verursachen, beendet wird! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Gott bewahre uns vor dieser Verteidigung!)

17.22


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15. Sitzung / Seite 46

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. – Bitte.

17.23

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Fest steht: Das geplante Privatisierungspaket der Regierung vernichtet nicht nur österreichische Vermögenswerte, sondern gefährdet auch Arbeitsplätze! (Beifall bei der SPÖ.)

In der Steiermark wären es zum Beispiel 11 120 Arbeitsplätze; dazu kommen aber noch rund 6 200 bei der Post Beschäftigte und 2 400 Arbeitnehmer bei der Telekom, die davon betroffen wären. In ganz Österreich geht es um insgesamt 120 000 Arbeitsplätze. (Abg. Dr. Martin Graf: Wie viele Arbeitsplätze innerhalb der SPÖ haben Sie schon vernichtet?) – Hören Sie zu! (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben wenigstens genug Arbeitsplätze geschaffen, was Sie von sich nicht behaupten können! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nicht eingerechnet sind dabei die Auswirkungen auf Zulieferfirmen und industrienahe Dienstleister sowie Banken und Versicherungen.

Ich bin in einem Privatbetrieb tätig und kenne die Probleme, die entstehen, wenn durch den Verkauf an ausländische Besitzer wichtige Unternehmenskerne wie Forschung, Entwicklung und Technologie, aber auch gutes Management zu den Neubesitzern ins Ausland abwandern. Am Beispiel Semperit wurde diese Strategie deutlich vor Augen geführt.

Meine Damen und Herren! Die Sicherung des österreichischen Einflusses auf wichtige österreichische Industriebetriebe und damit auch die Erhaltung von Beschäftigungschancen müssen Vorrang haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt würde sich dramatisch verschlechtern, denn zurzeit werden im Bereich der Eisenbahn 1 338 Lehrlinge ausgebildet (Ruf: Das ist aber nicht viel!), und im Bereich der ÖIAG stehen zirka 1 400 Jugendliche in Berufsausbildung. Wir werden auch international um unsere Facharbeiterinnen und Facharbeiter auf Grund ihrer hohen Qualität beneidet.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wo sollen denn die Tausenden Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten als Ferialpraktikanten unterkommen? (Abg. Böhacker: In der Privatwirtschaft! Ich habe zwei Praktikanten! – Ruf bei der SPÖ: Und der Rest?) Die ÖIAG hat Tausende berufliche Praktika ermöglicht. Ausländische Unternehmen werden wahrscheinlich kein Interesse daran haben.

Eine Privatisierung innerhalb kürzester Zeit unter großem politischen Druck bringt einen massiven Preisverfall durch überhastete Unternehmensverkäufe. Dabei würde Staatsvermögen verschleudert werden. Richtige Privatisierung ist Industriepolitik – und kein Mittel zur Haushaltssanierung! Wer beim Privatisieren nur auf kurzfristige Einnahmen schaut, zahlt langfristig drauf! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Man kann nur einmal verkaufen – und was ist dann? Es darf keinen Totalabverkauf wichtiger österreichischer Unternehmen wie Telekom Austria, Austria Tabak und so weiter geben. Jede Familie versucht, für unvorhergesehene Situationen Geld oder Wertgegenstände als sichere Rücklagen bereitzuhalten. (Abg. Steibl: Was hat der Edlinger gemacht?)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ersparen Sie dem Land Österreich dramatische Vermögensverluste und ziehen Sie diese geplanten Gesetzeswerke zurück! (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ ist verhandlungsbereit. Daher ersuche ich die Regierung, die Arbeitnehmervertretungen und die Interessenorganisationen zu einem Gespräch einzuladen, damit die gemeinsamen Interessen zum Wohle des Landes gebündelt werden können, da nur so der Weg des


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friedlichen Interessenausgleiches fortgesetzt werden kann. Der Wirtschaftsstandort Österreich muss erhalten bleiben, und es muss verhindert werden, dass die Wertschöpfung ins Ausland abwandert! (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich höre von Seiten der SPÖ-Abgeordneten immer wieder, es gebe eine Verhandlungsbereitschaft auf allen Ebenen, nur: Die Realität schaut anders aus! (Abg. Gradwohl: Welche?)

Ich frage mich zum Beispiel, von welchen Rücklagen meine Vorrednerin spricht. – Wir sprechen von 80 Milliarden Schilling an Schulden, die Sie mit Ihrer Politik zu verantworten haben und die jährlich das Budget belasten. Das ist Ihre Form der Politik! (Zwischenruf des Abg. Kiermaier. ) Aber ich frage mich auch: Wie ernst soll man Abgeordnete nehmen, die eine Sondersitzung verlangen, dann aber nur relativ gedämpftes Interesse daran haben, an der Diskussion teilzunehmen? Und wie ernst kann man eine Partei noch nehmen, die bis vor kurzem Regierungsverantwortung getragen hat und nunmehr in Inseraten öffentlich kundtut, dass der 13. und 14. Monatsgehalt abgeschafft werden?

Solche Unsinnigkeiten habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Man muss sich einmal vor Augen führen, dass eine Partei, die jahrelang den Bundeskanzler, den Finanzminister, den Sozialminister gestellt hat, nunmehr den 13. und 14. Monatsgehalt in Frage stellt. Das ist geradezu abenteuerlich! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )  – Ich kann es Ihnen zeigen: In ganzseitigen Inseraten, Herr Ex-Minister Edlinger, wird gefragt: Wird der 13. und 14. Monatsgehalt abgeschafft? Wie ernst kann man eine Partei nehmen ... (Abg. Edlinger: Wo? – Abg. Dr. Kostelka: Wo?) – "Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter" nennt sich diese Gruppe. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen; ich glaube, Sie haben sich ohnehin schon von ihr verabschiedet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie ernst kann man eine Partei nehmen, der Ausländer, solange wir sie finanzieren müssen, herzlich willkommen sind, die jedoch Ausländer, die Kapital zu uns bringen, als unanständig empfindet? Ich frage Sie wirklich: Wie ernst nehmen Sie sich selbst in diesen Fragen?

Ich sage Ihnen Folgendes – und das unterstelle ich Ihnen –: Ihnen von der SPÖ geht es nicht um die Beschäftigten in den Betrieben, von denen Sie hier sprechen, sondern Ihnen geht es ausschließlich um den Machteinfluss des Österreichischen Gewerkschaftsbundes! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht Ihnen ausschließlich um Ihren Machteinfluss, der durch diese Privatisierung zurückgedrängt werden wird. Dadurch wird nämlich ein freier Markt entstehen. Und dass die Telekom Austria heute nicht so dasteht wie die Telekom Deutschland, ist Ihnen zu "verdanken", weil Sie in der Vergangenheit in dieser Sache mit beiden Füßen auf der Bremse gestanden sind – anstatt diesem Unternehmen eine Chance zu geben!

Glauben Sie mir: Eine solide Finanz- und Wirtschaftspolitik ermöglicht eine gesunde Entwicklung auch für jene Bereiche, die heute dank Ihrer verfehlten Politik finanzielle Not leiden, so etwa die "gelbe Post" und die ÖBB. Diese Unternehmen haben Sie ausgehungert, jahre-, ja jahrzehntelang ausgehungert! Hauptsache, das Parteibuch hat gestimmt. Die Finanzen waren für Sie immer zweitrangig. All das wird es in Zukunft nicht mehr geben. (Zwischenruf der Abgeordneten Dr. Keppelmüller und Hagenhofer. )

Nehmen Sie zur Kenntnis: Sie von der SPÖ haben in der Wirtschaftspolitik versagt! Die SPÖ befindet sich heute in einer weinerlichen Empfindlichkeit (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Hagenhofer ), weil geradezu stündlich ihr Einfluss zurückgedrängt wird, weil Ihnen jene abhanden kommen, von denen Sie meinen, dass Sie für sie in der Vergangenheit besonders intensiv gekämpft haben. Die anderen Arbeitnehmer haben Sie ohnehin schon längst vergessen. An die


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"Konsum"-Mitarbeiter beispielsweise müssen Sie nicht mehr denken, weil es sie nicht mehr gibt. – Das war die Wirtschaftspolitik, die Sie betrieben haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Zu Ihren Krokodilstränen in der Frage Austria Tabak. Das ist ja geradezu abenteuerlich: Auf einmal geht es für Sie um die Behinderten, die die Trafiken führen! Schauen Sie sich doch in der Praxis um, was mit den Trafiken geschieht! Es führen heute zum Teil pumperlgesunde Leute in Nebenbeschäftigung Trafiken, weil sie diese vererbt bekommen haben oder sonst etwas! – Gesunde Konkurrenz belebt das Geschäft, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei! Nehmen Sie sich doch einmal selbst an der Nase!

Es ist auch geradezu abenteuerlich, dass – wenige Wochen vor Beginn der Arbeiterkammer-Wahlen! – der Arbeiterkammer jetzt auf einmal einfällt, dass viele Banken die Zinsen schlecht verrechnen, dass die Mieten in Österreich viel zu hoch sind und so weiter. – Diese Rufe habe ich allerdings vermisst, als Bundesparteiobmann und Landeshauptmann Dr. Haider das Thema "Mieten" aufgegriffen hat. Damals war nämlich die Arbeiterkammer eine jener Institutionen, die massiv dafür eingetreten sind, dass alles beim Alten bleibt, geht es dabei doch um die die roten Genossen und um die roten Genossenschafter, die davon betroffen gewesen wären.

Sie von der SPÖ haben uns ein hohes Maß an wirtschaftlicher Phantasielosigkeit hinterlassen, ein hohes Maß an Phantasielosigkeit, einen Berg Schulden, den es nunmehr sinnvoll abzubauen gilt. Und ich sage Ihnen: Ein ordentlicher Privatisierungsschub gibt vor allem den Mitarbeitern in diesen Betrieben die Chance, einmal frei durchzuatmen – ohne parteipolitischen Einfluss! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte. (Abg. Gaugg: Wo ist der Verzetnitsch? Wo ist der Nürnberger?)

17.33

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die gute Nachricht heute Früh, und zwar im "Morgenjournal" des ORF: Kinder, Schulklassen aus ganz Europa, auch aus Frankreich, kommen nach Österreich und machen hier Lernferien. – Ihre geradezu herbeigebetenen Sanktionen finden nicht statt, trotz Ihrer Hysterie, was die Isolation Österreichs und so weiter betrifft, Frau Kollegin Petrovic! Das ist doch etwas Positives! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die weniger gute Nachricht: Schon wieder eine Sondersitzung! Und deren Abhaltung wurde noch dazu von einer Partei verlangt – ich erinnere mich daran, wie es war, als wir noch gemeinsam die Bundesregierung bildeten –, bei der es an solchen Tagen immer hieß: Wann hören die endlich auf mit diesen Sondersitzungen?! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Heute haben wir wieder eine. Gut. Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, fällt es eben nicht leicht, mit dem Ergebnis der Nationalratswahlen vom Oktober fertig zu werden.

Wahlen haben einen bestimmten Vorlauf und haben ein bestimmtes Nachspiel. Zum "Vorlauf": Es gibt bald Arbeiterkammer-Wahlen, Personalvertretungswahlen, die brauchen sozusagen eine Szene; das verstehe ich ja. – Zum "Nachlauf": Sie von der SPÖ haben das Ergebnis der Wahlen vom 3. Oktober 1999 offensichtlich noch nicht ganz aufgearbeitet, vor allem nicht, dass Sie uns am 21. Jänner mitgeteilt haben, dass Sie selbst den Weg in die Opposition gewählt haben, indem Sie von der SPÖ die Verhandlungen mit uns abgebrochen haben. Das ist zur Kenntnis zu nehmen, und das ist das Problem.

Der damalige Bundeskanzler Klima, der sich auf ganz besondere Art und Weise von dieser Republik empfohlen und sich zurückgezogen hat, meinte damals zu seinen Mitarbeitern: "Passt mir auf dieses Österreich auf!" – Ich darf Ihnen darauf erwidern: Jawohl, genau das tun wir – nicht jedoch auf Grund dieser Aufforderung, sondern aus unserer politischen Verantwortung und aus unserem Verantwortungsbewusstsein heraus. Wir passen nicht nur auf auf unser Land, sondern wir nehmen die Herausforderungen sehr ernst und nehmen sie vor allem auch an!


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Veränderungsprozesse finden in allen Bereichen unseres Lebens bis hin zur Budgetpolitik statt, wo wahrlich Handlungsbedarf besteht, um unser Land stabil zu halten, der Wirtschaft eine dynamische Entwicklung zu ermöglichen und vor allem Arbeitsplätze – ich betone: Arbeitsplätze! – zu sichern. Es geht bei den geplanten Maßnahmen nicht um Ihren vermeintlichen Besitzstand, sondern es geht um die Zukunft Österreichs! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vielleicht lässt folgendes Zitat den Unterschied zwischen Ihren Betrachtungen und unseren Entscheidungen erkennen: "Der eine wartet, bis die Zeit sich wandelt, der andere packt kräftig zu und handelt."

Es dürfte Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein, dass der Anteil der Arbeitsplätze im verstaatlichten Bereich 1970 20 Prozent betrug – und heute kaum mehr 2 Prozent. Und es dürfte auch Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein, dass der Sager: "Einige hundert Millionen Schilling Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar Arbeitslose!" völlig ins Leere ging. Das war ein doppelt schlechtes Signal, vor allem in Richtung Verstaatlichte, denn notwendige Strukturmaßnahmen blieben leider aus.

Kreiskys Wort zählte   – und heute zahlen wir dafür. Heute haben wir nicht nur Schulden in Millionen-, sondern in Milliarden höhe gutzumachen, und Arbeitsplätze gingen obendrein noch verloren! Die Verstaatlichte hat bereits enorm an Substanz verloren. Das war ein schwerer Fehler, meine Damen und Herren von der SPÖ, das müssen Sie doch ehrlich eingestehen! Dieser Fehler hätte aber vermieden werden können. Dabei ging es um das Geld von uns allen. Diese Verluste sind heute unsere Sorgen, die wir gemeinsam haben und mit denen wir nun fertig werden müssen.

Arbeitsplätze in diesem Bereich konnten doch nur dadurch gehalten werden, dass private Investoren eingestiegen sind und diese Betriebe übernommen haben. Diese Betriebe haben sich teilweise sogar toll entwickelt und sind somit auch konkurrenzfähig geworden. Um einige Beispiele in diesem Zusammenhang zu nennen: Stölzle Glas, Glanzstoff St. Pölten, wo Herr Dr. Cornelius Krupp eingestiegen ist, der mittlerweile österreichischer Staatsbürger ist und 600 Mitarbeitern eine wirklich gute Arbeitsmöglichkeit bietet. (Zwischenruf der Abg. Hostasch. )

Weiters möchte ich in diesem Zusammenhang die Steyrer Werke mit dem Magna-Konzern anführen. Aber vielleicht stört Sie vom ÖGB beim Magna-Konzern Herr Frank Stronach – das könnte ich mir durchaus vorstellen –, der Ihnen mehrmals seine Ansicht zu Ihrer Wirtschaftspolitik mitgeteilt hat. Durch den Eintritt von Andreas Rudas ist für Sie von der SPÖ die Situation sicher auch nicht besser geworden; daher kann ich das alles verstehen. Herr Rudas hat nämlich mit diesem Wechsel sehr deutlich gezeigt, wo er seine Zukunft, wo er seine Entwicklung sieht. (Abg. Auer: Die Zukunft beim Stronach!) Das ist ein Faktum, über das man nicht hinwegtäuschen kann!

Unsere Grundposition ist, dass ein parteipolitischer Einfluss in einem funktionierenden Wirtschaftssystem einfach nichts verloren hat. Die Verluste vergangener Zeiten zahlen jetzt noch immer alle: jede Bürgerin, jeder Bürger. Wir werden aber dafür sorgen, dass diese Sache demnächst aufgearbeitet sein wird.

Da heute von einem "Ausverkauf unseres Landes" gesprochen wurde, Frau Kollegin Petrovic, nun zu Ihrem Auftritt in Berlin von vergangenem Sonntag, gnädige Frau: Von Ihnen hätte ich mehr Patriotismus erwartet! (Zwischenrufe und Beifall bei der ÖVP.) Sie stellen sich da sozusagen vor die Weltöffentlichkeit hin und rufen: "Die Demokratie wird siegen!"

In Berlin sagten Sie weiters, Sie hoffen, das Ganze sei nur "ein Gewitter, eine schwarze Wolke" gewesen. – Das ist Ihr Verständnis von Demokratie, dass Sie nämlich in freien Wahlen zustande gekommene Mehrheiten nicht akzeptieren. Sie, Frau Kollegin Petrovic, haben damit als Parlamentarierin eine einmalige, noch nie da gewesene Verfehlung – noch dazu vor großer Öffentlichkeit! – begangen. Das, bitte, muss hier auch einmal aufgezeigt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )


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Unser Herr Bundeskanzler hat Recht, wenn er sagt: "Wer Gutes bewahren will, muss vieles verändern." – Wir haben viel Gutes. Österreich ist ein gutes Land! Diese Regierung wird mit voller Verantwortung an diesen Veränderungsprozessen arbeiten, und zwar zum Wohle unseres Landes. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Damit Sie sehen, wie ernst wir das nehmen, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Trattner, Dr. Stummvoll, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Mag. Kukacka und Kollegen betreffend Forcierung der Mitarbeiterbeteiligung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht,

die notwendigen gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die geeignet sind, die Beteiligung der Mitarbeiter in Unternehmen mit dem Ziel einer möglichst breiten Streuung des Eigentums zu fördern und

im Zuge der weiteren Privatisierung von Unternehmen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum des Bundes stehen, die angemessene Beteiligung der Mitarbeiter an diesen Unternehmen sicherzustellen.

*****

Herr Präsident! Ich bitte Sie, diesen Antrag zur Abstimmung zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Riepl zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte eine Aussage des Herrn Abgeordneten Gaugg tatsächlich berichtigen. Herr Abgeordneter Gaugg hat in seinem Debattenbeitrag behauptet, dass die sozialdemokratischen Gewerkschafter für die Abschaffung des 13. und 14. Monatsbezuges, also der Sonderzahlungen, eintreten. – Dies ist nicht richtig!

Richtig ist vielmehr, dass die sozialdemokratischen Gewerkschafter gemeinsam mit den anderen Fraktionen in den Gewerkschaften dafür eintreten, dass alle Arbeitnehmer einen vollen 13. und 14. Bezug als Sonderzahlungen erhalten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das ist wirklich großartig! 30 Jahre Sozialismus und noch immer haben die Arbeiter keinen Dreizehnten und Vierzehnten! – Abg. Haigermoser: Mit der Progression haben sie das schon fast wieder weg!)

17.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

17.41

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zum Wohle dieses Landes haben sich heute mehrere Herrschaften – ich betone ausdrücklich: Herr schaften – zu Wort gemeldet, die mit ihren Debattenbeiträgen beileibe nicht zum Wohle unseres Landes beitrugen. (Abg. Gaugg: Sie wissen das jetzt ganz genau!)


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Zum Wohle des Landes wäre etwas ganz anderes notwendig, nämlich eine differenzierte und professionelle Auseinandersetzung mit dem, was unter anderem unser wertvollstes Gut ist – "unter anderem" sage ich, weil die Umwelt meines Erachtens unser aller wertvollstes Gut ist –, nämlich mit einer ordentlichen Standortpolitik und einer ordentlichen Beschäftigungspolitik.

Dem haben Sie heute nicht gedient, denn – ich zitiere –: "Ich würde in diesen Zeiten, in dieser Situation nicht verkaufen!" – So Bernhard Felderer, Leiter des Institutes für Höhere Studien.

Ich zitiere zweitens einen Experten, der bei Privatisierungen sicherlich immer wieder herangezogen werden kann:

"Nichts kann gefährlicher sein, als die Industriestruktur und den Kapitalmarkt eines Landes polemisch und in Richtung auf politisches Kleingeld zu diskutieren."

Dieses Zitat stammt von Marc Hall, einem Mitglied des Aufsichtsrates der OMV, der 1993 sehr wesentlich an der Privatisierung der Verstaatlichten mitbeteiligt war und sie auch mitbegleitet hat.

Diese professionelle Herangehensweise vermissen wir bei Ihnen (Beifall bei den Grünen), und diese Holzhammer-Diskussion, die hier stattfindet, ist dem Anliegen zutiefst abträglich, weshalb wir sie auf das Schärfste verurteilen.

Lassen wir doch die Kirche im Dorf! Sagen wir doch, wie es um die Verstaatlichte vor 1984 wirklich stand! Sie trug Wesentliches dazu bei, dass Österreich im Arbeitsmarktbereich, in der Regionalentwicklung, in der Förderung des Exportes, aber auch in der Förderung der Infrastruktur, in der Förderung der Klein- und Mittelbetriebe vorankam. Die Verstaatlichte war ein Motor zum politischen In-Schwung-Bringen auch der österreichischen Privatindustrie. Das muss man auch sagen, wenn man von "Schuldenbergen" spricht. Ich glaube, so viel Korrektheit und historische Wahrheit muss hier und heute auch eingefordert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Wenn über die Schulden der Post gesprochen wird, muss man auch sagen, dass die Post sehr viele hoheitliche Aufgaben übernahm, und zwar zu einem Preis, der ebenfalls den Klein- und Mittelbetrieben, also der Privatwirtschaft, sehr zugute kam. Es gab in Österreich immer ein enges Verwobensein von verstaatlichter Industrie und Privatindustrie beziehungsweise von Privatunternehmen. Dieses Miteinander hat im Endeffekt sehr viel dazu beigetragen, dass wir den jetzigen Status erlangen konnten und dass Österreich zu den reichsten Industriestaaten zählt.

Dieses Miteinander wird sich durch die veränderten Umweltbedingungen sicherlich ändern. Deshalb fordern wir immer wieder eine professionelle Herangehensweise ein, denn für uns geht es bei der zentralen Diskussion und zentralen Auseinandersetzung um die Frage: Was ist jetzt wirklich die Aufgabe des Staates?

Diese Aufgabe des Staates im Hinblick auf Führungsfunktionen auch in der verstaatlichten Industrie ist von jenen Betrieben, die immer den Leitsektor darstellten, nicht wahrgenommen worden. Sie ist nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden von der OMV, nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden von der VOEST-Alpine, nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden zum Beispiel auch von der AUA. Diese Betriebe haben es nicht geschafft – das ist aber die Aufgabe der öffentlichen Hand oder das Programm der öffentlichen Hand oder auch das Wichtige der öffentlichen Hand –, innovativ zu sein und mit Zukunftsblick und in Hinblick auf Zukunftstechnologien und unter Bezugnahme auf ökologische und soziale Rahmenbedingungen zu wirtschaften.

Das wurde – das sage ich ganz dezidiert zu Ihrer Seite hin (die Rednerin blickt in Richtung der SPÖ-Bankreihen)  – vernachlässigt. Damit haben Sie sozusagen ein Potential, ein Wirkungsinstrument, ein Gestaltungselement der früheren Verstaatlichten verspielt. Damit haben Sie sehr wohl auch dazu beigetragen, dass jetzt das andere Extrem in sehr radikaler Form angestrebt wird, nämlich die Privatisierung ohne Wenn und Aber in relativ kurzer Zeit.


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15. Sitzung / Seite 52

Ich sehe nur ein Argument, nur einen Hintergrund für diesen Gesetzesantrag, der jetzt in den Ausschuss kommt: dass diese Regierung schnell zeigen will, dass sie Reformen macht. Diese Schnelligkeit, diese Geschwindigkeit und dieses so genannte Reformprofil gehen jedoch auf Kosten der Qualität, gehen auch auf Kosten der Substanz und auf Kosten der seriösen Vorgangsweise. Nicht umsonst hat ja dieses Gesetz das Was und das Wann noch offen gelassen. (Abg. Böhacker  – mit beiden Händen ein "T" formend –: Time! – Abg. Haigermoser: Redezeit!)

Aber was nicht offen ist, ist die Diskussion über die Privatisierung, und gerade diese Diskussion trägt dazu bei, dass unser internationaler Ruf oder auch der internationale Ruf der Unternehmungen, die zur Privatisierung anstehen, etwas in Abrede gestellt beziehungsweise etwas schlechter wird. Deshalb verweise ich noch einmal auf die Meinung von Felderer beziehungsweise auch auf die Meinung von Marc Hall, die beide sehr wohl etwas davon verstehen.

Noch ein Element hat Kollege Kukacka angesprochen: Neu sei jetzt der Aufsichtsrat, die Besetzung des Aufsichtsrates. Früher Politisierung – jetzt sozusagen die Experten. (Abg. Mag. Kukacka: Jedenfalls keine Ministersekretäre!) Ich frage mich: Wer garantiert denn jetzt, dass nicht vielleicht der Freund des Finanzministers Grasser über irgendwelche Umwege hineinreklamiert oder bestellt wird? Wer garantiert denn, dass nicht vielleicht eine neue Form des Nepotismus in Österreich Einzug hält – unter dem Titel und unter der Flagge der Entpolitisierung? Wer garantiert mir denn, dass wirklich ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend) : Diese Frage gilt es, sehr kritisch zu beobachten, denn die Besetzungspolitik des Aufsichtsrates halte ich für sehr wesentlich.

Und zum Schluss ...

17.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie haben Zeit gehabt, einen Schlusssatz zu formulieren, und ich bitte Sie daher, jetzt die Rede auch tatsächlich zu beendigen. (Abg. Dr. Moser versucht, ohne Mikrofon weiterzusprechen.)

Frau Abgeordnete! Die Redezeit ist zu Ende! Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Moser. – Abg. Haigermoser: Das ist kein Katheder, sondern das Rednerpult! Man beachte, sie ist eine Lehrerin! Sie ist das gewohnt, denn die Kinder können sich nicht wehren! Die armen Kinder, die das aushalten müssen!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

17.48

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist schon recht interessant und eindrucksvoll, wenn sich der neue Klubobmann und designierte Vorsitzende der SPÖ, Herr Kollege Gusenbauer, gemeinsam mit dem Präsidenten Verzetnitsch auf einmal so große Sorgen um den österreichischen Kapitalmarkt macht – so elendig große Sorge und so tiefe Trauer, dass die Zeiten des sozialistischen Staatsdirigismus endgültig der Vergangenheit angehören!

Was ich heute hier gehört habe, hat mich zu tiefem Nachdenken veranlasst. Herr Kollege Gusenbauer! Wenn Sie jetzt sagen: Wahnsinn! 5 Prozent Wertverlust bei den ÖIAG-Betrieben an der Wiener Börse!, dann sage ich Ihnen, Sie haben wirklich keine Ahnung (Abg. Grabner: Aber du auch nicht!), was sich auf funktionierenden Kapitalmärkten, an funktionierenden Börsen abspielt. (Abg. Grabner: Du schon überhaupt nicht!)

Herr Kollege Gusenbauer und meine Kollegen von der linken Reichshälfte! Der Herr Kollege Gusenbauer hat gemeint, 5 Prozent seien eine Katastrophe, aber er hat gestern nicht in die Zeitung geschaut. Gestern ist der deutsche Aktienindex um 3,5 Prozent heruntergegangen, der österreichische um 0,5 Prozent. Hier mit solchen Zahlen herumzuwerfen, ist geradezu


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15. Sitzung / Seite 53

gefährlich, und ich bin froh darüber, dass die selbst ernannten Kapitalmarktexperten Gusenbauer und Verzetnitsch nun wirklich nicht mehr das Kommando innehaben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum wohl, meine Damen und Herren, hat ein roter Paradeunternehmer namens Hannes Androsch diese Wiener Börse, die lang, nämlich 30 Jahre lang, unter sozialistischer Kuratel stand, seine Chancen bei der Privatisierung nicht über die Wiener Börse genützt? Warum ist der rote Paradeunternehmer Hannes Androsch nach Frankfurt gegangen? Warum hat er dort erfolgreich privatisiert und sein Unternehmen auf dem neuen Markt mit einem Einführungskurs von 29 Euro platzieren können? Und warum hat dann diese Börse dieses Platzierungsengagement binnen drei Monaten mit einem Kurs von 50 Euro belohnt?

Meine Damen und Herren! Die Antwort ist denkbar einfach: weil dort funktionierende und gute Verhältnisse vorhanden sind, weil die Politik dort umsichtiger war und weil dort auch nicht jahrelang Rote das Sagen gehabt haben, sondern eine vernünftige Wirtschaftspolitik geherrscht hat. Das war der Grund, meine Damen und Herren, und an diesem Beispiel sehen Sie, dass es gut ist, dass diese Ära des Kapitalverschleuderns und des Nicht-auf-den-Kapitalmarkt-Schauens endgültig zu Ende geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen aber auch noch eines ins Stammbuch schreiben, meine Damen und Herren: Es ist geradezu eine Beleidigung, wenn Herr Abgeordneter Gusenbauer heute hier zum Rednerpult geht und fragt: Was werden die da in der ÖIAG schon machen? – Das ist ein Misstrauensvotum gegen das Management der ÖIAG, das ist ein Misstrauensvotum gegen die Fachleute, die dort tätig sind.

Herr Kollege Gusenbauer, nehmen Sie zur Kenntnis: Man wird das in Zukunft anders machen! Man wird nicht unter der Hand verteilen, sondern man wird sich namhafter Institutionen wie Morgan Stanley, Warburg Dillion Read, Goldman Sachs, Marrill Lynch und ähnlicher Unternehmen bedienen, und man wird nicht unter der Hand vergeben, so wie es der ehemalige Minister-, respektive Kanzlersekretär, der Herr Kramer, mit dem Unternehmen Telecom gemacht hat. Dieser Herr hat nämlich – ganz still und heimlich von Ministersekretär zu Ministersekretär – den Italien-Deal eingefädelt, und heute beklagen Kollege Gusenbauer und andere, dass es eigentlich ziemlich schrecklich ist mit den Italienern.

Wer war denn das, der diese Zustände herbeigeführt hat? Vielleicht die damalige Opposition?! – Ich muss schon sagen: Bitte nehmen Sie sich selbst beim Wort! Dieses Herumjeiern und dieses der Vergangenheit-Nachjammern, meine Damen und Herren, hat keinen Sinn.

Wir werden jetzt die Dinge beim Schopf ergreifen, wir werden ordnungsgemäß privatisieren (Abg. Leikam: Mit Ellbogen!), und es braucht niemand Angst zu haben vor dieser Privatisierung, denn sie wird zum Wohle Österreichs, zum Wohle des österreichischen Kapitalmarktes und zum Wohle der österreichischen Wirtschaft sein. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Rufe: Bures! Bures!)

Wir haben doch noch eine Wortmeldung, und zwar die von Frau Abgeordneter Bures. – Bitte.

17.54

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Firlinger, drei Stunden Debatte haben bei Ihnen offensichtlich null Wirkung hinterlassen. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht uns nämlich darum, dass leider – das hat diese Debatte gezeigt – sozusagen Ihre 100-Prozent-Privatisierungs-Ideologie vor wirtschaftlicher Vernunft gesiegt hat. Und das ist das Problem, das wir heute aufgezeigt haben, und zwar sehr erfolgreich aufgezeigt haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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15. Sitzung / Seite 54

Diese Bundesregierung begeht nämlich nicht nur im Wirtschaftspolitischen, aber da vor allem, schwere Fehler. Sie versucht, in einer Blitzaktion sehr wertvolle, traditionsreiche Unternehmen ohne Einbeziehung der Beschäftigten und ohne Rücksichtnahme auf diese abzuverkaufen. Es geht nicht um mehr Privat oder mehr Staat, sondern es geht darum, dass – und das kritisieren wir – Staatsvermögen, das Vermögen der Österreicherinnen und Österreicher verschleudert, dass der Standort Österreich gefährdet wird (Abg. Haigermoser: Sie passen nicht auf!) und dass das unvorhersehbare Folgen für 121 000 Beschäftigte in diesem Land hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Es besteht der Verdacht, dass Sie nicht aufgepasst haben!)

Das sind nicht irgendwelche Unternehmen in dieser ÖIAG-Gruppe. Da geht es um Schlüsselindustrien, da geht es um die Zukunftsindustrie unseres Landes, die Sie verschleudern. Da sind 121 000 Menschen beschäftigt, und von diesen Betrieben erhielten wir bisher jährlich rund 20 Milliarden Schilling an Steuereinnahmen. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist ja peinlich, was Sie da sagen!)

Ich weiß schon, dass Sie konzeptlos sind in diesem Bereich, daher passieren diese Husch-Pfusch-Aktionen. Und was ich sehr bedauere, ist der Umstand, dass, obwohl wir davon gesprochen haben, dass Privatisierung mit Hirn stattfinden soll, diese Privatisierung nun ohne Hirn, ohne Patriotismus und ohne soziales Gewissen stattfindet, wenn das durchgeht, was Sie wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen fehlt es an dem nötigen sozialen Gefühl, Ihnen fehlt aber auch das Gefühl für den Wert des Interessenausgleiches. Anders kann man nämlich nicht verstehen, dass Sie dieses Gesetz in einem Schnellverfahren durchfechten wollten, dass Sie das eben ohne Einbeziehung der Arbeitnehmerorganisationen hier durchpeitschen wollten.

Wissen Sie, was Sie damit erreichen? – Sie haben für politische Unruhe in Österreich gesorgt, indem Sie Österreich nach außen isoliert und nach innen gespalten haben. (Abg. Schwarzenberger: Nein, das waren Sie!) Mit dem nächsten Schritt, den Sie tun, sorgen Sie leider für Unsicherheit und für soziale Unruhe in unserem Land.

Wir werden das aufzeigen, und wir werden auch aufzeigen, wie sehr Sie die Arbeitnehmer und die "kleinen" Leute betrogen haben und gegen deren Interessen arbeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Redezeit noch eine Minute. – Bitte.

17.56

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Sondersitzung hat sehr gut gezeigt, dass die Bundesregierung neue Konzepte hat, um die Arbeitsplätze auf Dauer zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Sondersitzung war sehr gut. Wir bedanken uns dafür, dass sie anberaumt wurde, auch wenn nicht alle unsere VorrednerInnen verstanden haben, worum es geht. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Meine Damen und Herren! Ein bisschen mehr Ruhe! Wir kommen zum Abstimmungsvorgang.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Trattner, Dr. Stummvoll und Genossen betreffend Forcierung der Mitarbeiterbeteiligung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 4.) (Abg. Kiss: Da sieht man, wer für die Mitarbeiterbeteiligung ist! – Abg. Dr. Khol: Für die echte Mitarbeiterbeteiligung! – Weitere Zwischenrufe.) Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist vorbei.


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15. Sitzung / Seite 55

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 244/AB

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nunmehr zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 244/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch die Schriftführerin erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeter Staatssekretäre sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Dr. Spindelegger als Antragsteller des Verlangens die Debatte zu eröffnen. – Bitte.

17.59

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In den Medien war über die Amtsübergabe einiger Minister an ihre Nachfolger einiges Aufsehen vorzufinden. Wir haben auch hier im Hohen Hause schon einige Male darüber diskutiert. Einige Kollegen aus der ÖVP und ich haben daher eine Anfrage gestellt, um Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Wir haben nunmehr eine Antwort des Herrn Bundesministers für Finanzen vorliegen, meine Damen und Herren, die allerdings nicht zu den schönsten Kapiteln in der österreichischen Politik zählt. Die Fakten, die auf dem Tisch liegen, geben mir zu einigen Überlegungen Anlass.

Punkt 1: Schon der erste Satz der Antwort des Bundesministers für Finanzen auf die Frage, wie denn die näheren Umstände bei der Amtsübergabe von Bundesminister Edlinger an Bundesminister Grasser waren, ist viel sagend. Er lautet: "Eine Amtsübergabe durch Bundesminister Edlinger hat nicht stattgefunden." – Ende. (Abg. Dr. Khol: Unglaublich! – Abg. Haigermoser: Ungeheuerlich!)

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass das wirklich eine Vorgangsweise ist, die ihresgleichen sucht. Bisher war es, glaube ich, in dieser Republik üblich, dass man auch dann, wenn man lange Zeit ein Ministerium geführt hat und wenn man den Nachfolger – sei es, weil er von einer anderen Partei kommt, sei es aus persönlichen Gründen – nicht schätzt und nicht unbedingt zum engsten Kreise zählt, die Größe aufbringt, seinem Nachfolger das Amt entsprechend zu übergeben. Ich meine, das ist eine Vorgangsweise, die zu Recht besteht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich verstehe durchaus, dass es schmerzt, wenn man ein solcher Vollblutpolitiker wie Herr Ex-Minister Edlinger ist und das Amt an einen Minister einer anderen Partei übergeben muss. Aber dennoch kann ich es nicht verstehen, dass man dann eine Politik der verbrannten Erde betreibt und sagt: Ich will alle Brücken zu diesem Nachfolger abbrechen, ich will damit nichts zu tun haben. – Das ist eine Vorgangsweise, von der wir von der ÖVP uns absolut distanzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! So, wie das überall in Österreich üblich ist, auch auf dem politischen Parkett einer Gemeinde, einem Land (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein, bitte, da habe ich andere Erfahrungen gemacht!), in dem das Amt von einem Bürgermeister zum anderen, von einem Landesrat zum anderen übergeben wird, ist eine gewisse Spielregel einzuhalten, und diese Spielregel lautet: Es kommt der Staat vor der eigenen Person und vor der Partei. Ich meine, dazu sollte man auch weiterhin stehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist aber nicht nur eine Frage der Courtoisie. Das ist mein zweiter Punkt, und da wird es wirklich schon etwas bedenklicher. Wenn man fragt, welche Akten von Minister Edlinger dem nächsten Minister Grasser eigentlich übergeben wurden, ist auch diese Antwort kurz und viel


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15. Sitzung / Seite 56

sagend. Herr Bundesminister Grasser antwortet: "Akten wurden nicht übergeben." – Punkt und Ende.

Meine Damen und Herren! Auch das ist eine Vorgangsweise, die ich nicht verstehen kann. Entweder gibt es in einem Ministerbüro keine Akten, die interessant sind, oder man hat sie alle vernichtet, sodass keine übergeben werden müssen. Das ist ein Zustand, den ich nicht unterstützen und auch nicht akzeptieren kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass hier auch Herr Ex-Minister Edlinger Aufklärungsbedarf hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht genug Materien im Finanzministerium gegeben hat, über die man redet. Solche "Kleinigkeiten" wie der Budgetvollzug 2000, solche "Kleinigkeiten" wie die Drohung, dass man Österreich ausschließen wird, wenn man nicht die Anonymität des Sparbuchs abschafft, solche "Kleinigkeiten" wie der ECOFIN-Rat, der bevorsteht, wären doch eigentlich Materien, über die man mit einem Nachfolger reden muss.

Keine Übergabe ist erfolgt. Auch das ist ein wirklich erschütterndes Beispiel dafür, dass man offenbar wieder die Partei und das eigene Befinden vor die Verwaltung und vor das Wohl des Staates stellt. Auch das ist für uns nicht akzeptabel! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein dritter Punkt, meine Damen und Herren: Es werden in der Anfragebeantwortung auch skurrile Details sichtbar. Zum Beispiel stimmt offenbar das, was schon einige Male angeklungen ist: dass die Daten auf den Festplatten der PCs im Ministerbüro gelöscht wurden, auch gleich alle Betriebsprogramme (Abg. Dr. Khol: Alle Betriebsprogramme?), und dass bei den digitalen Telefonapparaten alle gespeicherten Nummern gelöscht wurden (Abg. Dr. Martin Graf: Wahrscheinlich hat er noch eine Raubkopie zu Hause!), auch alle Direktverbindungen zu den anderen Ressorts – eine merkwürdige Vorgangsweise! (Abg. Dr. Khol: Nicht nur die Privatnummern!) Auch dass die Direktleitung ins Parlament, womit man den Debatten im Nationalrat oder Bundesrat folgen kann, gekappt wurde und dass sie nicht mehr funktionsfähig war, ist ein doch etwas skurriles Detail. (Abg. Dr. Pumberger: Vandalismus ist das!)

Man könnte meinen, darüber muss man großzügig hinwegsehen. Meine Damen und Herren, ich möchte darüber nicht großzügig hinwegsehen. Es ist nichts anderes als das Sinnbild einer gewissen Geisteshaltung, die dadurch offenkundig wird. Ich glaube, dass diese Anfragebeantwortung des neuen Bundesministers Grasser zu einer Art Dokument einer Geisteshaltung der Sozialdemokratie geworden ist, einem Dokument, das sagt, dass 30 Jahre SPÖ-Regierungsverantwortung in Schlüsselressorts offenbar dazu geführt haben, dass man auch ein Ministerium, ein Ministerbüro als einen verlängerten Arm der eigenen Partei gesehen hat. (Abg. Grabner: Frag den Pröll!) Aber das ist, glaube ich, nicht nur ganz klar gegen die Verfassung und ganz klar gegen die Übung in unserem Lande, sondern das ist meiner Ansicht nach auch inhaltlich überaus bedenklich. Wir möchten uns auch davon strikt distanzieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten dieses negative Beispiel zum Anlass dafür nehmen, klar festzuhalten, dass in dieser Republik Spielregeln einzuhalten sind und dass ein Minister auf keinen Fall ein Ministerbüro oder ein Ministerium als verlängertes Eigentum seiner selbst ansehen kann, sondern dass es immer darum geht, dass nach den Spielregeln einer Demokratie derjenige Minister, der gerade im Amt ist, das Recht und den Anspruch darauf hat, dass das gesamte Ressort ihn unterstützt, damit in dieser Republik alles bestens funktioniert.

Meine Damen und Herren, mein letzter Satz dazu, das ist meine Schlussfolgerung: Ganz offenkundig wird durch diese Vorgänge, dass 30 Jahre sozialistische Finanzminister genug waren und dass ein Machtwechsel mehr als fällig war. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Jetzt hat er Erklärungsbedarf!)


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15. Sitzung / Seite 57

18.07

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne diese Gelegenheit wahrnehmen, auf Grund dieser Anfragebeantwortung auch meine Sicht der Dinge darzustellen, wobei das Eingehen auf sechs Fragen in fünf Minuten ein bisschen ein Problem darstellen könnte. Ich werde versuchen, es entsprechend rasch zu machen.

Zunächst möchte ich einmal sagen, dass die Beantwortung des Herrn Bundesministers Grasser korrekt ist und auch meinen Informationen entspricht. Ich möchte aber zum ersten Punkt sagen ... (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Den Informationen entspricht ...!) Selbstverständlich!

Ich möchte nur zum ersten Punkt sagen, dass weder am Vortag noch am Tag der Angelobung der neuen Bundesregierung von Herrn Mag. Grasser der Versuch einer Kontaktaufnahme mit mir erfolgte. Da eine solche Kontaktaufnahme auch gegenüber meinem Kabinett unterblieb, habe ich den Präsidialchef mit der Vorbereitung der technischen Amtsübernahme beauftragt.

Ich möchte aber hier der Vollständigkeit halber erwähnen, dass in der Vorwoche Herr Mag. Grasser ein Gespräch mit mir suchte und dass ich sofort zugesagt habe. Das Gespräch findet morgen statt. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Sehr spät!) Entschuldigen Sie – ich weiß nicht, warum es da ein Gelächter gibt. Wenn man einen Termin will, muss man ihn vereinbaren, und das ist nicht erfolgt! (Beifall bei der SPÖ.) Und dass man wartet, ob er am Freitag – wann immer – kommt, das ist ein bisschen viel verlangt. (Abg. Schwarzenberger: Morgen findet die "Amtsübergabe" statt!)

Zum Zweiten: Zur aufgeworfenen Frage der Aktenübergabe möchte ich festhalten, dass es nie zu meinem Arbeitsstil gehört hat, Akten liegen zu lassen. Es sind alle Akten immer am selben Tag bearbeitet worden. Daher konnten auch keine offenen Akten übergeben werden.

Ich möchte allerdings – und es wäre fair gewesen, wenn das festgestellt worden wäre – darauf hinweisen, dass ich meine Sektionen in der letzten Woche beauftragt habe, eine Dokumentation über jene Notwendigkeiten, die in den nächsten Tagen und Wochen im Finanzministerium anfallen werden, zusammenzustellen. Eine derartige 90-seitige Dokumentation wurde Herrn Bundesminister Grasser auch übergeben.

Zur dritten Frage: Es wurden selbstverständlich keine Akten des Finanzministeriums – und schon gar nicht in viel sagenden blauen Säcken – verbrannt. Die erledigten Akten wurden immer den zuständigen Abteilungen zur Ablage übermittelt.

Zur Frage der Computer möchte ich darauf hinweisen, dass im Rahmen des Kabinetts selbstverständlich auch Korrespondenzen erledigt worden sind, von denen ich eigentlich nicht die Absicht hatte, sie weiterzugeben. Es sind daher von den Technikern der zuständigen Sektion die Programme gelöscht worden. Selbstverständlich ist das wiederherzustellen.

Mit der Löschung der gespeicherten Telefonnummern verhält es sich ähnlich. Da gab es an die 20 Kurznummern, von denen mindestens zwei Drittel solche waren, die für den Nachfolger von überhaupt keinerlei Relevanz gewesen sind. Daher wurde diese Speicherung gelöscht.

Zur sechsten Frage betreffend Lautsprecher kann ich Ihnen bedauerlicherweise keine Auskunft geben. In meinem Zimmer wurden sie nicht entfernt. Ich habe aber gehört, dass in einem Büro eines meiner Mitarbeiter einer entfernt worden ist. Das tut mir persönlich Leid, wurde von mir nicht veranlasst und wäre auch nicht angeschafft worden.

Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, dass, hätte es ein Ersuchen um eine Amtsübergabe gegeben, eine solche selbstverständlich stattgefunden hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.


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15. Sitzung / Seite 58

18.11

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Edlinger, Sie sind ein schlechter Verlierer, ein wahrlich schlechter Verlierer! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben bis heute nicht verdaut, dass Sie von der Macht weg sind und dass Sie vom Bürger abgewählt wurden. Ich habe mir doch gedacht, dass Sie im Laufe der Zeit in sich gehen und einmal sagen werden – und heute hätten Sie hier die Möglichkeit dazu gehabt –: Okay, in der Stunde der Übergabe war ich erregt und habe nicht so gehandelt, wie es sich gehört hätte! – Jetzt hätten Sie die Möglichkeit gehabt zu sagen, dass es nicht richtig war, und die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Aber nein, Sie haben Ihre Aussagen gebetsmühlenhaft wiederholt!

Herr Kollege Edlinger! Es ist bedauerlich, wenn Sie hier sagen, Sie hätten eine halbe Stunde lang auf den neuen Finanzminister gewartet. (Abg. Dr. Mertel: ... drei Stunden waren!) Sie hätten vielleicht auch eine halbe Stunde länger warten können, denn schließlich bekommen Sie Ihr Ministergehalt auch noch für den ganzen Monat. (Abg. Edlinger: Das ist nicht wahr! Das ist falsch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu den Datei-Löschungen darf ich Sie an eines erinnern, Herr Bundesminister (Abg. Grabner: Denk an den Rosenstingl! Das war dein bester Freund!): Das Hohe Haus hat hier vor einiger Zeit eine Änderung der Bundesabgabenordnung beschlossen, wodurch jeder Unternehmer zu Folgendem verpflichtet worden ist: Wenn er Buchhaltungen über EDV erstellt – EDV-unterstützt –, genügen nicht die Papierausdrucke für die Finanzverwaltung, sondern es ist nötig, dass sowohl die Daten als auch die Betriebssysteme entsprechend auf Transport-Files gespeichert und der Finanzverwaltung vorgelegt werden müssen.

Aber was machen Sie als Finanzminister? – Sie löschen nicht nur die Dateien, sondern auch die Betriebssysteme! Für mich stellt sich hier die Frage, Herr Ex-Finanzminister: Wollten Sie keine ordentliche Übergabe machen, oder haben Sie etwas zu verbergen? – Beides wäre sehr schlecht. Haben Sie etwas von Ihren Dateien zu verbergen, oder wollten Sie nicht wahrnehmen, dass Sie vom Bürger abgewählt wurden? (Abg. Grabner: Rosenstingl, das war dein Freund!)

Herr Ex-Finanzminister! Ich habe in meiner 30-jährigen Laufbahn als Wirtschaftstreuhänder viele Betriebsübergaben mitgemacht – aber eine derartige Desavouierung des Übernehmers konnte ich in diesen 30 Jahren noch nie feststellen. Das ist wirklich eine unglaubliche Art und eine Verhöhnung des neuen Finanzministers! Herr Kollege Edlinger, für diese Vorgangsweise sollten Sie sich schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Freundschaft muss man sich erwerben, Herr Kollege Böhacker!)

Wie meinen, Kollege Parnigoni? (Abg. Parnigoni: Die muss man sich erwerben, die kriegt man nicht geschenkt!) Haben Sie etwas zu verschenken? – Ich glaube nicht, dass Sie etwas zu verschenken haben – außer den Schulden der SPÖ. 300 Millionen Schilling an Schulden der SPÖ könnten Sie vielleicht verschenken. (Abg. Grabner: So wie Rosenstingl! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber wenn Sie wollen, dann privatisieren wir die SPÖ und sanieren sie noch einmal, denn Sie sind dazu wahrscheinlich ohnehin nicht in der Lage. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Grabner: Rosenstingl!)

Meine Damen und Herren! Diese Übergabe ist ein Sittenbild dafür, wie die Sozialdemokratie im Falle des Verlustes der Macht umgeht. Das ist ein Sittenbild dafür, wie die SPÖ die demokratischen Entscheidungen des Bürgers nicht zur Kenntnis nehmen will! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte.

18.15

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Nun haben wir es mit dieser Anfragebeantwortung des Finanz


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15. Sitzung / Seite 59

ministers schriftlich, was in den letzten Wochen in den Medien und unter der Hand immer kolportiert wurde, nämlich dass da Handlungen gesetzt wurden, die unfassbar sind und die zum Beispiel einem normalen Verein, einem Vereinskassier, nicht passieren dürfen. Jeder ordnungsgemäße Verein übergibt die Kasse dem nächsten Obmann und dem nächsten Kassier. Sie aber, Herr Minister Edlinger, haben das nicht getan. (Abg. Edlinger: Das ist kein Verein!) Sie haben – und das haben wir jetzt schwarz auf weiß – vielmehr nicht nur Daten, sondern darüber hinaus auch Betriebsprogramme gelöscht. (Abg. Edlinger: Ich habe nichts gelöscht!) Das ist fahrlässig! Sie haben wahrscheinlich noch viel mehr getan, als da herinnen steht, und das ist aufklärungsbedürftig.

Und Sie reden von Toleranz und Humanität, gerade Sie? – Sie haben das in Ihrem Grundsatzprogramm enthalten: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind dem Ideal einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft verpflichtet. – Wo denn? Mit derartigen Aktionen? (Abg. Leikam: Schau, wie er zittert!) Das muss man in der Öffentlichkeit ganz genau aufzeigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Herr Steindl! Sie kriegen einen Herzinfarkt, wenn Sie sich so aufregen!)

Sie reden von Wahrheit, Wahrhaftigkeit, gegenseitiger Achtung – und dann verbreiten die sozialistischen Gewerkschafterinnen am internationalen Frauentag Unwahrheiten, so zum Beispiel:

Im Programm der blau-schwarzen Regierung sind keine ausreichenden Förderungen für Wiedereinsteigerinnen, kein weiterer Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, eine Schlechterstellung der Alleinerzieherinnen vorgesehen. – Zitatende. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) 

Ich frage Sie: Woher nehmen Sie das? Woher haben Sie das überhaupt? Was gibt Ihnen das Recht, hier Unwahrheiten zu verbreiten? – Das sind Unwahrheiten! Das lassen wir uns sicherlich nicht gefallen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und dafür lässt sich noch, Herr Präsident Verzetnitsch, die so genannte überparteiliche Gewerkschaft einspannen? – Da ist es kein Wunder, wenn sich sehr viele Mitglieder der Gewerkschaft überlegen, aus dieser Gewerkschaft auszutreten. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Genau, Herr Grabner, die Sprache, die Mimik und die Gestik verraten Sie die ganze Zeit schon. Und wir, Herr Edlinger, können nichts dafür, wenn Ihnen vielleicht die Wurst wirklich abhanden gekommen ist – wir von der Volkspartei sicherlich nicht!

Meine Vorredner haben das schon betont: Es ist sehr schwer, wenn man nach 30 Jahren ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Am Wort ist Herr Abgeordneter Steindl!

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (fortsetzend): Es ist natürlich sehr schwer, wenn man sich nach 30 Jahren von der Macht verabschieden muss. Und es ist traurig, wie die Übergabe erfolgt ist. Machen Sie nur so weiter, die Bevölkerung sieht das ganz genau: Wahltag ist Zahltag! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP), obwohl es einem jetzt nicht leicht fällt, zu unterscheiden, ob man die Debatte ernst nehmen oder sie dort belassen soll, wo sie manche Redner auch hingetrieben haben, nämlich im Lächerlichen.

Nur einen Satz zum ernsten Teil: Tatsächlich ist es ein schreckliches Schauspiel, wie Sie es hier bieten, nämlich untereinander – ich meine die alten und die neuen Regierungsfraktionen –,


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15. Sitzung / Seite 60

darüber, wie eine Übergabe stattfindet oder eben auch nicht. Ich weise Sie aber darauf hin, Kollege Steindl, dass diese Art von Beiträgen hier auch nicht dazu geeignet ist, das Problem künftighin besser zu lösen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme zum lächerlichen Teil dieser Sache. Die Frage 6 betreffend Lautsprecheranlage ist offensichtlich im Reich des Walt Disney beheimatet. Ich frage mich nur, warum Sie nicht eine Frage 7 angeschlossen haben: warum Herr Finanzminister Edlinger es nicht der Panzerknacker-Bande AG überlassen hat, die Tresore auszuräumen. (Abg. Schwarzenberger: Weil nichts drinnen war!)  – Auf einem solchen Niveau werden wir das Problem nicht lösen.

Ein Letztes dazu: Üblicherweise baut sich nach Machiavelli ein Regime, das innenpolitisch Schwierigkeiten hat, einen außenpolitischen Feind auf. Klare Sache! – Bei Ihnen ist es offensichtlich umgekehrt: Sie haben außenpolitisch die größten Schwierigkeiten und Feinde und bauen daher innenpolitisch einen Gegner auf, und zwar in einer Art und Weise, die einfach lächerlich ist! – Seien Sie mir nicht böse! (Beifall bei den Grünen.)

18.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Karl-Heinz Grasser. – Bitte. (Abg. Schieder: Das ist "elegant", als Letzter! Das ist der Stil in dieser Regierung!)

18.20

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf Ihnen sagen, Sie können beruhigt sein. Ich möchte meine schriftliche Anfragebeantwortung nicht weiter ergänzen, obwohl ich das könnte.

Aber ich wurde darauf hingewiesen, dass es eine Präsidialvereinbarung geben soll, wonach sich der Minister zu Wort melden muss. Um mir zu ersparen, dass Sie mir eine Debatte anhängen, weil ich mich nicht zu Wort melde und sozusagen eine Präsidialvereinbarung nicht einhalten würde (Abg. Dr. Kostelka: Diese Präsidialvereinbarung hätte ich gerne gekannt! Die gibt es nicht!) , darf ich hiermit auf meine schriftliche Beantwortung verweisen und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Das ist die Unwahrheit!)

18.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Kostelka hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Diese Debatte der letzten Minuten war ohnedies nur eingeschränkt ernsthaft. Aber wenn sich ein Finanzminister auf eine Vereinbarung in der Präsidiale beruft, die nicht existiert, so ist das zumindest festzustellen.

Herr Bundesminister! Sie sind noch nicht so lange im Amt, Sie können das vielleicht nicht wissen: Eine Vereinbarung, dass sich ein Minister zu Wort melden muss, hat der Vertreter der Regierung stets abgelehnt. Wenn Sie aber in Zukunft dazu bereit sind, werden wir gerne darauf zurückkommen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Dr. Martin Graf. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Es gibt zwar keinen Beschluss der Präsidiale, dass sich ein Minister zu Wort melden muss, das ist richtig. (Abg. Parnigoni: Dann hat er die Unwahrheit gesagt!) Aber es gibt eine ständige Courtoisie in diesem Hause, dass sich ein Minister bei Besprechungen von Anfragebeantwortungen zu Wort meldet – ein lang und oft gehegter Wunsch der Opposition. (Abg. Schieder:


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Aber nach der Begründung – und nicht am Schluss!) Die freiheitlichen Minister halten sich an diese Courtoisie, im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die sich an keine Courtoisie in diesem Hause mehr halten wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 56/A der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen betreffend Entschädigung der Gemeinden für den Entfall der Getränkesteuer eine Frist bis 20. März 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich grüße die Bürgermeister Tirols von euch!)

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 105/A bis 116/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 467/J bis 518/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, den 21. März 2000, um 11 Uhr in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.23 Uhr